Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Karlsruhe Urteil vom 21.06.2013 - 1 C 18/13 - Neuwertersatz bei Entwendung eines Navigationsgerätes
AG Karlsruhe v. 21.06.2013: Neuwertersatz bei der Entwendung eines Navigationsgerätes
Das Amtsgericht Karlsruhe (Urteil vom 21.06.2013 - 1 C 18/13) hat entschieden:
- Der Versicherungsnehmer kann den ihm obliegenden Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls nach Entwendung eines fest eingebauten Navigationsgerätes auch ohne die Feststellung von Aufbruchsspuren am Kraftfahrzeug führen.
- Bei Diebstahl eines vom Hersteller eingebauten Navigationsgerätes kann der Versicherungsnehmer eine Entschädigung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes eines neuen Navigationsgerätes desselben Herstellers verlangen.
Siehe auch Navigationsgeräte und Abzüge "Neu für Alt"
Tatbestand:
Der Kläger unterhält für seinen von ihm am 10.05.2012 gebraucht erworbenen Audi A 3 Sportback bei der Beklagten seit diesem Tag eine Teilkaskoversicherung gemäß Versicherungsschein vom 15.05.2012 (AS 11-19) mit einer vereinbarten Selbstbeteiligung von EUR 150,--. Am 11.05.2012 erstattete er bei der Polizei in Karlsruhe Anzeige wegen Entwendung eines im Fahrzeug fest eingebauten Navigationsgeräts. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt er die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe der Kosten für eine Neubeschaffung nach Maßgabe eines Angebots des Autohauses ... vom 21.05.2012 (AS 25) über EUR 3.491,07 abzüglich Selbstbeteiligung in Anspruch. Der Kläger hat das Navigationsgerät bisher nicht ersetzt sondern lediglich ein Radiogerät eingebaut.
Der Kläger behauptet, dass er sein Fahrzeug am 10.05.2012 gegen 19.50 Uhr vor seiner Wohnung im Bereich ... verschlossen abgestellt habe. Als er sich am 11.05.2012 gegen 5.00 Uhr morgens auf den Weg zur Arbeit gemacht und das Fahrzeug geöffnet habe, habe er festgestellt, dass die Innenraumbeleuchtung in Betrieb und das mit einem Radiogerät und CD-Wechsler eingebaute Navigationsgerät nicht mehr vorhanden gewesen sei; das Antennenkabel sei abgeschnitten und die Steckverbindungen seien abgezogen gewesen. Er behauptet des Weiteren, dass in dieser Nacht aus drei weiteren Fahrzeugen in der Nachbarschaft ohne sichtbare Einbruchspuren Navigationsgeräte entwendet worden seien.
Der Kläger beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.341,07 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.11.2012 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die durch die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Bevollmächtigten angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 359,90 zu erstatten zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, EUR 359,90 an die Rechtsschutz-Versicherungs-AG zu Schadennummer ... zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass sich das Navigationsgerät beim Abstellen des Fahrzeugs im Pkw befunden hat; ebenso bestreitet sie das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner Beobachtungen bei Rückkehr zum Fahrzeug und die Entwendung weiterer Geräte in derselben Nacht mit Nichtwissen. Sie macht außerdem geltend, dass der klägerische Vortrag, wonach das Antennenkabel abgeschnitten, die Steckverbindungen hingegen abgezogen gewesen seien, nicht plausibel erscheine. Außerdem ist sie der Auffassung, dass im Hinblick auf das Alter des Geräts jedenfalls ein Abzug “alt für neu“ vorzunehmen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger ist zum überwiegenden Teil begründet.
I.
1. Der Kläger kann von der Beklagten aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses gemäß § 1 VVG in Verbindung mit A.2.2.2, A.2.6.1 u. A.2.18 AKB Zahlung eines Betrags in Höhe von EUR 2.691,23 verlangen.
a) Das Gericht geht davon aus, dass das – im Rahmen der Teilkaskoversicherung nach A.2.1.2. lit. g AKB mitversicherte – Navigationsgerät aus dem Pkw des Kläger entwendet worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung werden dem Versicherungsnehmer im Entwendungsfall Darlegungs- und Beweiserleichterungen eingeräumt, die darauf beruhen, dass ihm in der Regel keine Zeugen für den Nachweis der eigentlichen Entwendungshandlung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich genügt es deshalb, wenn der Versicherungsnehmer einen Sachverhalt (das so genannte “äußere Bild“) beweist, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass versicherte Gegenstände in einer den Versicherungsbedingungen entsprechenden Weise entwendet worden sind (vgl. Heß/Höke in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage, § 30 Rn. 202 ff mit Rechtsprechungsnachweisen). Bei der Kfz-Versicherung ist das äußere Bild eines Diebstahls regelmäßig dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abstellt, an dem er es später nicht wieder vorfindet (vgl. Stadler in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Auflage, AKB A.2.2 Rn 89 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Beweisregelung gilt entsprechend für die Entwendung von Teilen des abgestellten Fahrzeugs (vgl. OLG Köln RuS 2006, 103). Als Beweismittel für das äußere Bild kommen in erster Linie Zeugen in Betracht; stehen dem Versicherungsnehmer solche nicht zur Verfügung, darf der Versicherungsnehmer allein deshalb noch nicht als beweisfällig angesehen werden. Vielmehr kann der Tatrichter im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch lediglich aufgrund der persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO dem Versicherungsnehmer Glauben schenken, wobei zu Gunsten des Versicherungsnehmers eine Redlichkeitsvermutung gilt (vgl. Heß/Höke, a. a. O., Rn. 204 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Gemessen an diesen Grundsätzen erachtete das erkennende Gericht den dem Kläger obliegenden Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls als geführt (§ 286 ZPO). Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung glaubhaft ausgesagt, dass er sein Fahrzeug abends vor seiner Wohnung in unversehrtem Zustand mit eingebautem Navigationsgerät abgestellt und dieses am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit an der gleichen Stelle ohne Navigationsgerät wieder vorgefunden hat. Tragfähige Gesichtspunkte, die geeignet wären, die Glaubwürdigkeit des Klägers zu erschüttern, sind nicht gegeben. Unredlichkeiten, die mit dem fraglichen Vorfall in keinem Zusammenhang stehen hat die Beklagte ebenso wenig dargetan wie Gesichtspunkte, die mit dem streitigen Vorfall in Beziehung stehen und die Glaubwürdigkeit des Klägers beeinträchtigen könnten.
Den bei dieser Sachlage ihr obliegenden Beweis konkreter Tatsachen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls begründen könnten (vgl. hierzu Heß/Höke, a. a. O., Rn. 206 mit Rechtsprechungsnachweisen), hat die Beklagte nicht geführt. In diesem Zusammenhang müssen mehrere Indizien von einigem Gewicht vorliegen (Heß/Höke, a. a. O., Rn. 207). Hieran fehlt es vorliegend. Der Umstand, dass am Fahrzeug keine Aufbruchspuren vorhanden waren und nach dem klägerischen Vorbringen – das sich die Beklagten in diesem Zusammenhang wohl hilfsweise zu Eigen macht – die Steckverbindungen gezogen, also nicht durchtrennt waren, ist nicht ausreichend. Denn es gibt technische Möglichkeiten, ein mit einer funkgesteuerten Zentralverriegelung versehenes Kraftfahrzeug ohne Aufbruchspuren zu öffnen, was auch die Beklagte im Grundsatz nicht in Abrede stellt. Soweit sie in diesem Zusammenhang ausführt, der Nachweis, dass die Verriegelung an seinem Fahrzeug auf diese Weise überwunden worden sei, sei dem Kläger nicht gelungen, verkennt sie, dass dem Kläger die Führung dieses Beweis gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht obliegt. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des OLG Hamm vom 08.02.2012 im Verfahren 20 U 172/11 (VersR 2012, 1165) bietet für eine andere Beurteilung des vorliegenden Falles keine Veranlassung. Denn in dem dem OLG Hamm zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt lagen – anders als im Streitfall – über das Fehlen von Aufbruchspuren und durchtrennten Kabelverbindungen hinaus noch weitere Indizien vor, die (erst) in ihrer Gesamtschau eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung begründen konnten.
b) Die Höhe der dem Versicherungsnehmer zustehenden Entschädigung bemisst sich gemäß A.2.18 AKB bei Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust von mitversicherten Teilen entsprechend der Regelungen in A.2.6 bis A.2.17 für das Gesamtfahrzeug. Im Falle der Entwendung eines Zubehörteils wie einem Navigationsgerät ist daher der Wiederbeschaffungswert zu ersetzen. Der Wiederbeschaffungswert entspricht im Falle eines bereits vom Hersteller des Fahrzeugs fest eingebauten Gerätes dem Neupreis, wenn es für entsprechende Geräte keinen Gebrauchtmarkt gibt, auf den sich der Versicherungsnehmer zumutbarerweise verweisen lassen muss. Der Versicherungsnehmer hat Anspruch auf Ersatz nicht durch irgendein gleichwertiges Gerät sondern durch ein entsprechendes Gerät des fraglichen Kfz-Herstellers. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers gibt es jedoch keinen Gebrauchtmarkt für ein solches Gerät, weshalb die Vertragswerkstatt auch nicht in Lage ist, dem Kläger ein gleichwertiges Gebrauchtgerät anzubieten. Ob es möglich wäre, über das Internet ein vergleichbares Gebrauchtgerät des Herstellers zu beschaffen, kann im Ergebnis dahin stehen, weil die Beklagte dies nicht geltend macht. Im Übrigen müsste sich der Kläger hierauf nicht verweisen lassen. Nicht anders als im allgemeinen Schadensrecht (§§ 249 ff BGB) kann auch der geschädigte Versicherungsnehmer sich auf den ihm allgemein offen stehenden Markt der im näheren Umkreis ansässigen Vertragshändler beschränken.
Ein Abzug “neu für alt“ ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorzunehmen. Die Vertragsinhalt gewordenen AKB bieten hierfür keine Grundlage. Die Regelung in den AKB sieht einen entsprechenden Abzug zwar in A.2.7.3 vor, diese Bestimmung betrifft jedoch allein die Entschädigungshöhe im Falle einer Beschädigung der versicherten Sache; eine entsprechende Regelung für den Fall des Totalschadens oder der Entwendung fehlt hingegen. Der Versicherungsnehmer darf daher bei verständiger Würdigung der Gesamtregelung die AKB so verstehen, dass ein Abzug neu für alt nur bei Reparaturschadensfällen vorgenommen werden muss (so auch Meinecke in: Stiefel/Maier, a. a. O., AKB A.2.7 Rn. 25).
Die Kosten für ein neues Gerät und dessen Einbau belaufen sich ausweislich des vorgelegten Angebots – ohne DVD – auf EUR 2.741,23 ohne Umsatzsteuer. Die Kosten für die DVD sind gemäß A.2.1.2. lit. b AKB maximal in Höhe von EUR 100,-- ersatzfähig; die darüber hinausgehenden Kosten gemäß dem vorgelegten Angebot (EUR 192,44 netto) sind deshalb nicht ersatzfähig. Insgesamt ergibt sich damit ein Ersatzbetrag von EUR 2.841,23, der sich noch um die unstreitige Selbstbeteiligung von EUR 150,-- vermindert, sodass ein Betrag von EUR 2.691,23 verbleibt. Soweit der Kläger Umsatzsteuer beansprucht, ist die Klage derzeit unbegründet, weil er unstreitig noch keine Ersatzbeschaffung vorgenommen hat und gemäß A.2.9 AKB Mehrwertsteuer nur erstattet wird, wenn diese tatsächlich angefallen ist.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.
3. Ohne Erfolg bleibt die Klage bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Dem klägerischen Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Entstehung der fraglichen Kosten bereits in Verzug (§ 280, 286 BGB) befunden hat.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.