Zwar soll einem Geschädigten ein ungeschmälerter Ersatz des ihm verursachten Schadens zukommen, jedoch gilt gleichermaßen der Grundsatz, dass der Geschädigte durch das schädigende Ereignis im Ergebnis nicht bereichert werden soll.
Bei der Beschädigung einer Sache ist daher zu berücksichtigen, dass der Eigentümer oftmals durch eine Wiederherstellung Neuteile erhält statt der im Schadensereignis vorhandenen gebrauchten Teile und dadurch der Wert der beschädigten Sache gesteigert wird.
Dem Ausgleich dieser Wertsteigerung dienen die Abzüge Neu für Alt, die dem Schädiger zugute kommen.
Ein derartiger Abzug setzt allerdings voraus, dass durch die neue Sache oder die Wiederherstellung durch Reparatur ein messbarer Vermögensvorteil entsteht. dies ist z. B. der Fall, wenn die neue Sache eine merklich längere Lebensdauer hat als die alte.
Ein Ausgleich ist auch nicht ausnahmslos immer geboten, sondern nur, wenn eine Anrechnung der Vorteile für den Geschädigten zumutbar ist und nicht gegen allgemeine rechtliche Wertungen verstößt.
BGH v. 24.03.1959:
Bei der Bemessung des Schadensersatzes für die Beschädigung oder Zerstörung einer durch Gebrauch und Zeitdauer im Wert gesunkenen oder schon vorher schadhaften Sache ist grundsätzlich ein Abzug zwecks Berücksichtigung des Unterschiedes von alt und neu zu machen. Das gilt auch für langlebige Wirtschaftsgüter.
BGH v. 13.03.1990:
Im Grundsatz gilt, dass der Geschädigte durch die Ersatzleistung des Schädigers nicht ärmer, aber auch nicht reicher gemacht werden soll, als er vor dem schädigenden Ereignis gewesen ist. Führt eine Ersatzleistung zum Beispiel zu einer Verwandlung einer Sache von alt in neu oder - was auf dasselbe hinausläuft - zu einer Verlängerung der Gebrauchstüchtigkeit der Sache, so gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos; es müssen vielmehr bei der Vorteilsausgleichung die Grenzen des Zumutbaren beachtet werden. Einerseits soll die Ersatzleistung zwar grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen; andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt oder unangemessen entlastet werden. Ist eine vorzeitige Generalüberholung erforderlich, so ist im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, dass die vorgezogene Generalüberholung den Zeitpunkt (und damit den Kostenaufwand) für die turnusmäßig nächste Generalüberholung hinausschiebt. Zudem ist anzurechnen, dass der Geschädigte durch den vorzeitigen Austausch beschädigter Teile die Kosten einspart, die entstehen würden, wenn die Teile bei der turnusmäßigen Generalüberholung (etwa wegen Verschleiß) ausgetauscht werden müssten.
LG Potsdam v. 16.01.2019:
Beim Ersatz für einen beschädigten Ampelmast ist nach den Grundsätzen „neu für alt“ ein Vorteil im Sinne einer messbaren Vermögensmehrung, die Folge der Schadenbeseitigung ist, zu berücksichtigen. Die Vermögensmehrung ist je nach Art des beschädigten Gegenstandes unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Geschädigten zu ermitteln. Eine verlängerte Nutzungsmöglichkeit der neuen Sache ist grundsätzlich ein geldwerter Vorteil, weil eine erneute Ersatzbeschaffung später vorzunehmen ist und somit zukünftige Aufwendungen erspart werden. Insbesondere beim Fehlen eines seriösen Gebrauchtwagenmarktes ist der Vermögensvorteil nach der verlängerten Lebensdauer der neuen Sache zu bestimmen. Dabei ist die längere Lebensdauer zur Gesamtlebensdauer ins Verhältnis zu setzen und dann prozentual vom Neupreis zum Schadenzeitpunkt in Abzug zu bringen.
OLG Naumburg v. 25.11.2015:
Ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung von Teilen einer Autobahnanlage (hier Leitplanken, eine Schilderbrücke und ein Verkehrsschild) infolge eines Verkehrsunfalls ist unter dem Gesichtspunkt eines Abzuges "neu für alt" nicht zu kürzen, wenn nicht feststeht, dass dem geschädigten Land durch die Reparaturmaßnahmen ein messbarer Vermögensvorteil entsteht.
AG Northeim v. 24.09.2015:
Grundsätzlich kommt zwar in den meisten Fällen der Grundsatz des Abzuges „Neu für Alt“ im Rahmen der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Jedoch muss eine Anrechnung des Abzuges „Neu für Alt“ dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechtes entsprechen, dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig begünstigen. Dies wäer aber der Fall, wenn man bei der Beschädigung der Pfeiler einer Toreinfahft den Ersatzanspruch auf den Zeitwert begrenzen würde.
OLG Bamberg v. 07.12.2015:
Der komplette Austausch eines 35 Jahre alten Pflasterbelags (Hoffläche) kann einen Abzug "Neu für Alt" in Höhe von 50% rechtfertigen.
OLG Hamm v. 30.10-2012:
Hat ein unfallbeschädigter Reifen bereits vor dem Unfall nur noch eine Mindestprofiltiefe von 1,6 mm erreicht, ist er alsbald zu ersetzen, so dass ein Abzug von Neu für Alt in Höhe von 100% gerechtfertigt ist.
AG Nördlingen v. 12.07.1988:
Ein Abzug "neu für alt" setzt nicht nur eine messbare Vermögensvermehrung und eine wirtschaftlich günstige Auswirkung auf das Vermögen des Geschädigten voraus, sondern der Abzug muss für den Geschädigten auch als Vorteilsausgleich zumutbar und angemessen sein. Dementsprechend ist ein solcher Abzug neu für alt beim Verlust einer 39 Jahre alten Zahnprothese nicht zumutbar, wenn ohne das schädigende Ereignis ein neuer Zahnersatz nicht erforderlich geworden wäre.