Das Verkehrslexikon
OLG Karlsruhe Beschluss vom 31.10.1979 - 10 W 51/79 - Kosten für SV-Gutachten der privaten Haftpflichtversicherung
OLG Karlsruhe v. 31.10.1979: Keine Kostenerstattung für SV-Gutachten der privaten Haftpflichtversicherung
Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 31.10.1979 - 10 W 51/79) hat entschieden:
Aufwendungen für Gutachten, die ein nicht beteiligter Haftpflichtversicherer zur Beurteilung seiner Deckungspflicht oder zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines bevorstehenden Rechtsstreits seines Versicherungsnehmers eingeholt hat und die später vom Versicherungsnehmer in den Prozess eingeführt werden, gehören zu den Geschäftsunkosten des Versicherers und können nicht als Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eines Versicherungsnehmers anerkannt werden.
Siehe auch Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren und Zur Kostenerstattung für Privatgutachten, die in das Verfahren eingebracht oder nicht eingebracht wurden
Gründe:
Der Haftpflichtversicherer des Beklagten hat vor dem Rechtsstreit ein Gutachten des Buchsachverständigen P. über die Höhe des dem Kläger infolge seiner Unfallverletzungen entgangenen Gewinns erhoben. Im Rechtsstreit hat der Beklagte weitere gutachtliche Äußerungen des Sachverständigen vorgelegt. Der Kostenbeamte des Landgerichts hat die Kosten von 3.561,60 für das Gutachten vor dem Rechtsstreit in die Kostenfestsetzung einbezogen. Die Festsetzung der weiteren Kosten von DM 1.902,53 für die gutachtlichen Äußerungen während des Rechtsstreits hat er abgelehnt.
Beide Parteien haben Erinnerung eingelegt, die nach § 104 Abs 3 ZPO, §§ 11 Abs 2, 21 Abs 2 RPflG als sofortige Beschwerden zu behandeln sind, da der Kostenbeamte und das Landgericht den Erinnerungen nicht abgeholfen haben.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist von Erfolg; das Rechtsmittel des Beklagten ist unbegründet.
Die Kosten für ein Gutachten, das eine Partei vor dem Rechtsstreit einholt, sind nach § 91 Abs 1 ZPO als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten, wenn das Gutachten zur Vorbereitung des Rechtsstreits für die im Prozess gestellten Anträge notwendig gewesen ist (Baumbach/Hartmann, ZPO, 37. Aufl, Anm 5 Stichwort "Vorbereitungskosten" zu § 91 mit Rechtsprechungshinweisen). In der hier zu entscheidenden Sache hat indessen nicht der Beklagte selbst, sondern sein am Rechtsstreit nicht beteiligter Haftpflichtversicherer das Gutachten eingeholt. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, auch in diesen Fällen seien die Aufwendungen für das Gutachten zu erstatten, wenn sie als notwendige Kosten der Vorbereitung des Rechtsstreits entstanden sind (OLG Braunschweig, VersR 1963, 393; OLG Düsseldorf VersR 1973, 863; OLG Frankfurt VersR 1975, 90; LG Baden-Baden VersR 1977, 66; Baumbach/Hartmann, aaO; Zöller, ZPO, 11. Aufl, Stichwort "Privatgutachten" zu § 91).
Diese Auffassung gründet sich offenbar auf das Weisungsrecht und Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers nach § 7 Abschn II AKB und seine Deckungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer wird aber das Gutachten regelmäßig zur Beurteilung seiner Deckungspflicht eingeholt haben. Aufwendungen für solche Gutachten gehören zu den Geschäftsunkosten des Versicherers und können nicht als Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eines Versicherungsnehmers anerkannt werden (ebenso vor allem OLG Koblenz, JurBüro 1975, 1245; ebenso auch OLG Düsseldorf aaO; Wieczorek,ZPO, 2. Aufl, § 91 Anm D Ia 3). Wird das Gutachten später vom Versicherungsnehmer in den Rechtsstreit eingeführt, so wird dadurch eine Pflicht zur Erstattung der Kosten nach § 91 ZPO nicht begründet. Denn es ist zur Prüfung der Deckungspflicht und nicht zur Vorbereitung des Rechtsstreits benötigt worden.
Die Kosten gehören aber auch dann nicht zu den notwendigen Vorbereitungskosten des Versicherungsnehmers, wenn der Haftpflichtversicherer das Gutachten sowohl zur Beurteilung seiner Deckungspflicht als auch zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines bevorstehenden Rechtsstreits seines Versicherungsnehmers hat erstatten lassen. Die Kosten dafür bleiben Geschäftsunkosten (ebenso OLG Koblenz aaO). Der Fall, dass der Haftpflichtversicherer die Frage seiner Deckungspflicht außer Betracht lässt und das Gutachten allein zur Vorbereitung des Rechtsstreits seines Versicherungsnehmers einholt, ist bei einem ungestörten Versicherungsverhältnis kaum denkbar.
In der Rechtsprechung werden die Kosten eines vom Versicherter vor dem Rechtsstreit eingeholten Gutachtens teilweise dann als notwendige Vorbereitungskosten angesehen, wenn das Gutachten den Ausgang des Rechtsstreits günstig beeinflusst hat (Nachweise bei Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl, § 91 Rdz 60). Dieser Auffassung kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach § 91 Abs 1 ZPO sind die notwendigen Parteikosten zu erstatten. Bei Kosten der Vorbereitung des Rechtsstreits ist darauf abzustellen, ob eine verständige wirtschaftlich denkende Partei unter den gegebenen Umständen die mit den Kosten verbundene Vorbereitungsmaßnahme ergreifen wird. Auf die Auswirkungen der vorbereitenden Maßnahmen im Prozess kann es nicht ankommen (ebenso Leipold aaO).
Nach all dem sind die Kosten für das Gutachten des Sachverständigen P. vom 27.2.1970 und für seine gutachtlichen Äußerungen im Rechtsstreit nicht vom Kläger zu erstatten. Der Beklagte hat die Kosten für das Gutachten als notwendig bezeichnet, weil der Kläger ungerechtfertigt hohe Ansprüche auf Ersatz von Verdienstausfall gestellt habe. Wenn das richtig ist, so hat der Haftpflichtversicherer des Beklagten das Gutachten dennoch allein oder zugleich zur Prüfung der Frage eingeholt, in welchem Umfang er dem Beklagten zur Schadensdeckung verpflichtet war. Es ist auch unerheblich, dass das Gutachten in den Rechtsstreit eingeführt worden ist und zu einer dem Beklagten günstigen Beurteilung des Streits über die Höhe des entgangenen Verdienstes geführt hat. Den Anspruch auf Erstattung der Kosten für die gutachtlichen Äußerungen im Rechtsstreit hat der Kostenbeamte des Landgerichts mit zutreffender Begründung abgewiesen. Zur Rechtsverteidigung des Beklagten ist es nicht erforderlich gewesen, Äußerungen des Sachverständigen zu dem vom Gericht eingeholten Gutachten herbeizuführen.