Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 19.03.2003 - VIII ZR 135/02 - Rückkaufvereinbarung zwischen Leasinggeber und Lieferanten
BGH v. 19.03.2003: Zur Unwirksamkeit einer Formularklausel über eine Rückkaufvereinbarung zwischen Leasinggeber und Lieferanten
Der BGH (Urteil vom 19.03.2003 - VIII ZR 135/02) hat entschieden:
Die in einer zwischen Leasinggeber und Lieferanten formularmäßig vereinbarten Rückkaufvereinbarung enthaltene Klausel:
"Die Übergabe des Objektes wird dadurch ersetzt, dass die (Leasinggeberin) ihre Herausgabeansprüche gegenüber dem Besitzer an den Lieferanten abtritt."
ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Siehe auch Leasingfahrzeug - Leasingvertrag und Leasingvertrag - Gewährleistung für Fahrzeugmängel
Tatbestand:
Die W. Leasing GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist (im folgenden: Klägerin), schloss mit der Firma I. GmbH (im folgenden: I.) am 4. März 1998 fünf Leasingverträge über fünf Sattelauflieger des Typs I. Die Fahrzeuge erwarb die Klägerin von der Beklagten und überließ sie sodann der I. Gleichzeitig schloss die Klägerin mit der Beklagten fünf gleichlautende, von ihr vorformulierte Rückkaufvereinbarungen, in denen unter Nr. 2 bestimmt war:
"Für den Fall, dass der Leasingnehmer den vereinbarten Zahlungsverpflichtungen aus dem Leasingvertrag nicht nachkommen sollte und die W. den Leasingvertrag daher fristlos kündigen muss, verpflichtet sich der Lieferant auf Verlangen der W., das Leasingobjekt ab Standort zurückzukaufen. Der Kaufpreis wird wie folgt berechnet:
...
Mit dem Zugang des Rückkaufverlangens der W. nebst Rechnung gilt der Kaufvertrag als zustande gekommen.
...
Die W. wird dem Lieferanten Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises ihre Eigentumsrechte an dem Leasingobjekt übertragen. Die Übergabe des Objektes wird dadurch ersetzt, dass die W. ihre Herausgabeansprüche gegenüber dem Besitzer an den Lieferanten abtritt."
Nachdem die I. mit ihren Zahlungsverpflichtungen ab Juli 1999 in Rückstand geraten war, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 1999 dieser gegenüber die Leasingverträge fristlos und forderte sie zur Zahlung eines Betrages von 461.800 DM sowie zur Herausgabe der Fahrzeuge auf; diesen Aufforderungen kam die I. nicht nach. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 verlangte die Klägerin daraufhin von der Beklagten unter Bezugnahme auf die getroffenen Rückkaufvereinbarungen den Rückkauf der fünf Sattelauflieger zum Gesamtpreis von 457.371,14 DM. Gleichzeitig trat sie Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises ihre Herausgabeansprüche gegen die I. ab und forderte die Beklagte auf, sich zwecks Vereinbarung der Abholtermine unmittelbar mit der I. in Verbindung zu setzen. Die Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Klägerin könne der ihr obliegenden Eigentums- und Besitzverschaffungspflicht nicht genügen, weil sie nicht im Besitz der - unstreitig nach Russland verbrachten - Fahrzeuge sei und auch den Standort der Fahrzeuge nicht nennen könne.
Das Landgericht hat der zunächst auf einen Teilbetrag von je 10.000 DM aus den eingegangenen fünf Rückkaufvereinbarungen beschränkten Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin, mit der diese die Zahlung weiterer 407.371,14 DM nebst Zinsen begehrt hatte, zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung nicht zu, weil sie ihrer aus § 433 Abs. 1 BGB folgenden schuldrechtlichen Verpflichtung, der Beklagten die verkaufte Sache zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen, nicht nachgekommen sei und auch nicht nachkommen könne. Die Auslegung der getroffenen Rückkaufvereinbarungen ergebe, dass die Parteien von einer Besitzverschaffungspflicht der Klägerin nicht abgesehen und die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs der Klägerin an die Verschaffung des mittelbaren Besitzes als Surrogat für die Einräumung der unmittelbaren Sachherrschaft geknüpft hätten. Auch der Sinn und Zweck der Rückkaufvereinbarungen sowie die Interessenlage der Parteien bei Abschluss der Verträge sprächen dagegen, dass die Parteien Einvernehmen darüber erzielt haben könnten, die Beklagte solle auch das Besitzverlustrisiko tragen. Anlass für den Abschluss der jeweiligen Rückkaufvereinbarungen sei das der Beklagten erkennbar gewordene Interesse der Klägerin gewesen, nach einer berechtigten fristlosen Kündigung der Leasingverträge infolge Zahlungsverzugs der I. die Bezahlung der offenstehenden Forderungen durch eine entsprechende Einstandspflicht der Beklagten zu sichern. Auch die Tatsache, dass die Klägerin die I. durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet habe, die Sattelauflieger zum Neuwert gegen sämtliche versicherbare Risiken zu versichern und insbesondere eine Vollkaskoversicherung zum Wiederbeschaffungswert abzuschließen, die gegebenenfalls auch das Diebstahls- und damit das Besitzverlustrisiko abdeckte, ferner der Umstand, dass überdies zugunsten der Klägerin Sicherungsscheine ausgestellt werden sollten, aufgrund derer die Verfügungsbefugnis über eine Versicherungsleistung allein dieser zugestanden habe, sprächen eher dafür, dass im Verhältnis der Parteien die Klägerin das Risiko des Besitzverlustes habe tragen und es ihr habe überlassen sein sollen, sich gegebenenfalls bei dem Versicherer der I. schadlos zu halten.
Es komme daher nicht darauf an, ob eine von dieser Risikoverteilung abweichende formularmäßige Vereinbarung einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalte oder gegen § 3 AGBG verstoße. Ihrer danach obliegenden Besitzverschaffungspflicht habe die Klägerin nicht genüge getan, da ein Sattelauflieger nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien verschwunden und es auch ungewiss sei, ob sich die Klägerin jemals den unmittelbaren und mittelbaren Besitz an den übrigen vier Sattelaufliegern verschaffen könne; insoweit stehe die vorübergehende Unmöglichkeit der Besitzverschaffung einer dauerhaften gleich.
II.
Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe der Klägerin haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Soweit das Berufungsgericht allerdings die in den Rückkaufvereinbarungen unter Nr. 2 enthaltene Klausel: "Die Übergabe des Objektes wird dadurch ersetzt, dass die W. ihre Herausgabeansprüche gegenüber dem Besitzer an den Lieferanten abtritt" dahingehend auslegt, dass damit die Verschaffung des mittelbaren Besitzes als Surrogat für die Einräumung der unmittelbaren Sachherrschaft zu verstehen sei (so auch OLG Karlsruhe, MDR 1998, 93 f.), vermag dem der Senat nicht zu folgen.
a) Die fragliche Regelung ist Bestandteil einer Formularklausel, deren Anwendungsbereich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinausreicht, so dass die Auslegung der Klausel uneingeschränkter revisionsrechtlicher Prüfung unterliegt (vgl. BGHZ 98, 256, 258; 134, 42, 45; BGH, Urteil vom 15. November 2000 - VIII ZR 322/99, WM 2001, 1028 = NJW-RR 2001, 987 unter II 1). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, was das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st.Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 f.; BGH, Urteil vom 9. Mai 2001 - VIII ZR 208/00, WM 2001, 2008 = NJW 2001, 2165 unter II 2 a). Die Formularklausel regelt nicht nur die Art und Weise, wie der Lieferantin/Käuferin das Eigentum an den Sattelaufliegern verschafft werden soll, sondern die Verpflichtungen der Leasinggeberin/Verkäuferin aus dem noch abzuschließenden Kaufvertrag insgesamt. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass es zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen einer Übergabe im Sinne des § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bedarf. Für eine Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß §§ 929, 931 BGB genügt, worauf die Revision zu Recht verweist, eine Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten, der die Sache nicht aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses besitzt, sowie auch gegen einen unbekannten Besitzer (BGH, Urteil vom 28. November 1973 - VIII ZR 48/72, WM 1974, 11 unter 3; BGH, Urteil vom 4. Oktober 1993 - II ZR 156/92, WM 1993, 2161 = NJW 1994, 133 unter II 2; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 931 Rdnr. 2; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 931 Rdnr. 5 f.; MünchKomm-Quack, BGB, 3. Aufl., § 931 Rdnr. 9). Da die Klausel erkennbar auf die gesetzliche Regelung des § 931 BGB Bezug nimmt, ist auch für die Bestimmung des Klauselinhalts die allgemeine Gesetzesauslegung zugrunde zu legen (Ulmer in Ulmer/Brandner/Henssen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdnr. 23; Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 5 Rdnr. 27).
b) Dafür, dass die beteiligten Verkehrskreise diese Klausel einschränkend dahingehend verstehen, mit der Abtretung der Herausgabeansprüche seien lediglich die einem Besitzmittlungsverhältnis (§ 868 BGB) entspringenden Ansprüche des Leasinggebers, insbesondere gegen den Leasingnehmer, gemeint, ist nichts festgestellt oder sonst ersichtlich. Anders als in dem vom Senat in seinem Urteil vom 31. Januar 1990 (BGHZ 110, 183, 190 f.) entschiedenen Fall liegt hier eine - von der gesetzlichen Regelung in §§ 433 Abs. 1 BGB, 498 Abs. 1 BGB a.F. (§ 457 Abs. 1 BGB n.F.) abweichende - ausdrückliche Vereinbarung vor, dass die Klägerin als Wiederverkäuferin nicht die Verschaffung des Besitzes, sondern lediglich die Abtretung der gegen den Besitzer gerichteten Herausgabeansprüche schuldet.
2. Sind die getroffenen Rückkaufvereinbarungen aber in dieser Weise auszulegen, so ist die beanstandete Klausel - was das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus offenlassen konnte - wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, der auf das zwischen den Parteien bestehende, vor dem 1. Januar 2002 begründete Schuldverhältnis weiterhin anzuwenden ist (Art. 229 § 5 EGBGB), unwirksam. Durch die Rückkaufvereinbarungen ist ein Wiederverkaufsrecht der Klägerin begründet worden, auf das die Vorschriften über den Wiederkauf im Sinne der §§ 497 ff. BGB a.F. (jetzt: §§ 456 ff. BGB n.F.) eingeschränkt entsprechende Anwendung finden (BGHZ 110, 183, 191 f.; 140, 218, 221 f.; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2001 - VIII ZR 213/00, WM 2002, 444 = NJW 2002, 506 unter II 1). Zu den Pflichten des Wiederverkäufers gehört es dabei nach § 498 Abs. 1 BGB a.F. (§ 457 Abs. 1 BGB n.F.) ebenso wie zu den Pflichten des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, dem Wiederkäufer den gekauften Gegenstand herauszugeben; diese Verpflichtung gilt auch, da die Realisierung eines Wiederverkaufsrechts sich insoweit nicht von der eines Wiederkaufrechts unterscheidet, für den hier vorliegenden Fall. Von dieser Regelung weicht die beanstandete Klausel ab, wenn sie im Ergebnis die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs des Wiederverkäufers gegen den Besitzer ersetzt.
Die Leasinggeberin hat ihre Belange in dem vorgesehenen Wiederverkaufsvertrag weitgehend dadurch gewahrt, dass sie der Lieferantin einen Kaufpreis vorgeschrieben hat, der unabhängig von dem noch vorhandenen Wert des Kaufgegenstandes an den offenen Forderungen aus dem Leasingvertrag ausgerichtet ist. Durch die Standortklausel wird der Lieferantin ferner abweichend von § 446 BGB die Gefahr für den Verlust der Sache vor Übergabe auferlegt. Mit der Abrede, die sie von der Pflicht zur Besitzverschaffung befreit, will sich die Leasinggeberin vor nachteiligen Folgen schützen, wenn die Sache vor Abschluss des Kaufvertrages abhanden gekommen ist. Zwar kann das Risiko des Verlusts der Leasingsache durch eine der Leasingnehmerin auferlegte Pflicht zum Abschluss einer Versicherung, insbesondere einer Vollkaskoversicherung zum Wiederbeschaffungswert, aufgefangen werden und wurde im gegebenen Fall auch durch eine entsprechende Vereinbarung mit der I. abgedeckt; verblieben ist aber noch das Risiko, dass der Leasingnehmer den Leasinggegenstand veruntreut und die Versicherung nicht eintritt. An der Absicherung des Risikos, dass sich der Leasingnehmer unredlich verhält und die Sache der Zugriffsmöglichkeit des Leasinggebers entzieht, mag ein schützenswertes Interesse des Leasinggebers bestehen. Es sind Vertragsgestaltungen denkbar, die dazu herangezogen werden können, die Lieferantin auch mit diesem Risiko zu belasten. Ein Kaufvertrag/Wiederverkaufsvertrag hinsichtlich des Leasinggegenstandes ist aber hierfür nicht der geeignete Vertragstyp. Eine Bestimmung, die den Käufer einer Sache zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, selbst wenn der Verkäufer ihm nicht den Besitz an dem Kaufgegenstand verschaffen kann, sondern nur das Eigentumsrecht überträgt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kaufvertrages nicht getroffen werden. Da die Klägerin als Klauselverwenderin zur Sicherung ihrer Interessen ein Wiederverkaufsrecht hinsichtlich des Leasinggegenstandes gewählt hat, durfte von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eines Sachkaufs nicht derart weitgehend abgewichen werden; zu dieser gehört die Verpflichtung, dem Käufer den Besitz einzuräumen, als wesentliche Pflicht des Verkäufers (vgl. Staudinger/Köhler, BGB, 1995, § 433 Rdnr. 86). Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verpflichtung des Verkäufers formularmäßig auf die Übertragung des mittelbaren Besitzes beschränkt werden kann. Der vollständige Ausschluss der Besitzverschaffungspflicht des Verkäufers, der auch aus der fraglichen Klausel für den Verwendungsgegner nicht deutlich erkennbar wird, ist jedenfalls bei dem vereinbarten Wiederverkaufsrecht mit wesentlichen Verkäuferpflichten unvereinbar und benachteiligt den Lieferanten als Käufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (so auch Reinking/Eggert, Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 878).
3. Ist damit die Klausel in dem beanstandeten Teil unwirksam, verbleibt es bei der Pflicht der Klägerin zur Herausgabe der Leasinggegenstände (§§ 498 Abs. 1 BGB a.F., 6 Abs. 2 AGBG). Hierzu ist die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in der Lage. Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO). Da es der Klägerin somit unmöglich ist, ihrer Verpflichtung zur Besitzverschaffung an den Sattelaufliegern nachzukommen, sind die beiderseitigen Leistungspflichten aus den Wiederkaufverträgen gemäß §§ 275, 323 BGB a.F. erloschen.