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Finanzgericht Hamburg Urteil vom 20.04.2012 - 2 V 114/12 - KFZ-Besteuerung von umgebauten Wohnmobilen
FG Hamburg v. 20.04.2012: Zur KFZ-Besteuerung von umgebauten Wohnmobilen
Das Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 20.04.2012 - 2 V 114/12) hat entschieden:
- Ein Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t ist als Pkw zu besteuern, wenn es nach einem Umbau zum Wohnmobil von dem Zweck der Personenbeförderung geprägt ist.
- Eine (günstigere) Besteuerung als Wohnmobil setzt voraus, dass die Bodenfläche des Wohnteils den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs einnimmt und der Wohnteil eine Stehhöhe von mindestens 170 cm sowohl an der Kochgelegenheit als auch an der Spüle ausweist.
Siehe auch Einordnung als Pkw oder Lkw bei der Kfz-Steuer und Kraftfahrzeugsteuer - Kfz -Steuer
Tatbestand:
I.
Die Antragstellerin ist Halterin eines am ... 2007 in Hamburg zugelassenen Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen HH-XX. Es handelt sich dabei um einen A-Transporter, der im Fahrzeugschein als "Lkw geschl. Kasten" bezeichnet und mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 2810 kg und einer Nutzlast von 1130 kg ausgewiesen ist. Zuvor war das Kfz in B zugelassen und die Steuer war von der dort zuständigen Stelle mit 172 € festgesetzt worden.
Bei einer Verkehrskontrolle am ... 2011 stellte die Polizei fest, dass das Fahrzeug als Wohnmobil umgebaut worden war und dokumentierte dies durch Fotoaufnahmen. Die Ladefläche war durch einen festen Einbau in eine Liegefläche umgewandelt worden, Matratzen waren vorhanden. Eine Abseite war eingebaut und eine Musikanlage installiert worden. Die Seitenwände waren mit einer Art Decke behangen und Wohnraumleuchten angebracht. Allerdings fehlte es nach Angaben der Polizei an der gesetzlich festgeschriebenen Stehhöhe eines Wohnmobils und auch eine Kochstelle sei nicht vorhanden.
Mit Bescheid vom ... 2011 änderte der Antragsgegner den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer und setzte diese für den Zeitraum ab dem ... 2007 bis ... 2012 auf insgesamt 3.785 € und ab dem ... .2012 auf jährlich 930 € fest. Zur Erläuterung führte der Antragsgegner aus, dass das Fahrzeug ab dem ... 2007 als Personenkraftwagen nach dem Hubraum zu besteuern sei, weil es weder die Voraussetzungen eines Wohnmobils noch die eines Lkws erfülle.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am ... 2011 Einspruch ein und beantragte am ... 2012 die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie aus, dass der A-Transporter ... die Merkmale eines Lkws erfülle und auch nach dem äußeren Erscheinungsbild einem kleinen Lkw mit langer Ladefläche und kleinem Fahrgastraum entspreche.
Mit Bescheid vom ... 2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom ... 2012 ab. Über den Einspruch ist bisher noch nicht entschieden worden.
Am ... 2012 beantragte die Antragstellerin bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Sie sei ungefähr seit 2002 Eigentümerin des Fahrzeugs, das bisher als Lkw besteuert worden sei. Sowohl das Straßenverkehrsamt als auch die D hätten das Fahrzeug als Lkw eingestuft, wie aus der Zulassungsbescheinigung ersichtlich sei. Zum Nachweis reichte die Antragstellerin Fotoaufnahmen von dem Fahrzeug und dem Innenausbau ein. Die rückwirkende Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides verstoße gegen das Gebot von Treu und Glauben. Da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Anfang an bestanden hätten, seien auch die entstandenen Säumniszuschläge aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
- die Vollziehung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom ... 2011 auszusetzen, soweit die Steuer höher als die ursprünglich geschuldete Lkw-Steuer festgesetzt worden sei,
- soweit Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, die Aufhebung der Vollziehung der verwirkten Säumniszuschläge bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kraftfahrzeugsteuerbescheids gegeben seien. Die Steuerfestsetzung sei zu Recht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 12 Abs. 2 Nr. 4 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) ab dem 17.01.2007 geändert worden. Wie von der Polizei in der Verkehrsstrafanzeige dokumentiert, sei das Fahrzeug als ein sogenanntes unechtes Wohnmobil umgebaut worden, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Hubraumbesteuerung unterliege. Die verkehrsrechtliche Eintragung der Zulassungsstelle im Fahrzeugschein sei für die steuerliche Behandlung ebenso wenig bindend wie die Feststellung eines anderen Finanzamts.
Dem Gericht hat die Kraftfahrzeugsteuerakte des Antragsgegners vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
II.
Der zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat keinen Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr. , vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.2005 - I B 208/04, BStBl II 2005, 351; Beschluss vom 03.02.1993 - I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.).
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheids. Der Antragsgegner war nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG befugt, die Kraftfahrzeugsteuer geändert festzusetzen, denn die Bemessungsgrundlage hat sich seit 2005 auch für so genannte unechte Wohnmobile geändert, so dass die vorherige Steuerfestsetzung fehlerhaft ist.
Nach alter Rechtslage, die ihre Ausgestaltung durch die Rechtsprechung des BFH erhalten hatte (vgl. Urteil vom 01.02.1984, II R 144/81, BStBl II 1984, 461; Urteil vom 31.03.1998, VII R 116/97, BStBl II 1998, 487), waren sogen. Kombinationsfahrzeuge und auch Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t nicht als Pkw, sondern als andere Fahrzeuge im Sinne des § 8 Nr. 2 KraftStG zu besteuern. Mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) durch die 27. Verordnung vom 2.11.2004 (BGBl I 2004, 2712) ist die bis dahin nur für die Kombinationskraftwagen bestehende Sonderregelung ersatzlos entfallen. Die frühere Rechtsprechung des BFH, Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild des Fahrzeuges nicht als Pkw zu besteuern, kann deshalb keine Geltung mehr beanspruchen (vgl. BFH-Urteile vom 24.02.2010, II R 6/08, BStBl II 2010, 994; vom 09.04.2008, II R 62/07, BStBl II 2008, 691; Beschlüsse vom 03.04.2008, II B 22/08, BFH/NV 2008, 1364; vom 18.03.2008, II B 102/07, BFH/NV 2008, 1206).
Der Antragsgegner hat das Fahrzeug der Antragstellerin zu Recht als Pkw i. S .d. § 8 Nr. 1 KraftStG eingestuft und nach dem Hubraum besteuert. Das Steuergesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Pkw und verweist in § 2 Abs. 2 S. 1 KraftStG lediglich auf die jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften, wenn nichts anderes bestimmt ist. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten keine ausdrückliche Bestimmung des Begriffs Pkw oder Lkw. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt vielmehr ein eigenständiger kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Pkw-Begriff zu Grunde. Danach ist ein Pkw ein Fahrzeug mit vier oder mehr Rädern, dass nach seiner Bauart und Einrichtung zur Personenbeförderung geeignet und bestimmt ist (BFH-Urteil vom 24.02.2010, II R 6/08, BStBl II 2010, 994, m. w. N.). Die Abgrenzung zwischen Lkw und Pkw ist nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs vorzunehmen. Als für die Einstufung bedeutsame Merkmale sind von der Rechtsprechung z. B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Fenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers anerkannt worden. Bei Fahrzeugen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sowie ihrer technischen Ausstattung sowohl als Pkw als auch als Lkw eingesetzt werden können, kommt eine Besteuerung als Lkw nach dem Fahrzeuggewicht erst dann in Betracht, wenn diese den typischen Gewichtsbereich und die regelmäßigen Zuladungsmöglichkeiten eines Pkw deutlich überschreiten. Denn ein Lkw wird maßgeblich durch die Möglichkeit geprägt, Lasten von erheblichem Umfang zu befördern (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.2010, II R 6/08, a. a. O.).
Zwar erfüllt das Fahrzeug der Antragstellerin etliche Kriterien, die es als Lkw kennzeichnen könnten, wie beispielsweise die Verblechung der Fenster, die Anzahl der Sitzplätze, das Gesamtgewicht und die Nutzlast. Es wird jedoch von dem Zweck der Personenbeförderung und nicht der Lastenbeförderung geprägt.
Das Fahrzeug ist - wie sowohl auf den Fotos der Polizei als auch der Antragstellerin ersichtlich - mit Innenausbauten ausgestattet, wie sie für die Nutzung als Wohnmobil kennzeichnend sind. Dies gilt insbesondere für den Einbau eines Gestells als Matratzenunterlage, von Schränken als Stauraum, der Verkleidung der Seitenwände und des Daches, die Einrichtung einer Beleuchtung. Zweck eines Wohnmobils ist es, Personen zu befördern und eine besondere Art des Reisens zu ermöglichen, bei dem auch ein vorübergehendes Wohnen in dem Fahrzeug erfolgen kann. Zu diesem Zweck und nicht zur Lastenbeförderung wird das Fahrzeug von der Antragstellerin ausweislich der Lichtbilder der Polizei auch genutzt (Ausstattung mit Matratze und Musikanlage). Eine Besteuerung als Lkw scheidet danach aus.
Die Voraussetzungen für eine (günstigere) Besteuerung als Wohnmobil nach § 2 Abs. 2b, § 9 Abs. 1 Nr. 2a KraftStG liegen nicht vor, weil das Fahrzeug der Antragstellerin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Danach gelten Fahrzeuge als Wohnmobile, wenn sie auch zum vorübergehenden Wohnen ausgelegt und ausgebaut sind, die Bodenfläche des Wohnteils den überwiegenden Teil der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs einnimmt und der Wohnteil eine Stehhöhe von mindestens 170 cm sowohl an der Kochgelegenheit als auch an der Spüle ausweist. In dem streitgegenständlichen Pkw fehlt es an einer Kochgelegenheit, einer Spüle und nach den Angaben der Polizei ist die erforderliche Stehhöhe von 170 cm nicht gegeben. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht bestritten.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ist auch nicht deshalb zweifelhaft, weil die Kraftfahrzeugsteuer rückwirkend ab dem ... 2007 höher festgesetzt worden ist.
Der Antragsgegner konnte nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Nr. 4 KraftStG zur Beseitigung der fehlerhaften Besteuerung als Lkw die Steuer neu festsetzen, denn die Regelung erlaubt es ohne Rücksicht auf die Unanfechtbarkeit des Kraftfahrzeugsteuerbescheids rückwirkend auf den Zeitpunkt, in dem sich die Bemessungsgrundlage geändert hat, die Steuer neu festzusetzen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.03.2008, II B 102/07, BFH/NV 2008, 1206; vom 25.03.1999, VII B 294/98, BFH/NV 1999, 1252; Urteil vom 02.04.1996, VII R 131/95, BFH/NV 1996, 852). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner zutreffend die Steuerfestsetzung nicht seit Mai 2005, sondern erst mit der Ummeldung des Kfz nach Hamburg und dem Eintritt seiner Zuständigkeit geändert. Die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 1 Abs. 2 KraftStG i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung war bei der Erlass des Bescheids am ... 2011 noch nicht abgelaufen.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn es besteht kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der bestehenden Rechtslage. Soweit verfahrensrechtlich eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung zulässig war, konnte diese auch von dem Antragsgegner vorgenommen werden, nachdem er von der fehlerhaften Besteuerung Kenntnis erlangt hat. Der Einstufung des Kraftfahrzeugs durch die Verkehrsbehörde oder der zuvor für die Besteuerung zuständigen Stelle als Lkw kommt keine Bindungswirkung für den hier streitigen Zeitraum zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.03.2008, II B 102/07, BFH/NV 2008, 1206 m. w. N.).
Da der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen ist, kann der Antrag zu 2) bereits deshalb keinen Erfolg haben.
Die Antragstellerin hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.