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OVG Münster Beshluss vom 27.06.2014 - 16 B 599/14 - Versagung der PKH wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers

OVG Münster v. 27.06.2014: Zur Versagung der PKH wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers


Das OVG Münster (Beshluss vom 27.06.2014 - 16 B 599/14) hat entschieden:

   Eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nach einer gedachten Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nach der Beiordnung eines Rechtsanwalts könnte gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nur gewährt werden, wenn der Antragsteller ohne Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Zwar kann mangelndes Verschulden vorliegen, wenn einem Beteiligten wegen Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zugemutet werden konnte. Dann ist aber erforderlich, dass er innerhalb der Beschwerdefrist nicht nur den Prozesskostenhilfeantrag stellt, sondern auch dasjenige veranlasst, was für eine positive Entscheidung über diesen Antrag erforderlich ist. Dazu gehört insbesondere die Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Vorlage einer aktuellen (Formular-)Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.


Siehe auch Prozesskostenhilfe - PKH - Beratungshilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Gründe:


Der Senat fasst das Begehren des Antragstellers in dessen (Kosten-)Interesse dahingehend auf, dass er nicht etwa eine unbedingte Beschwerde erhoben hat und für dieses Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe begehrt, sondern dass er für eine noch zu erhebende Beschwerde vorab die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstrebt. Es fehlt aber in jedem Fall an den Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Für eine bereits erhobene Beschwerde gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts käme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs.1 Satz 1 ZPO). Denn es fehlt an der erforderlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine andere vertretungsbefugte Person. Nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten unter anderem vor einem Oberverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt nach § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren unter anderem vor einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Danach erwiese sich eine vom Antragsteller selbst erhobene Beschwerde als unzulässig. Abgesehen davon fehlte es auch aus materiellen Gründen an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Beschwerde, da das Verwaltungsgericht mit einem hohen Grad an Gewissheit zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 2. April 2014, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, offensichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Antragsgegnerin hat zutreffend aus der Nichtvorlage des mit Schreiben vom 13. Januar 2014 vom Antragsteller geforderten Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers geschlossen, dass der Antragsteller nicht (mehr) fahrgeeignet ist (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Senat hat insbesondere keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Antragsgegnerin einen Klärungsbedarf hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht hat. Denn insbesondere von Seiten der Polizei waren im Zusammenhang mit einem möglicherweise vom Antragsteller verursachten bzw. mitverursachten Verkehrsunfall Zweifel geäußert worden, ob das orthopädisch-neurologische Leiden des Antragstellers, das dieser als solches einräumt, noch ein problemloses Bedienen der Fahrzeugpedalen erlaubt. Auch wenn der Antragsteller schon seit vielen Jahren von einer erheblichen Gehbehinderung betroffen ist, ihm trotz der Erkrankung mit Auflagen eine Fahrerlaubnis erteilt worden ist und sowohl er selbst als auch zwei behandelnde Ärzte eine Verschlechterung des körperlichen Zustandes verneinen, konnte die Antragsgegnerin die ihr mitgeteilten Beobachtungen über das aktuelle Gangbild des Antragstellers und die daraus resultierenden Bedenken an seiner Fähigkeit zum verlässlichen, d. h. hinreichend schnellen und erforderlichenfalls kraftvollen Bedienen der Pedalen nicht ignorieren, ohne ihre Schutzverpflichtung gegenüber der Allgemeinheit zu vernachlässigen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass sich auch ohne erkennbare Verschlimmerung eines körperlichen Leidens mit zunehmendem Alter - der Antragsteller befindet sich derzeit im 67. Lebensjahr - die Auswirkungen dieses Leidens häufig im Alltag verstärkt auswirken. Eine solche Entwicklung ist nicht zwingend, aber doch - einen Bedarf nach fachkundiger Klärung hervorrufend - möglich und überdies für den Antragsteller nicht mit nennenswertem Aufwand verbunden.




Die sog. isolierte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine erst noch zu erhebende und wegen der Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verbindende Beschwerde kommt gleichfalls nicht in Betracht. Eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nach einer gedachten Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nach der Beiordnung eines Rechtsanwalts könnte gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nur gewährt werden, wenn der Antragsteller ohne Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Zwar kann mangelndes Verschulden vorliegen, wenn einem Beteiligten wegen Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zugemutet werden konnte. Dann ist aber erforderlich, dass er innerhalb der Beschwerdefrist nicht nur den Prozesskostenhilfeantrag stellt, sondern auch dasjenige veranlasst, was für eine positive Entscheidung über diesen Antrag erforderlich ist. Dazu gehört insbesondere die Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Vorlage einer aktuellen (Formular-)Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

   Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 6 PKH 15.03 -, NVwZ 2004, 888 = DÖV 2004, 537 = juris, Rn. 5 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. März 2011 - 16 B 368/11 - und vom 25. Juli 2013 - 16 A 1333/13 -, juris, Rn. 1 bis 4; BGH, Beschluss vom 27. November 1996 - XII ZB 84/96 -, NJW 1997, 1078 = juris, Rn. 5.

Daran fehlt es hier. Anhaltspunkte dafür, dass einem in diesem Sinne vollständigen Prozesskostenhilfegesuch innerhalb der genannten Frist unüberwindliche Hindernisse im Wege gestanden haben könnten, sind nicht erkennbar. Abgesehen davon hätte auch im vorliegenden Zusammenhang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren entgegengestanden.

Die Gerichtsgebührenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 3 Abs. 2 GKG, weil für das Prozesskostenhilfeverfahren eine Kostenstelle im Kostenverzeichnis fehlt; im Übrigen ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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