Das Verkehrslexikon

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VGH Kassel Beschluss vom 05.03.2014 - 8 D 2361/13 - Kfz-Umsetzung von einem Behindertenparkplatz

VGH Kassel v. 05.03.2014: Zur Kfz-Umsetzung von einem Behindertenparkplatz


Der VGH Kassel (Beschluss vom 05.03.2014 - 8 D 2361/13) hat entschieden:
  1. Der Behindertenausweis berechtigt nicht zum Parken auf einem Schwerbehindertenparkplatz. Das durch Verkehrszeichen angeordnete Wegfahrgebot kann - wenn der Störer abwesend ist - ohne Androhung im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden. Auf Behindertenparkplätzen dürfen unberechtigt abgestellte Fahrzeuge regelmäßig auch dann zwangsweise entfernt werden, wenn ein Berechtigter nicht konkret gehindert wird zu parken.

  2. Da es hinsichtlich der Höhe der Abschleppkosten eine abschließende Regelung in Hessen nicht gibt, sind die verkehrsüblichen Preise maßgebend.

  3. Die Rechtspflicht zur Erstattung der Abschleppkosten entsteht erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids, weshalb es selbst bei Zahlung derselben im Rahmen der Abholung noch einer entsprechenden Festsetzung bedarf.

Siehe auch Behindertenparkplätze / Parkerleichterungen und Das kostenpflichtige Abschleppen von verbotswidrig auf Behindertenparkplätzen geparkten Fahrzeugen


Gründe:

I.

Der Kläger parkte mit seinem PKW am 19. Dezember 2012 abends auf einem Sonderparkplatz vor dem Anwesen Alte Mainzer Gasse …in Frankfurt am Main, der wegen des Weihnachtsmarktes mittels mobiler Beschilderung als Sonderparkplatz für Schwerbehinderte mit dem Zusatzschild „Rollstuhlfahrersymbol“ (§ 42 Abs. 2StVO in der Fassung vom 1. September 2009 i.V.m. Zeichen 314– Erläuterung 1 d) der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO in der Fassung vom 1. September 2009, jetzt: Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO in der Fassung ab 1. April 2013: Verkehrszeichen VZ 314-10 STVO und VZ 314-20 StVO, jeweils mit dem Zusatzzeichen 1044-10 StVO) ab dem 15. November 2012 als Behindertenparkplatz für Rollstuhlfahrer ausgewiesen war. Der Wagen stand dort von 20.08/20.10 Uhr bis 21.00Uhr; im Wagen lag lediglich die Kopie eines Schwerbehindertenausweises sowie – nach Angaben des Klägers – ein Zettel mit einer Handy-Nummer. Der Wagen wurde um 21.00Uhr abgeschleppt. Dem Kläger wurden mit Bescheid vom 20. Februar 2013 insgesamt 222,50 € in Rechnung gestellt, 162,50 € Abschleppkosten und 60,00 € Verwaltungsgebühr, die er bei Abholung des PKW an den Abschleppunternehmer entrichtete.

Nachdem sein Widerspruch erfolglos geblieben war, hat der Kläger mit Schreiben vom 9. August 2013 Klage erhoben und zugleich um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid mit Beschluss vom 6. September 2013abgelehnt.

Der Beschluss ist dem Kläger am 12. September 2013 zugestellt worden und mit Schreiben vom 15. September 2013 – eingegangen beim Verwaltungsgericht am 17. September 2013 – hat er dagegen Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er auf die in der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit bekannte „Schlamperei und Willkür“ Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2013 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen,dass die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet.

Gemäߧ 166 VwGO i.V.m.§ 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Erforderlich ist zudem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Davon ausgehend bestehen gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens keine Bedenken, da die Anordnung der Ersatzvornahme rechtmäßig war (1.) und auch die Entscheidung, den Kläger mit den Kosten zu belasten, nicht zu beanstanden ist (2.).

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme gemäß § 49 Abs. 1 HSOG lagen vor. Der Kläger hat am 19. Dezember 2012 unberechtigt auf einem Rollstuhlfahrern vorbehaltenen Parkplatz geparkt (vgl. die Skizze Bl. 27 d. VerwVorg.). Die aufgestellten Verkehrszeichen begründeten nicht allein das Verbot, auf dem Parkplatz entgegen der durch die Zusatzschilder verfügten Beschränkung zu parken (§ 41 Abs. 1 StVO), sondern enthielten zugleich auch das Handlungsgebot an den Kläger, sein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug sofort von dem Parkplatz zu entfernen. Dessen war sich der Kläger auch bewusst, denn wie er selbst bereits im Widerspruchsschreiben ausgeführt hat, habe er vorsorglich seine Handynummer im Wagen hinterlegt.

Der Kläger war auch angesichts der im Wagen liegenden Kopie eines Behindertenausweises nicht parkberechtigt, denn nach § 45Abs. 1b Nr. 2 StVO i.V.m. Art. 1 Nr. 1 20 b der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehr-Ordnung vom 4. Juni 2009berechtigt zur Benutzung derartiger Parkplätze nur der EU-einheitliche Parkausweis. Damit ist allein das Original des Ausweises gemeint, denn der Außendienstmitarbeiter muss die Parkberechtigung zuverlässig und schnell überprüfen können; einer weiteren Halteranfrage bedarf es nicht. Eine Ausweiskopie erfüllt diese Anforderungen angesichts der Möglichkeit unbegrenzt vieler Kopien nicht (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. März 2009– 5 A 787/08 –, juris Rdnr. 4).

Das durch Verkehrszeichen angeordnete Wegfahrgebot steht den unaufschiebbaren Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten gleich und ist entsprechend § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 25. März 2003 – 3 Bf 113/02 –juris, Rdnr. 26). Es kann – wenn der Störer abwesend ist – ohne Androhung nach § 53 Abs. 1 Satz 4 HSOG im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden (Rasch/Schulze/Pöhlker/Hoja, Kommentar zum Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 5. Aufl., § 8, Stand 2001, S. 11). Denn mit dem Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz war wegen des Verstoßes gegen § 41 Abs. 1 StVO eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die wegen der Nichtbefolgung des Wegfahrgebotes andauerte. Der Möglichkeit, diese Störung mit gleicher Effektivität auf andere Weise als durch Zwangsmittel zu beseitigen, brauchte die Beklagte hier auch nicht wegen des Hinweiszettels mit der Angabe der Mobiltelefonnummer nachzugehen. Die – nach Angabe des Klägers erfolgte – Hinterlegung der Handynummer im Auto allein genügt nach gefestigter Rechtsprechung als Anstoß zu Nachforschungen nicht, weil sie keinen Hinweis auf die Erreichbarkeit des Fahrers in der näheren Umgebung und seine Bereitschaft gibt, das Fahrzeug umgehend zu entfernen. Einen Nachforschungsversuch "ins Blaue" hinein musste der Bedienstete wegen der ungewissen Erfolgsaussichten und der nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen nicht unternehmen (OVG Hamburg,Urteil vom 25. März 2003, a.a.O., Rdnr. 27).

Die Ersatzvornahme war auch nicht unverhältnismäßig. Auf Behindertenparkplätzen dürfen unberechtigt abgestellte Fahrzeuge regelmäßig auch dann zwangsweise entfernt werden, wenn ein Berechtigter nicht konkret gehindert wird zu parken. Nur so kann dem mit der Einrichtung von Behindertenparkplätzen verfolgten Anliegen hinreichend effektiv Rechnung getragen werden. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. Die Behinderung besteht daher bereits in der konkreten Eignung zur Funktionsbeeinträchtigung der angeordneten Verkehrsregelung: so wie eine Feuerwehrzone nicht nur im Brandfalle, sondern stets freizuhalten ist, ist die Funktion von Behindertenparkplätzen nur gewährleistet, wenn diese jederzeit von Fahrzeugen Nichtparkberechtigter freigehalten werden (vgl. OVG des Landes Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. März 2002 – 4 L 118/01– Rdnr. 30). Da der Pkw um 20.08 Uhr bzw. 20.10 Uhr dort abgestellt wurde, ist es auch nicht zu beanstanden, dass er um 21.00 Uhr, d.h. nach einer Wartezeit von ca. 50 Minuten abgeschleppt wurde.

2. Soweit der Kläger sich gegen die Höhe der geltend gemachten Abschleppkosten wendet, kann er auch damit keinen Erfolg haben. Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 49 Abs. 1 HSOG. Danach sind die nach §§ 6 f HSOG Verantwortlichen zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die Ersatzvornahme entstanden sind. Davon ausgehend hat die Behörde zu Recht 162,50 € in Ansatz gebracht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Betrag auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Höhe der Abschleppkosten am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen und insbesondere daraufhin zu überprüfen, ob sie erforderlich und zumutbar sind (Hess. VGH, Urteil vom 29. August 2000 – 11 UE537/98 –, juris Rdnr. 33f.). Da es jedoch hinsichtlich der Höhe der Abschleppkosten eine abschließende Regelung in Hessen nicht gibt, sind die verkehrsüblichen Preise maßgebend. Nach einer Veröffentlichung des Auto Clubs Europa vom 29. Dezember 2013 lagen die Abschleppkosten im Dezember 2013 zwischen 78,00 € in Koblenz (zzgl. PKW-Verwahrgebühr von 65,00 €) und 260,00€ in Hamburg; Frankfurt lag mit Kosten ab 257,00 € auf Platz 2 (ACE: Achtung – falsch geparkt, schnell abgeschleppt vom 2. Dezember 2013, ace-online.de, falsch parken). Davon ausgehend und in Anbetracht der Tatsache, dass der Einsatz am Abend erfolgte, ist der Betrag von 162,50 € (einschließlich 10,00€ Verwahrung), der dem Abschleppvertrag nach der unwidersprochenen Einlassung der Beklagten auf Grund einer öffentlichen Ausschreibung zugrundegelegt wurde, nicht zu beanstanden.

Auch die darüberhinaus in Rechnung gestellte Verwaltungsgebühr von 60,00 € ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf §§ 1 und 2 des Hessischen Verwaltungskostengesetzes (HVwKostG) und § 1 der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport in Verbindung mit Nr. 544 des zugehörigen Verwaltungskostenverzeichnisses. Danach beträgt die Mindestgebühr für eine Ersatzvornahme nach § 49 HSOG 60,00€.

Soweit der Kläger geltend macht, er habe den gesamten Betrag bereits am 19. Dezember 2012 nachts bei Abholung seines Autos an das Abschleppunternehmen bezahlt und dürfe daher nicht erneut zu diesen Kosten herangezogen werden, ist dieser Umstand im Bescheid bereits berücksichtigt worden. Denn der Beklagte hat seiner Berechnung und Festsetzung der Kosten die bereits geleistete Zahlung gegenübergestellt und 0,00 € als Gesamtforderung ausgewiesen. Da die Rechtspflicht zur Erstattung dieser Kosten jedoch erst mit dem Erlass des entsprechenden Leistungsbescheids entsteht, bedarf es auf der Grundlage der genannten Vorschriften noch einer entsprechenden Festsetzung.§ 43 Abs. 3 Satz 3 HSOG normiert im Zusammenhang mit dem Zurückbehaltungsrecht aus § 43 Abs. 3 Satz 4 HSOG die Rechtsgrundlage für die Vorschusspflicht auf die Kostenforderung und liefert zugleich den Rechtsgrund für deren Erfüllung (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. September 2006 – 11 UE 2545/05 –,juris Rdnr. 18).

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten hat der Kläger zu tragen, da seine Beschwerde erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2VwGO).

Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da in diesem Verfahren streitwertabhängige Gerichtskosten nicht entstanden sind, sondern nur eine Festgebühr in Höhe von 50,00 € (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anl. 1zum GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



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