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OLG Bamberg Beschluss vom 27.10.2008 - 5 U 126/08 - Auslegung und Erledigungswirkung einer umfassenden Abfindungsvereinbarung

OLG Bamberg v. 27.10.2008: Zur Auslegung und Erledigungswirkung einer umfassenden Abfindungsvereinbarung


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 27.10.2008 - 5 U 126/08) hat entschieden:
Eine Gesamtabfindungsvereinbarung ist wirksam zustandegekommen und führt zur Erledigung, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung in ihrem Schreiben ausdrücklich und eindeutig klarstellt, dass für sie nur "ein endgültiger, d.h. vorbehaltloser Abfindungsvergleich aller Ansprüche " in Betracht komme und sie einen Kapitalbetrag den, den sie "zur vorbehaltlosen Gesamtabfindung aller denkbaren Ansprüche" weiter erhöht und eine entsprechende Abfindungserklärung zur Unterzeichnung an den Geschädigten übersendet.


Siehe auch Abfindungsvergleich / Abfindungserklärung und Kapitalabfindung


Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil, mit dem die weitergehenden Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Unfall vom 23. November 1977 wegen der am 17. August 2005 zustande gekommenen Gesamtabfindungsvereinbarung abgewiesen wurden, weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 513 Abs. 1, 529, 546 ZPO).

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGHZ 158, 269 ff. = NJW 2004, 1876 ff.; BGHZ 162, 313 ff. = NJW 2005, 1583 ff.; BGH NJW 2003, 3480 ff.). Bei der Auslegung von Individualvereinbarungen hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt; wenn das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für vertretbar, nicht aber für überzeugend hält, hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalls für geboten hält (BGHZ 160, 83 ff. = NJW 2004, 2751 ff.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die geltend gemachten Schadensersatzansprüche (weiterer Verdienstausfall ab 1. Februar 2005) zutreffend für unbegründet erachtet, weil diese durch die Abfindungsvereinbarung vom 17. August 2005 erloschen sind (§§ 779 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB). Der Senat tritt der vom Landgericht anhand des Wortlauts der Vereinbarung und unter Berücksichtigung des vorausgegangenen Schriftverkehrs und der weiteren Umstände vorgenommenen Auslegung der Vereinbarung als eine alle etwaigen Ansprüche des Klägers aus dem Unfallereignis nunmehr umfassend und endgültig erledigende vergleichsweise Einigung bei. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug. Zum Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen:

Es ist richtig, dass im Vorfeld der Abfindungsvereinbarung vom 17. August 2005 etwaige weitere Verdienstausfallschäden des Klägers zwischen den Parteien nicht diskutiert wurden, sondern (nur) andere Schadenspositionen (Haushaltsführungsschadensrente, restliche Behandlungs-, Miet- und Renovierungskosten). Denn der Kläger war mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 aus dem einstweiligen Ruhestand wieder in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen worden. Über den bis dahin entstandenen Verdienstausfall war im Verfahren 11 O 362/03 LG Coburg = 5 U 163/04 OLG Bamberg rechtskräftig entschieden worden. Es trifft auch zu, dass sich die Anfrage der Bevollmächtigten des Klägers vom 6. Juli 2005 (Anlage K 21 = B 4) wegen einer etwaigen Kapitalisierung von Rentenansprüchen zunächst nur auf eine Erledigung der Haushaltsführungsschadensersatzansprüche bezog. Die Beklagte stellte jedoch schon in ihrer unmittelbaren Antwort vom 13. Juli 2005 (K 22 = B 5) ausdrücklich und eindeutig klar, dass für sie nur "ein endgültiger, d. h. vorbehaltloser Abfindungsvergleich aller Ansprüche" in Betracht komme; unter dieser Prämisse berechnete sie einen Kapitalbetrag für den Haushaltsführungsschaden, erhöhte diesen "zur vorbehaltlosen Gesamtabfindung aller denkbaren Ansprüche" um rund 4.000,00 Euro auf 35.000,00 Euro und übersandte eine entsprechende Abfindungserklärung zur Unterzeichnung, in der sich der Kläger "für endgültig abgefunden wegen aller Schadensersatzansprüche .. aus dem Schadensereignis" erklären sollte. Schließlich ist diese Abfindungserklärung – nach einvernehmlicher Anhebung des Abfindungsbetrags auf 44.000,00 Euro – vom Kläger am 17. August 2005 auch unterzeichnet worden (Anlage B 9).

5Das vorangegangene Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 3. August 2005 (A 7 = B 6), auf das die Berufung maßgeblich abstellt, antwortet auf das Abfindungsangebot der Beklagten vom 13. Juli 2005 lediglich mit dem näher begründeten Verlangen nach einer Anhebung des Abfindungsbetrags auf 44.000,00 Euro, widerspricht aber weder ausdrücklich noch sinngemäß der Prämisse der Beklagten, dass nur eine Gesamtabfindung aller denkbaren Ansprüche in Betracht komme. Vielmehr wird eher bestätigend ausgeführt, dass auch der Kläger "an einem endgültigen Abschluss der Sache interessiert" sei. Nach Berechnung des Haushaltsführungsschadens unter Berücksichtigung eines Teuerungszuschlags mit insgesamt 42.524,57 Euro wurde lediglich noch ausgeführt, dass "im Hinblick auf eine Gesamterledigung auch bezüglich der übrigen noch im Streit stehenden Positionen" mit einem Abfindungsbetrag von 44.000,00 Euro Einverständnis bestünde. Mit keinem Wort war erwähnt, dass für den Kläger eine Gesamtabfindung – wie von der Beklagten unmissverständlich zur Bedingung gemacht – nicht in Betracht komme. Die Beklagte hat die genannten Ausführungen des Klägers für ihn erkennbar auch nicht dahin verstanden, sondern nur als Begründung der Mehrforderung; denn sie hat mit Antwortschreiben vom 8. August 2005 mit der Maßgabe zugestimmt, dass der Kläger die bereits mit Schreiben vom 13. Juli 2005 übersandte Abfindungserklärung (nur) im Betrag auf 44.000,00 Euro abändern und unterzeichnen möge (Anlage K 10 = B 7). Dies hat der Kläger auch getan. Eine Beschränkung der von der Abfindung erfassten Ansprüche oder etwa einen Vorbehalt von Verdienstausfallansprüchen nahm er dabei nicht vor.

Auch der Umstand, dass der Kläger die ab 1. Februar 2005 erneut erfolgte Ruhestandsversetzung, die er auf einen weiteren, am 25. Juli 2004 erlittenen Verkehrsunfall zurückführte und wegen der er Verdienstausfallansprüche gegen den dortigen Verursacher geltend machte, vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung gegenüber der Beklagten nicht einmal erwähnt hatte, deutet darauf hin, dass der Kläger selbst davon ausging, sich mit der Beklagten endgültig über alle Ansprüche vergleichsweise einigen zu können, und dies auch wollte. Die auch ohne das weitere (der Beklagten unbekannte) Unfallereignis grundsätzlich bestehende Möglichkeit, dass der Kläger aufgrund der am 23. November 1977 erlittenen schweren Verletzungen in der Zukunft erneut (unfallbedingt) dienstunfähig werden könnte, war beiden Seiten bekannt. Dass sich seine einseitige Erwartung, weiteren Verdienstausfall von dem anderen Schädiger ersetzt zu erhalten, später als falsch erwies, fällt daher allein in seinen Risikobereich. Nach alledem kann die Beklagte auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als gehindert angesehen werden, sich auf die Erledigungswirkung des Abfindungsvergleichs zu berufen.

Aus diesen wesentlichen Gründen hat die Berufung des Klägers keine Erfolgsaussicht. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO).

Der Senat beabsichtigt außerdem, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert des Berufungsverfahrens unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Landgerichts Coburg vom 28. Mai 2008 (Bl. 56 d. A.) auf 52.220,37 Euro festzusetzen. Der dem Zahlungsanspruch von 37.220,37 Euro hinzuzusetzende Wert des Feststellungsanspruchs (Verpflichtung zum Verdienstausfallschadensersatz ab 1. Januar 2008) ist nach Auffassung des Senats im Hinblick darauf, dass eine solche allgemeine Feststellung für die Zukunft nur verjährungshindernde Wirkung hätte und der Zeitraum und die Höhe des zukünftig tatsächlich eintretenden Anfalls unfallbedingten Verdienstausfalls offen ist, allenfalls auf einen Betrag von 15.000,00 Euro zu schätzen. Der Kläger hat nicht etwa auf künftige Leistung geklagt oder die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich bezifferter Ansprüche beantragt.

Auf die bei Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (Kostenverzeichnis Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen.

Gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO erhält der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu Ziffer 1. bis spätestens 1. Dezember 2008.