Das Verkehrslexikon
OLG Köln Beschluss vom 30.12.2014 - 17 W 152/14 - Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten
OLG Köln v. 30.12.2014: Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten
Das OLG Köln (Beschluss vom 30.12.2014 - 17 W 152/14) hat entschieden:
Grundlegende Voraussetzung für eine Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten ist, dass die Partei aufgrund ihres Vortrags, der mit dem Privatgutachten belegt werden soll, gänzlich oder teilweise obsiegt. - Im Fall einer prozessual nutzlosen Einholung eines außergerichtlichen Gutachtens widerspricht es dem in § 96 ZPO zum Ausdruck gekommenen Gebot einer gerechten Kostenverteilung, die Kosten eines Privatgutachtens, dessen Ergebnis im Prozess durch ein eingeholtes Gerichtsgutachten und die Gerichtsentscheidung keine Bestätigung findet, und damit auch nicht der von der Partei abgeleitete Prozessvortrag, zu Lasten der Gegenpartei als erstattungsfähig zu behandeln.
Siehe auch Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren und Zur Kostenerstattung für Privatgutachten, die in das Verfahren eingebracht oder nicht eingebracht wurden
Gründe:
I.
In dem der Kostenfestsetzung zu Grunde liegenden Rechtsstreit, in dem die Klägerin den Unfallgegner sowie dessen Versicherung aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat, hat das Landgericht der Klägerin unter Klageabweisung im Übrigen Schadensersatz in Höhe von 7.665,22 € zugesprochen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Dabei ist das Landgericht nicht der auf ein von der beklagten Versicherung eingeholtes Privatgutachten gestützten Auffassung der Beklagten gefolgt, wonach verschiedene Schäden an dem Klägerfahrzeug nicht auf das Unfallereignis bezogen werden könnten. Die teilweise Klageabweisung beruht darauf, dass das Landgericht die Höhe der Reparaturkosten anders als die Klägerin bewertet hat.
Auf die Berufung der Klägerin wurden die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 10.231,53 € verurteilt und die Kosten der 1. Instanz der Klägerin zu 29 % und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 71 %, die Kosten der 2. Instanz der Klägerin zu 59 % und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 41 % auferlegt.
In dem unter dem 17.04.2014 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts sind bei der Kostenausgleichung die von den Beklagten angemeldeten Kosten für die Einholung des Privatgutachtens zu deren Gunsten berücksichtigt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 11 RpflG zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch übersteigt der Beschwerdewert 200 €. Der Beschwerdewert ist nicht nur in der Differenz zwischen dem in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag in Höhe von 570,09 € und dem nunmehr zuerkannten Betrag über 759 € zu sehen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss zum Nachteil der Klägerin eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO aufweist, indem er auf Seite 2 bezüglich der außergerichtlichen Kosten 1. Instanz das unter Ziffer 2. ausgewiesene Rechenergebnis in Höhe von 180,83 € als Erstattungsanspruch der Klägerin bezeichnet. Es ergibt sich aus der wiedergegebenen Berechnung, dass es insoweit um einen Erstattungsanspruch der Beklagten geht.
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die von den Beklagten angemeldeten Kosten für die Einholung des Privatgutachtens sind nicht nach § 91 ZPO erstattungsfähig, weil das Landgericht die Behauptungen der Beklagten, welche mit dem eingeholten Privatgutachten belegt werden sollten, aufgrund eines eingeholten Gerichtsgutachtens als nicht stichhaltig bewertet hat.
Zwar kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten nicht darauf an, dass das Privatgutachten die Urteilsfindung des Gerichts beeinflusst hat. Grundlegende Voraussetzung für eine Erstattungsfähigkeit ist nach Auffassung des Senats jedoch, dass die Partei aufgrund ihres Vortrags, der mit dem Privatgutachten belegt werden soll, gänzlich oder teilweise obsiegt.
In den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen (vgl. VI ZB 59/12 und die dort zitierten weiteren BGH-Entscheidungen), insbesondere zu dem Thema des Verdachts eines Versicherungsbetrug, hat die beklagte Versicherung, deren Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens als notwendige Prozesskosten anerkannt wurden, regelmäßig (zumindest überwiegend) obsiegt aufgrund des einschlägigen Sachvortrags, sofern nicht die Klage ohnehin zurückgenommen worden ist, was in beiden Fällen mit der Kostentragung der Klägerpartei verbunden gewesen ist. Dass in diesen Fällen für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten auf eine Beurteilung der Notwendigkeit der Gutachteneinholung durch die Partei ex ante abzustellen ist, begegnet unter diesen Vorzeichen keinen Bedenken.
Soweit die Beklagten sich in ihrem Schriftsatz vom 30.10.2014 darauf berufen haben, der Bundesgerichtshof habe in seinen Entscheidungen VI ZB 17/11 (NJW 2012, 1370) sowie VI ZB 59/12 (NJW 2013, 1823) bei der Frage der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten allein auf die Beurteilung der Notwendigkeit durch die Partei ex ante abgestellt unabhängig vom Verfahrensausgang, trifft dies nicht zu. Im letztgenannten Fall hatte die Klägerin ihre Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts zurückgenommen. In dem von dem Bundesgerichtshof zu VI ZB 17/11 entschiedenen Fall verhielt es sich ausweislich des Tatbestands des in juris veröffentlichten Urteils der (Kosten)Vorinstanz vom 18.02.2000 (LG Frankenthal - 1 T 301/10 -) so, dass das Landgericht die Klage abgewiesen und dies damit begründet hatte, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Berührung beider Fahrzeuge weder durch die Zeugenaussagen noch durch den gerichtlichen Gutachter habe nachgewiesen werden können.
Der Vortrag der Beklagten ("Im dort entschiedenen Fall waren die Feststellungen im Privatgutachten ebenfalls durch den Gerichtssachverständigen widerlegt worden; letztlich wurde durch die Klage dann aus anderen Gründen abgewiesen.") ist unter diesen Umständen nicht nachvollziehbar.
Wenn die beklagte Versicherung in Bezug auf ihren Vortrag zum versuchten Versicherungsbetrug bzw. zu der Nichtvereinbarkeit des Schadensbildes mit dem behaupteten Unfallgeschehen keinen Erfolg hat, kann die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachten jedoch nicht lediglich auf eine "ex ante Betrachtung" zu der Notwendigkeit der Gutachteneinholung gestützt werden. Deutlich wird dies in den eindeutigen Fällen, in denen der Klage stattgegeben und die beklagte Versicherung zur vollen Kostentragung verurteilt wird. Auch dann muss sie die Kosten ihrer eingeholten Privatgutachten selber tragen, auch wenn sie vor oder während des Prozesses durchaus berechtigte Zweifel an der Klägerdarstellung haben durfte, welche sie - im Fall eines Obsiegens im Prozess - berechtigt hätten, sich die entsprechenden Gutachterkosten als notwendige Kosten erstatten zu lassen.
Hat die Klageverteidigung einer Versicherung teilweise Erfolg aus anderen Gründen, die nicht auf ihrem sich auf die Feststellungen eines Privatgutachtens stützenden Vortrag beruhen, wird dieser - wie im vorliegenden Fall - von dem Gericht vielmehr als nicht bewiesen bzw. widerlegt gewertet, so sind die entstandenen Kosten für die Einholung des Privatgutachtens nach Auffassung des Senats nicht erstattungsfähig. Dies ergibt sich aus einer Parallelwertung zu der Einholung eines Gerichtsgutachtens, welches sich zu dem strittigen Vortrag einer Partei verhält. Ergibt das Gerichtsgutachten ein für die Partei negatives Ergebnis und erzielt diese aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten einen Teilerfolg, so sind ihr gemäß § 96 ZPO die Kosten der Beweisaufnahme durch Einholung des Gerichtsgutachtens im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung gesondert aufzuerlegen (vergleiche Zöller/Herget, ZPO, 30. Auflage, § 92 Rn. 5). In diesen Fällen hat das Gericht von Amts wegen die Anwendung des § 96 ZPO nach billigem Ermessen zu prüfen (Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Auflage, § 96 Rn. 3; MüKo, ZPO/Schulz, 4. Auflage § 96 Rn. 1 ff.). Im vorliegenden Fall der prozessual nutzlosen Einholung eines außergerichtlichen Gutachtens widerspräche es nach Meinung des Senats dem in § 96 ZPO zum Ausdruck gekommenen Gebot einer gerechten Kostenverteilung (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen/Wache, ZPO § 96 Rn. 1.1 und die dort angegebene Rechtsprechung; siehe auch BGH NJW 2005,294), Kosten eines Privatgutachtens, dessen Ergebnis im Prozess durch das eingeholte Gerichtsgutachten und die Gerichtsentscheidung keine Bestätigung findet, und damit auch nicht der von der Partei abgeleitete Prozessvortrag, zu Lasten der Gegenpartei als erstattungsfähig zu behandeln.
Insoweit besteht für die Kostenfestsetzung auch keine Bindung aufgrund der Kostengrundentscheidung, bei der in Bezug auf die gerichtlichen Kosten der Einholung des Gerichtsgutachtens kostenmäßig keine sichtbare Differenzierung vorgenommen worden ist im Hinblick darauf, dass die Beklagte mit dem Einwand nicht kompatibler Unfallschäden keinen Erfolg hatte.
Zum einen hatte das Landgericht zu der Berechtigung außergerichtlicher Privatgutachterkosten keine Entscheidung zu treffen. Zum anderen fiel das Gerichtsgutachten zu Gunsten der Beklagten insoweit aus, als es von der Höhe der mit der Klage verfolgten Reparaturkosten nicht unerheblich zu Gunsten der Beklagten abwich.
Nach alledem sind bei der Kostenfestsetzung bezüglich der außergerichtlichen Kosten 1. Instanz auf Beklagtenseite statt 3.808,24 € - abzüglich der Gutachtenkosten in Höhe von insgesamt 1.898,53 - lediglich 1.909,71 € anzusetzen, was zur Folge hat, dass sich bezüglich dieser Kosten ein Erstattungsanspruch der Klägerin über 369,75 € ergibt. Dies führt im Ergebnis - unter Berücksichtigung der übrigen Kostenpositionen, wie sie in der angefochtenen Entscheidung aufgeführt sind - dazu, dass insgesamt von den Beklagten an die Klägerin der 759,00 € zu erstatten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2., Abs. 2 Nr. 1. wird die Rechtsbeschwerde zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines vor oder während eines Prozesses eingeholten Privatgutachtens auch dann bejaht werden kann, wenn die Partei mit ihrem Prozessvortrag, der durch das Privatgutachten belegt werden soll, unterliegt.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: bis 1.000 €