Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Köln Beschluss vom 29.01.2015 - 17 W 135/14 - Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten

OLG Köln v. 29.01.2015: Zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten


Das OLG Köln (Beschluss vom 29.01.2015 - 17 W 135/14) hat entschieden:
Die Kosten eines vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig. - Hat eine Versicherung im Prozess allein aus Gründen Erfolg, die nicht auf den Feststellungen des Privatgutachtens beruhen, sind die entstandenen Kosten für die Einholung des Privatgutachtens nicht erstattungsfähig.


Siehe auch Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren und Zur Kostenerstattung für Privatgutachten, die in das Verfahren eingebracht oder nicht eingebracht wurden


Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zwar gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. In der Sache selbst hat sie jedoch aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (241 - 244 GA) und des Nichtabhilfebeschlusses vom 11. Juni 2014 (253 f. GA) keinen Erfolg.

Bei den Kosten für das vorprozessuale Gutachten des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. G (Ingenieurbüro C GmbH) für ein am 29. Juni 2012 von der Beklagten zu 2 in Auftrag gegebenes Privatgutachten vom 8. August 2012 (226 - 228 = 96 ff. GA) handelt es sich nicht um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auch wenn der Bundesgerichtshof immer mehr Ausnahmen zulässt, bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Kosten eines vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind (vgl. nur Zöller/Herget, 30. Aufl., § 91 ZPO Rn 13 "Privatgutachten" mwN; MK-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 ZPO Rn 158).

Die Beklagte zu 2 hatte Bedenken, ob die Instandsetzung des im Prozess geltend gemachten Schadens am PKW des Klägers tatsächlich so erfolgt ist, wie die dafür eingereichte Rechnung es ausweist, und wie ein angeblicher Vorschaden - der tatsächlich an einem anderen Fahrzeug des Klägers entstanden war - repariert worden ist. Zur Feststellung ihrer Vermutungen hatte sie deshalb den Sachverständigen beauftragt. Dieser konnte diese Beschuldigungen jedoch nicht bestätigen. Damit war der Aufwand für den Sachverständigen objektiv und ex post betrachtet nicht notwendig. Da die Klageverteidigung der Versicherung allein aus anderen Gründen Erfolg hatte, die nicht auf ihrem sich auf die Feststellungen des Privatgutachtens stützenden Vortrag beruhen, sondern dieser sogar durch das eingeholte Privatgutachten selbst widerlegt worden ist, sind die entstandenen Kosten für die Einholung des Privatgutachtens nach Auffassung des Senats nicht erstattungsfähig (vgl. Beschluss vom 30.12.2014 (17 W 152/14).

Die Beklagte zu 2 kann die von ihr unnötigerweise aufgewendeten Kosten nicht vom Prozessgegner erstattet verlangen, auch wenn dieser aus anderen Gründen den Prozess verloren und die - notwendigen! - Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Zum gleichen Ergebnis - keine Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten - würde man auch gelangen, wenn die Beklagte die aufgewendeten Kosten als Schaden im Prozess geltend gemacht hätte. Eine auf diesen Schaden bezogene Pflichtverletzung des Klägers lag nicht vor. Soweit das Landgericht eine Pflichtverletzung des Klägers festgestellt hat (bewusstes Beschleunigen trotz oder gar wegen des Spurwechsels des Beklagten zu 1), wäre der Schaden (Kosten dieses Sachverständigengutachtens) jedenfalls nicht kausal.

Aber auch bei der vom Bundesgerichtshof (BGHZ 153, 235 ff. = juris Rn 13; 192, 140 ff. = juris Rn 12 f.; NJW 2013, 1823 f. = juris Rn 8) als maßgeblich angesehenen exante-Sicht durfte die Beklagte zu 2 die Einholung dieses Gutachtens nicht als sachdienlich ansehen. Denn zur zweckentsprechenden Prozessführung ist die Einholung eines vorprozessualen Privatgutachtens nur notwendig, wenn sich die Partei aufgrund fehlender Sachkenntnisse oder wegen eines besonderen Schwierigkeitsgrades zu sachgerechtem Vortrag nicht in der Lage sieht und daher befürchten muss, ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast nicht genügen, einen gebotenen Beweis nicht antreten oder Angriffe des Gegners nicht abwehren zu können (Schulz, aaO Rn 160 mwN, u.a. BGHZ 153, 235 ff. = juris Rn 13). Insbesondere in den Fällen, in denen eine Versicherung einen - versuchten - Betrug ihres Versicherungsnehmers vermutet, bedarf es dazu konkreter Verdachtsmomente. Ansonsten könnte sie in jedem Versicherungsfall quasi "prophylaktisch" ein Privatgutachten einholen, dessen Kosten der Versicherungsnehmer auch dann zutragen hätte, wenn er aus anderen Gründen zur Kostenerstattung verpflichtet wäre, obwohl sich der Verdacht nicht bestätigt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1597 f. = juris Rn 10) bedarf es deshalb in derartigen Fällen hinreichender Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Versuch eines Versicherungsbetrugs und der Besorgnis, dass ohne die zeitnahe Einschaltung eines Privatsachverständigen Beweismittel für einen späteren Prozess verloren gehen oder ihre Benutzung erschwert wird. Demgegenüber diente das vorprozessual erstellte Privatgutachten im vorliegenden Fall lediglich der allgemeinen und eher routinemäßigen Prüfung der Frage, ob die in der Reparaturrechnung der C2 GmbH aufgeführten Arbeiten tatsächlich in diesem Umfang erbracht worden waren oder nicht, und damit der Prüfung der Einstandspflicht, welche die Partei grundsätzlich in eigener Verantwortung vorzunehmen hat. Den dadurch entstehenden Aufwand hat sie mithin grundsätzlich selbst zu tragen (BGH, aaO unter Hinweis auf BGHZ 153, 235, 236 f.). Es bestand außerdem auch keine Besorgnis, dass ohne die zeitnahe Einschaltung eines Privatsachverständigen Beweismittel für einen späteren Prozess verloren gehen oder ihre Benutzung erschwert werden könnte (BGH, aaO).

Die Beklagten haben von der ihnen durch den Senat ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit, eventuelle konkrete Verdachtsmomente für die Einholung des vorgerichtlichen Privatgutachtens vorzutragen, keinen Gebrauch - mehr - gemacht. Soweit sie im Prozess vorgetragen hatte, die weit über das statistische Maß hinausgehende Häufigkeit der Beteiligung an Unfällen mache den Kläger bereits verdächtig, genügt dies nach der Rechtsprechung des BGH keinesfalls (vgl. aaO Rn 10 aE).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 428,28 €







Datenschutz    Impressum