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OLG Hamm Urteil vom 04.12.1997 - 6 U 118/97 - Keine Unterbrechung der Verjährung durch frei verrechenbaren Vorschuss

OLG Hamm v. 04.12.1997: Keine Unterbrechung der Verjährung durch frei verrechenbaren Vorschuss


Das OLG Hamm (Urteil vom 04.12.1997 - 6 U 118/97) hat entschieden:
  1. Die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gem StVG § 7, BGB §§ 823, 847, PflVG § 3 Nr 1 beträgt 3 Jahre. Sie richtet sich nach BGB § 852, StVG § 14, PflVG § 3 Nr 3 und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

  2. Die Verjährung der Haftpflichtansprüche ist gem PflVG § 3 Nr 3 S 3 von dem Zeitpunkt der Anmeldung beim Versicherer bis zum Zeitpunkt dessen schriftlicher Entscheidung gehemmt. Die Verjährungsfrist wird nicht dadurch unterbrochen, dass der Versicherer zusagt, die Verjährungseinrede nicht vor einem bestimmten Datum zu erheben. Ebensowenig folgt eine Verjährungsunterbrechung aus der Zahlung eines frei verrechenbaren Vorschusses unter Rückforderungsvorbehalt, sofern der Versicherer bei der Zusage bzw der Zahlung jedenfalls zum Ausdruck gebracht hat, dass zur Haftungsfrage keine endgültige Erklärung abgegeben werden soll.

Siehe auch Vorschuss und Vorschussverrechnung und Verjährung von Ansprüchen in der Unfallregulierung


Tatbestand:

Die seinerzeit 7 Jahre und 10 Monate alte Klägerin wurde am 7.12.1989 in D. (innerorts) beim Versuch, als Fußgängerin die Fahrbahn der …-Straße zu überqueren, von einem für sie von rechts kommenden, vom Beklagten zu 3) geführten Pkw erfasst und erheblich verletzt. Halterin des Fahrzeugs war die Beklagte zu 2); es war bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert.

Das Landgericht hat die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen und immateriellen Schadens gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Ansprüche seien verjährt.


Entscheidungsgründe:

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Verjährungsfrist für die hier in Betracht kommenden Ansprüche aus § 7 StVG, §§ 823, 847 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG beträgt drei Jahre. Sie richtet sich nach § 852 BGB, § 14 StVG, § 3 Nr. 3 PflVG und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Dieser Zeitpunkt war im vorliegenden Fall spätestens mit dem 7.2.1990 eingetreten, da bis dahin der von den Eltern der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt H., dessen Kenntnis ihr zuzurechnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.1989 - VI ZR 251/88 - NJW 1989, 2323), Einsicht in die Ermittlungsakten gehabt hat und daraus nicht nur Name und Anschrift der Beklagten zu 2) und 3) entnehmen konnte, sondern auch soviel an Sachverhalt, dass darauf zumindest eine Feststellungsklage hätte gestützt werden können. Spätestens damit begann gemäß § 3 Nr. 3 Satz 2 PflVG auch die Verjährung des Direktanspruchs gegen die Beklagte zu 1).

Von da an lief die Verjährung zwei Jahre und neun Monate, bis ihr weiterer Lauf gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG dadurch gehemmt wurde, dass Rechtsanwalt H. mit Schreiben vom 7.11.1992 die Ansprüche der Klägerin bei der Beklagten zu 1) anmeldete.

Die Hemmung endete gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG damit, dass die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 19.12.1994 gegenüber den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die nunmehr anstelle des inzwischen verstorbenen Rechtsanwalts H. die Vertretung der Klägerin übernommen hatten, es ablehnte, sich erneut mit der Regulierung zu befassen (zum Ende der Hemmung vgl. BGH r+s 92, 186; 97, 229).

Danach lief der Rest der noch nicht abgelaufenen Verjährungsfrist weiter. Die dreijährige Verjährungsfrist begann nicht erneut zu laufen, denn sie war nicht i.S.d. § 217 BGB in der Weise unterbrochen worden, dass danach eine erneute Verjährung begann. Eine Unterbrechung war insbesondere nicht gemäß § 208 BGB durch Abschlagszahlung oder Anerkenntnis in anderer Weise eingetreten. An das Vorliegen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses i.S.d. § 208 BGB sind zwar geringere Anforderungen zu stellen als an ein deklaratorisches oder gar ein konstitutives Schuldanerkenntnis. Notwendig und ausreichend ist hier vielmehr ein Verhalten des Schuldners, welches das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld unzweideutig zum Ausdruck bringt (vgl. BGHZ 58, 103 = MDR 1972, 398; Filthaut, VersR 1997, 525).

Ein derartiges Bewusstsein konnten die Eltern und die jeweiligen anwaltlichen Vertreter der Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten zu 3) jedoch nicht entnehmen.

In ihrer ersten Reaktion auf die Anmeldung der Ansprüche durch Rechtsanwalt H. hat die Beklagte durch Schreiben vom 1.12.1992 ausdrücklich erklärt, sie könne zur Zeit keine Stellung zur Haftung nehmen, und hat um einen Auszug aus den amtlichen Ermittlungsakten gebeten, um die Haftung überprüfen zu können.

Auch das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 6.1.1993, in welchem sie zusagt, die Verjährungseinrede nicht vor dem 1.11.1993 zu erheben, kann nicht als Erklärung verstanden werden, welche das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld zum Ausdruck bringt, zumal dort ausdrücklich festgehalten worden ist, dass eine Erklärung zum Grunde und zur Höhe der angekündigten Schadensersatzansprüche mit diesen Schreiben nicht abgegeben wird.

Entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Auffassung lässt auch das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 15.2.1993 nicht erkennen, dass die Beklagte zu 1) nunmehr ihre Einstandspflicht für die Unfallfolgen prinzipiell akzeptiert hatte. Zwar ist dieses Schreiben vor dem Hintergrund zu sehen, dass inzwischen das Strafverfahren gegen den Beklagten zu 1) stattgefunden hatte, dessen Ausgang erkennen ließ, dass der Strafrichter von einem - wenn auch geringen - Verschulden des Beklagten zu 1) ausgegangen war. Wenn in dieser Situation die Beklagte zu 1) die Zahlung eines frei verrechenbaren Vorschusses ankündigte, so spricht das dafür, dass sie nunmehr aufgrund des Ausgangs des Strafverfahrens ihre Einstandspflicht für wahrscheinlich hielt. Andererseits hat sie in diesem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie für eine ordnungsgemäße Überprüfung der Haftungsfrage auf einen kompletten Aktenauszug angewiesen sei. Ein solcher lag ihr zum damaligen Zeitpunkt nicht vor. Vor allem hat sie sich zur Zahlung des frei verrechenbaren Vorschusses von 5.000 DM nur unter ausdrücklichem Rückforderungsvorbehalt bereiterklärt. Dass sie zum damaligen Zeitpunkt angesichts des unvollständigen Aktenauszuges noch keine endgültige Erklärung zur Haftungsfrage abgeben wollte, wird noch deutlicher in dem Begleitschreiben vom 11.2.1993, mit welchem sie den Scheck über 5.000 DM an Rechtsanwalt H. übersandt hat. Dort heißt es ausdrücklich:
„Diesen Scheck erhalten Sie als Vorauszahlung, ohne dass wir damit eine Vorentscheidung treffen und mit dem Vorbehalt späterer Verrechnung durch uns.

Auch eine Rückforderung bleibt vorbehalten.”
Angesichts dieser Erklärung konnte der anwaltliche Vertreter der Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte nunmehr prinzipiell ihre Haftung dem Grunde nach akzeptieren würde. Er musste diese Erklärung vielmehr so verstehen, dass die Beklagte zu 3) zwar ihre Einstandspflicht jetzt für wahrscheinlich hielt, was ja nach dem Ergebnis des Strafverfahrens auch nahe lag, dass sie aber nach wie vor bis zur Überprüfung der Haftungsfrage aufgrund eines kompletten Aktenauszuges keine verbindliche Erklärung zur Haftungsfrage abgeben wollte und sich deswegen für alle Fälle die Rückforderung vorbehalten wollte.

Auch in der Folgezeit hat die Beklagte zu 1), obwohl ihr inzwischen offenbar ein kompletter Aktenauszug vorlag, in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass sie nunmehr von ihrer Einstandspflicht ausgehe, sondern hat gegenüber den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die nach dem Tode des Rechtsanwalts H. die Vertretung der Klägerin übernommen haben, durchgehend unmissverständlich ihre Einstandspflicht abgelehnt. Die restliche noch nicht abgelaufene Verjährung von höchstens noch ca. 3 Monaten lief demgemäß weiter, nachdem die Hemmung durch das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 19.12.1994 beendigt worden war. Sie wurde vor ihrem endgültigen Ablauf weder durch Anerkenntnis noch durch gerichtliche Geltendmachung oder in sonstiger Weise unterbrochen oder erneut gehemmt, so dass bei Einreichung der vorliegenden Klage am 2.12.1996 bereits Verjährung eingetreten war.