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"Die Beklagte zu 1) konnte wirksam eine Tilgungsbestimmung des Inhaltes treffen, dass der vorgerichtlich dem Kläger unter dem Vorbehalt, den Betrag beliebig zu verrechnen oder zurückzufordern, ausbezahlte Vorschuss von 75.000 EUR auf die Schmerzensgeldforderung anzurechnen ist. Die Schmerzensgeldforderung gilt deshalb in dieser Höhe ab dem 26. März 2015 als erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
(1) Nach § 362 BGB ist zur Erfüllung einer Verbindlichkeit grundsätzlich nur erforderlich, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Erbringt der Schuldner mithin den geschuldeten Leistungserfolg, so tritt die Erfüllungswirkung regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten. Voraussetzung ist lediglich, dass die Leistung einem bestimmten Schuldverhältnis zugeordnet werden kann. Dazu reicht es aus, dass die bewirkte Leistung die allein geschuldete ist und daneben keine andere, gleichartige Schuld besteht, auf welche die Leistung daneben oder stattdessen erbracht worden sein könnte, und der Schuldner nicht selbst eine abweichende Bestimmung trifft (sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung, st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89, WM 1991, 454, zitiert juris Rn. 8; vom 17. Juli 2007 - X ZR 31/06, NJW 2007, 3488 Rn. 17; vom 27. Juni 2008 - V ZR 83/07, WM 2008, 1703, zitiert juris Rn. 26; MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 362 Rn. 7 ff; jeweils mwN). Erst dann, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, wird gemäß § 366 Abs. 1 BGB diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt. Die Tilgungsbestimmung muss bei der Leistung getroffen werden (BGH, Urteil vom 25. November 2003 - XI ZR 379/02, NJW-RR 2004, 405, 407; vom 26. März 2009 - I ZR 44/06, NJW-RR 2009, 1053 Rn. 46).
Da § 366 BGB abbedungen werden kann, ist in Ausnahme hierzu jedoch auch eine nachträgliche Tilgungszweckbestimmung möglich. Der Schuldner kann sich die eigentlich bereits mit der Leistung zu treffende Verrechnungsbestimmung im Sinne von § 366 Abs. 1 BGB vorbehalten, indem er bei Zahlung einen Verrechnungsvorbehalt erklärt. Ein solches Vorgehen enthält das Angebot auf Abschluss eines Vertrages, mit dem der Schuldner zu einer erst nach Leistung erfolgenden Verrechnungsbestimmung ermächtigt wird; dieser Vertrag wird durch die Entgegennahme der Zahlung stillschweigend angenommen (OLG Frankfurt/Main, VersR 1971, 186; OLG Zweibrücken, Urteil vom 25. März 2004 - 4 U 97/02, OLGR 2005, 26, 29; MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 366 Rn. 9; Staudinger/Olzen, BGB, 2011, § 366 Rn. 32). Will der Gläubiger in diesem Fall das Bestimmungsrecht zum Erlöschen bringen, muss er den Schuldner auffordern, innerhalb einer angemessen Frist von seinem Recht Gebrauch zu machen (OLG Frankfurt/Main, aaO). Ob die vom Schuldner nachträglich getroffene Zweckbestimmung erst ex nunc wirkt, ist demgegenüber bislang nicht geklärt (vgl. hierzu nur MünchKomm-BGB/Fetzer, aaO; Staudinger/Olzen, aaO Rn. 32 jeweils mwN; offen gelassen durch BGH, Urteil vom 6. Dezember 1988 - XI ZR 81/88, BGHZ 106, 163, 168).
(2) Gemessen hieran konnte die Beklagte zu 1) im Termin vom 26. April 2015 mit Wirkung auf den Zeitpunkt der getroffenen Zweckbestimmung wirksam den geleisteten Vorschuss auf die Schmerzensgeldforderung verrechnen. Dem steht nicht die von der Berufung hingenommene Feststellung des Landgerichts entgegen, die Beklagte habe eine Verrechnung auf das Schmerzensgeld ausdrücklich verneint (Seite 12 des landgerichtlichen Urteils). Der so getroffenen negativen Tilgungsbestimmung ist zwar die Erklärung zu entnehmen, die Leistung solle nicht zur Erfüllung dieser Schuld dienen, so dass der Eintritt der Erfüllungswirkung insoweit verhindert wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1972 - V ZR 176/70, NJW 1972, 1750; vom 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89, NJW 1991, 1294, 1295) und das Bestimmungsrecht in diesem Umfang erloschen ist. Jedoch hat der Kläger, wie aus dem Schriftsatz vom 6. Mai 2015 (Blatt 686 der Akte) folgt, einer solchen Verrechnung zugestimmt und der Beklagten zu 1) damit auch ein neues Bestimmungsrecht eingeräumt."
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