Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Bremen Beschluss vom 16.01.2015 - 10 C 409/13 - Teilweise Aufhebung der PKH-Bewilligung wegen Mutwilligkeit
AG Bremen v. 16.01.2015: Teilweise Aufhebung der PKH-Bewilligung wegen Mutwilligkeit
Das Amtsgericht Bremen (Beschluss vom 16.01.2015 - 10 C 409/13) hat entschieden:
Beantragt der Antragsteller die Anhörung des Sachverständigen ohne konkrete Einwände gegen das Gutachten zu erheben bzw. konkrete Fragen an den Sachverständigen zu richten, so ist dieser Beweisantritt mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO und rechtfertigt die teilweise Aufhebung der Prozesskostenhilfe für die beantragte Anhörung des Sachverständigen in einem Termin zur mündlichen Verhandlung.
Siehe auch Prozesskostenhilfe - PKH - Beratungshilfe und Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren
Gründe:
1. Dem Kläger ist für einen Verkehrsunfallprozess Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Das auf Basis der Prozesskostenhilfe eingeholte Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die an den Unfallwagen vorhanden Schäden nur dann höhenmäßig kompatibel sind, wenn die Berührung der Fahrzeuge in der Kurvenfahrt stattgefunden hat. Zunächst beantragte der Kläger, dem Sachverständigen aufzugeben, sein Unfallrekonstruktionsgutachten unter der Prämisse zu erstellen, dass sich die Kollision ereignet hat, als sich beide Fahrzeuge bereits in Geradeausfahrt befunden haben. Das Gericht wies den Kläger darauf hin, dass dem nicht nachgegangen werden könne, weil das Unfallrekonstruktionsgutachten gerade dazu diene, den Unfallhergang festzustellen, und gab dem Kläger auf, zur Vorbereitung der mündlichen Erörterung des Gutachtens konkrete Fragen an den Sachverständigen zu formulieren. Dies lehnte der Kläger mit Schreiben vom 14.01.2015 ab.
2. Das Gericht hat daraufhin die Prozesskostenhilfe für die Anhörung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben. Gem. § 124 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise für bestimmte Beweiserhebungen aufheben, wenn der Beweisantritt mutwillig ist oder die beantragte Beweiserhebung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung gem. § 114 Abs. 2 ZPO, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, auch wenn hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Dies gilt sowohl für das ob als auch für das wie der Rechtsverfolgung. Durch den Begriff der Mutwilligkeit soll der verfassungsrechtlich gebotene Rahmen der Prozesskostenhilfe gewahrt werden. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass es verfassungsrechtlich ausreichend ist, dem Hilfebedürftigen hinsichtlich seiner Zugangsmöglichkeit zum Gericht einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (zuletzt Beschluss vom 11. November 2009, NJW 2010, 988). Denn grundsätzlich ist es einem Hilfebedürftigen zuzumuten, sich wie ein verständiger, vernünftig denkender Rechtsschutzsuchender zu verhalten, der den zu erwartenden Nutzen, das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko in ein angemessenes Verhältnis zueinander bringt (BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2014 - IX ZA 12/13 -, juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Beantragung der Anhörung des Sachverständigen als mutwillig. Zwar ist es richtig, dass die Parteien zur Anhörung des Sachverständigen keine Fragen stellen müssen. Eine Partei, die die Prozessaussichten und das Kostenrisiko im Blick hat, würde angesichts des klaren, nachvollziehbar und schlüssig begründeten Sachverständigengutachtens nur bei konkreten Einwänden gegen das Gutachten, die sich in konkreten Fragen an den Sachverständigen niederschlagen, die weitere Kosten auslösende Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung beantragen. Die in dem Schriftsatz des Klägers vom 12.11.2014 aufgeworfenen Fragen/dargelegten Einwänden hat der Sachverständige im schriftlichen Gutachten bereits mit dem Gegenteil beantwortet.