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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 06.02.2015 - 119 C 3131/14 -

AG Berlin-Mitte v. 06.02.2015:


Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 06.02.2015 - 119 C 3131/14) hat entschieden:
  1. Die Einziehung einer an den Kfz-Sachverständigen abgetretenen Forderung des Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten ist gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, wenn allein die Höhe des Honoraranspruchs bestritten wird.

  2. Ob die Vergütung eines Sachverständigen schadensrechtlich erforderlich ist, ist anhand der Honorarbefragung 2013 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. – BVSK zu ermitteln.

Siehe auch Die Sachverständigenkosten in der Unfallschadenregulierung und Die Abtretung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall an das Kfz-Sachverständigenbüro


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG einen Anspruch aus abgetretenen Recht auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Unstreitig hat die Beklagte den weit überwiegenden Teil des beim Verkehrsunfall entstandenen Schadens gegenüber dem Kläger reguliert. Eine solche Teilzahlung ohne Abgabe weiterer Erklärungen kann zwar nach ständiger Rechtsprechung nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet werden, das vorgerichtliche Verhalten der Beklagten führt jedoch dazu, dass ein lediglich pauschales Bestreiten als prozessual unbeachtlich anzusehen ist. Angesichts des vorgerichtlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten hätte sie substantiiert unter Darlegung tatsächlicher Anhaltspunkte vortragen müssen, warum nunmehr doch Zweifel an der Aktivlegitimation bestehen sollten.

Die Abtretung der Ersatzforderung vom Geschädigten an den Sachverständigen verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Nach § 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Gemäß § 5 Abs. 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Entscheidend ist, ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenleistung besteht. Die Einziehung von Kundenforderungen, die einem Unternehmer erfüllungshalber abgetreten werden, soll grundsätzlich erlaubt sein, auch wenn dies eine rechtliche Prüfung erfordern sollte. Die Einziehung der Forderung ist eng mit der den Vergütungsanspruch auslösenden Haupttätigkeit verbunden. Dies folgt bereits daraus, dass im Bestreitensfalle der Sachverständige den Honoraranspruch belegen muss (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014, 7 U 111/12). Die Regulierung in streitigen Schadensfällen geht jedoch über die bloße Nebenleistung hinaus, weil dann die Klärung der Verschuldensfrage erforderlich wird und diese Bewertung nicht mehr zu dem Haupttätigkeitsfeld eines Sachverständigen gehört, da dieser nur die Feststellung von Tatsachen schuldet (BGH, Urteil v. 05.03.2013, VI ZR 245/11; BGH, Urteil v. 31.01.2012, VI ZR 143/11).

Die 100%ige Einstandspflicht der Beklagten ist jedoch unstreitig. Eine Verschuldensfrage ist nicht mehr zu klären, allein die Höhe des Honoraranspruchs wird bestritten. Diese gehört aber zum Hauptgeschäft des Sachverständigen.

Soweit die Beklagte zunächst behauptet hat, der Geschädigte müsse sich einen Mitverschuldensanteil anrechnen lassen, hat sie hierzu nach dem zulässigen Bestreiten durch den Kläger - eine Mithaftung ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem als Anlage K 3 vorgelegten Abrechnungsschreiben - nicht weiter vorgetragen. Die Behauptung ist damit unsubstantiiert und war der Entscheidung nicht zu Grunde zu legen.

Die Abtretung ist auch hinreichend bestimmt. Die Geschädigte hat die Gutachterkosten in der Abtretungserklärung ausreichend bestimmbar abgetreten. Es ist gerade nicht eine Mehrzahl von Schadenspositionen betroffen. Die Abtretung beschränkt sich konkret auf den möglichen Schadensposten der Sachverständigenkosten. Zudem wird explizit auf die Gutachtennummer Bezug genommen. Ernsthafte Zweifel an der hinreichenden Bestimmbarkeit der Forderung vermag das Gericht nicht erkennen.

Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall ist ebenso außer Streit wie die Tatsache, dass das streitgegenständliche Gutachten zur Beurteilung der Schäden erforderlich und zweckmäßig war.

Zu den ersatzfähigen Schäden i.S.d. §§ 249 ff. BGB gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schätzung der Schadenshöhe an dem durch den Unfall beschädigten PKW (st. Rspr des BGH, vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 - VI ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 471/12 mwN). Er ist nach dem - dem Zweck des Schadensrechts und dem Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB entsprechenden - Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23.01.2007 - VI ZR 67/06).

Ob die Vergütung schadensrechtlich erforderlich ist, ermittelt das Gericht anhand der Honorarbefragung 2013 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. - BVSK. Der zu berücksichtigende Schaden setzt sich aus den Nettoreparaturkosten zuzüglich einer eventuellen Wertminderung zusammen, beziehungsweise ist im Totalschadenfall der Wiederbeschaffungswert brutto maßgebend. Entgegen der Behauptung der Beklagten, hat der Kläger die Grundgebühr nachvollziehbar abgerechnet. Der Grundgebühr wurde der ermittelte Wiederschaffungswert zzgl. MwSt zu Grunde gelegt. Inwieweit der Kläger bei der Abrechnung den Geschädigten getäuscht haben sollte, erschließt sich dem Gericht daher nicht.

Auch für die Beklagte ergibt sich aus der Abtretungserklärung klar, dass der Kläger und der Geschädigte die BVSK-​Honorarbefragung vereinbart haben. Mit den Einwendungen gegen die Abtretung dringt die Beklagte aus den obigen Gründen nicht durch.

Vorliegend betrüge das Honorar nach den Sätzen der BVSK-​Honorarbefragung 2013 (oberer Wert des Honorarkorridors HB V) 1.387,10 € netto:

Grundgebühr: 1.225,00 €
Fahrkosten pauschal 26,73 €
1. Fotosatz - 25 x 2,55 €= 63,75 €
2. Fotosatz - 25 x 1,67 €= 41,75 €
Schreibkosten/Telefon/Porto pauschal 29,87 €


Der Kläger hat 1.325,30 € netto berechnet. Damit werden die in der Branche üblichen Preise nicht überschritten, so dass die Kosten vollständig zu ersetzen sind.

Auch können neben der Grundpauschale Nebenkosten verlangt werden. Diese sind üblich. Zudem umfasst die Grundpauschale, die sich zulässigerweise an der festgestellten Schadenshöhe orientieren kann, offensichtlich die Arbeiten des Gutachters zur Schadensfeststellung am Fahrzeug. Es ist zudem auch im Ergebnis gleichgültig, ob man die Nebenkosten gesondert ausweist oder die Grundpauschale dementsprechend erhöht. Die Höhe der Nebenkosten übersteigt die aus dem Honorarkorridor der BVSK-​Befragung ersichtlichen üblichen Kosten nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.