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OVG Saarlouis Beschluss vom 27.09.2016 - 1 B 241/16 - Entziehung der Fahrerlaubnis nach Amphetaminkonsum

OVG Saarlouis v. 27.09.2016: Entziehung der Fahrerlaubnis nach Amphetaminkonsum und Wiedererlangung der Fahreignung


Das OVG Saarlouis (Beschluss vom 27.09.2016 - 1 B 241/16) hat entschieden:
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) davon auszugehen, dass im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besteht. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Konsums bedarf es nicht. Folglich spielt es im Fall des Konsums harter Drogen, wie Amphetamin, keine Rolle, ob der Antragsteller Zeiten der Unfallfreiheit vorweisen kann oder meint, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig trennen zu können.


Siehe auch Amphetamine (Speed / MDMA) und Drogenabstinenz und Wiedererlangung der Fahrerlaubnis




Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter der Geschäftsnummer 5 K 2038/15 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20.7.2015 in der Gestalt des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11.11.2015 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschuss des Beklagten vom 12.11.2015, durch den unter Anordnung des Sofortvollzugs die dem Antragsteller erteilte Fahrerlaubnis der Klassen 1 a und 3 entzogen, ihm die Abgabe des Führerscheins binnen Wochenfrist nach Zustellung des Bescheides aufgegeben und für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht sowie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,- € zuzüglich Zustellgebühren festgesetzt wurde, mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Entzug der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei und die Klage daher nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg habe. Die hiergegen in der Beschwerde erhobenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegen. Nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) davon auszugehen, dass im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besteht. Aufgrund der im Rahmen der toxikologischen Untersuchungen der Blutprobe des Antragstellers gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 16.1.2015 festgestellten Amphetaminkonzentration von 0,39 mg/l liegen die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis vor. Allein aufgrund des nachgewiesenen Amphetaminkonsums ist gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV von der fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Die Rechtsfolge tritt unabhängig von der Menge und Häufigkeit der Betäubungsmitteleinnahme, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon ein, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit bei dem Betreffenden zu verzeichnen waren. Dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dabei dadurch Genüge getan, dass die Bewertungen der FeV durch die entsprechenden Regelungen in der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV nur im Regelfall gelten. Ausnahmen von der Regelvermutung der Anlage 4 zur FeV sind dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Es obliegt aber insoweit dem Betreffenden, durch schlüssigen Vortrag diese besonderen Umstände darzulegen
OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.6.2009 - 1 B 373/09 - und vom 29.5.2009 - 1 A 31/09 -.
Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, abweichend von der Regelvermutung aufgrund in der Person des Antragstellers liegender Besonderheiten davon auszugehen, dass dieser ungeachtet des nachgewiesenen Amphetaminkonsums die Fähigkeit besitzt, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen.

Hierzu macht der Antragsteller geltend, dass er seit 1981 unfallfrei fahre, er noch nie unter Drogeneinfluss gefahren sei und die Anordnung der Blutuntersuchung auf Betäubungsmittel ohne konkreten Anlass auf eine Straftat erfolgt sei; zudem sei sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, dadurch belegt, dass er noch nie entsprechend polizeilich aufgefallen sei und auch an diesem Abend nicht ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Wie bereits ausgeführt, reicht bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen, zu denen auch Amphetamin gehört, grundsätzlich aus, die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Konsums bedarf es nicht. Folglich spielt es im Fall des Konsums harter Drogen, wie Amphetamin, keine Rolle, ob der Antragsteller Zeiten der Unfallfreiheit vorweisen kann oder meint, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig trennen zu können. Hierzu hat das Verwaltungsgericht unter Darlegung der Wirkungsweise von Amphetamin das Erforderliche gesagt.

Soweit der Antragsteller weiter behauptet, dass die Anordnung der Blutuntersuchung ohne konkreten Anlass auf eine Straftat erfolgt sei, trifft dies nicht zu. Ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken - 9 Cs 31 Js 1325/14 - wurden der Antragsteller und ein Begleiter am 13.9.2014 in Saarbrücken anlässlich einer Fahndung in Zusammenhang mit der Bedrohung einer Prostituierten von der Polizei am Fahrzeug des Antragstellers angetroffen und kontrolliert, wobei der Begleiter den Polizeibeamten gegenüber angegeben hat, dass der Antragsteller die meiste Zeit das Fahrzeug geführt habe. Angesichts des beim Antragsteller zu diesem Zeitpunkt aufgefundenen Rauschgifts (2 Tüten mit insgesamt 3 g Amphetamin in seinem rechten Strumpf, 10 g Amphetamin im Kofferraum seines Fahrzeugs) und seines Erscheinungsbildes und Verhaltens (wässrig-​glänzende Pupillen, die träge auf Licht reagierten, Stimmungsschwankungen, bei welchen er einerseits alle Maßnahmen akzeptierte und andererseits im nächsten Moment sich ungerecht behandelt fühlte und aggressiv reagierte), stand der Antragsteller am 13.9.2014 sehr wohl unter dem konkreten Verdacht, eine Straftat nach § 316 StGB begangen zu haben, sodass ein hinreichender Anlass für die Anordnung der Blutuntersuchung vorgelegen hatte. Im Übrigen ist auch die Unbegründetheit dieses Verdachts keineswegs festgestellt, da die Staatsanwaltschaft Saarbrücken mit Verfügung vom 12.6.2015 das Ermittlungsverfahren in Bezug auf den Tatvorwurf des § 316 StGB lediglich nach § 154 a StPO eingestellt hat (siehe hierzu Bl. 68, 173, 210 der Strafakte).

Aus Vorstehendem folgt im Weiteren, dass auch der weitere Einwand des Antragstellers fehlgeht, dass das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 16.1.2015 einem Verwertungsverbot unterlegen hätte. Wie bereits dargelegt, bestand gegen den Antragsteller der konkrete Verdacht, eine Straftat nach § 316 StGB begangen zu haben. Daher sind die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe und die Einholung eines toxikologischen Gutachtens offensichtlich rechtmäßig erfolgt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers unterliegt daher auch keinem Zweifel, dass die Ermittlungsbehörden auf der Grundlage des § 2 Abs. 12 StVG ihre Erkenntnisse über die sich aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 16.1.2015 ergebenden Mängel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen an die Fahrerlaubnisbehörde weitergeben durften und mussten.

Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom 20.7.2015 die Blutentnahme bereits zehn Monate zurückgelegen habe und daher zur Überprüfung der Frage, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden habe, die Einholung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens hätte angeordnet werden müssen. Auch aus dem angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.6.2005 - 3 C 25/04 - ergibt sich keine andere Beurteilung. Wie bereits dargelegt, stand bezogen auf den Zeitpunkt 13.9.2014 die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund des nachgewiesenen Konsums von Amphetamin und der nicht widerlegten Regelvermutung fest. Der Antragsgegner durfte und musste im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung von einer Fortdauer der fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Der Nachweis der (wieder erlangten) Eignung setzt nicht nur eine positive Veränderung der körperlichen Befunde, sondern zudem einen stabilen Einstellungswandel voraus, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält. In diesem Zusammenhang ist die in Nummer 9.5 der Anlage 4 zur FeV zum Ausdruck kommende generelle Wertung zu berücksichtigen, wonach bei Entgiftung und Entwöhnung von einem früheren Betäubungsmittelkonsum im Regelfall erst nach einjähriger Abstinenz wieder eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angenommen werden kann
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.6.2009, wie vor.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht einmal behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er nach dem 13.9.2014 keine Amphetamine mehr zu sich genommen hat. Von einer Entgiftung des Antragstellers und einem stabilen Einstellungswandel kann daher auch im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide nicht ansatzweise die Rede sein.

Selbst wenn man mit Blick auf das zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.6.2005 - 3 C 25/04 - eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände insbesondere zu Art und Ausmaß des bisherigen Drogenkonsums für erforderlich hält, ergibt sich keine andere Beurteilung. Insoweit ist zu sehen, dass beim Antragsteller ein ungewöhnlich hoher Gehalt an Amphetamin im Serum festgestellt worden ist. Hierzu ist in dem toxikologischen Gutachten vom 16.1.2015 ausgeführt, dass die beim Antragsteller vorgefundene Amphetaminkonzentration in einem solch hohen Bereich gelegen hat, der nur in weniger als 5 % aller im Jahr 2013 bei dem Institut untersuchten Amphetamin-​positiven Blutproben erreicht wurde. Im Weiteren ist zu beachten, dass am 13.9.2014 am Körper des Antragstellers und in seinem Fahrzeug weitere Mengen Amphetamin und in seiner Wohnung weiteres Rauschgift (Marihuana) gefunden wurden und die Lebensgefährtin des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten geäußert hat, dass der Antragsteller seinen Drogenmissbrauch weder sich selbst noch gegenüber anderen einräumen könne (Bl. 113 der Strafakte). Angesichts dieser Erkenntnisse spricht alles dafür, dass der Antragsteller nicht lediglich ein einziges Mal Drogen eingenommen hat, sondern dass er über einen längeren Zeitraum auch harte Drogen konsumiert hat. Wird weiter in Betracht gezogen, dass der Antragsteller ein drogenfreies Verhalten nach dem 13.9.2014 nicht einmal behauptet hat, spricht auch unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände nichts dafür, dass im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide nicht mehr von einer fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden durfte.

Muss es demnach beim Sofortvollzug hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis verbleiben, ist auch für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Bezug auf die im Bescheid des Antragsgegners vom 20.7.2015 getroffenen Nebenentscheidungen kein Raum.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.