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OVG Münster Beschluss vom 02.02.2017 - 11 A 1331/14.A - „Vorläufiger Charakter“ eines Attests und nicht mit Gründen versehenes Urteil

OVG Münster v. 02.02.2017: „Vorläufiger Charakter“ eines Attests und nicht mit Gründen versehenes Urteil


Das OVG Münster (Beschluss vom 02.02.2017 - 11 A 1331/14.A) hat entschieden:
  1. Zu den Anforderungen an die Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags - hier: im Falle des "vorläufigen Charakters" eines Attestes.

  2. Der "grobe Formmangel" einer fehlenden Begründung liegt nur vor, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen. „Nicht mit Gründen versehen“ im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist ein Urteil nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind.

Siehe auch Der Sachverständigenbeweis im Vewaltungsstreitigkeiten und Urteilsanforderungen im Verwaltungsstreitverfahren - fehlende Urteilsgründe


Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird nicht gemäß den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.

Die Kläger machen geltend, das angefochtene Urteil verletze die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - an die Substanziierung eines Sachverständigen-​Beweisantrags gestellt habe. Mit der Benennung dieser konkreten Entscheidung wird zwar einem der Erfordernisse des Darlegens einer Divergenzrüge Genüge getan.
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 4. November 1991 - 7 B 53.91 -, NVwZ 1992, 661.
Demgegenüber wäre aber für die Eröffnung einer Berufung zusätzlich erforderlich gewesen, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten und abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, den die Vorinstanz ihrer Entscheidung tragend zu Grunde gelegt hat und der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer als Divergenzentscheidung bezeichneten divergenzfähigen Entscheidung (hier: des Bundesverwaltungsgerichts) steht. Eine solche Divergenz setzt, wenn eine Abweichung im materiellen Recht geltend gemacht wird, weiterhin voraus, dass beide Entscheidungen auf der Grundlage derselben Vorschrift ergangen sind. Des weiteren sind die divergierenden Rechtssätze in entsprechender Bestimmtheit einander gegenüberzustellen.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Dezember 1991 - 5 B 68.91 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302, und vom 16. November 1998 - 6 B 110.98 -, NVwZ- RR 1999, 429 (430).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Kläger verkennen, dass das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - seiner Entscheidung ausdrücklich zu Grunde gelegt und sodann die Auffassung vertreten hat, die von den Klägern vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen genügten den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen nicht. Eine - angeblich - fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Anforderungen an eine Divergenzrüge.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2016 - 1 B 113.16 -, juris, Rdnr. 2. 2. Die geltend gemachte Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) greift nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat mit der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags nicht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Das Absehen von einer Beweiserhebung kann einen Gehörsverstoß darstellen, wenn die Nichtberücksichtigung eines vom Gericht als erheblich angesehenen Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2002 - 2 BvR 191/02 -, DVBl. 2002, 834; BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 1 B 84.05 -, Buchholz 402.25 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 11, S. 7.
Das ist nicht der Fall. Die Ablehnung des Beweisantrags findet eine Stütze im Prozessrecht. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil die hinsichtlich der Klägerinnen zu 2. und 3. eingereichten ärztlichen Atteste nicht den Anforderungen genügten, die das Bundesverwaltungsgericht,
vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251 (255 f.),
an die Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags gestellt habe, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen PTBS zum Gegenstand habe. In seiner Urteilsbegründung hat es diese Auffassung für alle vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Atteste näher dargelegt und u. a. auf die fehlende fachliche Qualifikation der behandelnden Ärzte,
vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 9. Dezember 2003 - 8 A 5501/00.A -, juris, und vom 19. Dezember 2008 - 8 A 3053/08.A -, InfAuslR 2009, 173,
und für das Attest der Institutsambulanz Klinik L.         vom 8. Mai 2014 auf dessen "vorläufigen Charakter" verwiesen. Das Attest gebe nicht eine gefestigte Diagnose nach eingehender Untersuchung der Klägerin zu 2. wieder. In dem Attest werde ausgeführt, es seien einige psychologische Tests sowie eine ausführliche Anamneseerhebung erforderlich. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die Zulassungsbegrün-​dung tritt dieser Bewertung inhaltlich nicht entgegen, sondern merkt hierzu lediglich an, aus dem Attest vom 8. Mai 2014 "ergeben sich Anamnese und vorläufige Diagnose hinreichend nachvollziehbar."

Es bleibt den Klägern unbenommen, zwischenzeitliche weitere Diagnosen in einem Asylfolgeverfahren geltend zu machen.

3. Auch die Rüge, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 Nr. 6 VwGO), greift nicht durch. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verstößt ersichtlich nicht gegen die Begründungspflicht des § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Die Kläger machen auch nicht geltend, der erstinstanzlichen Entscheidung fehle generell eine Begründung, sondern meinen in der Sache nur, dass die Begründung im Hinblick auf den abgelehnten Beweisantrag unzureichend sei.

Der "grobe Formmangel" einer fehlenden Begründung liegt nur vor, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen.
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5. März 2003 - 4 B 70.02 -, juris, Rdnr. 3 (insoweit nicht in NuR 2004, 520, veröffentlicht), m. w. N.
"Nicht mit Gründen versehen" im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist ein Urteil nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 9 B 412.98 -, Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32.
Nach diesen Maßstäben liegt eine fehlende Begründung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ersichtlich nicht vor. Die Zulassungsbegründung geht vielmehr unzutreffend davon aus, eine fehlende Begründung ergebe sich bereits daraus, dass der von ihnen gestellte Beweisantrag prozessrechtswidrig abgelehnt worden sei, was im übrigen - wie unter 2. dargelegt - nicht zutrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO, 83b AsylG.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).