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Landgericht Rottweil Urteil vom 28.09.2016 - 1 S 27/16 - Haftung und Beweislage beim Ein- und Aussteigen
LG Rottweil v. 28.09.2016: Haftung und Beweislage beim Ein- und Aussteigen
Das Landgericht Rottweil (Urteil vom 28.09.2016 - 1 S 27/16) hat entschieden:
- Gem. § 14 Abs. 1 StVO muss sich, wer ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.
- Vom Begriff des Ein- und Aussteigens werden insbesondere auch Situationen erfasst, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder - wie hier - einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen.
- Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden.
- Spielt das Alter des PKW eine wesentliche Rolle für die Bestimmung des Nutzungsausfalls, so ist der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile eine aufwendige Berechnung anzustellen, sondern darf grundsätzlich im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle weiterhin mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten, selbst wenn das Fahrzeug darin nicht mehr aufgeführt ist.
Siehe auch Türöffner-Unfälle und Nutzungsausfall und Fahrzeugalter
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt vom 17.02.2016 (Az.: 6 C 395/15) ist in dem eingelegten Umfang zulässig und überwiegend auch begründet.
1. Gem. § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGHZ 158, 269).
Dies zugrunde gelegt, leidet das Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt schon deshalb an einem Fehler, da das Amtsgericht den Beklagten Ziff. 1 (Fahrer des Fahrzeuges der Beklagtenseite) nicht angehört hatte. Einer solchen Anhörung hätte es bedurft, um dem Grundsatz der Waffengleichheit nachzukommen (BGH, NJW-RR 2006, 61). Dies gilt umso mehr, als das Amtsgericht den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges als Zeugen vernommen hatte und seine Entscheidung auf dessen Angaben gestützt hat. Zwar war der Beklagte Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend, sein Fernbleiben war jedoch genügend entschuldigt worden. Das Berufungsgericht hat die unterbliebene Anhörung des Beklagten Ziff. 1 nachgeholt.
2. Keine Bedenken mehr bestehen gegen die Aktivlegitimation des Klägers, nachdem dieser jeweils Rückabtretungserklärungen des Sachverständigen F. sowie des Autohauses FB GmbH & Co KG vorgelegt hat (Bl. 159 f. d.A.)
3. a. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Amtsgerichts Freudenstadt, dass der Unfall für keine Partei ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dargestellt hat. Dies wird auch mit der Berufung nicht in Frage gestellt.
b. Nach dem Vortrag der Parteien und der Beweisaufnahme ist jedoch von einem Verstoß des Klägers gegen § 14 Abs. 1 StVO auszugehen.
Gem. § 14 Abs. 1 StVO muss sich, wer ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist (vgl. KG Berlin, NZV 2008, 245). Erfasst sind insbesondere auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder - wie hier - einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen (vgl. OLG Bremen, NJW-RR 2008, 1203; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Januar 2006 - I-1 U 102/05 - zu finden in juris; OLG Hamburg, OLGR 2005, 84; OLG Hamm, NZV 2004, 408; LG Berlin, VersR 2002, 864). Die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO beschränkt sich nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 2009, 3791 m.w.N.) nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt (in dieser Richtung allerdings OLG Bremen, NJW-RR 2008, 1203; LG Berlin, VersR 2002, 864). Das Gesetz stellt nicht auf das überraschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Aus- und Einsteigen als solches, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erheblichen Gefahren für den fließenden Verkehr verbunden sein kann. Zwar ergeben sich die Gefahren beim Aussteigen vielfach daraus, dass eine Fahrzeugtür durch einen für den fließenden Verkehr nicht erkennbaren Fahrzeuginsassen überraschend geöffnet wird. Doch beschränkt sich der vom Gesetz erfasste Gefahrenkreis nicht ausschließlich darauf. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sorgfaltsanforderung auch für Einsteigevorgänge gilt, bei denen der Einsteigende in der Regel für den fließenden Verkehr erkennbar ist (BGH, NJW 2009, 3791 m.w.N.).
Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden (BGH, NJW 2009, 3791 m.w.N.; OLG Düsseldorf, VersR 2014, 1390; OLG Hamm, NZV 2000, 209; KG Berlin, DAR 2005, 217).
Nach BGH sind daher die Umstände des Einzelfalles entscheidend (BGH, NJW 2009, 3791 m.w.N.), jedoch ist stets zunächst von einem Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß des Aussteigenden gegen § 14 Abs. 1 StVO auszugehen. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises braucht der Gegner zwar nicht das Gegenteil zu beweisen, da es genügt, wenn er Umstände vorträgt und unter Beweis stellt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes ergibt (BGH, NJW 2013, 1092), jedoch reicht es zur Entkräftung nicht aus, dass ein abweichender Geschehensablauf nicht ausgeschlossen werden kann oder entsprechende Behauptungen des Gegners nicht zu widerlegen sind (BGH, NJW-RR 2014, 1115). Diese Umstände, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Verlaufes ergibt, müssen vielmehr bewiesen oder unstreitig sein (BGH, NJW 1991, 230).
Es kann hierbei offen bleiben, ob der Zeuge ZÜ, wie von ihm angegeben, die hintere Beifahrertüre von Beginn an komplett geöffnet hatte oder diese erst beim Herannahen des Beklagten Ziff. 1 (versehentlich) weiter aufgestoßen wurde, wie es die Beklagten behaupten, da der Zeuge ZÜ in beiden Fällen gegen die Sorgfaltspflichten des § 14 Abs. 1 StVO verstoßen hat.
Der Zeuge ZÜ war grundsätzlich verpflichtet gem. § 14 Abs. 1 StVO bei dem Vorgang die größtmögliche Sorgfalt anzuwenden, insbesondere auch den Vorrang des fließenden Verkehrs zu beachten, auf diesen Rücksicht zu nehmen und den Vorgang zügig durchzuführen.
Dies gilt umso mehr, als die Straßenverhältnisse beengt waren und ein Einsteigenlassen der Tochter grundsätzlich auch von der anderen Seite möglich gewesen wäre, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Der Zeuge ZÜ hatte in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht angegeben, dass er beim Einsteigen des Kindes zwei Fahrzeuge bemerkt habe, die sich seinem Fahrzeug genähert hätten. Diese seien vorbei gefahren. Beim Anschnallen des Kindes habe er dann das Fahrzeug der Beklagten Ziff. 2 gesehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hatte der Zeuge ZÜ eine Sicht von 110 Meter in Annäherungsrichtung des Beklagtenfahrzeuges. Nachdem der Zeuge ZÜ angegeben hatte, dass das Beklagtenfahrzeug nach der Kollision ein bis zwei Fahrzeuglängen später gehalten habe, muss von einer Fahrgeschwindigkeit von unter 30 km/h ausgegangen werden. Mit dieser Geschwindigkeit von 30 km/h hätte der Beklagte Ziff. 1 13,5 Sekunden benötigt um diese 110 m zurückzulegen.
Dies ist eine lange Zeit, die für ein zügiges Anschnallen des Kindes und einem (teilweisen) Schließen der Türe unter gewöhnlichen Umständen hätte ausreichen müssen. Zudem war der Zeuge ZÜ gerade aufgrund der beengten Straßenverhältnisse verpflichtet, eine Behinderung des fließenden Verkehrs nicht nur durch einen zügigen Anschnallvorgang sondern auch durch eine Beobachtung des fließenden Verkehrs und einem zeitweisen teilweisen Schließen der Türe auszuschließen. Es musste sich dem Zeugen ZÜ geradezu aufdrängen, dass im Falle der vollständigen Öffnung der hinteren Beifahrertüre ein Vorbeifahren des fließenden Verkehrs unter Einhaltung des Mindestabstandes zu beiden Seiten nicht mehr möglich war und daher sein Verhalten den fließenden Verkehr erheblich gefährdet hat.
Nach den vorgelegten Skizzen des Sachverständigen mit Maßen, hat das klägerische Fahrzeug bei nicht geöffneter Türe eine Breite von mindesten 1,80 Meter (ohne Außenspiegel) in der Parkbucht, soweit es ordnungsgemäß ganz am Fahrbahnrand geparkt worden war. Nachdem auch auf der anderen Fahrbahnseite Fahrzeuge geparkt waren, die (ebenfalls ohne Außenspiegel) mindestens eine Breite von 1,80 m eingenommen haben, blieb nach den Ausführungen des Sachverständigen maximal noch eine Fahrbahnbreite von 3,50 m, bei Mitberücksichtigung der Außenspiegel somit wohl nur noch rund 3,20 m. Ausgehend von einer Fahrbahnbreite von 2,60 m bei einer voll geöffneten Türe (ohne Außenspiegel des Fahrzeuges auf der anderen Seite), wird deutlich, dass ein Vorbeifahren in dieser Situation für den fließenden Verkehr nur noch unter Unterschreitung des Mindestabstandes von 50 cm auf beiden Seiten möglich war.
Dies ergibt sich schon daraus, dass die Außenspiegel der beteiligten Fahrzeuge, deren Breite das Gericht auf rund 15 cm pro Spiegel schätzt, nicht unberücksichtigt bleiben können (die Gesamtbreite eines VW Touran inkl. beider Spiegel beträgt laut ADAC 2,09 m). Die verbleibende nutzbare Fahrbahnbreite war daher bei voll geöffneter Türe rund 2,45 Meter, wovon ein vorbeifahrendes Fahrzeug mit einer Breite von 1,80 m und zwei Außenspiegeln insgesamt ca. 2,10 Meter benötigt hat, so dass in diesem Fall ein Vorbeifahren lediglich noch mit einem Abstand von ungefähr 17,5 cm auf beiden Seiten möglich gewesen wäre. Schon der Umstand, dass nach den eigenen Angaben des Zeugen ZÜ zuvor in dieser Situation Fahrzeuge vorbei gefahren waren, hätte dem Zeugen ZÜ klar machen müssen, dass er hier für den fließenden Verkehr eine erhebliche Gefährdung geschaffen hat, da eine Einhaltung des Mindestabstandes für den fließenden Verkehr nicht mehr möglich war und die Verkehrsteilnehmer zur Unterschreitung des Mindestabstandes bzw. zu einem Anhalten „gezwungen“ worden sind.
Unter solchen Umständen stellt schon das vollständige Öffnen einer hinteren Beifahrertüre für einen erheblichen Zeitraum, ohne dem fließenden Verkehr den Vorrang einzuräumen, ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO dar.
c. Zu Recht hat das Amtsgericht Freudenstadt einen Verstoß des Beklagten Ziff. 1 gem § 1 Abs. 2 i.V.m. § 6 StVO als erwiesen angesehen.
Nach § 6 StVO ist ausreichender Seitenabstand beim Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen einzuhalten, wobei dieser nicht stets einen Meter betragen muss. Im Zweifel ist der Seitenabstand groß zu nehmen. An rechts parkenden, ersichtlich leeren Fahrzeugen darf auch mit weniger als 1 m seitlichem Abstand vorbeigefahren werden. Kann das haltende Fahrzeug besetzt sein, so ist etwaiges Türöffnen zu berücksichtigen (vgl. Hentschel/König, StraßenverkehrsR, 42. Aufl. 2013, § 6 StVG, Rn. 7 mwN). Die Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass ein Abstand zu einem haltenden Fahrzeug, in dem sich eine Person aufhält, von weniger als 50 cm jedenfalls in der Regel zu knapp ist (vgl. Hentschel/König, StraßenverkehrsR, 42. Aufl. 2013, § 14 StVG, Rn. 8 mwN).
Auch bei ausreichend breiter Fahrbahn muss an rechts parkenden und mit einem Fahrzeugführer besetzten Fahrzeugen nicht allgemein ein Seitenabstand von mindestens 1 m eingehalten werden, denn grundsätzlich hat der fließende Verkehr Vorrang gegenüber dem ruhenden und darf auf die Beachtung dieses Vorrechtes vertrauen. Er muss deshalb beim Vorbeifahren nicht mit einem plötzlichen weiträumigen Öffnen von Fahrzeugtüren rechnen, sondern allenfalls mit einem zur Rückschau genügenden Öffnen eines Türspalts, falls das Fahrzeug nicht zweifelsfrei leer ist (vgl. BGH, MDR 1981, 661). Der beim Vorbeifahren hiernach einzuhaltende Seitenabstand darf nach den Umständen des Einzelfalles durchaus geringer sein als der beim Überholen und bei der Begegnung regelmäßig verlangte Mindestabstand von 1 m (OLG Köln, Beschluss vom 10.07.2014, 19 U 57/14).
Unabhängig hiervon ergeben jedoch die unter Ziff. I.3.b. gemachten Ausführungen, dass der Beklagte Ziff. 2 den erforderlichen Seitenabstand auf beiden Seiten auch bei einer nur halb geöffneten Türe (nutzbare Fahrbahnbreite dann ohne Außenspiegel 2,80 m, mit Außenspiegel des Fahrzeug auf der anderen Straßenseite 2,65 Meter) nicht eingehalten hat, da dies tatsächlich nicht möglich war. Ausgehend von der Breite von 1,80 m zzgl. zweier Außenspiegel des Beklagenfahrzeuges, somit insgesamt rund 2,10 m, wären daher auch in diesem Fall auf jeder Seite lediglich noch die Einhaltung eines Abstandes von ca. 27,5 cm möglich gewesen, was in jedem Fall ebenfalls zu gering war.
d. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1 StVG war zu berücksichtigen, dass der Zeuge ZÜ durch das Öffnen der hinteren Beifahrertüre für einen nicht unerheblich langen Zeitraum und ohne den Vorrang des fließenden Verkehrs zu beachten bei diesen beengten Straßenverhältnissen eine erhebliche Gefahrensituation geschaffen hat und damit gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen hat. Weiterhin war jedoch zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Beklagte Ziff. 1 hier auf seinen Vorrang bestanden hat, obwohl für ihn offensichtlich sein musste, dass er den seitlichen Mindestabstand aufgrund der ganz oder teilweise geöffneten Türe des klägerischen Pkw in keinem Fall mehr auch nur ansatzweise einhalten kann. Im Rahmen der Gesamtabwägung hält die Berufungskammer daher eine hälftige Haftungsverteilung für sachgerecht und angemessen. Nachdem die Beklagten eine 50 %ige Mithaftung bereits akzeptiert haben und das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht angegriffen hatten, konnte dahinstehen, ob ggf. in der vorliegenden Situation noch ein Verstoß des Zeugen ZÜ gegen ein Parkverbot vorgelegen hat und inwieweit das Parkverbot im konkreten Fall drittschützende Wirkung entfaltet hätte auch für die Beklagten.
4. Der Gesamtschaden des Klägers errechnet sich wie folgt:
a. Die Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 3.342,22 €, die Sachverständigenkosten in Höhe von 625,94 € sowie die allgemeine Unkostenpauschale von 25 € sind zwischen den Parteien unstreitig und damit der Schadensberechnung zu Grunde zu legen.
b. Für die Dauer des Nutzungsausfalles von 4 Tagen hatte der Kläger bereits erstinstanzlich Beweis angetreten (Bl. 56 d.A.), genauso wie für die Höhe des Tagessatzes.
Zwischenzeitlich hat der Kläger eine schriftliche Bestätigung der Werkstatt in Form einer eidesstattlichen Versicherung eines Mitarbeiters dieser Werkstatt (Anlage K 9, Bl. 146 d.A.) sowie der Rechnung der Werkstatt (Anlage K 8, Bl. 145 d.A.) vorgelegt, wonach das Fahrzeug vom 09.03.2015 bis 13.03.2015 in der Werkstatt war. Danach steht zur Überzeugung der Berufungskammer (§ 287 Abs. 1 ZPO) fest, dass die im erstinstanzlichen Urteil berücksichtigten 4 Tage Nutzungsausfall nicht zu beanstanden sind.
Der Tagessatz beträgt 50 €. Es handelt sich um einen VW Touran 2,0 TDI DPF Goal, der nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch (Stand 2012) der Gruppe G zuzuordnen ist mit einem Tagessatz von 59 €. Zwar ist das Modell „Goal“ in dieser Tabelle nicht mehr enthalten, nachdem aber sämtliche Modelle des Touran 2,0 TDI DPF der Gruppe G zugeordnet sind, kann insoweit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden. Dies wird auch vom BGH ausdrücklich gebilligt der insoweit ausgeführt hat:
„Spielt hingegen - wie im vorliegenden Fall - das Alter des PKW eine wesentliche Rolle, so ist der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile eine aufwendige Berechnung anzustellen, sondern darf grundsätzlich im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle weiterhin mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten, selbst wenn das Fahrzeug darin nicht mehr aufgeführt ist (BGH, NJW 2005, 277 mit Verweis auf OLG Frankfurt, DAR 1985, 58; Danner/Küppersbusch, Max Danner, NZV 1989, 11).“
Da er aber zum Zeitpunkt des Unfalles älter als 5 Jahre war (EZ 14.09.2006), ist der Gruppe E zuzuordnen mit einem Tagessatz von 50 €.
Nicht zu folgen ist dem Vortrag der Beklagten, der Berechnung des Nutzungsausfalles sei die Tabelle mit dem Stand der Erstzulassung des Pkw, für welchen Nutzungsausfall begehrt wird, zu Grunde zu legen. Dies ergibt sich schon aus dem Vorwort zur Tabelle, in der ausgeführt ist, dass diese für Schadensfälle ab dem 01.01.2012 gilt und weiter darauf hingewiesen wird, dass aufgrund der Marktentwicklung 1.411 Fahrzeugmodelle in höhere Gruppen eingruppiert werden mussten. Hieraus wird deutlich, dass die einmal erfolgte Eingruppierung nicht dauerhaft erfolgt, sondern auch der Anpassung unterliegt. Aus diesem Grund hat auch der BGH ausdrücklich die Heranziehung der aktuellen Tabellen gebilligt, selbst wenn das konkrete Fahrzeug darin nicht mehr enthalten ist (s.o.).
Regelmäßig wird von der Rechtsprechung die aktuell geltende Tabelle verwendet und die Abstufung um ein oder zwei Stufen für ältere Fahrzeuge damit begründet, dass in den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch bei der Berechnung der Nutzungswerte Mietsätze für Neufahrzeuge zugrunde gelegt sind, die durch die Entwicklung der Fahrzeugtechnik gegenüber Vorgängermodellen teilweise erhebliche Nutzungsvorteile wie größere Sicherheit (z.B. durch Airbag, ABS, ESP usw.), geringeren Kraftstoffverbrauch trotz besserer Fahrleistungen und höheren (Fahr-)Komfort bieten. Diese Veränderungen spiegeln sich im Kaufpreis und dem hierauf wesentlich basierenden Mietpreis wider, der wiederum die Grundlage der Tabellen und damit den Anhaltspunkt für die Bemessung der Entschädigung für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit darstellt. Zudem gibt es keinen verbreiteten Vermietermarkt für ausgelaufene Modelle und solche Fahrzeuge müssten - im Falle einer Vermietung - billiger angeboten werden, um konkurrenzfähig zu sein. Da sich in den um erwerbswirtschaftliche Faktoren bereinigten Mietpreisen die Bewertung der Gebrauchsvorteile für die eigenwirtschaftliche Verwendung eines Kraftfahrzeuges wiederspiegelt, würde es regelmäßig zu einer grundlosen Bereicherung des Geschädigten oder zu einem verkappten Ausgleich immateriellen Schadens führen, wollte man ihn für die entgangenen Gebrauchsvorteile seines in den Tabellen nicht mehr aufgeführten, nicht mehr hergestellten Fahrzeuges so entschädigen, als handelte es sich um ein Neufahrzeug (BGH, BGHZ 161, 151). Hiernach ist es angemessen, entsprechend den eigenen Vorstellungen der Bearbeiter der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch bei mehr als fünf Jahre alten Fahrzeugen eine Herabstufung um eine Gruppe und bei mehr als 10 Jahre alten Fahrzeugen um zwei Gruppen vorzunehmen (vgl. Danner/Küppersbusch NZV 1989, 11; OLG Frankfurt, DAR 1985, 58; OLG Schleswig, NJW-RR 1986, 775; OLG München, ZfS 1988, 312; OLG Karlsruhe, VersR 1989, 58; OLG Hamm, DAR 1996, 400).
Alleine das Alter eines Kraftfahrzeuges hingegen beeinflusst jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht den Gebrauchsvorteil, welchen der Geschädigte aus der Nutzung des Fahrzeugs hätte ziehen können (OLG - Düsseldorf, Schaden-Praxis 2009, 150).
Aus diesen Überlegungen der Rechtsprechung zur Rechtfertigung der Abstufung älterer Fahrzeuge wird deutlich, dass eine Heranziehung der zum Zeitpunkt der Erstzulassung des jeweiligen Fahrzeuges geltenden Tabelle gerade nicht erfolgen soll, sondern dem Fahrzeugalter alleine dadurch Rechnung getragen wird, dass eine Abstufung anhand der aktuellen Tabellen erfolgt. Bei Heranziehung der früheren Tabellen wäre daher eine Abstufung nicht mehr möglich, da eben alleine das Alter eines Fahrzeuges dies nicht rechtfertigen kann.
Somit ergibt sich für den streitgegenständliche VW Touran 2,0 TDI DPF Goal ein tägliches Nutzungsausfallentgelt in Höhe von 50 €.
Ausgehend von einem Nutzungsausfall von 4 Tagen zu je 50 €, ergibt sich ein Nutzungsausfallschaden von 200 €.
c. Somit ergibt sich folgende Abrechnung:
Reparaturkosten |
3.342,22 € |
SV-Kosten |
625,94 € |
Nutzungsausfall |
200,00 € |
Auslagenpauschale |
25,00 € |
Gesamtschadensumme |
4.193,16 € |
50 % |
2.096,58 € |
reguliert |
1.030,55 € |
noch zu zahlen |
1.066,03 € |
d. Die Anwaltskosten betragen unstreitig 179,27 €, hierauf wurden von den Beklagten jedoch unstreitig 83,54 € bezahlt, was das erstinstanzliche Urteil nicht berücksichtigt hat.
Somit sind noch 95,73 € offen, die entsprechend zu titulieren waren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Berufungsinstanz und aus § 92 Abs. 1 für die erste Instanz. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.