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Kammergericht Berlin Beschluss vom 10.09.2009 - 12 U 216/08 - Kollision mit einem überholenden Fahrzeug bei verbotenem Linksabbiegen

KG Berlin v. 10.09.2009: Kollision mit einem überholenden Fahrzeug bei verbotenem Linksabbiegen


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 10.09.2009 - 12 U 216/08) hat entschieden:
  1. Kommt es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers; dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert oder widerlegt werden durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die einen atypischen Verlauf möglich erscheinen lassen.

  2. Biegt ein Kraftfahrer nach links ab, obwohl dieses durch entsprechende Beschilderung (Verbot der Einfahrt, Z 267 zu § 41 StVO) nicht gestattet war, ohne sich zu vergewissern, dass durch diese Fahrweise nachfolgender Verkehr nicht behindert oder gefährdet wird, so handelt er sorgfaltswidrig.

  3. Beruft sich ein Unfallbeteiligter zu seinen Gunsten auf eine Sorgfaltspflichtverletzung des Gegners, so muss er diese beweisen.

Siehe auch Linksabbiegen trotz Verbot und Unfälle zwischen Überholer und vorausfahrendem Linksabbieger


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 24. Mai 2007 gegen 6:40 Uhr auf der Kreuzung Scharnweberstraße/Jessnerstraße in Berlin in Anspruch. Die Tochter des Klägers, J. L., befuhr mit dem im Eigentum des Klägers stehenden und von ihm gehaltenen PKW Alfa Romeo 147 mit dem amtlichen Kennzeichen B-​… die Scharnweberstraße in Richtung Kreuzung Scharnweberstraße/Jessnerstraße und hielt unmittelbar vor der Kreuzung, da die Lichtzeichenanlage für sie rotes Licht abstrahlte. Nachdem die Lichtzeichenanlage auf grün schaltete, fuhr J. L. an und begann mit dem Abbiegevorgang nach links in die Jessnerstraße, als der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Motorrad den klägerischen PKW links überholen und geradeaus weiterfahren wollte. Hierbei kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge, die Anstoßstelle (und Schadensstelle) beim klägerischen PKW befand sich im hinteren Teil des Wagens. Die Einfahrt in die Jessnerstraße war am Unfalltag durch mobile Verkehrszeichen Nr. 267, deren Standort zwischen den Parteien streitig ist, verboten.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Anhörung des Beklagten zu 1) sowie Vernehmung der Zeugen L., H. und L.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die Zeugin L. die Sorgfaltspflichten beim Linksabbiegen erfüllt und der Beklagte zu 1) seinerseits gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er nach wie vor Schadensersatz nach einer Quote von 100% begehrt.

Er macht im Wesentlichen geltend: Das Landgericht sei zu Unrecht von einem Anscheinsbeweis gegen die Fahrerin des Klägerfahrzeugs als Linksabbieger ausgegangen; denn der dafür erforderliche typische Geschehensablauf sei nicht festgestellt und auch nicht gegeben. Vielmehr sei bei ungeklärtem Unfallhergang zwischen Linksabbieger und Überholer eine Haftungsteilung von 50:50 vorzunehmen.

Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass der Erstbeklagte bei unklarer Verkehrslage überholt habe.


II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung ( § 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Die Feststellung des Sachverhaltes durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Januar 2004 – 12 U 184/02- KGR 2004, 269; vgl. auch KG (22. ZS), KGR 2004, 38= MDR 2004, 533; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 266/03 – NJW 2005, 1583). § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen (vgl. Thomas/ Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 286 Rd 2a) oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/ Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 286 Rn 13). Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Senat, Urteil vom 12. Januar 2004 – 12 U 211/02 – DAR 2004, 223; Thomas/ Putzo, a.a.O., § 286 Rn 3,5).

b) An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat sich das Landgericht im angefochtenen Urteil gehalten; der Senat folgt der Beweiswürdigung auch in der Sache.

So ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie aus dem Akteninhalt die Überzeugung gewonnen hat, dass die Unfalldarstellung des Klägers, seine Tochter sei ihrer doppelten Rückschaupflicht nachgekommen und habe vor dem Abbiegen bereits an der Ampel den Blinker nach links gesetzt, nicht bewiesen ist.

Das Landgericht hat auf Seiten 6-​8 des angefochtenen Urteils darlegt, dass und warum es zu dieser Überzeugung gelangt ist. Dies genügt den Anforderungen an eine der Zivilprozessordnung entsprechenden Beweiswürdigung. Der Senat folgt dieser Beurteilung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Gerichts keine absolute Gewissheit und keinen Ausschluss jeder Möglichkeit des Gegenteils erfordert, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, also einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2000, 953).

Daraus, dass der Kläger selbst das Beweisergebnis offenbar anders dahin bewerten will, dass der Darstellung der Zeugin L. in Bezug auf den Zeitpunkt des Blinkens zu folgen sei, folgt kein Rechtsfehler des Landgerichts; ein Verstoß gegen Beweisregeln oder Denk- und Naturgesetze wird in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt.

Der Senat folgt der Bewertung durch das Landgericht (UA7), dass die Zeugin nach links abgebogen ist, ohne zu wissen, wo sich der Beklagte zu 1) befand, insbesondere also auch ohne sich zu vergewissern, dass dieser durch ihr Fahrmanöver nicht behindert oder gefährdet wird.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es letztlich für nicht bewiesen erachtet hat, dass die Zeugin L. den Blinker bereits vor der Ampel gesetzt hat.

Die Zeugin hat nicht ausgesagt, dass sie sich vor der Ampel ganz links eingeordnet und so den Abbiegevorgang durch die Position des Fahrzeugs bereits eingeleitet und angezeigt hat. Wo genau sich ihr Fahrzeug in der Scharnweberstraße befunden hat, hat die Zeugin nicht angegeben. Sie hat zwar ausgesagt, dass es ein Automatismus sei, in den Innenspiegel und den Außenspiegel zu sehen, wenn man abbiege, gleichwohl war es ihr nicht möglich zu sagen, wo sich der Beklagte zu 1) genau befunden habe, unmittelbar bevor sie abgebogen sei.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung darauf abstellt, dass das Landgericht die Feststellung getroffen habe, die Aussage des Zeugen L. sei glaubwürdiger und spreche gegen ein ordnungsgemäßes Blinken der Zeugin, findet sich dies in den Urteilsgründen nicht wieder. Das Landgericht führt auf Seite 7 des angefochtenen Urteils aus, dass der Zeuge L. ebenso glaubhaft bekundet habe, ein längeres Blinken hätte er wohl nicht übersehen. Dies bedeutet jedoch gerade, dass das Landgericht die Aussagen des Zeugen L. und der Zeugin L. in gleicher Weise für glaubhaft gehalten hat. Dies begründet das Landgericht nachvollziehbar damit, dass gegen den Zeugen L. zwar die durchwachte Nacht und der genossene Alkohol sprechen, die Tochter des Klägers als Zeugin letztlich aber auch nicht sicher angeben konnte, wann sie den Blinker gesetzt habe.

Zwar ist dem Kläger insoweit zuzugeben, dass die Zeugin zunächst ausgesagt hat, sie habe bereits geblinkt, als die Ampel auf rot gestanden habe. Sie könne jedoch nicht angeben, wann genau sie den Blinker eingeschaltet habe, wisse aber, dass der Blinker eingeschaltet gewesen sei, weil sie ihn nach dem Unfall habe ausschalten müssen. Im Hinblick auf diese Aussage, die gerade eine Schlussfolgerung der Zeugin offen legt und vor dem Hintergrund, dass die Zeugin eine ihr weniger geläufige Strecke zurückgelegt hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht meint, auch die Zeugin L. habe sich irren können.

2. Das Landgericht hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - und zwar unabhängig von jedem Anscheinsbeweis - zutreffend Sorgfaltspflichtverletzungen der Klägerfahrerin positiv festgestellt. Es hat auf S. 7 oben des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass die Zeugin nach links abgebogen ist, ohne zu wissen, wo sich der Beklagte zu 1) befand, insbesondere also auch ohne sich zu vergewissern, dass dieser durch ihr Fahrmanöver nicht behindert oder gefährdet wird. Ferner hat die Tochter des Klägers einen Linksabbiegervorgang eingeleitet, obwohl ein Abbiegen nach links durch eine entsprechende Beschilderung (Verbot der Einfahrt, Zeichen 267 zu § 41 StVO) nicht gestattet war.

3. Darüber hinaus hat das Landgericht (UA 5, 6) zu Recht einen gegen die Zeugin L. sprechenden Anschein angenommen, den Unfall dadurch verschuldet zu haben, dass sie die besonderen Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 1 StVO nicht beachtet hat. Nach dieser Vorschrift hatte sie nicht nur rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVO), sondern sie musste sich rechtzeitig möglichst weit nach links zur Straßenmitte einordnen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVO) und vor dem Einordnen einmal und vor dem Abbiegen noch einmal auf den nachfolgenden Verkehr achten (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO).

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1 StVO der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links abbiegenden Kraftfahrer spricht. Kommt es in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat VM 1998, 34 Nr. 43; DAR 2002, 557= VRS 103, 403 = KGR 2003, 3 = NZV 2003, 89 = VersR 2003, 259 (Ls.) = MDR 2003; 507; MDR 2005, 806 = VRS 108, 410 = KGR 2005, 665 = NZV 2005, 413; Urteil vom 15. August 2005 – 12 U 41/05 -).

Denn im Falle der Kollision eines Linksabbiegers mit einem Überholer hat nach der Lebenserfahrung der Linksabbieger typischerweise die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.

Es bleibt dem Linksabbieger jedoch unbenommen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu entkräften durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen, die einen atypischen Verlauf möglich gemacht haben können (vgl. KG VRS 104, 5; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., Einleitung, Rn 157a m.w.N.).

Nichts anderes folgt auch aus der vom Kläger auf S. 5 der Berufungsbegründung zitierten Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 23. Februar 2006 - 6 U 126/05 - NZV 2007, 77 = OLGR Hamm 2006, 497).

Das OLG Hamm (aaO, Rn 13) hebt zutreffend hervor, dass in der Rechtsprechung angenommen werde, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers spricht, wenn er im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen mit einem links überholenden Fahrzeug kollidiert; gleichzeitig betont dass OLG Hamm, dass dies in dieser Allgemeinheit - mangels entsprechender Typizität - dann nicht gelte, wenn der Überholer dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine kleine Kolonne überholt und dann mit dem abbiegenden Spitzenfahrzeug zusammenstößt, weil dann ein anderer Geschehensablauf möglich erscheint. Im dortige Streitfall erschien es dem OLG Hamm - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - in der speziellen Situation “verfehlt”, einen Anscheinbeweis zu bejahen.

Es kann dahinstehen, ob dies so zutrifft oder aber der Anscheinsbeweis eher nach dem Ergebnis der dortigen Beweisaufnahme entkräftet oder erschüttert war.

Jedenfalls liegt der hier zu entscheidende Fall grundlegend anders, weil der Erstbeklagte keine Kolonne überholt hat, sondern sich vor dem Einleiten des Überholvorgangs und vor dem Einleiten des Linksabbiegens durch die Tochter des Klägers unmittelbar hinter dem Klägerfahrzeug befand.

b) Soweit der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des OLG Celle vom 19. Dezember 2007 – 14 U 97/07 – OLGR Celle 2008, 274, meint, ein Anscheinsbeweis sei gegen den Linksabbieger vorliegend nicht anwendbar, folgt der Senat dem nicht.

Nach dieser Entscheidung des OLG Celle (aaO, Rn 45) konnte sich der dortige Kläger nicht auf einen Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger berufen, weil im dortigen Streitfall die “ernsthafte Möglichkeit” bestand, “dass der vorausfahrende Abbiegende trotz ordnungsgemäßer zweiter Rückschau den beginnenden Überholvorgang des hinter ihm fahrenden Fahrzeugs nicht bemerken konnte”. Damit - so das OLG Celle - fehle die erforderliche Typizität des Geschehensablaufs.

Der Fall des OLG Celle, aaO, ist mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

Denn vorliegend steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest, dass zunächst sowohl das Fahrzeug des Klägers als auch das Motorrad des Beklagten zu 1) hintereinander an einer roten Ampel gestanden haben, die Tochter des Klägers den unmittelbar hinter ihr stehenden Erstbeklagten auf seinem Motorrad bemerkt und die Kollision in dem unmittelbar hinter der Ampelanlage befindlichen Kreuzungsbereich stattgefunden hat; der von der Tochter des Klägers zwischen Ampel und Kollisionspunkt zurückgelegte Weg war nur gering.

Hiernach handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers um einen typischen Geschehensablauf im Zusammenhang mit einer Kollision zwischen einem Linksabbieger und einem nachfolgenden Überholer.

c) Den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis hat der Kläger – wie das Landgericht zutreffend ausführt – nicht nur nicht entkräften können.

Aufgrund der Aussage der Tochter des Klägers als Führerin des Klägerfahrzeugs steht vielmehr positiv fest , dass sie ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen ist. In diesem Fall hätte sie nämlich wissen müssen, wo sich der Beklagte zu 1) auf seinem Motorrad befand, unmittelbar bevor sie mit dem Abbiegevorgang begonnen hat. Da sie den Beklagten zu 1) zuvor an der roten Ampel wahrgenommen und ihn schräg hinter sich vermutet hat, hätte sie bei einem aufmerksamen Blick nach hinten (ggf. über die Schulter) den Beklagten zu 1) jedoch wahrnehmen müssen. Auf einen Anscheinsbeweis kommt es für die Entscheidung daher letztlich nicht an, da Sorgfaltspflichtverletzungen der Tochter des Klägers positiv feststehen.

d) Richtig geht das Landgericht ebenfalls davon aus, dass die unzutreffende Aussage des Beklagten zu 1) in der persönlichen Anhörung in Bezug auf einen Sturz nicht zu einer Änderung in Bezug auf die Beweislastverteilung führt.

Diese geht grundsätzlich dahin, dass jeder Unfallbeteiligte dem Unfallgegner Sorgfaltspflichtverletzungen nachweisen muss, wenn er daraus Rechte herleiten will.

Darüber hinaus hat das Landgericht für die Beurteilung, ob Sorgfaltspflichtverletzungen des Linksabbiegers vorliegen, allein auf die Aussagen der Zeugin L. und des Zeugen L. abgestellt. Insoweit hat das Landgericht (UA 8) auch angenommen, dass der Beklagte zu 1) - entgegen seines Vortrags - mit seinem Motorrad an der Ampel gestanden hat, da dies sowohl von der Zeugin L. als auch vom Zeugen L. bestätigt wurde.

Die vom Kläger angesprochene Sanktion eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ZPO in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist zwar zutreffend, hat vorliegend jedoch keine Auswirkung, weil bereits unter Zugrundelegung der Aussage der Zeugin L. und des Zeugen L. Sorgfaltspflichtverletzungen der Tochter des Klägers festgestellt sind.

Zum Vorgenannten kommt hinzu, dass die Zeugin L. an dieser Stelle am Tag des Unfalls nicht nach links abbiegen durfte. Dies wäre bei aufmerksamem Verhalten auch an der Ampel sichtbar gewesen.

e) Zutreffend hat das Landgericht (UA 7, 8) ausgeführt, dem Kläger sei der Beweis von Sorgfaltspflichtverletzungen des Erstbeklagten (Überholen in unklarer Verkehrslage) nicht gelungen.

Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Erstbeklagte musste insbesondere auch nicht damit rechnen, dass die Tochter des Klägers einen Linksabbiegervorgang einleiteten würde, obwohl ein Abbiegen nach links durch eine entsprechende Beschilderung (Verbot der Einfahrt, Zeichen 267 zu § 41 StVO) nicht gestattet war.

Der Kläger legt Gegenteiliges auch auf S. 8 (sub 7) seiner Berufungsbegründung nicht näher dar. 4. Soweit der Kläger auf S. 7 der Berufungsbegründung meint, die Beweiswürdigung sei vor dem Hintergrund zu werten, dass der entscheidende Richter in der öffentlichen Sitzung seine persönliche Verbundenheit mit dem Motorradfahren zum Ausdruck gebracht habe, vermag auch dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Zum einen teilt der Senat aus den oben dargelegten Gründen die Beweiswürdigung, zum anderen kann der Kläger aus einer in der Berufungsbegründung nicht näher bezeichneten Äußerung keine Rechte herleiten.

Selbst wenn unterstellt werden würde, der erstinstanzliche Richter habe - was dieser im Protokoll vom 18. September nicht bestätigt hat - geäußert, er sei privat begeisterter Motorradfahrer, wäre dies unerheblich; denn der Kläger hat aus einem von ihm möglicherweise angenommenen Befangenheitsgrund vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Erlass des Urteils keine Rechte hergeleitet. Er hat einen Befangenheitsantrag nach § 44 ZPO nicht gestellt. Die Berufung kann jedenfalls nicht auf die behauptete positive Einstellung des entscheidenden Richters zum Motorradfahren gestützt werden, § 531 Abs. 2 ZPO.


III.

Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.