Das Verkehrslexikon

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OVG Saarlouis Beschluss vom 22.02.2017 - 1 D 166/17 - Sondernutzungserlaubnis zum Anbringen von Plakaten mit politischer Aussage

OVG Saarlouis v. 22.02.2017: Ermessensausübung bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Anbringen von Plakaten mit politischer Aussage


Das OVG Saarlouis (Beschluss vom 22.02.2017 - 1 D 166/17) hat entschieden:
  1. Mit dem Institut der Prozesskostenhilfe soll dem aus Art. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz Rechnung getragen werden, weshalb die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen; insbesondere ist es nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens, den Rechtsstreit durch eine weitgehende rechtliche Vorausbeurteilung des Streitgegenstands quasi "vorwegzunehmen".

  2. Zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage.

  3. Über den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 18 SStrG zum Anbringen von Plakaten ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Erlaubnispflicht, der in dem öffentlich-rechtlichen Bedürfnis zu sehen ist, zeitlich und örtlich gegenläufige Interessen verschiedener Straßenbenutzer auszugleichen, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden; der Antragsteller hat insoweit einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.

  4. Zur Konkretisierung des Ermessens durch kommunale Satzung und Verwaltungsrichtlinien.

Siehe auch Straßenrecht - Gemeingebrauch - Sondernutzung und Werbung - Werbeanlagen - Sondernutzung


Gründe:

Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor bezeichneten, seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist im Umfang des Tenors begründet.

Nach den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Für die Beurteilung der Frage, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass mit dem Institut der Prozesskostenhilfe dem aus Art. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz Rechnung getragen werden soll, weshalb die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen.
BVerfG, Kammerbeschluss vom 8.10.2014 – 1 BvR 2186/14 –, juris
Insbesondere ist es nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens, den Rechtsstreit durch eine weitgehende rechtliche Vorausbeurteilung des Streitgegenstands quasi „vorwegzunehmen“, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Allgemeinen bereits dann gerechtfertigt ist, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für vertretbar und bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung in seinem Sinne zumindest für möglich hält.
OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 2.2.2015 – 2 D 371/14 –, NJW 2015, 2516, zitiert nach juris, m.w.N., und vom 30.10.2007 – 2 D 390/07 –, juris
Gemessen an diesen Grundsätzen bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Fortsetzungsfeststellungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit er die Feststellung begehrt, dass der Bescheid vom 11.11.2016, mit dem die von ihm beantragte Sondernutzungserlaubnis zur Anbringung von Hinweisplakaten versagt wurde, rechtswidrig war.

Zunächst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der vom Antragsteller angekündigten Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Der Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016 hat sich noch während des Laufs der Widerspruchsfrist des § 70 VwGO durch Zeitablauf erledigt.
zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift auf den Fall des Eintritts einer Erledigung vor Klageerhebung und zur Gegenstandslosigkeit und damit Entbehrlichkeit eines Widerspruchs in diesen Fällen: Stuhlfauth in Bader/Funke-​Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl., § 113 Rdnr. 64, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 20.1.1989 – 8 C 30/87 –, BVerwGE 81, 226, juris; a.A.: Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 Rdnr. 127
Sein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat der Antragsteller nachvollziehbar unter Hinweis auf eine Wiederholungsgefahr dargelegt.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.8.1994 – 11 C 57/92 –, juris; s. hierzu auch Stuhlfauth in Bader/Funke-​Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, a.a.O., § 113 Rdnr. 67 m. w. Nachw.
Die beabsichtigte Klage bietet, soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 11.11.2016 begehrt wird, auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Aus Sicht des Senats spricht nämlich viel dafür, dass der Bescheid den Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Erlaubnisantrag verletzt hat.

Bereits am 19.10.2016 richtete der Antragsteller eine E-​Mail an das Ordnungsamt der Landeshauptstadt B-​Stadt, in der er auf eine anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin geplante Demonstration hinwies und des Weiteren mitteilte, er beantrage „die Plakatierung von 1000 Veranstaltungsplakaten ab dem 11. November 2016 im Stadtgebiet von B-​Stadt“. Auf entsprechenden behördlichen Hinweis reichte der Antragsteller sodann einen ihm übermittelten Vordruck „Antrag auf Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Werbetafeln auf öffentlichen Verkehrsflächen der Stadt B-​Stadt“ ausgefüllt und unterschrieben nach, wobei er die Stückzahl der „Werbetafeln“, deren Größe er mit DIN A 1 angab, dem behördlichen Hinweis entsprechend auf 200 begrenzte. In der vorgedruckten Zeile „Die Veranstaltung ist aus folgenden Gründen von herausragendem städtischem Interesse:“ gab der Kläger an, die geplante Kundgebung/Demonstration diene der Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes. Das dem Ordnungsamt in Kopie vorgelegte Veranstaltungsplakat zeigt die Arme einer Person mit sich in Form einer „Raute“ berührenden Händen und trägt die Aufschrift „MERKEL MUSS WEG!“ – „Demonstration in B-​Stadt“, „16. November um 18 Uhr“, „Kongresshalle“.

In dem Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016 heißt es:
„Ihrem Antrag vom 10.11.2016 für eine Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Werbetafeln auf öffentlicher Verkehrsfläche der Stadt B-​Stadt kann nicht stattgegeben werden.

Außerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen vor Wahlen gelten für Parteien und sonstige politische Veranstaltungen die Vorschriften der Sondernutzungssatzung der Landeshauptstadt B-​Stadt.

Bei dem von Ihnen angemeldeten Demonstrationszug handelt es sich um keine politische Veranstaltung im Sinne der Sondernutzungssatzung der Landeshauptstadt B-​Stadt.

Des Weiteren beschränkt die Sondernutzungssatzung der Landeshauptstadt B-​Stadt genehmigungsfähige Plakatwerbung auf Werbung für Veranstaltungen auf dem städtischen Festplatz, Zirkusgastspiele und Veranstaltungen im Stadtgebiet mit einem besonders herausragenden städtischen Interesse.

Auch diese Voraussetzungen werden bei ihrem Vorhaben nicht erfüllt.

Bei der Vielzahl von stattfindenden Demonstrationen, Aufzügen etc. im Stadtgebiet führt eine Plakatierung zu einer Überfrachtung des öffentlichen Verkehrsraumes. Deshalb werden die Genehmigungen zur Aufstellung von Werbetafeln auf wenige Ausnahmen beschränkt.“
Abschließend wird der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Werbung mittels kommerziell angebotener Werbeflächen privater Firmen hingewiesen.

Diese in dem Bescheid vom 11.11.2016 zum Ausdruck kommenden Gründe sind nicht geeignet, die getroffene Ablehnungsentscheidung zu rechtfertigen.

Auszugehen ist von § 18 SStrG, wonach die Benutzung der Straßen (zum Begriff: § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 SStrG) über den Gemeingebrauch hinaus eine Sondernutzung ist, die grundsätzlich der Erlaubnis der Straßenbaubehörde bedarf. Straßenbaubehörde für Ortsdurchfahrten im Zuge von Landstraßen I. Ordnung und Landstraßen II. Ordnung in Gemeinden mit mehr als 80.000 Einwohnern und in Gemeinden, die nach § 47 Abs. 1a SStrG Träger der Straßenbaulast für diese Ortsdurchfahrten sind, sowie für Gemeindestraßen ist gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 2 SStrG die zuständige Gemeinde, fallbezogen für die insoweit in Betracht kommenden öffentlichen Straßen mithin die Landeshauptstadt B-​Stadt.

Dass es sich bei dem Vorhaben des Antragstellers um eine Sondernutzung im Sinne des § 18 SStrG handelt, steht außer Zweifel und wird vom Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt. Die Voraussetzungen, unter denen die Sondernutzungserlaubnis erteilt wird, sind im Gesetz nicht näher geregelt. Allgemein wird angenommen, dass die Behörde über den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis unter Berücksichtigung des Zwecks der Erlaubnispflicht, der in dem öffentlich-​rechtlichen Bedürfnis zu sehen ist, zeitlich und örtlich gegenläufige Interessen verschiedener Straßenbenutzer auszugleichen, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat.
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.4.1994 – 2 W 18/94 –, ZfSch 1994, 271, zitiert nach juris; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-​Westfalen, 3. Aufl., § 18 Rdnr. 17; Stahlhut in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., S. 834, Rdnr. 14
Dabei steht dem Antragsteller ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu, welche – freilich innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO – der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Fickert, a.a.O, § 18 Rdnr. 17
Dementsprechend ist bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Interessen desjenigen, der die in Rede stehende Sondernutzung ausüben will, und den möglicherweise entgegenstehenden straßenrechtlichen Gesichtspunkten.
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.4.1994 – 2 W 18/94 –, a.a.O., juris-​Rdnr. 2
Das ihr nach Maßgabe dieser Grundsätze eingeräumte Ermessen hat die Landeshauptstadt B-​Stadt durch Erlass einer Satzung über Sondernutzungen an öffentlichen Verkehrsflächen vom 21.7.2015 sowie durch eine „Verwaltungsinterne Richtlinie zur Entscheidung bei Anträgen auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für Werbetafeln / Spann- und sonstige Transparente“ konkretisiert, was zur Folge hat, dass die Erwägungen, auf die eine Ermessensentscheidung über die Erteilung bzw. Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis gestützt wird, mit den selbst gesetzten Entscheidungsvorgaben in Einklang zu bringen sein müssen.
zur Ermessensbindung durch behördliche Praxis bzw. Verwaltungsvorschriften: Stuhlfauth in Bader/Funke-​Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl., § 114 Rdnrn. 14 ff., m. w. Nachw.
Dies ist hier nicht der Fall. Der ablehnende Bescheid vom 11.11.2016 ist zwar – ohne Nennung konkreter Vorschriften – auf die Sondernutzungssatzung gestützt, die zur Begründung der Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis angestellten Erwägungen finden indes in der Satzung keine Grundlage bzw. gehen von falschen Tatsachengrundlagen aus.

Nicht nachvollziehbar ist beispielsweise die Erwägung, bei dem vom Antragsteller angemeldeten Demonstrationszug handele es sich um keine politische Veranstaltung im Sinne der Sondernutzungssatzung. Der Umstand, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um eine politische Partei und bei der angemeldeten Demonstration nicht um eine Maßnahme in der „heißen Phase“ eines Wahlkampfs handelt, ist zwar allgemein im Rahmen der Ermessensentscheidung über Sondernutzungen der hier in Rede stehenden Art von Bedeutung,
vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.4.1994 – 2 W 18/94 –, a.a.O., juris-​Rdnr. 2
er rechtfertigt aber nicht die Annahme, die vom Antragsteller angemeldete Demonstration sei nicht politischer Natur. Zutreffend weist der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Demonstration, deren zentrales Anliegen auf die Kundgebung der Meinung gerichtet ist, die derzeitige Bundeskanzlerin müsse aus dem Amt entfernt werden, politischer kaum sein kann.

Hiervon abgesehen bietet die Sondernutzungssatzung der Landeshauptstadt B-​Stadt vom 21.7.2015 auch keinerlei Anhalt dafür, Plakathinweise auf Veranstaltungen nicht politischer Art seien von einer Sondernutzungserlaubnis ausgeschlossen.

Die dem Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016 zugrunde gelegte Erwägung, der vom Antragsteller angemeldete Demonstrationszug sei „keine politische Veranstaltung im Sinne der Sondernutzungssatzung“, weshalb bereits eine satzungsgemäße Voraussetzung für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nicht gegeben sei, entbehrt daher jeglicher Grundlage.

Auch die als zusätzliche Begründung angeführte Erwägung, die Sondernutzungssatzung beschränke „genehmigungsfähige Plakatwerbung auf Werbung für Veranstaltungen auf dem städtischen Festplatz, Zirkusgastspiele und Veranstaltungen im Stadtgebiet mit einem besonders herausragenden städtischen Interesse“, ist nach der in Bezug genommenen Satzung kein Gesichtspunkt, der dem Erlaubnisbegehren des Antragstellers fallbezogen entgegengehalten werden kann. Die behauptete Beschränkung erlaubnisfähiger Plakatwerbung lässt sich der Satzung nicht entnehmen. Die nicht genehmigungsfähigen Sondernutzungen sind in § 5 Abs. 1 Nrn. 1 bis 9 und Abs. 2 der Satzung geregelt. Die Satzungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 8, welche die Behörde konkret erstmals im gerichtlichen Prozesskostenhilfeverfahren als für ihre ablehnende Entscheidung maßgeblich angeführt hat, ist fallbezogen nicht einschlägig. Nicht genehmigungsfähig ist nach der zitierten Satzungsvorschrift „das Aufhängen von Werbeträgern im Luftraum über dem Straßenkörper – außer für Veranstaltungen von außerordentlichem Interesse für die Landeshauptstadt B-​Stadt“. Mit Recht weist der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung insoweit aber darauf hin, dass fallbezogen das Aufhängen von Werbeträgern im Luftraum über dem Straßenkörper nicht beantragt war. Beantragt war vielmehr – zunächst formlos – die „Plakatierung“ von „Veranstaltungsplakaten“. Davon, dass Werbeträger im Luftraum über dem Straßenkörper hätten aufgehängt werden sollen, war zu keinem Zeitpunkt die Rede. Demgemäß hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass er weder das Aufstellen von Plakatsständern auf dem Boden noch das Anbringen von Plakaten im Luftraum über der Straße beabsichtigte, es ihm vielmehr um Plakate gegangen sei, welche an Laternenmasten hätten befestigt werden sollen und damit keine Behinderung des Straßenverkehrs dargestellt hätten.

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 SStrG ist der Luftraum über dem Straßenkörper zwar Teil der öffentlichen Straßen, zu diesen gehören indes nicht nur der Straßenkörper selbst und der Luftraum darüber, sondern gemäß § 2 Abs. 1 SStrG Straßen und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, in ihrer Gesamtheit einschließlich – nach § 2 Abs. 2 Nrn. 3 bis 5 SStrG – unter anderem Geh- und Radwege, Zubehör (wie beispielsweise Verkehrszeichen) und die Nebenanlagen. Demgemäß ist unter dem Aufhängen von Werbeträgern im Luftraum über dem Straßenkörper das Spannen von Transparenten über den Straßenkörper hinweg oder das Aufhängen sonstiger Werbeträger über dem Straßenkörper zu verstehen, während beispielsweise das Anbringen von Plakaten am Rande von Gehwegen an Straßenlaternen oder sonstigen Einrichtungen von § 5 Abs. 1 Nr. 8 der Sondernutzungssatzung nicht erfasst ist. Angesichts des Umstandes, dass der Straßenverkehr durch ein über dem Straßenkörper aufgehängtes Transparent intensiver beeinträchtigt wird als durch ein Plakat am Straßenrand, ist es auch durchaus gerechtfertigt, die jeweilige Sondernutzungserlaubnis von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.

Nichts anderes ergibt sich aus der verwaltungsinternen Richtlinie der Landeshauptstadt B-​Stadt. Auch diese unterscheidet zwischen Werbetafeln, Plakaten, Transparenten und Spanntransparenten und regelt hierfür differenzierte Voraussetzungen. Abgesehen davon, dass eine „Verwaltungsinterne Richtlinie“ keine nach außen hin wirksame Rechtsnormqualität entfaltet, vielmehr lediglich der Auslegung und gleichmäßigen Handhabung von Rechtsnormen dient, ohne deren Regelungsgehalt erweitern oder beschränken zu können, ergibt sich entgegen dem behördlichen Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Prozesskostenhilfeverfahren auch aus der zitierten Richtlinie kein Verbot einer Plakatwerbung für Veranstaltungen der vom Antragsteller angemeldeten Art. Die Genehmigungsausschlüsse in Nr. 1 Buchstaben a. bis c. der Richtlinie sind fallbezogen offensichtlich nicht einschlägig. Nr. 2 der Richtlinie regelt ebenso wie Nr. 3 die mögliche Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Bewerben besonderer Veranstaltungen durch Transparente. Nach Nr. 4 der Richtlinie dürfen Plakate an bestimmten Örtlichkeiten im Innenstadtbereich generell nicht angebracht werden. Ein absolutes Plakatierungsverbot zur Bewerbung von Kundgebungen politischer Meinungsäußerungen (auch außerhalb eines Wahlkampfs) ergibt sich auch aus dieser Bestimmung nicht.

Ist demgemäß der Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016 auf eine Satzungsbestimmung gestützt, die fallbezogen – ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob (was allerdings fraglich erscheint) die vom Antragsteller angemeldete Veranstaltung im Sinne dieser Satzungsbestimmung „von außerordentlichem Interesse für die Landeshauptstadt B-​Stadt“ war – nicht einschlägig ist, so hat die Behörde bei der ihr obliegenden pflichtgemäßen Ermessensausübung einen für die zu treffende Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkt verkannt. Indem sie selbst in ihrer Satzung das Aufhängen von Werbeträgern im Luftraum über dem Straßenkörper lediglich in Ausnahmefällen, nämlich für Veranstaltungen von außerordentlichem Interesse für die Landeshauptstadt B-​Stadt, zulässt, macht sie deutlich, dass sie hinsichtlich der Bewerbung von Veranstaltungen dem Ort und der Art und Weise der Anbringung von Werbeträgern eine für die von ihr nach § 18 SStrG zu treffende Ermessensentscheidung wesentliche Bedeutung beimisst.

Des Weiteren fällt auf, dass der Bescheid vom 11.11.2016 eine Berücksichtigung für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis streitender Belange des Antragstellers, der sich immerhin auf das Recht zur freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann, in keiner Weise erkennen lässt. Die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis setzt voraus, dass die Behörde in den ihr obliegenden Abwägungsvorgang nicht allein die gegen, sondern auch die für eine Erlaubniserteilung sprechenden Erwägungen einbezieht.
Fickert, a.a.O, § 18 Rdnr. 20
Dies war im vorliegenden Fall auch keineswegs deshalb entbehrlich, weil die Behörde nur eine rechtmäßige Entscheidung, nämlich die Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis, hätte treffen können.

Wie bereits dargelegt standen die eigenen ermessenslenkenden Bestimmungen der Landeshauptstadt B-​Stadt (Sondernutzungssatzung, Verwaltungsinterne Richtlinien) einer Erlaubniserteilung nicht zwingend entgegen. Auch außerhalb dieser Sonderregelungen hat der Umstand, dass die Erlaubnisbehörde außerhalb der sogenannten heißen Phase des Wahlkampfs durch das Grundrecht des einzelnen bzw. einer politischen Partei auf freie Meinungsäußerung in der Regel nicht gehindert ist, eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufhängen oder Aufstellen von Plakaten bzw. Plakattafeln zu versagen,
BVerwG, Urteil vom 7.6.1978 – 7 C 6.78 –, BVerwGE 56, 56
nicht umgekehrt zur Folge, dass eine gleichwohl erteilte Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig wäre. Vielmehr steht die Erteilung straßenrechtlicher Sondernutzungserlaubnisse für politische Meinungsäußerungen auch außerhalb der eigentlichen Wahlkampfzeiten nicht im Belieben der Behörde, wenngleich das diesbezügliche Interesse zugelassener politischer Parteien, die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Parteiengesetz mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe erfüllen,
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.4.1994 – 2 W 18/94 –, juris, Rdnr. 2
freilich höher zu bewerten ist als das diesbezügliche Interesse eines Einzelnen.

Insoweit ist der im Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016 erfolgte Hinweis, bei der Vielzahl von stattfindenden Demonstrationen, Aufzügen etc. im Stadtgebiet führe eine Plakatierung zu einer Überfrachtung des öffentlichen Verkehrsraumes, weshalb „Genehmigungen zur Aufstellung von Werbetafeln“ – um solche geht es vorliegend indes nicht – „auf wenige Ausnahmen“ – welche dies sind, wird an dieser Stelle allerdings nicht dargelegt – beschränkt würden, zwar grundsätzlich ein Gesichtspunkt, der sachbezogen ist und mit einigem Gewicht gegen die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen der in Rede stehenden Art sprechen kann. Einer Überfrachtung des öffentlichen Verkehrsraumes durch Hinweisplakate kann allerdings – hierauf weist der Antragsteller zutreffend hin – auch durch eine zahlenmäßige Begrenzung der genehmigten Plakate und/oder eine Begrenzung ihrer Dimensionierung sowie – wie in der Verwaltungsinternen Richtlinie der Landeshauptstadt im Übrigen geschehen – durch Festlegung plakatwerbungsfreier Zonen begegnet werden.

Sprechen demnach unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Rechts des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis erhebliche rechtliche Bedenken gegen den Ablehnungsbescheid vom 11.11.2016, können der beabsichtigten Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Bescheides die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorausgesetzten hinreichenden Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden.

Da der Antragsteller ausweislich der von ihm vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Empfänger von Arbeitslosengeld II auch nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, steht ihm insoweit ein Rechtsanspruch auf Prozesskostenhilfe zu.

Keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat die beabsichtigte Klage jedoch, soweit der Antragsteller darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass ihm die begehrte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen war. Eine entsprechende Rechtspflicht der Landeshauptstadt B-​Stadt nicht lediglich zur ermessensfehlerfreien Entscheidung, sondern darüber hinaus zur Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis setzt eine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne voraus, dass nach Abwägung aller widerstreitenden Belange allein die antragsgemäße Erlaubniserteilung als rechtmäßige Ermessensentscheidung angesehen werden könnte.

Dies ist nicht der Fall. Insoweit kann zunächst auf den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und die darin in Bezug genommene und oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen werden.

Auch bei Vermeidung der oben aufgezeigten Ermessensfehler wäre der zuständigen Behörde ein weiter Ermessensspielraum verblieben, in dessen Rahmen neben den vom Antragsteller geltend gemachten Belangen Gesichtspunkte berücksichtigt werden durften, die für eine Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis sprachen und nicht ohne weiteres als weniger schwerwiegend anzusehen waren. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, die Behörde habe keinen einzigen durchgreifenden straßenbezogenen Belang zu nennen vermocht, verfängt nicht. Insbesondere der Schutz des Straßenbildes und vor allem das hochrangige öffentliche Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sind verfassungsrechtlich bedeutsame Schutzgüter der straßengesetzlichen Erlaubnispflicht, welche dem Recht der freien Meinungsäußerung gegenüberstehen und dieses einschränken können.
BVerwG, Urteil vom 7.6.1978 – 7 C 6.78 –, BVerwGE 56, 56
Zu den neben dem Aspekt der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu berücksichtigenden straßenbezogenen Belangen, die einer Sondernutzung entgegenstehen können, gehören Ordnungsgesichtspunkte nicht verkehrlicher Art, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Straße stehen, wie beispielsweise der Schutz des Straßenbildes vor Verschandelung und Verschmutzung.
BVerwG, Urteil vom 24.8.1994 – 11 C 57/92 –, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.4.1992 – 12 OVG A 166/88 – juris- Rdnr. 3, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 13.12.1974 – VII C 42.72 –, BVerwGE 47, 280, juris;
Nach § 114 VwGO ist es dem Senat verwehrt, insoweit eigene Ermessenserwägungen anzustellen, insbesondere eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Vielmehr obliegt es der zuständigen Behörde, aufzuzeigen, welche verkehrlichen und/oder straßenbezogenen Belange einer beantragten Sondernutzungserlaubnis im Einzelfall entgegenstehen und ob diese von solchem Gewicht sind, dass die Belange des Antragstellers hinter ihnen zurückzutreten haben. Dabei muss sie allerdings den selbst gesetzten Vorgaben gerecht werden und darüber hinaus den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beachten.

Dass hiervon ausgehend im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null eine Verpflichtung der Landeshauptstadt B-​Stadt bestanden hätte, die vom Antragsteller begehrte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, ist weder vom Antragsteller dargelegt, noch sonst für den Senat erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO. Der Senat macht von der Ermächtigung der Nr. 5502 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG Gebrauch und ermäßigt im Hinblick auf das teilweise Obsiegen des Antragstellers die dort bestimmte Gebühr auf die Hälfte.
vgl. OVG Berlin-​Brandenburg, Beschluss vom 9.11.2016 – OVG 9 M 33.15 –, juris, Rdnr. 21; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.10.2016 – 19 C 15.2217 –, juris; OVG Nordrhein-​Westfalen, Beschluss vom 12.6.2014 – 5 B 446/14, 5 E 451/14 –, juris
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.