Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 26.09.2005 - 12 U 57/04 - Anscheinsbeweis und Rückwärtsfahren

KG Berlin v. 26.09.2005: Zum Anscheinsbeweis beim Rückwärtsfahren




Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 26.09.2005 - 12 U 57/04) hat entschieden:

   Der für das alleinige Verschulden des Rückwärtsfahrenden sprechende Beweis des ersten Anscheins wird nicht bereits dadurch entkräftet, dass der rückwärts von einem anderen Straßenteil in die Fahrbahn Einfahrende beweist, dass sein Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision - möglicherweise nur für Sekundenbruchteile - bereits zum Stillstand gekommen ist, sondern erst wenn feststeht, dass sein Fahrzeug bereits so lange gestanden hat, dass der auf der Fahrbahn fahrende Kraftfahrer bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt dazu in der Lage gewesen wäre, unfallverhütend zu reagieren.

Siehe auch
Rückwärtsfahren

und
Anscheinsbeweis - Beweis des ersten Anscheins - Beweis prima facie

Aus den Entscheidungsgründen:

"... Fährt ein Kraftfahrer mit seinem Pkw rückwärts von einem anderen Straßenteil aus in die Fahrbahn ein, so spricht gegen ihn grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins. Dieser Beweis des ersten Anscheins würde nicht bereits dadurch entkräftet, dass der rückwärts Einfahrende beweist, dass sein Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision - möglicherweise nur für Sekundenbruchteile - bereits zum Stillstand gekommen ist, sondern erst wenn feststünde, dass sein Fahrzeug bereits so lange gestanden hat, dass der auf der Fahrbahn fahrende Kraftfahrer bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt dazu in der Lage gewesen wäre, unfallverhütend zu reagieren (vgl. Senat, Urteil vom 1. Oktober 1989 - 12 U 5185/97 -, ständige Rechtsprechung).



Dementsprechend wird in der ständigen Rechtsprechung der Berliner Verkehrsgerichte derartigen Abweichungen zwischen der klägerischen Sachverhaltsdarstellung und dem tatsächlich erwiesenen Unfallhergang in Fällen, in denen die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung nicht den Einwand erhebt, es handele sich um ein manipuliertes Unfallereignis, keinerlei Beachtung geschenkt. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, derartige Abweichungen in der Unfalldarstellung in Fällen der vorliegenden Art anders zu beurteilen, ist nicht ersichtlich. Es würden sich auch kaum lösbare Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Behauptet etwa der Kläger eine Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 80 km/h und ermittelt ein Sachverständiger später eine Ausgangsgeschwindigkeit von lediglich 70 bis 75 km/h, so stellt sich die Frage, ob dies auf der Grundlage der vom Landgericht vertretenen Rechtsansicht bereits zur Klageabweisung führen soll, oder erst dann, wenn die Abweichung der tatsächlich festgestellten von der behaupteten Ausgangsgeschwindigkeit größer ist. Gleiches gilt etwa, wenn der Kläger einen Kollisionswinkel von ca. 90° behauptet, ein Sachverständiger aber später den Kollisionswinkel mit 85° oder 80° ermittelt.




Nach Auffassung des Gerichts können etwaige Widersprüche/Ungereimtheiten bei der Unfalldarstellung durch den Anspruchsteller, wenn sie ansonsten für die in Anspruch genommene Rechtsfolge ohne Bedeutung sind, erst bei der Prüfung der Frage von Bedeutung sein, ob aufgrund einer ungewöhnlichen Häufung von Indizien eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes Unfallereignis spricht (vgl. dazu unten 5.). ..."

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