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OLG Düsseldorf Urteil vom 06.03.2006 - I-1 U 141/00 - Zum Mitverschuldensbeweis bei Verletzung der Gurtpflicht

OLG Düsseldorf v. 06.03.2006: Zum Mitverschuldensbeweis bei Verletzung der Gurtpflicht


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.03.2006 - I-1 U 141/00) hat entschieden:
Bei dem auf den Verstoß gegen § 21a StVO gestützten Mitverschuldenseinwand muss der für den Unfall Verantwortliche nicht nur beweisen, dass der Verletzte nicht angeschnallt war, sondern er hat auch zu beweisen, dass dieses Versäumnis die Verletzungen - ganz oder doch zum Teil - verursacht hat; insoweit verbleibende Zweifel gehen - wie immer beim Einwand des Mitverschuldens - auch hier zu Lasten des Haftpflichtigen.


Siehe auch Sicherheitsgurt und Anschnallpflicht und Sicherheitsgurt - Tateinheit oder Tatmehrheit beim Zusammentreffen mit anderen Verstößen


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Darüber hinaus brauchen sich die Kläger nicht anspruchsmindernd einen Verstoß gegen die Gurtanlegepflicht des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO anspruchsmindernd anrechnen zu lassen.

Zwar ist entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil erwiesen, dass Herr H. V. zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens vorschriftswidrig nicht angeschnallt war. Allein diese Tatsache rechtfertigt aber noch keine Kürzung der klagegegenständlichen Schadensersatzansprüche wegen eines mitwirkenden Verschuldens über §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB. Denn bei dem auf den Verstoß gegen § 21 a StVO gestützten Mitverschuldenseinwand muss der für den Unfall Verantwortliche nicht nur beweisen, dass der Verletzte nicht angeschnallt war, sondern er hat auch zu beweisen, dass dieses Versäumnis die Verletzungen - ganz oder doch zum Teil - verursacht hat (BGH NJW 1980, 2125, 2126 linke Spalte mit Hinweis auf BGHZ 74, 25, 33 = NJW 1979, 1363). Insoweit verbleibende Zweifel gehen - wie immer beim Einwand des Mitverschuldens - auch hier zu Lasten des Haftpflichtigen (BGH a.a.O., Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage, § 21 a StVO, Rdnr. 9 a mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Zu dem Beweisthema, ob Herr H. V. anlässlich der Kollision des durch ihn gesteuerten Pkw Polo mit den an der Unfallstelle im linksseitigen Böschungsbereich gewachsenen Straßenbäumen auch dann tödliche Verletzungen erlitten hätte, wenn er ordnungsgemäß seinen Sicherheitsgurt angelegt gehabt hätte, sind auf Anforderung des Senats mehrere interdisziplinäre Sachverständigengutachten zu den Akten gelangt, zuletzt das Obergutachten der Sachverständigen Dr. L. und Dr. R. vom 26. Oktober 2005. Wegen der Komplexität des Unfallgeschehens verbleiben nach den Ausführungen der Sachverständigen so viele Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, im Falle eines ordnungsgemäß angelegten Sicherheitsgurtes wären die tödlichen Verletzungen des Herrn H. V. vermieden worden, dass der Nachweis nicht als geführt angesehen werden kann.

Die Kläger behaupten in ihrer Berufungserwiderung, auch bei angelegtem Gurt hätte Herr H. V. das Unfallgeschehen nicht überlebt. Sie machen also geltend, dieselben tödlichen Verletzungen wären auch dann eingetreten, wenn der später Verstorbene seiner Gurtanlegepflicht Genüge getan hätte. Sie bestreiten im Ergebnis die Kausalität zwischen dem Verstoß gegen die Anschnallpflicht und der eingetretenen Verletzung (vgl. Greger, a.a.O., § 9 StVG, Rdnr. 61). Diesen Ursachenzusammenhang hat aber der Schädiger zu beweisen (Greger a.a.O.; Senat DAR 1985, 59). Da dieser Kausalitätsnachweis wegen der bezeichneten Zweifel nicht geführt ist, verbleibt es im Ergebnis bei der vollen Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Schadensfolgen des Unfallereignisses gemäß §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 PflVersG.

Etwas anderes gälte nur für den Fall, dass der Kläger behauptet, er hätte mit angelegtem Gurt nicht dieselben, aber doch mindestens ebenso schwerwiegende andere Verletzungen erlitten. Dieser Einwand stellt kein Bestreiten des Ursachenzusammenhanges dar, sondern eine Replik auf den Mitverschuldenseinwand des Schädigers, für welche der Geschädigte beweispflichtig ist (Senat a.a.O. mit Hinweis auf BGH NJW 1980, 2125, 2126 sowie Weber DAR 1981, 161, 165). Eine solche Replik ist im vorliegenden Fall indes nicht verfahrensgegenständlich.

...

Ein solcher Beweis kommt namentlich bei Verletzungen des Kopfes und der oberen und unteren Extremitäten in Betracht, lässt sich in der Regel jedoch nur bei Frontalzusammenstößen oder Unfällen, bei denen der Fahrer und andere Insassen hinausgeschleudert wurde, führen und setzt weiter voraus, dass keine wesentlichen seitlichen Deformationen des vom Verletzten benutzten Teils der Fahrgastzelle gegeben sind. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dann nicht für die Ursächlichkeit der unterlassenen Gurtanlegung für die eingetretenen Verletzungen, wenn ein so starker seitlicher Aufprall des Fahrzeugs erfolgt ist, dass der vom Verletzten benutzte Teil der Fahrgastzelle erheblich deformiert wurde (OLG Hamm VRS 76, 112, 114; Jagusch/Hentschel, § 21 a StVO, Rdn. 9 a). Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Bereits die Unfall-Rekonstruktionszeichnung des Sachverständigen N. in Verbindung mit der Detaildarstellung (Bl. 217, 218 d. A.) machen hinreichend deutlich, dass der durch den später Verstorbenen geführte Pkw in der Phase 1 einen derartigen Stoß gegen die Fahrgastzelle erhielt, dass diese die erheblichen Verformungen davontrug, die auf den Lichtbildern im DEKRA-Gutachten auf der Fahrerseite zu erkennen sind (Bl. 140 a, 140 b d.A.). Die Richtigkeit dieser Ausführungen wird durch keines der danach zu den Akten gelangten Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen. ..."







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