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BayObLG Beschluss vom 16.04.1993 - 1St RR 9/93 - Zum Vergehen des Kennzeichenmissbrauchs bei fehlender Konkretisierung und Gebrauch an zwei Fahrzeugen gleichzeitig
BayObLG v. 16.04.1993: Zum Vergehen des Kennzeichenmissbrauchs bei fehlender Konkretisierung und Gebrauch an zwei Fahrzeugen gleichzeitig
Das BayObLG (Beschluss vom 16.04.1993 - 1St RR 9/93) hat entschieden:
Hat der Empfänger eines roten Dauerkennzeichens sein Bestimmungsrecht hinsichtlich eines bestimmten Fahrzeuges nicht ausgeübt und damit den Zulassungsakt nicht konkretisiert, missbraucht er jedenfalls dann ein Kennzeichen, wenn er in der Absicht, über die fehlende Konkretisierung des Zulassungsaktes zu täuschen, ein nicht zugelassenes Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr gebraucht, das nur mit einem der beiden roten Kennzeichen versehen ist, während das zweite an einem anderen, auf öffentlichem Verkehrsgrund abgestellten Fahrzeug angebracht ist.
Siehe auch Rote Kennzeichen - Kurzzeitkennzeichen - Kurzzeitversicherung - Saisonkennzeichen - Überführungskennzeichen und Kennzeichenmissbrauch
Zum Sachverhalt: Der Angeklagte betrieb einen Kraftfahrzeughandel. Für Überführungs- und Probefahrten waren auf ihn ein rote Dauerkennzeichen ... - 06619 zugelassen. Am 13.2.1992 brachte der Angeklagte eines der beiden Schilder des Dauerkennzeichens ... - 06619 an einem Pkw, Fabrikat VW Passat Variant, hinten an, um vorzutäuschen, dass es sich um ein ordnungsgemäß zugelassenes und versichertes Fahrzeug handelt. Vorne war das Fahrzeug nicht mit einem Kennzeichen versehen. Anschließend fuhr der Angeklagte mit dem so gekennzeichneten Pkw auf der B 300. Er hatte das Fahrzeug auch nicht im roten Fahrzeugschein eingetragen.
Gleichzeitig hatte der Angeklagte vor dem Anwesen T.-Straße in F. auf öffentlichem Verkehrsgrund einen Lieferwagen Marke Mercedes Typ MB 100 abgestellt, an dem vorne das Überführungszeichen ... - 06619 angebracht war. Hinten war das Fahrzeug nicht mit einem Kennzeichen versehen. Auch dieses Fahrzeug war nicht im roten Fahrzeugschein eingetragen. Der Angeklagte hatte das Zulassungsschild vorne belassen, um bei einer Kontrolle den Eindruck zu erwecken, dass das Fahrzeug zugelassen ist.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Kennzeichenmissbrauchs zu einer Geldstrafe. Seine Revision wurde als offensichtlich unbegründet verworfen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Rote Dauerkennzeichen sind zur wiederkehrenden Verwendung, auch bei verschiedenen Fahrzeugen, bestimmt (vgl. § 28 Abs.3 Satz 2 StVZO). Nach dieser Bestimmung stehen bei der Ausgabe der Kennzeichen die Fahrzeuge, für die sie verwendet werden sollen, noch nicht fest. Die Bestimmung dieser Fahrzeuge ist vielmehr dem Zeichenempfänger überlassen (BayObLGSt 1987, 22/24; BayObLG vom 23.2.1988 - RReg. 2 St 21/88).
Soweit ein rotes Kennzeichen nur zum Zwecke einmaliger Verwendung an einem bestimmten Fahrzeug ausgegeben wird (vgl. § 28 Abs.3 Satz 1 StVZO), bewirkt schon die Zuteilung des Kennzeichens - und nicht erst dessen Anbringung an dem Kraftfahrzeug - die Zulassung des Fahrzeugs zum öffentlichen Verkehr mit dem sich aus § 28 Abs.1 Satz 1 StVZO ergebenden Beschränkungen. Dagegen kann sich die von der Zulassungsstelle im voraus durch die roten Dauerkennzeichen erteilte Zulassung nicht von vornherein auf jedes beliebige Kraftfahrzeug, mit dem einmal eine Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt vorgenommen werden soll, erstrecken. Vielmehr ist Voraussetzung hierfür, dass eine Beziehung zwischen dem Fahrzeug, mit dem eine solche Fahrt durchgeführt wird, und dem roten Dauerkennzeichen in der Weise hergestellt wird, die erkennen lässt, dass der Zeichenempfänger sein Bestimmungsrecht hinsichtlich eines bestimmten Fahrzeugs ausgeübt und damit den Zulassungsakt auf dieses Fahrzeug konkretisiert hat (vgl. BayObLG vom 6.4.1984 - RReg. 1 St 69/84). Erst dann, wenn der Zeichenempfänger sein Bestimmungsrecht ausgeübt und nach außen kenntlich gemacht hat, handelt es sich bei dem bestimmten Fahrzeug nicht mehr um ein solches, für das die verwendeten Kennzeichen weder ausgegeben noch zugelassen sind.
Ob es für die erfolgte Konkretisierung genügt, dass der Zeichenempfänger (oder ein von ihm beauftragter Dritter) die Kennzeichen bei einer nach § 28 Abs. 1 Satz 1 StVZO begünstigten Fahrt mit sich führt oder ob eine Eintragung des Fahrzeugs in einen der von der Zulassungsstelle für das rote Kennzeichen ausgegebenen besonderen Fahrzeugscheine vor Antritt dieser Fahrt erforderlich ist oder ob die Konkretisierung der Zulassung auf das verwendete Kraftfahrzeug auf andere Art erkennbar werden kann, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn das Amtsgericht hat im Ergebnis festgestellt, dass der Angeklagte hier sein Bestimmungsrecht bewusst nicht ausgeübt hat, um den Anschein zu erwecken, sowohl das für die Fahrt verwendete als auch das auf öffentlichem Verkehrsgrund abgestellte andere Fahrzeug sei ordnungsgemäß zugelassen.
Steht aber fest, dass der Zeichenempfänger sein Bestimmungsrecht nicht ausgeübt hat, missbrauchte er jedenfalls dann ein Kennzeichen nach § 22 Abs.1 Nr.1 StVG, wenn er in der Absicht, über die fehlende Konkretisierung des Zulassungsaktes auf ein bestimmtes Fahrzeug zu täuschen, dieses nicht zugelassene Kraftfahrzeug mit einem der beiden Kennzeichen versieht und im öffentlichen Verkehr gebraucht. ..."