Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 14.05.1987 - 4 StR 49/8 - Wer ein rotes Kennzeichen (für Prüfungsfahrten, Probefahrten und Überführungsfahrten) unberechtigt verwendet, macht sich nicht der Urkundenfälschung schuldig

BGH v. 14.05.1987: Wer ein rotes Kennzeichen (für Prüfungsfahrten, Probefahrten und Überführungsfahrten) unberechtigt verwendet, macht sich nicht der Urkundenfälschung schuldig; er kann sich aber wegen Kennzeichenmissbrauchs strafbar machen.


Der BGH (Urteil vom 14.05.1987 - 4 StR 49/87) hat entschieden:
Wer ein rotes Kennzeichen (für Prüfungsfahrten, Probefahrten und Überführungsfahrten) unberechtigt verwendet, macht sich nicht der Urkundenfälschung schuldig; er kann sich aber wegen Kennzeichenmissbrauchs strafbar machen.


Siehe auch Rote Kennzeichen - Kurzzeitkennzeichen - Kurzzeitversicherung - Saisonkennzeichen - Überführungskennzeichen und Kennzeichenmissbrauch


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Revision hat ... hinsichtlich der Verurteilung wegen Urkundenfälschung ... Erfolg.

Nach den hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen montierte der Angeklagte, der eine Tankstelle sowie ein Unternehmen für An-, Verkauf und Reparaturen von Kraftfahrzeugen betrieb, am 14. April 1985 an einen beim Straßenverkehrsamt abgemeldeten Pkw die roten Kennzeichen RE - 04024, die - was der Angeklagte wusste - schon seit zwei Monaten ungültig waren. Anschließend stellte er das Fahrzeug einem Arbeiter seines Betriebes zur Verfügung; dieser benutzte es für eine Fahrt nach Hause und zurück zur Firma. Am 20. Februar 1985 ließ der Angeklagte einen seiner Personenkraftwagen durch einen in seinem Betrieb beschäftigten Arbeiter mit dem roten Kennzeichen versehen, das er selbst ungefähr drei Monate zuvor beim Straßenverkehrsamt als verlorengegangen gemeldet hatte. Sodann musste der Arbeiter auf Weisung des Angeklagten diesen Personenkraftwagen auf öffentlichen Straßen führen, um damit ein anderes, dem Angeklagten gehörendes Fahrzeug abzuschleppen.

In beiden Fällen hat das Landgericht das Verfahren gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Anklagevorwurf der Urkundenfälschung beschränkt. Es hat das Anbringen der roten Kennzeichen an die Fahrzeuge als Herstellen unechter Urkunden angesehen und den Angeklagten dementsprechend nach § 267 StGB bestraft.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Rote Kennzeichen gemäß § 28 StVZO bilden - anders als die mit dem Stempel der Zulassungsstelle versehenen amtlichen Kennzeichen gemäß § 23 StVZO (vgl. hierzu BGHSt 18, 66, 70 m. w. Nachw.) - zusammen mit dem Fahrzeug, an dem sie angebracht sind, keine Urkunde im Sinne von § 267 StGB (OLG Stuttgart VRS 47, 25 ff; vgl. auch Cramer in Schönke/Schröder, StGB 22. Aufl. § 267 Rdn. 36 a; Tröndle in LK, 10. Aufl. § 267 Rdn. 88; Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht 29. Aufl. § 28 StVZO Rdn. 17; Förschner DAR 1986, 287, 290). Die Abstempelung des roten Kennzeichens ist nicht Teil eines Zulassungsverfahrens für ein bestimmtes Fahrzeug. Sie dient nur dazu, das betreffende rote Kennzeichen als von der Zulassungsstelle herrührend auszuweisen; daher findet auch eine Entstempelung - wie beim gewöhnlichen Kennzeichen gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 StVZO - nicht statt, wenn das rote Kennzeichen von einem Fahrzeug entfernt wird. Einer Einstufung des roten Kennzeichens als zusammengesetzter Urkunde steht auch entgegen, dass dieses - wiederum anders als gewöhnliche Kennzeichen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 StVZO) - am Fahrzeug nicht fest angebracht zu sein braucht (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StVZO). Die danach zulässige Befestigung mittels Riemen, Schnur, Gummibändern oder Magneten schafft ein bloßes Bezogensein beider Teile aufeinander im Sinne funktionaler Zusammengehörigkeit, nicht jedoch die für eine zusammengesetzte Urkunde erforderliche räumlich feste Verbindung zu einer Beweiseinheit (vgl. Cramer in Schönke/Schröder aaO § 267 Rdn. 36 a; Tröndle in LK aaO § 267 Rdn. 88). Wenn im Einzelfall über das gesetzliche Erfordernis hinaus eine feste Montage des roten Kennzeichens erfolgt, so bewirkt dies gleichwohl nicht die Entstehung einer zusammengesetzten Urkunde; denn eine solche kann nicht ohne Kenntnis und Willen des Ausstellers, hier des Straßenverkehrsamtes, durch eine zufällige oder willkürliche Handlung des Verwenders entstehen (vgl. Tröndle in LK aaO § 267 Rdn. 88: "Zufallsurkunden sind als zusammengesetzte Urkunden nicht denkbar"). Schließlich kann - worauf das Oberlandesgericht Stuttgart bereits zutreffend hingewiesen hat (VRS 47, 25, 26) - dem roten Kennzeichen auch nicht im Hinblick auf einen möglichen unterschiedlichen Verwendungsumfang (einmalige oder wiederkehrende Verwendung) in Einzelfällen Urkundenqualität beigemessen werden. Bei den roten Kennzeichen zur wiederkehrenden Verwendung im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 2 bis 6 StVZO erfolgt die Zuordnung zu bestimmten Fahrzeugen nicht durch die Zulassungsstelle, sondern durch den Verwender, der darüber Aufzeichnungen zu führen hat. Da die Zulassungsstelle in der Regel keine Kenntnis davon hat, an welchen bestimmten Fahrzeugen die Kennzeichen angebracht werden, verkörpert ein rotes Kennzeichen bei dieser Verwendungsart nicht die Erklärung der Zulassungsstelle, das jeweilige Fahrzeug, mit dem es nur lose verbunden zu sein braucht, sei zum öffentlichen Verkehr zugelassen. Mag demgegenüber bei den roten Kennzeichen zur einmaligen Verwendung die Zuordnung zu einem bestimmten Fahrzeug auch für die Zulassungsstelle von vornherein feststehen, so erscheint eine unterschiedliche Einstufung hinsichtlich der Frage der Urkundenqualität im Sinne des § 267 StGB dennoch nicht gerechtfertigt: Denn die Unterscheidung zwischen einmaliger und wiederkehrender Verwendung ergibt sich wegen der äußerlich identischen Ausgestaltung der Schilder nicht aus den Kennzeichen selbst, sondern aus dem außerhalb derselben manifestierten Verwaltungsakt der Zuteilung seitens der Behörde.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB im Hinblick auf die Verwendung der roten Kennzeichen kann daher nicht bestehenbleiben.

Der Angeklagte hat sich jedoch in beiden Fällen des Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 StVG schuldig gemacht. Er hat an zwei nicht amtlich gekennzeichneten Kraftfahrzeugen jeweils ein rotes Kennzeichen angebracht (darunter fällt auch die weisungsgemäße Montage durch einen Untergebenen im Falle II 2) und dadurch den Anschein amtlicher Kennzeichnung hervorgerufen, § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG (vgl. hierzu OLG Stuttgart VRS 47, 25, 26; Jagusch/Hentschel aaO § 22 StVG Rdn. 1 ff): Bei der Tat vom 14. April 1985 war das rote Kennzeichen seit zwei Monaten ungültig, im zweiten Falle war es dem Straßenverkehrsamt gegenüber fälschlich als verloren gemeldet und damit nicht mehr in zulässiger Weise ohne neue Zuteilung verwendbar. Zugleich hat der Angeklagte von den solchermaßen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 StVG "falsch" gekennzeichneten Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Wegen gemäß § 22 Abs. 2 StVG Gebrauch gemacht. Hierfür reichte es aus, dass er in beiden Fällen als Betriebsinhaber die Führung der Fahrzeuge durch seine Untergebenen durch Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf den Beginn der Fahrt veranlasst hat (vgl. BayObLG VRS 25, 287 f). Vorsatz und "rechtswidrige Absicht" des Angeklagten ergeben sich jeweils aus dem Zusammenhang der Feststellungen. Die falsche Kennzeichnung konnte nur bezwecken, den Eindruck zugelassener Fahrzeuge im Sinne von § 28 StVZO zu erwecken, um so seine Angestellten unbeanstandet damit fahren lassen zu können. Dies reicht zur Annahme rechtswidriger Absicht im Sinne von § 22 StVG aus (vgl. OLG Stuttgart VRS 36, 306 f). Das Anbringen der roten Kennzeichen bildet jeweils mit dem Gebrauchmachen eine Straftat des Kennzeichenmissbrauchs, da die bereits mit der Anbringung vollendete Tat erst durch den Gebrauch - entsprechend dem Tatplan - beendet war (BGHSt 18, 66, 71). ..."