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Amtsgericht Waldbröl Urteil vom 19.07.2005 - 4 Ds 385/05 - Das Übermalen der Plaketten auf dem Kfz-Kennzeichen ist eine Urkundenfälschung

AG Waldbröl v. 19.07.2005: Das Übermalen der Plaketten auf dem Kfz-Kennzeichen ist eine Urkundenfälschung


Das Amtsgericht Waldbröl (Urteil vom 19.07.2005 - 4 Ds 385/05) hat entschieden, dass das Übermalen einer Prüfplakette mit einer anderen Untergrundfarbe strafbare Urkundenfälschung ist:
Der Untergrundfarbe von Prüfplaketten auf Kfz-Kennzeichenschildern kommt ein eigener Erklärungswert zu (Vorführungszeitraum für Haupt- und Abgasuntersuchung). Die Benutzung eines Fahrzeugs, auf dessen Kennzeichen die Farbe der Plaketten in unzulässiger Weise verändert wurde (hier: durch Übermalen mit rosafarbenem Nagellack), stellt eine Urkundenfälschung i. S. des § 267 I Alt. 3 StGB dar.


Siehe auch Kfz-Kennzeichen und Urkundenfälschung und sonstige Verfälschungsdelikte


Zum Sachverhalt: Am 11. 5. 2005 befuhr die Angekl. mit ihrem Pkw Opel Corsa die W-Straße in M. Dabei waren die Prüfplaketten nach § 29 11 1 Nr. 1 StVZO (Hauptuntersuchung) am hinteren und nach § 47a III 1 StVZO (Abgasuntersuchung) am vorderen Kennzeichen des Fahrzeugs mittels Nagellack rosa übermalt. Bei näherer Betrachtung der Kennzeichen war diese Veränderung auf Grund der plumpen Ausführung offensichtlich. Auf Entfernung wirkten die Plaketten indes rosafarben. Die Zahlen auf den Plaketten waren unverändert, aber nur noch eingeschränkt lesbar.

Das AG hat die Angekl. wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... II. Die Angekl. ist einer Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde schuldig, § 267 I Alt. 3 StGB. 1. Die Prüfplaketten nach § 29 11 1 Nr. 1 StVZO und § 47 a III 1 StVZO sind in Verbindung mit den amtlichen Kennzeichen zusammengesetzte (öffentliche) Urkunden (für die Prüfplakette nach § 29 II 1 Nr. 1 StVZO bereits: OLG Karlsruhe, DAR 2002, 229; BayObLG, DAR 1966, 26; NStZ 1999, 575 = NZV 1999, 179).

Eine Urkunde verkörpert eine allgemein oder doch wenigstens für die Beteiligten verständliche Erklärung, die vermöge ihres gedanklichen Inhalts dazu geeignet und bestimmt ist, im Rechtsleben Tatsachen zu beweisen und die zudem ihren Aussteller wenigstens für die Beteiligten erkennen lässt.

a) Die Prüfplaketten gem. § 29 II 1 Nr. 1 StVZO und § 47 a III StVZO geben nach Anlage IX und XI a zur Straßenverkehrs-Zulassungsordnung im Interesse der Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs den Monat an, in dem das Fahrzeug spätestens zur nächsten Hauptuntersuchung bzw. Abgasuntersuchung vorgeführt werden muss. Die oberste Zahl der am Kennzeichen angebrachten Plaketten bezeichnet den Monat des Vorführjahrs, dessen letzte beiden Ziffern sich im Mittelkreis befinden. Die Farbe des Untergrundes der Plaketten bestimmt sich nach dem Kalenderjahr, in dem das Fahrzeug zur nächsten Haupt- bzw. Abgasuntersuchung angemeldet werden muss und erleichtert dadurch noch zusätzlich die Überwachung.

Es ist im Hinblick auf die Urkundseigenschaft unschädlich, dass es sich dabei nicht um Schriftstücke handelt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch Zeichen, die als Abkürzungen für die vollständige Gedankenerklärung stehen, Urkunden sein können und zwar auch dann, wenn sich die im Zeichen verkörperte Erklärung erst im Zusammenhang mit dem Gegenstand ergibt, an dem das Zeichen angebracht ist (sog. Beweiszeichen).

b) Die Prüfplaketten sind auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt. Gemäß § 29 VII 4 StVZO (i.V. mit § 47a VI Halbs. 2 StVZO) kann die Zulassungsbehörde den Betrieb eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagen oder beschränken, wenn sich eine der Prüfplaketten nicht am Fahrzeug befindet. Zudem wird das Überschreiten der Frist zur Haupt- und Abgasuntersuchung als Ordnungswidrigkeit geahndet.

c) Die Prüfplaketten lassen auch ihren Aussteller erkennen. Dafür ist es ausreichend, dass der Aussteller mittels Umständen, auf die der Inhalt der Urkunde hinweist, für die Beteiligten und Eingeweihten erkennbar wird (BGHSt 13, 382 [385] NJW 1960, 444). Diese Voraussetzung ist erfüllt: Die Urheberschaft dessen, der die Plakette angebracht hat, ergibt sich kraft Gesetzes aus der Eintragung im Fahrzeugschein bzw. aus der Prüfbescheinigung.

2. Die Angekl. hat die Urkunde verfälscht. Als Verfälschung ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde anzusehen, durch die der Anschein erweckt wird, als habe der Aussteller die Erklärung in der Form abgegeben, die sie durch die Verfälschung erlangt hat (OLG Köln, VRS 59 11980], 342). Ein Verfälschen liegt mithin vor, wenn der gedankliche Inhalt der Erklärung vor der Einwirkung ein anderer ist als danach. Die Einwirkung darf indes nicht dazu führen, dass die Urkundeneigenschaft verloren geht. Vielmehr muss es sich sowohl vor als auch nach der Einwirkung um eine Urkunde i. S. des § 267 StGB handeln; lediglich die Beweisrichtung wird verändert. Ist das Ergebnis der Veränderung keine Urkunde mehr, so kommt allenfalls eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 I Nr. 1 StGB in Betracht (Cramer, in: Schönke/ Schröder, StGB, 25. Aufl., § 267 Rdnr. 72).

Bei den Prüfplaketten besteht die Besonderheit, dass es sich um öffentliche Urkunden handelt. Solche stellt aber nur der her, der die vorgeschriebenen Förmlichkeiten für Urkunden der betreffenden Art zum Gegenstand der Nachahmung macht (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2001, 370 [371]; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 267 Rdnrn. 49, 53; RGSt 44, 87 [88]).

Dies ist der Fall: Die manipulierte Prüfplakette hat eigenen Erklärungswert, da dem „Rosa” als Untergrundfarbe gem. Anlage IX und XI a StVZO ein eigener Erklärungwert zukommt. Dort sind für die jeweiligen Jahre die folgenden Farben vorgesehen: Jahr 2003 gelb, Jahr 2004 braun, Jahr 2005 rosa, Jahr 2006 grün, Jahr 2007 orange, Jahr 2008 blau.

Die manipulierte Prüfplakette erweckte durch die farbliche Manipulation mithin den Anschein, als sei das von der Angekl. geführte Fahrzeug erst im Jahre 2005 zur Hauptuntersuchung bzw. zur Abgasuntersuchung vorzuführen. Dass die Zahlen auf den Plaketten unverändert blieben, ist insoweit unschädlich. Denn nicht nur die lesbaren Zahlen auf den Prüfplaketten enthalten nach Anlage IX und XI a STVZO die Erklärung über das Durchführungsjahr; vielmehr wird diese Erklärung durch die Untergrundfarbe wiederholt. Dass auch Farben eine Erklärung verkörpern können, ist heute anerkannt. Es wäre auch nicht einsichtig, wenn das, was für die Verwendung einer an sich neutralen Zahl oder Nummer gilt, nicht für die Verwendung bestimmter Farben gelten würde. Es kommt allein darauf an, dass das verwendete Zeichen/die verwendete Farbe in Verbindung mit dem Gegenstand, auf dem es/sie angebracht ist, eine sinnvolle Gedankenerklärung enthält.

Auch steht dem Verfälschen nicht entgegen, dass die Manipulation bei näherer Betrachtung der Prüfplaketten offensichtlich war. Trotz der plumpen Manipulation wohnte den Plaketten durch die Farbgebung ein Erklärungswert inne, der nicht durch die schlechte Ausführung der Fälschung beeinträchtigt wurde. Auch kann den Plaketten die Beweiseignung nicht abgesprochen werden. Zwar kann es an der Beweiseignung und damit an der Urkundseigenschaft fehlen, wenn die Unwirksamkeit der Erklärung für den Rechtsverkehr auf der Hand liegt (Cramer, in Schönke/Schröder, § 267 Rdnr. 9). Hier diente die farbliche Unterlegung der Prüfplaketten aber gerade dazu, im Interesse einer effektiven Verkehrsüberwachung, in dessen Rahmen oftmals nur ein flüchtiger Blick auf die Plaketten möglich ist, offensichtlich zu machen, ob das Fahrzeug das Vorführungsjahr bereits überschritten hat und ob deshalb eingeschritten werden muss. Besteht aber der Sinn und Zweck der Farbgebung gerade darin, auch bei nur flüchtigem Blick auf die Plaketten eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, so reicht es für die Beweiseignung aus, dass die Manipulation jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht offensichtlich war. Dies gilt obwohl die Zahlen der Prüfplaketten im Wesentlichen noch erkennbar waren. Denn diese Zahlen und damit insbesondere der Widerspruch der aufgedruckten Jahreszahl mit der Farbgebung sind bei nur flüchtiger Betrachtung nicht offenkundig.

3. Die Angekl. handelte auch in der Absicht zur Täuschung des Rechtsverkehrs. Ihr kam es darauf an; der Verkehrsüberwachung zu entgehen, indem sie gegenüber den zuständigen Behörden den Anschein erweckte, als seien Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung noch nicht fällig. ..."