Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18 - Betriebsuntersagung wegen unzulässiger Abschalteinrichtung

VG Magdeburg v. 02.07.2018: Weigerung der Durchführung eines Software-Updates und Betriebsuntersagung wegen unzulässiger Abschalteinrichtung




Das Verwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 02.07.2018 - 1 B 268/18) hat entschieden:

  1.  Aufgrund der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung ist das Fahrzeug - solange das Software-Update nicht durchgeführt wurde - nicht (mehr) vorschriftsmäßig im Sinne der FZV, weil es keinem genehmigten Typ im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 FZV (mehr) entspricht, weshalb dieser Mangel zu beheben oder der Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen zu untersagen ist.

  2.  Dass der Fahrzeughalter von der Durchführung des Software-Updates aus Beweissicherungsgründen absieht, weil er gegen den VW-Konzern einen Zivilrechtsstreit führt, steht der Verhältnismäßigkeit der Betriebsuntersagung nicht entgegen.


Siehe auch
Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung
und
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“

Gründe:


Dem auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine von dem Antragsgegner angeordnete Betriebsuntersagung eines Kraftfahrzeuges gerichteten Antrag des Antragstellers kann kein Erfolg beschieden werden.

Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen behördlicherseits für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt wiederherstellen. Die Begründetheit eines solchen Antrages ist zu bejahen, wenn die Vollziehungsanordnung formelle oder materielle Fehler aufweist. Bestehen keine formellen Bedenken hinsichtlich der angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ist für die Erfolgsaussichten des Antrages entscheidend, ob nach der im vorläufigen Rechtsschutz allein vorzunehmenden summarischen Prüfung das Suspensivinteresse des Antragstellers das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Diesbezüglich sind insbesondere die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs - hier des Widerspruches vom 28.05.2018 - von Belang. Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn der angegriffene Verwaltungsakt derzeit als rechtmäßig zu beurteilen ist und wenn an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ein besonderes Interesse besteht.




Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung und der Aufforderung, entweder einen Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges vorzulegen oder die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vorzulegen und die amtlichen Kennzeichen entstempeln zu lassen, entspricht (noch) den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, indem sie über die bloße Nennung der Rechtsgrundlage für den Sofortvollzug hinausgeht und nicht nur inhaltsleere oder formelhafte Wendungen enthält. Der Zweck des Begründungserfordernisses ist darin zu erblicken, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts im Bewusstsein des Ausnahmecharakters der den Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO bewirkenden Vollziehungsanordnung anzuhalten. Außerdem soll dem Betroffenen die Kenntnis der für die Vollziehungsanordnung maßgeblichen Gründe vermittelt werden, um ihm so die Rechtsverteidigung zu ermöglichen bzw. zu erleichtern und die Grundlage für eine ordnungsgemäße gerichtliche Kontrolle dahin zu bieten, ob das die Vollziehungsanordnung rechtfertigende besondere Interesse vorliegt. Dementsprechend muss der Begründung hinreichend nachvollziehbar zu entnehmen sein, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen, d. h. vor einer Entscheidung über den Rechtsbehelf bzw. vor Eintritt der Bestandskraft bereits jetzt dringlichen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt bzw. aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurück zu stellen. Demgemäß vermögen pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis nicht zu genügen. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben (für Vorstehendes: VG Köln, Beschl. v. 29.05.2018 - 18 L 854/18 -, unter Verweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22.01.2001 - 19 B 1757/00 -, juris).

Dies zugrunde gelegt genügt die von dem Antragsgegner gegebene Begründung den an § 80 Abs. 3 VwGO zu stellen Anforderungen. Der Antragsgegner hat dem Schutz der Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer eine so hohe Bedeutung beigemessen, dass die privaten Interessen des Antragstellers an dem Absehen von der Betriebsuntersagung seines Fahrzeugs zurücktreten müssen. Es sei nach Ansicht des Antragsgegners notwendig, dass das Interesse des Fahrzeughalters bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung, die Maßnahme nicht hinnehmen zu müssen, hinter dem öffentlichen Interesse zurücktritt. Damit bringt der Antragsgegner zum Ausdruck, dass er die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auf ein Überwiegen des Interesses an einer baldigen Luftreinhaltung und der allgemeinen Gesundheit stützt und dass die von dem Fahrzeug des Antragstellers ausgehende Verschmutzung dem zuwiderläuft. Weiterhin zeigt der Antragsgegner damit auf, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Die Begründung versetzt den einzelnen und das Gericht in die Lage, nachzuvollziehen und zu überprüfen, welche Erwägungen der Entscheidung des Antragsgegners zugrunde liegen. Der Zweck des § 80 Abs. 3 VwGO erfordert nicht das Vorbringen handfester Nachweise oder die Nennung genauer Abgas- oder Verschmutzungswerte durch die Behörde. Ebenso wenig kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die Richtigkeit der Begründung an (vgl. VG Köln, Beschl. v. 29.05.2018, a. a. O.).



Die sich wegen der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung anschließende Interessenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus, weil der Antragsgegner zu Recht den Betrieb des AUDI mit dem amtlichen Kennzeichen …..(Fahrzeug-​Ident-​Nr.: WAUZZZ…..) untersagt und den Antragsteller aufgefordert hat, entweder innerhalb von fünf Tagen einen Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges oder die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vorzulegen und die amtlichen Kennzeichen entstempeln zu lassen.

Rechtsgrundlage für die Betriebsuntersagung ist § 5 Abs. 1 Fahrzeug-​Zulassungsverordnung (FZV), wonach die Zulassungsbehörde bei nicht vorschriftsgemäßem Zustand eines Fahrzeugs nach der FZV oder der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung (StVZO) eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen kann. Nicht vorschriftsmäßig sind Fahrzeuge, die nicht den Zulassungsvorschriften oder den Bau- oder Betriebsvorschriften entsprechen, etwa nicht verkehrssicher sind oder Bestimmungen über Lärm und Abgase nicht genügen. Darüber hinaus ist ein Fahrzeug auch dann nicht vorschriftsmäßig, wenn dessen Betriebserlaubnis/Genehmigung erloschen ist. Ist dies der Fall, so muss die zuständige Behörde das zur Gefahrenabwehr Nötige und Angemessene anordnen (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 5 FZV, Rn. 3). Gemäß § 5 Abs. 3 FZV kann die Zulassungsbehörde anordnen, dass ein von ihr bestimmter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder Prüfingenieurs einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nach Anlage VIIIb der StVZO vorgelegt wird, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass ein Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig nach der FZV oder der StVZO ist.

Bei Anlegung dieses Maßstabes sind die Voraussetzungen der Betriebsuntersagung erfüllt. Denn das Fahrzeug des Antragstellers ist nicht (mehr) vorschriftsmäßig im Sinne der FZV, weil es keinem genehmigten Typ im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 FZV (mehr) entspricht. Nach § 3 Abs. 1 FZV dürfen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, wobei die Zulassung auf Antrag erteilt wird, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-​Haftpflichtversicherung besteht. Bei erstmaliger Zulassung ist gemäß § 6 Abs. 3 FZV der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-​Typengenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen.




Das Fahrzeug des Antragstellers entspricht keinem genehmigten Typ mehr.

Das KBA hatte den Herstellern der Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 EU5 für den jeweiligen abstrakten Fahrzeugtyp jeweils eine EG-​Typgenehmigung nach §§ 4 ff. EG-​FGV (in Gestalt einer Gesamtfahrzeug- bzw. einer Systemgenehmigung) erteilt. Die EG-​Typgenehmigung bescheinigt dem Hersteller, dem sie erteilt wurde, dass der in der Genehmigung beschriebene Fahrzeugtyp den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht (vgl. Art. 3 Ziff. 5 der Richtlinie 2007/46/EG). Die Genehmigung eines abstrakten Fahrzeugtyps soll verhindern, dass einzelne nationale Behörden unter Anwendung unterschiedlicher Rechtsvorschriften für jedes Serienfahrzeug eine eigene Erlaubnis erteilen. Zudem werden die Zulassungsbehörden dadurch entlastet, dass die Einhaltung der Rechtsvorschriften bezüglich des Typs von den dafür zuständigen Behörden - wie dem Kraftfahrt-​Bundesamt - geprüft werden und die Konformität des konkreten Fahrzeugs durch die jeweilige, vom Hersteller für jedes Neufahrzeug ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung belegt werden soll. Der Rechtsschein dieser Bescheinigung geht so weit wie der Inhalt des Bezugsobjekts, also der entsprechenden Typengenehmigung (vgl. zu Vorstehendem: VG Düsseldorf, Urt. v. 24.01.2018 - 6 K 12341/17 -, juris).

Auf diese Rechtsscheinwirkung kann sich der Antragsteller zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr berufen.

Das KBA hat ausweislich des Schreibens vom 14.02.2018 (Bl. 1 des Verwaltungsvorganges) festgestellt, dass diverse Fahrzeugtypen, die von den Herstellern Volkswagen, Audi, Seat und Skoda mit Motor-​Aggregaten des Typs EA 189 hergestellt und vertrieben wurden im Hinblick auf ihre Stickoxid-​Emissionen nicht den den Fahrzeugen zu Grunde liegenden EG-​Typengenehmigung entsprechen. Denn in diesen Fahrzeugen wurden unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO EG Nr. 715/2007 verbaut. Aufgrund dessen hat das KBA als Typgenehmigungsbehörde für die Hersteller Volkswagen, Audi und zum Teil Seat gemäß § 25 Abs. 1 bzw. Abs. 2 EG-​FGV gegenüber diesen betroffenen Herstellern Maßnahmen angeordnet, um die Übereinstimmung der betroffenen Fahrzeuge mit dem ursprünglich genehmigten Typ wiederherzustellen.

Das KBA kann, wenn es feststellt, dass Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, gemäß § 25 Abs. 1 EG-​FGV die erforderlichen Maßnahmen nach den für den jeweiligen Typ anwendbaren Richtlinien anordnen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ zu gewährleisten. Dabei steht es ihm frei, zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbstständiger technischer Einheiten oder Bauteile nachträglich Nebenbestimmungen anzuordnen, § 25 Abs. 2 EG-​FGV. Gemäß § 25 Abs. 3 Ziff. 1 EG-​FGV kann es schließlich die Typengenehmigung auch ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder selbstständige technische Einheiten oder Bauteile mit einer vorgeschriebenen Kennzeichnung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen.

Daran anknüpfend hat das KBA den Herstellern von Fahrzeugen, die mit Motor-​Aggregaten des Typs EA 189 ausgerüstet sind, auferlegt, durch geeignete Maßnahmen wie z.B. der Durchführung von entsprechenden Rückrufaktionen mit dem Ziel des Entfernens der verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen, die Wiederherstellung der Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ sicherzustellen (vgl. Schreiben des KBA vom 14.02.2018 (Bl. 1 des Verwaltungsvorganges).

Diese vom KBA erlassenen Nebenbestimmungen lassen die Wirksamkeit der Typengenehmigungen unberührt, weil sie lediglich deren inhaltliche Änderung bzw. Modifizierung zur Folge haben. Eine Aufhebung der Typengenehmigungen ist gerade nicht erfolgt, obwohl eine solche nach § 25 Abs. 3 EG-​FGV ebenso möglich gewesen wäre (vgl. zu Vorstehendem: VG Düsseldorf, Urt. v. 24.01.2018 a. a. O.; VG Stuttgart, Beschl. v. 27.04.2018 - 8 K 1962/18 -, juris).

Von dieser modifizierten Typengenehmigung sind auch bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge betroffen, wie sich § 25 Abs. 2 EG-​FGV entnehmen lässt. Nach dieser Vorschrift wird eine Wirkung zwischen Genehmigung und bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen unterstellt. Ein solcher rechtlicher Zusammenhang ist erforderlich, weil ansonsten eine nachträgliche Nebenbestimmung zu Typengenehmigungen im Hinblick auf zugelassene Fahrzeuge, die nicht vorschriftsmäßig sind, ins Leere gehen würde. Insofern ist das europäische Typengenehmigungsrecht dahingehend zu verstehen, dass die zugelassenen Fahrzeuge weiterhin von der Typengenehmigung - und zwar vermittelt durch die Übereinstimmungsbescheinigungen - profitieren. In diesen Zustand kann das KBA bei fehlender Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge eingreifen, indem es nachträglich den Inhalt der Typengenehmigung verändert. Da jedes einzelne Fahrzeug seine Zulassung nur aufgrund der Rechtsscheinwirkung erlangt hat, fällt diese Zulassungsvoraussetzung in einem solchen Fall weg, mit der Folge, dass die einzelnen Fahrzeuge nur an einer modifizierten Rechtsscheinwirkung teilhaben können. Das Erhalten der Bescheinigung über die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges setzt dann die Durchführung der Nachrüstaktion voraus. Der einzelne Fahrzeuginhaber hat, weil ihn die Auswirkungen des Eingriffs in den Bestand der Typengenehmigung nur reflexartig treffen, nur die Möglichkeit der Beantragung einer Einzelgenehmigung, wenn das Fahrzeug entgegen des Befundes des KBA vorschriftsmäßig sein sollte oder wenn die Nachrüstung auf anderem Wege durchgeführt werden soll (VG Stuttgart, Beschl. v. 27.04.2018, a. a. O.).

Dieser modifizierten Typengenehmigung entspricht das Fahrzeug des Antragstellers nicht, da er an seinem Fahrzeug die vom Hersteller vorgesehene Nachrüstung nicht hat durchführen lassen. Dies hat zur Folge, dass sein Fahrzeug damit nicht mehr von den ursprünglichen Rechtswirkungen der Typengenehmigung profitieren kann, was wiederum dazu führt, dass - ohne Nachrüstung - die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 2 FZV nicht mehr erfüllt sind. Denn das Fahrzeug entspricht keinem genehmigten Typ mehr. Dass eine Einzelgenehmigung erteilt worden ist, ist nicht ersichtlich.




Der Antragsgegner hat das ihm in der Folge zustehende Ermessen hinsichtlich der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen ordnungsgemäß ausgeübt. Nach § 5 Abs. 1 FZV kann die zuständige Behörde dem Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist. Steht dem Antragsgegner ein Ermessensspielraum zu, darf das Gericht nicht seine Entscheidung an die Stelle der Behördenentscheidung setzen, sondern letztere nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 S. 1 VwGO).

Soweit der Antragsgegner in seinem an den Antragsteller gerichteten Schreiben vom 04.04.2018 ausführt, dass ein Ermessensspielraum hier nicht vorliegend sei, da aufgrund des Mangels die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erloschen sei, so kann dies nur dahingehend verstanden werden, dass der Antragsgegner zutreffend davon ausgeht, dass ihm ein Entschließungsermessen nicht zusteht. Denn stellt die zuständige Zulassungsbehörde fest, dass sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist, so muss sie erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahmen ergreifen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 5 FZV, Rn. 3). Lediglich bei der Frage, ob der Betrieb des Fahrzeugs sofort zu beschränken oder zu untersagen ist oder ob dem Betreffenden zuvor eine Frist zur Beseitigung des Mangels zu setzen ist, ist dem Antragsgegner ein Ermessensspielraum eröffnet. Dies hat der Antragsgegner auch zutreffend erkannt und - weil die Untersagung des Betriebs eines Fahrzeuges empfindlich in die persönliche Lebensführung und in das Eigentumsrecht des Halters eingreift - den Antragsteller zunächst unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung - der Durchführung des für ihn kostenfreien Software-​Updates - aufgefordert. Erst nachdem der Antragsteller der Aufforderung des Antragsgegners mit Schreiben vom 28.02.2018, die Beseitigung der festgestellten Mängel nachzuweisen, nicht innerhalb der gesetzten Frist bis zum 20.03.2018, verlängert bis zum 20.04.2018, nachgekommen ist, untersagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22.05.2018 den Betrieb des Fahrzeugs des Antragstellers.

Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Bereits mit Schreiben vom 11.03.2018 lehnte der Antragsteller die Teilnahme an der Rückrufaktion ab. Dass es ihm nunmehr infolge der Stilllegung des Fahrzeuges untersagt ist, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, ist Sinn der Außerbetriebsetzung. Diese ist nicht unverhältnismäßig, weil sie nach der Weigerung des Antragstellers alleine geeignet ist, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Durchführung des Software-​Updates zu neuen Mängelerscheinungen am Fahrzeug führt. Denn ob der Wagen dadurch mangelhaft im Sinne des BGB wird oder von Anfang an war, betrifft nur das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Verkäufer des Fahrzeugs und gegebenenfalls dessen Hersteller. Auf die Frage der verkehrsrechtlichen Zulassung oder der Außerbetriebsetzung hat dies hingegen keinen Einfluss (vgl. VG Stuttgart, Beschl. v. 27.04.2018, a. a. O.).



Ein Ermessensfehlgebrauch liegt auch nicht deshalb vor, weil der Antragsteller geltend macht, sich zurzeit an der Sammelklage (Fallnummer: VWCp12…) gegen den VW-​Konzern zu beteiligen, weshalb die Durchführung des Updates die nötigen Beweise vernichten würde. Denn die Beweisführung wird durch die Betriebsuntersagung nicht vereitelt. Trotz deren Anordnung steht es dem Antragsteller frei, sein Fahrzeug unverändert zu lassen, abzumelden und außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs zu lagern, um es für eine Sachverständigenbegutachtung bereitzuhalten. Dabei entstehende Kosten wären im geführten Zivilrechtsstreit geltend zu machen. Darüber hinaus steht dem Antragsteller die Möglichkeit zu, etwaige Beweise in einem selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO zu dokumentieren und zu sichern. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang ausführt, für die Prüfung, in welchem Umfang die Ausführung des Updates zu einer Verschlechterung der Beweislage für das Zivilverfahren bzw. zu einem Verlust des Beweismittels führen könnte und ob gegebenenfalls ein zivilrechtliches Beweissicherungsverfahren einzuleiten ist, eine Verlängerung der Frist bis zum 30.09.2018 zu benötigen, steht dies der Verhältnismäßigkeit der Außerbetriebsetzung nicht entgegen. Denn bereits mit Schreiben vom 28.02.2018 wurde der Antragsteller zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Weshalb es nicht möglich gewesen sein soll, bis zum 22.05.2018 (Erlass des Untersagungsbescheides) eine dahingehende Entscheidung zu treffen, ob Beweise auf dem zivilrechtlichen Wege gesichert werden sollen, ist gerade vor dem Hintergrund, dass das Zivilverfahren bereits deutlich länger anhängig sein dürfte, für das Gericht nicht nachzuvollziehen. Vielmehr hätte der Antragsteller bereits ein selbstständiges Beweisverfahren durchführen können, wenn es ihm darauf angekommen wäre, den derzeitigen Zustand seines Fahrzeuges gerichtsverwertbar zu dokumentieren. Einer nochmaligen Fristverlängerung bedurfte es daher nicht. Der Antragsgegner hat im Rahmen der Ermessensausübung in nicht zu beanstandender Weise maßgeblich darauf abgestellt, dass durch die nicht beseitigte Abschalteinrichtung die im Betrieb auf öffentlichen Straßen entstehenden Abgaswerte unzulässig erhöht sind, woraus sich eine Gefahr für die allgemeine Gesundheit und Umwelt ergibt.

Auch das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung liegt vor. Dies ist in der Reinhaltung der Luft zu erblicken, um die hohen Schutzgüter der Gesundheit der Allgemeinheit und der Umwelt vor übermäßigen Beeinträchtigungen zu schützen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht darauf an, dass die von einem einzelnen Fahrzeug ausgehenden Gefahren für die Schutzgüter der Gesundheit und Umwelt nicht in gleicher Weise konkret und unmittelbar seien wie bei Betrachtung der Gesamtheit aller Autos. Denn unter Berücksichtigung des gefahrenabwehrrechtlichen Charakters der Maßnahme kommt es im Ergebnis nur auf die Summe der durch die Fahrzeuge mit erhöhten Abgaswerten verursachten Luftverunreinigungen an. Die Luftreinhaltung erfolgt bei Emissionsgrenzwertvorschriften des motorisierten Individualverkehrs naturgemäß mit Blick auf die einzelne Emissionsquelle, also das einzelne Fahrzeug, obwohl dieses für sich genommen auch bei überschrittenen Abgaswerten im Regelfall keine Gesundheitsgefahr darstellt, weil die Abgase zu sehr verdünnt werden. Auch wenn das einzelne Fahrzeug einen kaum messbaren Beitrag zur Gesundheitsgefährdung leistet, so hat jedoch die Gesamtheit aller Autos als Emissionsquelle erhebliche Auswirkungen auf den in der Luft zu messenden Schadstoffgehalt (VG Düsseldorf, Beschl. v. 28.03.2018 - 6 L 709/18 -, juris). Würde für die auf § 5 Abs. 1 FZV gestützte Rechtmäßigkeit der Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeuges verlangt werden, dass konkret das jeweils streitgegenständliche Fahrzeug beachtlich zur Luftverunreinigung beiträgt, so hätte dies zur Folge, dass keines der Einzelfahrzeuge, die mit einer Abschalteinrichtung versehen sind, zur zügigen Umrüstung und damit zur Einhaltung der Emmissionsgrenzwerte gezwungen werden könnte. Dies würde dazu führen, dass diese Autos über Jahre hinweg am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könnten, ohne die gesetzlichen Emmissionsgrenzwerte einhalten zu müssen. Damit würde einer Umgehung des gesetzgeberischen Ziels, die Grenzwerte einzuhalten, Vorschub geleistet. Aufgrund dessen rechtfertigt der durch jedes Fahrzeug verursachte Beitrag zur Gesamtheit der Luftverschmutzung auch ein mit dem Sofortvollzug verbundenes Vorgehen, um ein effektives Gestalten der Gefahrenabwehr für die hohen Schutzgüter der Gesundheit der Allgemeinheit und der Umwelt zu ermöglichen (vgl. auch VG Köln, Beschl. v. 29.05.2018, a. a. O.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 28.03.2018 - 6 L 709/18, a. a. O.).

Gegen die weitere Anordnung in der Verfügung vom 22.05.2018, die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vorzulegen und die amtlichen Kennzeichen entstempeln zu lassen, falls ein Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges nicht innerhalb von fünf Tagen vorgelegt wird, ist rechtlich nichts zu erinnern. Sie findet ihre Grundlage in § 5 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 FZV.




Ebenso nicht zu beanstanden ist die auf §§ 53 ff. SOG LSA beruhende Zwangsmittelandrohung für den Fall, dass der Antragsteller den oben bezeichneten Anordnungen nicht nachkommen sollte.

Auch gegen die Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung ist rechtlich nichts zu erinnern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung findet ihren Grund in den §§ 52 Abs. 1, 3 S. 1 und 53 Abs. 2 Ziff. 2 GKG. In Anlehnung an Ziff. 46.16 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bemisst das Gericht den Streitwert, bezogen auf die Betriebsuntersagung, mit 1.250,00 Euro. Soweit darüber hinaus die festgesetzten Gebühren Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind, ist zusätzlich ein Betrag von 8,75 Euro festzusetzen.

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