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Oberverwaltungsgericht Münster Beschluss vom 15.01.2018 - 13 B 12/18 - Zum Begriff des schweren Verstoßes im Personenbeförderungsrecht

OVG Münster v. 15.01.2018: Zum Begriff des schweren Verstoßes im Personenbeförderungsrecht


Das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 15.01.2018 - 13 B 12/18) hat entschieden:

   Bei dem Begriff des "schweren Verstoßes" i.S.d. § 1 Abs 2 PBZugV handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollständigen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Schwere des Verstoßes muss nicht aus einem schweren Verstoß gegen strafbewehrte Vorschriften folgen. Sie kann sich auch aus einer Vielzahl auch kleinerer Gesetzesverletzungen ergeben, die - jeweils für sich genommen - noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme einer Unzuverlässigkeit bieten würden, in ihrer Häufigkeit bei der an der Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers auszurichtenden Prognose aber einen schwerwiegenden Hang zur Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften erkennen lassen.



Siehe auch

P-Schein / Personenbeförderungsschein - Taxischein


und

Personenbeförderung - Fahrgastbeförderung - Taxi - Reisebus - Mietwagen mit Fahrer

Gründe:


Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der von dem Antragsteller dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine auf ein Jahr, ggf. auch kürzer, befristete erneute Genehmigung zur Ausführung des Gelegenheitsverkehrs mit einem Taxi zu erteilen, zu Recht abgelehnt. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag wie im vorliegenden Fall auf eine - wenn auch möglicherweise zeitlich begrenzte - Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. November 2017 - 13 B 1187/17 - Juris Rn. 3 f.; vom 10. März 2017 - 13 B 94/17 - Juris Rn. 2 f.; vom 25. Januar 2011 - 13 B 1764/10 - Juris Rn. 2 f. und vom 29. Juli 2009 - 13 B 1003/09 - Juris Rn. 4 f. m.w.N.





Nach diesem Maßstab kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht Betracht, weil der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Erteilung einer erneuten Genehmigung stehe nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer entgegen, wird mit dem Beschwerdevorbringen nichts Durchgreifendes entgegengesetzt.

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG darf die durch den Antragsteller begehrte Genehmigung nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen dartun. Der Unternehmer und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen gelten nach § 1 Abs. 1 PBZugV als zuverlässig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Derartige Anhaltspunkte bestehen gemäß § 1 Abs. 2 PBZugV im Fall der in Satz 2 beispielhaft aufgeführten schweren Verstöße. Hierzu zählen unter anderem gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) PBZugV schwere Verstöße gegen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen und gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) PBZugV schwere Verstöße gegen Vorschriften, die im Interesse der Verkehrs- und Betriebssicherheit erlassen wurden, insbesondere gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes, der Straßenverkehrs-​Ordnung oder der Straßenverkehrs- Zulassung-​Ordnung Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen.




Bei dem Begriff des "schweren Verstoßes" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollständigen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unter- liegt. Die Schwere des Verstoßes muss nicht aus einem schweren Verstoß gegen strafbewehrte Vorschriften folgen. Sie kann sich auch aus einer Vielzahl auch kleinerer Gesetzesverletzungen ergeben, die - jeweils für sich genommen - noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme einer Unzuverlässigkeit bieten würden, in ihrer Häufigkeit bei der an der Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers auszurichtenden Prognose aber einen schwerwiegenden Hang zur Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften erkennen lassen.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. März 2017 - 13 B 94/17 - Juris Rn. 9 f. und vom 8. Oktober 2013 - 13 B 576/13 - Juris Rn. 18 ff.




Ob die nach diesen Kriterien und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie der Zielrichtung der einschlägigen Bestimmungen erfolgte prognostische Einschätzung der Zuverlässigkeit des Betroffenen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG gerechtfertigt ist, ist schließlich vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass die Versagung der Genehmigung ebenso wie ein Berufsverbot tief in das Recht auf Berufswahl und zugleich in die private und ggf. familiäre Existenz eingreift und solche Einschränkungen verfassungsrechtlich nur zulässig sind, wenn und solange sie zum Schutz besonders gewichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. März 2017 - 13 B 94/17 - Juris Rn. 11 f. und vom 30. April 2008 - 13 B 8/07 - Juris Rn. 29.


Nach diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht die dem zugleich als Fahrer tätigen Antragsteller anzulastenden Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften in ihrer Gesamtheit zutreffend als schweren Verstoß im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) PBZugV qualifiziert. Hierzu zählen im Einzelnen nach den Eintragungen im Fahreignungsregister ein vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis im August 2011 (drei Punkte), eine Geschwindigkeitsüberschreitung im August 2014 (ein Punkt), eine Vorfahrtsmissachtung mit Verkehrsunfallfolge im Februar 2015 (ein Punkt), eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Februar 2015 (ein Punkt), eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Oktober 2015 (ein Punkt) und zuletzt eine verbotswidrige Nutzung des Mobiltelefons im Oktober 2016 (ein Punkt). Die den Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers rechtfertigende Schwere ergibt sich dabei neben der durchaus beachtlichen Häufung der Verstöße innerhalb eines überschaubaren Zeitraums insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Antragsteller weder durch eine diesen Verstößen bereits im Jahr 2011 vorausgegangene erstmalige Entziehung seiner Fahrerlaubnis, noch durch eine im November 2015 bei einem Punktestand von sechs Punkten im Fahreignungsregister durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt C.         erfolgte schriftliche Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 StVG zu einem straßenverkehrsrechtsgemäßen Fahrverhalten hat bewegen lassen, so dass ihm mit unanfechtbarem Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde der Stadt C.          vom 6. Oktober 2017 bei Erreichen eines Punktestandes von acht Punkten erneut die Fahrerlaubnis entzogen werden musste. Das von den diversen verkehrsordnungsrechtlichen Maßnahmen offenbar gänzlich unbeeindruckte Fahrverhalten des Antragstellers lässt dabei auf einen schwerwiegenden charakterlichen Hang zur Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften schließen, der ernsthaft befürchten lässt, dass der Antragsteller auch im Übrigen bei der Führung seines Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachten oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb seines Unternehmens schädigen oder gefährden könnte. Aus diesem Grund vermag der Antragsteller auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, aufgrund der erneut entzogenen Fahrerlaubnis werde er (zunächst) nicht mehr selbst als Fahrer tätig sein, sondern diese Aufgabe seinen beiden angestellten Fahrern überlassen, allzumal auch sein sonstiges Verhalten als Unternehmer in der Vergangenheit nicht frei von Beanstandungen war, wie insbesondere ein Bußgeldbescheid wegen Einsatzes eines nicht als Taxi zugelassenen Fahrzeugs zur Personenbeförderung aus dem Dezember 2014 und ein weiterer Bußgeldbescheid wegen einer versäumten Mitteilung von Ausfallzeiten des Taxis aus dem September 2017 zeigen. Auch ist der seit dem letzten aktenkundigen Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften vergangene Zeitraum zu kurz, um aus dem Ausbleiben weiterer Verstöße bereits zum jetzigen Zeitpunkt von einem grundlegenden Einstellungswandel des Antragstellers auszugehen, wie dies mit dem Beschwerdevorbringen geltend gemacht wird.



Die Beschwerde legt auch nicht mit Erfolg dar, dass die Antragsgegnerin entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts aus Rechtsgründen gehindert gewesen wäre, dem Antragsteller die angeführten Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften entgegenzuhalten, nachdem sie ihm noch zuletzt unter dem 6. Januar 2017 eine - wegen bereits bestehender Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit nur für ein Jahr gültige - erneute Genehmigung zur Ausführung des Gelegenheitsverkehrs mit einem Taxi erteilt hatte. Insoweit ergibt sich aus der Chronologie des Verwaltungsvorgangs entgegen dem Beschwerdevorbringen zweifelsfrei, dass der Antragsgegnerin bei der Genehmigungserteilung am 6. Januar 2017 zwei der insgesamt sechs straßenverkehrsrechtlichen Verstöße noch nicht bekannt waren, weil diese zum Zeitpunkt der Abfrage beim Kraftfahrzeug-​Bundesamt am 28. November 2016 - teils wegen erst deutlich später eingetretener Unanfechtbarkeit der Ordnungsmaßnahmen - noch nicht im Fahreignungsregister eingetragen waren. Insoweit verhält sich die Antragsgegnerin nicht widersprüchlich, wenn sie die Versagung einer erneuten Genehmigung mit den ihr erst nach der Genehmigungserteilung am 6. Januar 2017 bekannt gewordenen weiteren Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften begründet. Auch kann es der Antragsgegnerin nicht verwehrt sein, in diesem Zusammenhang auf frühere, bereits bekannte Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften zu rekurrieren, wenn sich diese erst in der Gesamtschau mit den nunmehr bekannt gewordenen neueren Verstöße zu einem derartig problematischen Verhalten verdichten, dass die von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG geforderte Zuverlässigkeit nun nicht mehr bejaht werden kann. Darüber hinaus besteht für den Senat in Ermangelung hinreichender Darlegungen in der Beschwerdebegründung kein Anlass für eine vertieftere Prüfung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Genehmigungsbehörde etwa nach dem Grundsatz von Treu und Glauben oder aus Gründen des Vertrauensschutzes daran gehindert sein könnte, für die Versagung einer Genehmigung bzw. für deren Widerruf Umstände anzuführen, die der letztmaligen Erteilung oder Verlängerung der Genehmigung zeitlich vorausgegangen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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