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Oberverwaltungsgericht Münster Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18 - Sofortvollzugsanordnung der Betriebsuntersagung eines Kraftfahrzeugs

OVG Münster v. 17.08.2018: Abgasmanipulation - Sofortvollzugsanordnung der Betriebsuntersagung eines Kraftfahrzeugs




Das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 17.08.2018 - 8 B 548/18) hat entschieden:

  1.  Bei gleichartig gelagerten Sachverhalten wie der Anordnung eines Software-Updates zur Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Diesel-Fahrzeugen genügt eine weitgehend typisierende, grundsätzlich auf vergleichbare Fälle übertragbare Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO

  2.  Emissionsbegrenzende Maßnahmen (hier: Anforderungen an Dieselfahrzeuge) bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Immissionswerte im Einwirkungsbereich nicht überschritten werden. Ein einzelner Verursacher von Emissionen kann sich daher der Einhaltung von Emissionsbegrenzungen nicht mit dem Verweis darauf entziehen, dass sein individueller Beitrag für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefahr führe.


Siehe auch
Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung
und
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“

Gründe:


I.

Der Antragsteller ist Halter eines Audi Q 5, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (Euro 5) ausgestattet ist. In der Motorsteuerung hat der Hersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, die zu Abgasmanipulationen führt. Da der Antragsteller nicht an der vom Kraftfahrt-​Bundesamt angeordneten Rückrufaktion des Herstellers teilnahm und an dem Fahrzeug auch nach schriftlicher Aufforderung zur Mängelbeseitigung kein Software-​Update vornehmen ließ, untersagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. März 2018 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr (Nr. 1) sowie forderte den Antragsteller auf, die Zulassungsbescheinigung Teil I vorzulegen und die Kennzeichen entstempeln zu lassen (Nr. 2). Zugleich drohte sie die zwangsweise Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges an (Nr. 4). Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.




II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2018, mit dem der (sinngemäße) Antrag des Antragstellers abgelehnt wurde, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. März 2018 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Androhung des unmittelbaren Zwanges (Nr. 4) anzuordnen, hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angegriffenen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.

1. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist.



Dieses Begründungserfordernis soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dazu anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf.

   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2016

Allerdings ist insbesondere für Maßnahmen der Gefahrenabwehr anerkannt, dass sich die Gründe für den Erlass der Ordnungsverfügung mit denen für die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung decken können.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Januar 2006

Bei gleichartigen Fallgruppen kann auch eine standardisierte, „gruppentypisierte“ Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügen.

   Vgl. OVG Sachs.-​Anh., Beschluss vom 26. Oktober 2012 - 2 M 124/12 -​, juris Rn. 10; Funke-​Kaiser, in: Bader/Funke-​Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 50; W.-​R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 85.

Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.

   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2016

Von diesen Maßstäben ausgehend sind die Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hier gewahrt. Die Antragsgegnerin hat in ihrer gesonderten Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs ausgeführt, diese liege im öffentlichen Interesse, weil alle Verkehrsteilnehmer einen berechtigten Anspruch darauf hätten, dass Fahrzeuge nur dann im Verkehr zugelassen seien, wenn diese dem genehmigten Typ entsprächen. Diesem zwingenden öffentlichen Interesse müsse sich das Interesse des Antragstellers an einer Nutzung seines Fahrzeugs bzw. an einer etwaigen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs unterordnen. Die Untersagung des Betriebs seines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Verkehr sei nur wirksam, wenn sie zeitnah durchgesetzt werde. Aus dem Zusammenhang mit den zur Begründung der Ordnungsverfügung angeführten Gründen,

   vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21. April 1995

ergibt sich hier ohne Weiteres, dass die Antragsgegnerin damit auf den durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung verursachten Eingriff in das Emissionsverhalten des Kraftfahrzeugs des Antragstellers abhebt.




Einer darüber hinausgehenden, insbesondere stärker einzelfallbezogenen Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung bedurfte es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht. Schon die im Bescheid enthaltene Begründung bringt hinreichend zum Ausdruck, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters dieser Anordnung bewusst war, und sie lässt erkennen, aus welchen im Fall des Antragstellers gegebenen Umständen sie sich zu ihrem Erlass veranlasst sah. Insbesondere durfte die Antragsgegnerin bei der hier in Rede stehenden, einen größeren Personenkreis betreffenden Konstellation des serienmäßigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung eine weitgehend typisierende, grundsätzlich auch auf vergleichbare Fälle übertragbare Begründung geben.

Den trotz der weitgehend typisierenden Begründung erforderlichen Einzelfallbezug hat sie durch die erkennbare Erwägung hergestellt, dass auch am Kraftfahrzeug des Antragstellers die gefahrbegründende Manipulation des Emissionsverhaltens vorgenommen und noch nicht behoben sei, und deshalb ihrer Ansicht nach dieses Fahrzeug schon vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ordnungsverfügung nicht mehr betrieben werden dürfe.

Dahinstehen kann ebenfalls, ob und inwieweit die Antragsgegnerin, wie der Antragsteller vermutet, bei der Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges Textbausteine des Kraftfahrt-​Bundesamtes verwendet hat. Dies würde nur dann möglicherweise gegen das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verstoßen, wenn die Antragstellerin erkennbar nicht die Umstände des konkreten Einzelfalls in den Blick genommen oder dies nicht hinreichend schriftlich zum Ausdruck gebracht hätte, sondern stattdessen ohne Würdigung des Einzelfalls einen unzutreffenden Textbaustein eingesetzt hätte.

   Vgl. VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 29. Juni 2018 - 5 S 548/18 -​, juris Rn. 9.

Dies ist hier nicht der Fall. Selbst wenn – wofür der Antragsteller nichts Belastbares vorbringt – die Antragstellerin einen vorformulierten Textbaustein des Kraftfahrt-​Bundesamtes verwendet hätte, hätte sie sich diesen jedenfalls inhaltlich zu Eigen gemacht und damit eine dem Zweck des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben. Der Einwand, die Antragsgegnerin habe einen unzutreffenden Textbaustein verwendet, ist unbegründet. Die Begründung der Antragsgegnerin knüpft an den unzulässigen Eingriff in das Abgasverhalten des Fahrzeugs des Antragstellers und damit an einen sachlich einschlägigen Umstand an.

Die weiteren zum Begründungserfordernis vorgetragenen Ausführungen des Antragstellers, wonach eine Gesundheitsgefahr tatsächlich nicht gegeben und mit Blick auf das einzelne Fahrzeug die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gerechtfertigt sei, betreffen nicht die formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern die davon zu unterscheidende Frage, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtmäßig ist.

Genügt somit die im angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, kann der Einwand des Antragstellers dahinstehen, die im (erstinstanzlichen) gerichtlichen Verfahren von der Antragsgegnerin vorgetragene weitere Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung könne nicht mehr berücksichtigt werden und würde auch inhaltlich nicht genügen.

2. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.

a) Die Beschwerde stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage, dass bei summarischer Prüfung die Klage gegen die angegriffene Ordnungsverfügung keinen Erfolg haben wird. Insbesondere liegt kein Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO vor.

aa) Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers ist die angeordnete Betriebsuntersagung nicht wegen eines Ermessensausfalls rechtswidrig (vgl. § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO). Die Antragsgegnerin hat nicht lediglich ohne weitere Prüfung die Vorgaben des Kraftfahrt-​Bundesamtes übernommen.




Gemäß § 5 Abs. 1 FZV kann die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-​Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung erweist. Diese Vorschrift eröffnet der Behörde ein Ermessen.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Januar 2017 - 8 B 512/16 -​, Beschlussabdruck S. 4, vom 14. Juli 2014 - 9 B 289/14 -​, juris Rn. 10, und vom 18. Oktober 1999 - 8 B 1145/99 -​, Beschlussabdruck S. 3; Nds. OVG, Urteil vom 10. Februar 2011 - 12 LC 232/08 -​, juris Rn. 22.

Diesen Vorgaben ist die Antragsgegnerin gerecht geworden. Auch wenn es in der Begründung der Ordnungsverfügung u. a. heißt, der Betrieb des Fahrzeugs „ist“ zu beschränken oder zu untersagen, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung noch hinreichend erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Ermessensermächtigung des § 5 Abs. 1 FZV erkannt und von ihr Gebrauch gemacht hat. So hat sie den Entschluss zum Erlass der Betriebsuntersagungsverfügung im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller die Frist zur Umrüstung seines Fahrzeugs habe erfolglos verstreichen lassen und sie deshalb – und nicht etwa schon auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung – zur Gewährleistung der Teilnahme nur vorschriftsmäßiger Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr zu diesem Mittel gegriffen habe. Schreitet die Behörde – wie hier – gegen einen rechtswidrigen Zustand ein, darf sie im Regelfall ihre Ermessenserwägungen und auch die Begründung der Verfügung darauf beschränken, dass sie zum Ausdruck bringt, ihr gehe es um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 1985 - 4 C 50.82 -​, juris Rn. 22; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 69 m. w. N.

bb) Die Beschwerdebegründung zeigt auch keine sonstigen Ermessensfehler auf.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt ein Ermessensfehler nicht darin, dass von seinem Fahrzeug keine unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen. Die Antragsgegnerin hat gerade nicht darauf abgestellt, dass Gefahren für die Verkehrssicherheit bestünden, sondern darauf, dass das Fahrzeug des Antragstellers wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung und des dadurch bewirkten Eingriffs in das Emissionsverhalten nicht dem genehmigten Typ entspreche und damit vorschriftswidrig sei.




Auch der Einwand, die Antragsgegnerin habe die Ordnungsverfügung nicht ermessensfehlerfrei auf Gründe der Luftreinhaltung und des Gesundheitsschutzes stützen dürfen, ist unbegründet. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass es an der hierfür erforderlichen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts fehle, weil nicht erkennbar sei, weshalb konkret die Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeugs erforderlich und in Abwägung mit seinen – des Antragstellers – Interessen angemessen sei. Es sei ferner nicht ermittelt worden, welche Beeinträchtigungen der Luftreinhaltung bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr mit seinem Fahrzeug verbunden seien bzw. ob flächendeckend gegen alle Halter von Dieselfahrzeugen vorgegangen werden solle, um etwaigen Summationsschäden vorzubeugen und ob ein solches kohärentes Vorgehen auch mit Blick auf die befürchteten Umweltbeeinträchtigungen erforderlich sei.

Dieses Vorbringen geht an den für die Entscheidung über die Betriebsuntersagung maßgeblichen gesetzlichen Regelungen vorbei. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die an das einzelne Fahrzeug zu stellenden normativen Anforderungen emissions- und nicht immissionsbezogen. Sowohl die unionsrechtlichen Vorschriften über die Typgenehmigung als auch die nationalen immissionsschutzrechtlichen Regelungen über die Beschaffenheit und Betrieb von Fahrzeugen knüpfen für die Luftreinhaltung an das Emissionsverhalten des einzelnen Fahrzeugs an. Nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur und Wartungsinformationen für Fahrzeuge rüstet der Hersteller das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BImSchG müssen Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-​, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Sie müssen so betrieben werden, dass vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BImSchG).

Dieses auf Emissionsgrenzwerten basierende Regelungsregime zielt auf eine Minderung der durch den motorisierten Verkehr verursachten schädlichen Umwelteinwirkungen, ohne dass es darauf ankäme, ob das einzelne Fahrzeug isoliert betrachtet eine Gesundheitsgefahr darstellt. Maßnahmen der Emissionsbegrenzung (vgl. z. B. 13. BImSchV, 17. BImSchV oder TA Luft) dienen sowohl dazu, akute Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen abzuwehren, als auch der Vorsorge. Es bedarf ihrer regelmäßig dort, wo – wie typischerweise im Verkehrsbereich – Handlungen oder Betriebsweisen nicht nur in einem abgrenzbaren Einwirkungsbereich auftreten und immissionsbegrenzende Maßnahmen deshalb versagen oder nur eingeschränkt eingesetzt werden können. Emissionsbegrenzende Maßnahmen beruhen auf einem auf einheitliche und gleichmäßige Durchsetzung angelegten Konzept und bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 7 C 8.82 -​, BVerwGE 69, 37 = juris Rn. 17 f. zur Großfeuerungsanlagenverordnung (13. BImSchV).

Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Immissionswerte im Einwirkungsbereich nicht überschritten werden. Ein einzelner Verursacher von Emissionen kann sich daher der Einhaltung von Emissionsbegrenzungen nicht mit dem Verweis darauf entziehen, dass sein individueller Beitrag für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefahr führe.

Ausgehend von diesen emissionsbezogenen, auf das einzelne Fahrzeug abstellenden normativen Anforderungen hat auch die Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV allein den Verstoß gegen diese Vorschriften in den Blick zu nehmen. Auf die vom Antragsteller angestellten Erwägungen zum Erfordernis eines kohärenten Vorgehens gegen sämtliche Verkehrsteilnehmer (bundesweit) kommt es insoweit nicht an.

Soweit der Antragsteller beanstandet, es sei nicht beurteilt worden, inwieweit die Betriebsuntersagung nach Abwägung mit seinen individuellen Interessen angemessen sei, setzt er sich nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend mit den Gründen des angegriffenen Beschlusses auseinander, die hierzu nähere Ausführungen enthalten.

b) Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene allgemeine Interessenabwägung ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden. Danach überwiegt angesichts der anzunehmenden Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Reinhaltung der Luft zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um die Gesundheit der Allgemeinheit sowie die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen.



Der Anordnung des Sofortvollzugs steht nicht entgegen, dass die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen seit dem Jahr 2015 bekannt war. Dem Antragsteller durfte zunächst als milderes Mittel – wie es der gesetzgeberischen Stufung der Mittel in § 5 Abs. 1 FZV entspricht – Gelegenheit gegeben werden, das (kostenlose) Software-​Update aufspielen zu lassen. Auch wenn die mehrfache Aufforderung zur Mangelbeseitigung (durch den Hersteller im Jahr 2016, durch das Kraftfahrt-​Bundesamt mit Schreiben vom 1. August 2017 und im Anschluss durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2017) einen gewissen Zeitablauf zur Folge hatte, enthebt dies die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung zum effektiven Einschreiten, zumal zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit und der Umwelt.

Soweit der Antragsteller ein überwiegendes Vollzugsinteresse verneint, weil sein Fahrzeug keine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstelle und Gesichtspunkte der Luftreinhaltung und des Gesundheitsschutzes in Bezug auf das einzelne Fahrzeug nicht relevant seien, ist auf die obigen Ausführungen (siehe unter II. 2. a) bb)) zu verweisen.

Ob und inwieweit der angegriffene Beschluss, wie der Antragsteller meint, in Widerspruch zum Urteil derselben Kammer des Verwaltungsgerichts vom 24. Januar 2018 - 6 K 12341/17 - (Klage eines Umweltverbandes auf Betriebsuntersagung aller nicht umgerüsteten Dieselfahrzeuge) steht, ist für die Entscheidung des Senats unerheblich und bedarf daher keiner Erörterung.

3. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, auch die Anordnung, die Zulassungsbescheinigung Teil I vorzulegen und die Kennzeichen entstempeln zu lassen (Nr. 2 der Ordnungsverfügung), sowie die Androhung des unmittelbaren Zwanges (Nr. 4 der Ordnungsverfügung) seien rechtmäßig, greift die Beschwerde nicht mit von der Grundverfügung unabhängigen Argumenten an. Die Gebührenfestsetzung (Nr. 6 der Ordnungsverfügung) ist nicht Gegenstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.




Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat orientiert sich an Nr. 46.16 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und setzt die Hälfte des sog. Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG an, mithin 2.500,-​ Euro. Angesichts der Vorläufigkeit dieses Verfahrens ist dieser Wert nochmals um die Hälfte herabzusetzen, vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013. Der Senat ist befugt, den erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von Amts wegen abzuändern, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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