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Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss vom 08.03.2018 - 6 L 709/18 - Untersagung des Betriebs eines vom Dieselskandal betroffenen Kfz

VG Düsseldorf v. 08.03.2018: Rechtsschutz im Eilverfahren gegen die Untersagung des Betriebs eines vom Dieselskandal betroffenen Kfz




Das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 8.03.2018 - 6 L 709/18) hat entschieden:

  1.  Da Fahrzeuge mit dem Motor EA189 werksseitig vorschriftswidrig sind, entsprechen die mit ihnen ausgestatteten Fahrzeuge keinem genehmigten Typ, wenn der Halter das zur Wiederherstellung der Genehmigungskonformität nötige Software-​Update endgültig verweigert.

  2.  Selbst wenn das Software-​Update für den Wagen technisch nachteilig sein sollte, wäre es nicht unverhältnismäßig, den Antragsteller zu dessen Anwendung zu zwingen, um sicherzustellen, dass auch sein Fahrzeug die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhält.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“
und
Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung


Gründe:


I.

Der Antragsteller ist Halter eines PKW der Marke Audi, Modell Q5, amtliches Kennzeichen XX-​X 0000. Der Wagen ist mit einem Dieselmotor des VW-​Konzerns mit der Kennung EA189 EU5 ausgestattet. Dieser Motor ist werksseitig mit einer sog. Abschalteinrichtung versehen, die bewirkt, dass der Motor auf dem Rollenprüfstand im synthetischen Fahrzyklus anders gesteuert wird als im regulären Straßenbetrieb. Die geänderte Motorsteuerung bewirkt auf dem Prüfstand niedrigere Abgaswerte als im Straßenbetrieb.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ordnete am 15. Oktober 2015 den Rückruf u.a. des vom Antragsteller gehaltenen Modells an, um die Motorsteuerung softwareseitig zu ändern. Das vom KBA freigegebene Software-​Update sorgt dafür, dass das Modell auf dem Rollenprüfstand die maßgeblichen Emissionswerte einhält und im Straßenbetrieb nicht in einen anderen Betriebsmodus schaltet.




Der Antragsteller kam der Aufforderung der Audi AG, seinen Wagen dem Software-​Update zu unterziehen, nicht nach. Auch Erinnerungen blieben erfolglos. Diese Weigerung meldete das KBA der Antragsgegnerin am 27. November 2017. Daraufhin forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller ihrerseits auf, ihr das Software-​Update bis zum 12. Januar 2018 nachzuweisen. Gleichzeitig wies sie anhörend darauf hin, dass sie das Fahrzeug bei fruchtlosem Fristablauf nach § 5 FZV stilllegen müsse. Anwaltlich vertreten widersprach der Antragsteller dem und kam der Aufforderung weiterhin nicht nach.

Am 1. März 2018 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs den Betrieb des antragstellerischen Fahrzeuges mit sofortiger Wirkung, forderte ihn zur Außerbetriebsetzung und Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I sowie der Kennzeichen zur Entstempelung auf. Gleichzeitig drohte sie die zwangsweise Außerbetriebsetzung an.

Hiergegen hat der Antragsteller am 8. März 2018 Klage erhoben (6 K 2295/18), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Der Antragsteller meint im Wesentlichen, das Software-​Update sei ungeeignet, weil es nicht dazu führe, dass das Auto dadurch (wieder) zulassungsrechtlich regelkonform werde. Der Rückruf sei ungeeignet und daher rechtswidrig. Außerdem sei die EG-​Typgenehmigung für seinen Audi Q5 von Anfang an entweder nichtig gewesen oder das tatsächlich gebaute Modell sei niemals genehmigt worden, weil es mit der Abschalteinrichtung und damit abweichend von den genehmigten Plänen gebaut worden sei. Insofern beruft er sich auf die Argumentation der Deutschen Umwelthilfe, mit der diese allerdings gerade die Stilllegung aller Fahrzeuge mit dem Motor EA189 EU5 erreichen will, also das Gegenteil dessen, was der Antragsteller erstrebt.




Das Aufschubinteresse überwiege, weil das Fahrzeug nicht mehr nutzbar und unverkäuflich sei. Das Software-​Update führe zu erheblichen technischen Nachteilen und sei daher unzumutbar. Außerdem müsse das unveränderte Fahrzeug für evtl. sachverständige Feststellung in einem Zivilklageverfahren des Antragstellers gegen die Volkwagen AG zur Verfügung stehen. Rüste der Antragsteller nach, sei die Beweisführung vereitelt.





II.

Der sinngemäß gestellte Antrag,

   die aufschiebende Wirkung der am 8. März 2018 gegen die Stilllegungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. März 2018 erhobenen Klage wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwangs anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

1. Wenn man der Argumentation des Antragstellers folgen wollte, dass einem Audi Q5 mit dem Motor EA189 EU5 von Anfang die wirksame EG-​Typgenehmigung fehlte und die Genehmigungskonformität auch durch das angeordnete Software-​Update nicht erreichbar sei, wäre der Antrag unzulässig und unbegründet, weil der Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen dann nach § 19 StVZO ohnehin untersagt wäre. Die vom Antragsteller in den Mittelpunkt gerückte Frage, ob die Aufforderung, den Wagen nachrüsten zu lassen, rechtmäßig ist oder nicht, hätte dann keine rechtliche Bedeutung.

Die Argumentation des Antragstellers ist jedoch unrichtig, wie sich aus dem Urteil der Kammer vom 24. Januar 2018 im Verfahren 6 K 12341/17, kostenlos abrufbar unter www.nrwe.de, ergibt. Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verweist die beschließende Kammer darauf.

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers wird die zulässige Klage gegen die Stilllegungsverfügung nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen überschlägigen Prüfung nach Aktenlage aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, weil die Verfügung offensichtlich rechtmäßig sein dürfte.

Wie sich aus dem Urteil im Verfahren 6 K 12341/17, Rn. 269 ff., inbes. Rn. 347 ff., ergibt, sind die Stilllegungsvoraussetzungen des § 5 FZV jedenfalls erfüllt, wenn der Halter eines Fahrzeugs mit einem Motor der Baureihe EA189 EU5 der Aufforderung zum Software-​Update durch den Hersteller nicht folgt und auch die Zulassungsbehörde ihn erfolglos aufgefordert hat, das Software-​Update vornehmen zu lassen. Da die Fahrzeuge mit dem Motor EA189 EU5 werksseitig vorschriftswidrig sind, entsprechen die mit ihnen ausgestatteten Fahrzeuge keinem genehmigten Typ im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV, wenn der Halter - wie der Antragsteller - das zur Wiederherstellung der Genehmigungskonformität nötige Software-​Update endgültig verweigert.

Das Gericht kann in der angegriffenen Außerbetriebsetzungsverfügung, die im Übrigen formell rechtmäßig ist, auch keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO erkennen. Die als letztes Mittel zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes ergriffene Maßnahme verstößt nach summarischer Prüfung insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das im Vergleich zur Außerbetriebsetzung mildere Mittel, die Aufforderung das Software-​Update - das zudem für den Antragsteller kostenfrei ist - durchzuführen, hat der Antragsteller abgelehnt. Dass er seinen Wagen nunmehr nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr benutzen darf, ist der Sinn der Außerbetriebsetzung. Diese ist nicht unverhältnismäßig, weil diese Maßnahme nach der Weigerung des Antragstellers allein dazu geeignet ist, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen.

Anders als der Antragsteller vorträgt, nimmt die Betriebsuntersagung ihm die Beweismöglichkeiten in seinem Zivilprozess nicht. Es steht ihm frei, seinen Wagen unverändert zu lassen, ihn abzumelden und außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs zu lagern, um ihn für einen Sachverständigen vorzuhalten.

Selbst wenn das Software-​Update, wie der Antragsteller vorträgt, für den Wagen technisch nachteilig sein sollte, wäre es nicht unverhältnismäßig, den Antragsteller zu dessen Anwendung zu zwingen, um sicherzustellen, dass auch sein Fahrzeug die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhält. Ob der Wagen dadurch mangelhaft im Sinne des BGB wird oder von Anfang an mangelhaft war, betrifft nur das Verhältnis zwischen dem Antragsteller, dem Verkäufer des Wagens und ggf. dessen Hersteller. Auf die öffentlich-​rechtliche Frage der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung oder der Außerbetriebsetzung hat das keinen Einfluss.

Soweit das VG Karlsruhe (Beschluss vom 26. Februar 2018 - 12 K 16702/17, juris Rn. 22) der Auffassung ist, Gründe der Luftreinhaltung genügten für eine sofort vollziehbare Stilllegung nicht, weil ein einzelnes Fahrzeug nur sehr wenig zur Luftverschmutzung beitrage, kann die Kammer dem nicht folgen. Im Ordnungsrecht liegt schon nach allgemeinen Grundsätzen bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse vor, wenn der Tatbestand einer gefahrenabwehrenden Norm erfüllt ist. Dazu zählt auch das Kfz-​Zulassungsrecht. Das gilt umso mehr, soweit - wie vorliegend - nach gesetzgeberischer Entscheidung höchstwertige Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit durch Emissionsgrenzwerte geschützt werden sollen.




Abgesehen davon kann die Kammer dem gedanklichen Ausgangspunkt des VG Karlsruhe nicht beitreten. Die Luftreinhaltung erfolgt bei Emissionsgrenzwertvorschriften des motorisierten Individualverkehrs naturgemäß mit Blick auf die einzelne Emissionsquelle, also das einzelne Fahrzeug, obwohl dieses für sich genommen auch bei überschrittenen Abgaswerten im Regelfall keine Gesundheitsgefahr darstellt, weil die Abgase zu sehr verdünnt werden. Mag das einzelne Fahrzeug zur Gesundheitsgefährdung auch kaum messbar beitragen, hat die Gesamtheit aller Autos als Emissionsquellen dagegen doch einen erheblichen Einfluss auf den Schadstoffgehalt der Luft. Würde man dem VG Karlsruhe folgen, könnte keines der Einzelfahrzeuge, die mit einer Abschalteinrichtung versehen sind, zur zügigen Umrüstung und damit zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte gezwungen werden. Alle Autos könnten - ggf. auf Jahre - am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, ohne dass sie die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhalten müssen. Das Ziel des Gesetzgebers, die Grenzwerte einzuhalten, würde auf diese Weise nahezu vollständig unterlaufen. Wie häufig in umweltrechtlichen Zusammenhängen ist der Beitrag des Einzelnen auf ein Umweltmedium gering, in der Masse aller Einzelbeiträge aber erheblich.

3. Auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 1 FZV hat die Antragsgegnerin die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I und der Kennzeichen zur Entstempelung rechtmäßig angeordnet.

4. Soweit die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, hat sie rechtmäßig gehandelt. Insbesondere genügt die Anordnung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin verweist ausdrücklich auf die Gründe, die sie zur Vollziehungsanordnung bewogen haben (Beiakte 6 K 2295/18 Heft 2 Bl. 62 Mitte). Hieraus ergibt sich, dass ihr der Einzelfallcharakter der Entscheidung vor Augen stand. Ob die angestellten Erwägungen zutreffen - wofür alles spricht -, ist insofern unerheblich, weil das Gericht eine eigene Vollziehungsentscheidung trifft.



5. Die nach § 112 JustizG NRW sofort vollziehbare Androhung des unmittelbaren Zwangs ist nach den in der Begründung des Bescheids aufgeführten §§ 55 ff. des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW rechtmäßig, insbesondere hinsichtlich der fünftägigen Frist zur Vorlage der Kennzeichen und Fahrzeugpapiere nicht zu beanstanden, weil der Wagen die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte überschreitet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ist auf 2.500,- Euro festzusetzen (vgl. § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG); insofern hat das Gericht den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung halbiert. Die Kammer geht - trotz der Regelung in § 6a Absatz 3 Satz 1 StVG i.V.m. § 22 Absatz 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) in seiner bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung - mit Blick auf § 80 Absatz 6 VwGO davon aus, dass die Kostenfestsetzung nicht Gegenstand des Eilverfahrens ist und sich damit nicht streitwerterhöhend auswirkt.

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