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Oberlandesgericht Hamm Beschluss vom 27.12.2018 - III-4 RBs 391/18 - Darstellung eines anthropologischen Identitätsgutachtens

OLG Hamm v. 27.12.2018: Unzulängliche bloße Wiedergabe des Ergebnisses eines anthropologischen Identitätsgutachtens


Das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 27.12.2018 - III-4 RBs 391/18) hat entschieden:

   Die bloße Wiedergabe der Ergebnisse eines anthropologischen Sachverständigengutachtens in den Urteilsgründen, noch dazu ohne erkennbare eigene Beweiswürdigung des Gerichts, führt zur Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung.


Siehe auch
Anthropologisch-biometrisches Identitätsgutachten / morphologischer Bildvergleich
und
Urteilsanforderungen im Bußgeldverfahren


Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Verurteilung liegt eine mittels eines Kraftrades begangene innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu Grunde. Der Betroffene bestreitet seine Täterschaft.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt sowie Verfahrensrügen erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, sein Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.


II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG).




Das angefochtene Urteil weist durchgreifende, auf die Sachrüge hin beachtliche, Rechtsfehler in der Beweiswürdigung auf.

Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht kann nur eingreifen, wenn sie rechtsfehlerhaft ist, insbesondere wenn sie Widersprüche oder erhebliche Lücken aufweist oder mit Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht vereinbar (OLG Hamm, Beschluss vom 08. Juni 2017 - III-​4 RVs 64/17 -, Rn. 15, juris m.w.N.).

Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil ist hinsichtlich der Täteridentifizierung lückenhaft.




Das Amtsgericht stützt seine Überzeugungsbildung in einer Zusammenschau im Wesentlichen darauf, dass die sichergestellte Motorradbekleidung nebst Helm mit der vom Täter auf dem Messfoto getragenen Bekleidung übereinstimme, wobei es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Kleidung verliehen worden sein oder von einer anderen Person getragen worden sein könnte, und dass ein anthropologisches Gutachten der Sachverständigen ergeben habe, dass eine Identität des Betroffenen mit dem Täter "maximal möglich" sei. Ferner stimme der Betroffene von der Statur und Größe her deutlich mit dem Fahrer auf dem Messfoto überein.

Soweit es um die Bekleidung und den Helm als Identifizierungsmerkmale geht, führt noch nicht zur Lückenhaftigkeit und Aufhebung, dass zunächst unklar bleibt, bei wem die Bekleidung sichergestellt wurde und was sie mit dem Betroffenen zu tun hat. Auf S. 4 UA (bzgl. des Helms) bzw. auf S. 5 UA (bzgl. der Bekleidung) wird mitgeteilt, dass diese bei dem Betroffenen sichergestellt wurde und dass es weitere Fotos von ihm gibt, die ihn mit dieser Bekleidung zeigen. Auch liegt auf S. 5 UA ein noch hinreichender Verweis i.S.v. §§ 71 OWiG; 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Messfoto Bl. 44 d. A. vor. Dieses ist auch von guter Qualität.

Die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung ergibt sich aber aus Folgendem: Nach den Urteilsgründen (UA S. 3) ist die bei dem Betroffenen sichergestellte Motorradkleidung aus schwarzem Leder gefertigt. Bei dem Messfoto, welches der Senat bei seiner Beurteilung aufgrund der Verweisung zu Grunde legen kann, handelt es sich um eine Aufnahme in schwarz-​weiß. Dort erscheint die Hose des Fahrers zwar schwarz, der obere Teil der Bekleidung aber deutlich heller (heller Grauton). Insoweit erschließt sich für das Rechtsbeschwerdegericht nicht, wie das Amtsgericht zu der Überzeugung kommt, dass die sichergestellte Motorradbekleidung mit der auf dem Foto übereinstimmt. Ein solcher Schluss erscheint zwar nicht ausgeschlossen, etwa aufgrund unterschiedlichen Reflektionsverhaltens, unterschiedlichem Material etc. Er hätte aber der Darlegung bedurft. Ähnliches gilt für die auf der sichergestellten Motorradbekleidung erkennbaren Schriftzüge "E" auf Brust und an den Unterarmen. Das Amtsgericht führt dazu zwar aus, dass diese Schriftzüge nicht zwangsläufig erkennbar sein müssten, weil die Reflektion von weißem Leder (Schriftzüge) deutlich geringer ausfalle als von weißem Kunststoff (die stark reflektierenden Teile an Helm und Motorrad), und das Messfoto im Bereich der Schriftzüge eine leichte Aufhellung aufweise. Dabei hat sich das Amtsgericht aber nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass ausweislich des Fotos Bl. 166 d.A., auf das es verwiesen hat, unmittelbar oberhalb des Brustschriftzuges offenbar abgesetzte Taschen mit Reisverschlüssen erkennbar sind und die dünne strichartige Aufhellung im Brustbereich des Fahrers, welche auf dem Messfoto erkennbar ist, auch hiervon stammen kann. Diese Aufhellung erscheint zudem deutlich schmaler als der Schriftzug.




Auch soweit das anthropologische Sachverständigengutachten betroffen ist, ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichter​licher Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer in sich geschlossenen (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juni 2017 - 4 RBs 216/17 -, Rn. 3, juris m.w.N.). Das Amtsgericht beschränkt sich hier auf die Mitteilung des Ergebnisses der Sachverständigen, dass diese (offenbar wegen des getragenen Helms) nur eine stark eingeschränkte Anzahl auswertbarer Merkmale gefunden habe und in welchen Merkmalen sie eine Übereinstimmung zwischen Messfoto und Betroffenem sie gefunden hat. Insoweit beschränken sich die Urteilsgründe auf eine bloße Wiedergabe der Ausführungen der Sachverständigen ohne eigene (vgl. § 261 StPO) Beweiswürdigung des Gerichts (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Entsprechende Ausführungen hätten sich hier um so mehr aufgedrängt, als die von der Sachverständigen beschriebenen Merkmale auf dem Messfoto Bl. 44 aufgrund der geringen Größe des Fotos und des vom Täter getragenen Helms mit heruntergeklappter Visierscheibe, nicht erkannt werden können. Möglicherweise mögen diese Merkmale auf einer etwaigen Vergrößerung erkennbar seien. Ob die Sachverständige eine solche bei ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt hat wird aber in den Urteilsgründen - welche die auf die Überprüfung auf die Sachrüge hin allein maßgebliche Überprüfungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht sind - nicht mitgeteilt. Auch wird darin nicht auf eine solche Vergrößerung verwiesen.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Amtsgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Täterschaft des Betroffenen gekommen wäre.

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