Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Amtsgericht Helmstedt Urteil vom 21.06.2018 - 15 OWi 903 Js 26543/18 - Unfall mit Sonderrechtsfahrzeug

AG Helmstedt v. 21.06.2018: Absehen vom Regelfahrverbot nach Unfall mit Rettungsfahrzeug


Das Amtsgericht Helmstedt (Urteil vom 21.06.2018 - 15 OWi 903 Js 26543/18) hat entschieden:

  1.  Sobald ein Verkehrsteilnehmer ein Einsatzhorn hört oder den Schimmer eines Blaulichts sieht und mithin weiß, dass in seinem Umfeld ein Einsatzfahrzeug im Einsatz ist, hat er seine Fahrweise hierauf einzurichten, wobei bei unklarer Lage im Zweifel zu warten ist.

  2.  Von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer kann und muss verlangt werden, dass er beim ersten Wahrnehmen des blauen Blinklichts und des Einsatzhorns sofort vor der Auffahrt auf eine Bundesautobahn durch eine Bremsung anhält, um eine Behinderung eines ihm entgegenkommenden Einsatzfahrzeugs auszuschließen.

  3.  Allein aus einer spontanen Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens lässt sich nicht schon ein ausreichender Anlass ableiten, den Schuldvorwurf herabzustufen, sofern alle sonstigen objektiven Merkmale der groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ohne weiteres gegeben sind.

  4.  Die Anerkennung einer Privilegierungswirkung mit Blick auf die Anordnung eines Fahrverbots setzt daher stets die Feststellung weiterer, in der Person des Betroffenen liegender besonderer Umstände voraus, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände in einem gegenüber dem Regelfall milderen Licht erscheinen lassen.


Siehe auch
Sonderrechte - Einsatzfahrzeuge - Rettungsfahrzeuge - Wegerechtsfahrzeuge
und
Fahrverbot und sog. Augenblicksversagen


Gründe:


Der Betroffene hat keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht.

Am 30.01.2018 befuhr der Betroffene im Landkreis Helmstedt mit einem PKW die Landstraße L295 zwischen Dibbesdorf und Wendhausen in Fahrtrichtung Wendhausen. Der Betroffene näherte sich gegen 06:53 Uhr mit einer Geschwindigkeit von höchstens 60 km/h der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB 2 (Anschlussstelle Braunschweig Ost). Zu diesem Zeitpunkt befuhr der Zeuge K. in seiner Funktion als B. mit einem Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr die Landstraße L295 zwischen Dibbesdorf und Wendhausen in Fahrtrichtung Dibbesdorf auf der Abbiegespur zur Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 (Anschlussstelle Braunschweig Ost), um über die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 zu gelangten. Dabei verwendete der Zeuge K., der den linken Fahrtrichtungsanzeiger des Einsatzfahrzeugs gesetzt hatte, das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs zusammen mit dem Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs, da er auf dem Weg zu einem Verkehrsunfall war, der sich auf der Bundesautobahn BAB2 in Fahrtrichtung Berlin ereignet hatte. Der Betroffene nahm das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug sowie das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs und das Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs wahr, als sich sein PKW noch mindestens 60 Meter vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 befand. Der Betroffenen befuhr allerdings weiterhin die Landstraße L295 in Fahrtrichtung Wendhausen, obwohl er sich nicht im Klaren darüber war, wohin das Einsatzfahrzeug fahren wird. Es wäre dem Betroffenen möglich gewesen, seinen PKW durch eine normale Bremsung vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 zu stehen zu bringen. Der Betroffene hat darauf vertraut, dass er das herannahende Einsatzfahrzeug nicht behindern wird. In Höhe der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 nahm der Betroffene wahr, dass das Einsatzfahrzeug nach links auf die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 abbiegt und über die von dem Betroffenen befahrene Fahrspur fährt. Der Betroffene leitete nun zwar eine Gefahrenbremsung ein. Ein Zusammenstoß mit dem Einsatzfahrzeug konnte jedoch nicht mehr verhindert werden. Bei dem Zusammenstoß mit dem PKW des Betroffenen, welcher auf der von dem Betroffenen befahrenen Fahrspur stattfand, wurde die Fahrzeugfront des Einsatzfahrzeugs derart beschädigt, dass das Einsatzfahrzeug nicht mehr fahrbereit war. Die Beschädigung der Fahrzeugfront des Einsatzfahrzeugs hätte der Betroffene bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt vermeiden können.




Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, den Bekundungen der Zeugen K. und D., der in Augenschein genommenen Luftbildfotografie (Bl.102) mit der verlesenen Vermaßung sowie dem in Augenschein genommenen Lichtbild, auf dem das beschädigte Einsatzfahrzeug abgebildet ist (unteres Lichtbild auf Bl. 18).

Der Betroffene hat angegeben, er sei am 30.01.2018 mit seinem PKW auf der Landstraße L295 zwischen Dibbesdorf und Wendhausen in Fahrtrichtung Wendhausen gefahren und habe sich der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB 2 (Anschlussstelle Braunschweig Ost) zum genannten Zeitpunkt genähert. Er könne nicht genau sagen, wie schnell er gefahren sei. Er könne aber mit Bestimmtheit sagen, dass er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unterschritten habe. Dies könne er mit Bestimmtheit sagen, denn der vor seinem PKW fahrende PKW sei nach rechts auf die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 abgebogen und infolgedessen deutlich langsamer als 60 km/h gefahren, weshalb auch er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unterschritten habe. Er habe das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug sowie das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs und dessen Einsatzhorn wahrgenommen als er sich in etwa mittig zwischen dem Beginn der Sperrfläche und dem rechtsseitigen Wirtschaftsweg befunden habe. Er sei aber weiterhin auf der Landstraße L295 in Fahrtrichtung Wendhausen gefahren. Es wäre ihm möglich gewesen, seinen PKW durch eine normale Bremsung vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 zu stehen zu bringen. Er sei sich jedoch nicht darüber im Klaren gewesen, wohin das Einsatzfahrzeug fahren wird. Er habe aber darauf vertraut, dass er das herannahende Einsatzfahrzeug nicht behindern wird. In Höhe der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 habe er dann wahrgenommen, dass das Einsatzfahrzeug nach links auf die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 abbiegt und über die von ihm befahrene Fahrspur fährt. Er habe nun zwar eine Gefahrenbremsung eingeleitet. Den Zusammenstoß mit dem Einsatzfahrzeug habe er jedoch nicht mehr verhindern können. Der Zusammenstoß habe auf der von ihm befahrenen Fahrspur stattgefunden.

Der Betroffene hat anhand der Luftbildfotografie (Bl. 102) aufgezeigt, in welchem Abschnitt der Landstraße L295 er sich befunden hat, als er das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug sowie das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs und das Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs wahrgenommen hat. Er habe sich in etwa mittig zwischen Beginn der Sperrfläche und dem rechtsseitigen Wirtschaftsweg befunden. Die Sperrfläche beginnt nach der Vermaßung mindestens 60 Meter vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2.

Der Zeuge K. hat bekundet, er sei zum genannten Zeitpunkt mit einem Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr auf der Landstraße L295 zwischen Dibbesdorf und Wendhausen in Fahrtrichtung Dibbesdorf auf der Abbiegespur zur Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 (Anschlussstelle Braunschweig Ost), gefahren um über die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 auf die Bundesautobahn BAB2 zu gelangten. Er sei in seiner Funktion als B. auf dem Weg zu einem Verkehrsunfall gewesen. Der Verkehrsunfall habe sich auf der Bundesautobahn BAB2 in Fahrtrichtung Berlin ereignet und er sei von der Einsatzstelle dorthin entsandt worden. Er habe den linken Fahrtrichtungsanzeiger des Einsatzfahrzeugs gesetzt und das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs zusammen mit dem Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs verwendet. Er habe den PKW des Betroffenen zwar wahrgenommen. Er habe sich aber darauf verlassen, dass der Betroffene vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 anhalten wird. In Höhe der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 habe er dann jedoch wahrgenommen, dass der Betroffene nicht vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 anhalten wird. Zu diesem Zeitpunkt habe sich das Einsatzfahrzeug auf der von dem Betroffenen befahrenen Fahrspur befunden. Bei dem Zusammenstoß mit dem PKW des Betroffenen, der auf der von dem Betroffenen befahrenen Fahrspur stattgefunden habe, sei die Fahrzeugfront des Einsatzfahrzeugs stark beschädigt worden. Das Einsatzfahrzeug sei infolge der Beschädigung der Fahrzeugfront nicht mehr fahrbereit gewesen.




Der Zeuge D. hat bekundet, er sei am 30.01.2018 mit seinem PKW auf der Landstraße L295 zwischen Dibbesdorf und Wendhausen in Fahrtrichtung Wendhausen gefahren und habe sich zum genannten Zeitpunkt unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB 2 (Anschlussstelle Braunschweig Ost) genähert. Der von dem Betroffenen geführte PKW sei vor seinem PKW gefahren. Er habe das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug und das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs wahrgenommen als er sich noch vor dem rechtsseitigen Wirtschaftsweg befunden habe. Der Abstand zwischen dem PKW des Betroffenen und seinem PKW habe in diesem Moment zwischen 30 und 50 Meter betragen. Er habe sofort eine scharfe Bremsung durchgeführt und die Geschwindigkeit seines PKW deutlich verringert, um auf kürzeste Entfernung anhalten zu können, wodurch sich der Abstand zwischen dem PKW des Betroffenen und seinem PKW noch weiter vergrößert habe. Der Betroffene sei aus für ihn unerklärlichen Gründen ohne zu bremsen weiter in Fahrtrichtung Wendhausen gefahren, weshalb er auch schon mit einem Zusammenstoß gerechnet habe. In Höhe der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB 2 sei es dann zum Zusammenstoß zwischen dem PKW des Betroffenen und dem Einsatzfahrzeug gekommen.

Der Zeuge D. hat anhand der Luftbildfotografie (Bl. 102) aufgezeigt, wo er sich befunden hat, als er das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug und das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs wahrgenommen hat. Er habe sich noch vor dem rechtsseitigen Wirtschaftsweg befunden. Der Wirtschaftsweg befindet sich nach der Vermaßung mindestens 150 Meter vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2.

Auf der Luftbildfotografie sind der Wirtschaftsweg, die Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 und der Beginn der Sperrfläche, der sich zwischen dem Wirtschaftsweg und der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 befindet, zu erkennen; wegen der Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG ausdrücklich auf die Luftbildfotografie (Blatt 102 der Akte) verwiesen.

Auf dem Lichtbild, auf dem das beschädigte Einsatzfahrzeug abgebildet ist, ist gut zu erkennen, Fahrzeugfront des Einsatzfahrzeugs stark beschädigt ist. Es ist unter anderem zu erkennen, dass die Frontschürze des Einsatzfahrzeugs abgerissen ist; wegen der Einzelheiten wird gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG ausdrücklich auf das Lichtbild, auf dem das beschädigte Einsatzfahrzeug abgebildet ist (unteres Lichtbild auf Blatt 18 der Akte), verwiesen.

Der Betroffenen hätte seinen PKW durch eine normale Bremsung vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 bis zum Stillstand abbremsen können. Es ist allgemein bekannt, dass der Anhalteweg (Anhalteweg, also Bremsweg zzgl. Reaktionsweg, in Meter) bei einer normalen Bremsung nach der Formel, die im Rahmen der Fahrschulausbildung jedem Fahrschüler vermittelt wird, berechnet wird wie folgt:

   [Formel]

Es wird zugunsten der Betroffenen davon ausgegangen, dass er mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h fuhr, wenngleich der Betroffene angegeben hat, er können mit Bestimmtheit sagen, er habe die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unterschritten. Bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h beträgt der Anhalteweg bei einer normalen Bremsung 54 Meter; der Anhalteweg berechnet sich wie folgt:

   [Resultat= 54 Meter]


Der Betroffene nahm das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug sowie das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs und das Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs wahr, als sich sein PKW noch mindestens 60 Meter vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 befand. Der Betroffene hätte seinen PKW mithin durch eine normale Bremsung vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 bis zum Stillstand abbremsen können, was auch der eigenen Einschätzung des Betroffenen entspricht.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene gegen § 38 Abs. 1 StVO verstoßen, indem er es unterlassen hat, dem herannahende Einsatzfahrzeug durch eine Bremsung sofort freie Bahn zu schaffen, nachdem er das ihm entgegenkommende Einsatzfahrzeug sowie das blaue Blinklicht des Einsatzfahrzeugs und das Einsatzhorn des Einsatzfahrzeugs wahrgenommen hat, als sich sein PKW noch mindestens 60 Meter vor der der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 befand, wodurch auch der Zusammenstoß und die Beschädigung der Fahrzeugfront des Einsatzfahrzeugs vermieden worden wären. Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO ordnet blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn an, das alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben. Das bedeutet, dass alle Fahrzeuge beiseite oder rechts heran oder scharf rechts ganz langsam fahren und ggf. anhalten müssen, bis sie beurteilen können, ob sie das Wegerechtsfahrzeug behindern, auch wenn dieses noch nicht sichtbar ist (OLG Hamm, Urteil vom 27. Januar 1998 - 9 U 152/97 -, Rn. 5, juris). Sobald ein Verkehrsteilnehmer ein Einsatzhorn hört oder den Schimmer eines Blaulichts sieht und mithin weiß, dass in seinem Umfeld ein Einsatzfahrzeug im Einsatz ist, hat er seine Fahrweise hierauf einzurichten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 1991 - 1 U 129/90 -, Rn. 17, juris). Bei unklarer Lage ist im Zweifel zu warten (Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 38 StVO, Rn. 5, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Betroffene hätte nach alledem beim ersten Wahrnehmen des blauen Blinklichts und des Einsatzhorns sofort vor der der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 durch eine Bremsung anhalten müssen, um eine Behinderung des herannahenden Einsatzfahrzeugs auszuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 19, zum Schaffen freier Bahn für ein Einsatzfahrzeug in Kreuzungsnähe, worin sogar eine „scharfen Bremsung" zur Vermeidung einer Behinderung gefordert wird), was dem Betroffenen auch möglich gewesen wäre.

Zu Gunsten des Betroffenen wird davon ausgegangen, dass er ernsthaft darauf vertraut hat, dass er das herannahende Einsatzfahrzeug nicht behindern wird. Es ist daher von einem fahrlässigen Verstoß auszugehen.

Gegen den Betroffenen war ausgehend von der Bußgeldkatalogverordnung (Nr. 135.2) auf eine Geldbuße in Höhe von 320,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat zu erkennen. Dies entspricht der vorgesehenen Regelfolge. Es sind keine Gründe erkennbar geworden, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen würden. Dies gilt auch für das Fahrverbot. Der Betroffene hat durch die von ihm begangene Verkehrsordnungswidrigkeit einen Regelfall für die Verhängung eines Fahrverbotes erfüllt. Es ist nichts erkennbar geworden, das es rechtfertigen würde, von der Verhängung des Fahrverbotes - auch gegen eine eventuelle Erhöhung der Geldbuße - abzusehen.



Eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers kann zwar nicht angenommen werden, wenn der Verkehrsverstoß auf ein Augenblicksversagen zurückgeht, dass auch ein sorgfältiger und pflichtbewusster Kraftfahrzeugführer nicht immer vermeiden kann (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.03.1999 - 2 Ss (B) 5/99 -, juris). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der Verstoß gegen § 38 Abs. 1 StVO auf ein Augenblicksversagen des Betroffenen zurückgeht. Schon im Hinblick auf den Begriff des Augenblicksversagens ist es kennzeichnend, dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handelt (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 04. Januar 2016 - 3 Ss OWi 1490/15 -, Rn. 7, juris). Allein hieraus lässt sich aber nicht schon ein ausreichender Anlass ableiten, den Schuldvorwurf herabzustufen, sofern alle sonstigen objektiven Merkmale der groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ohne weiteres gegeben sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2014 - IV-​1 RBs 183/13 -, Rn. 5, juris). Die Anerkennung einer Privilegierungswirkung mit Blick auf die Anordnung eines Fahrverbots setzt daher stets die Feststellung weiterer, in der Person des Betroffenen liegender besonderer Umstände voraus, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände in einem gegenüber dem Regelfall milderen Licht erscheinen lassen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 3 Ss OWi 1326/15 -, Rn. 9, juris, mit weiteren Nachweisen). Derartige besondere Umstände, etwa ein unübersichtliches, besonders schwieriges, überraschendes oder gar verwirrendes Verkehrsgeschehen, die einen Wegfall des Fahrverbots rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar geworden. Der Unwertgehalt des Fehlverhaltens des Betroffenen liegt nicht leichter als der des Durchschnittsfalles, denn der Betroffene hat bewusst davon abgesehen, seinen PKW durch eine normale Bremsung vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 zu stehen zu bringen, weshalb dem Betroffenen nicht lediglich unbewusste Fahrlässigkeit, sondern bewusste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Das Fehlverhalten des Betroffenen kann in subjektiver Hinsicht nicht anders als im hohen Maße verantwortungslos qualifiziert werden, denn von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer kann und muss in einer derartigen Situation verlangt werden, dass er beim ersten Wahrnehmen des blauen Blinklichts und des Einsatzhorns sofort vor der Auffahrt auf die Bundesautobahn BAB2 durch eine Bremsung anhält, um eine Behinderung des herannahenden Einsatzfahrzeugs auszuschließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum