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Landgericht Schweinfurt Urteil vom 02.02.2018 - 33 S 46/17 - Kein Anscheinsbeweis für Haltereigenschaft

LG Schweinfurt v. 02.02.2018: Kein Anscheinsbeweis für Haltereigenschaft




Das Landgericht Schweinfurt (Urteil vom 02.02.2018 - 33 S 46/17) hat entschieden:

  1.  Ein im Rahmen des Anscheinsbeweises bestehender typischer Geschehensablauf dahingehend, dass der Halter eines Pkw regelmäßig auch dessen Fahrer ist, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht angenommen werden.

  2.  Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne Weiteres möglich und zumutbar sind.



Siehe auch
Privatparkplatz - Entgelte, Vertragsstrafen
und
Private Abschleppkosten


Tatbestand:


I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:


II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat nicht nachweisen können, dass die von ihr mit Schreiben vom 04.07.2016 sowie der Firma W. Inkasso und Forderungsmanagement GmbH für die Beklagte mit Schreiben vom 24.02.2017 geltend gemachte Forderung tatsächlich besteht.

1. Die Beklagte hat sich durch ihr Schreiben vom 04.07.2016 sowie durch die sich aus dem Schreiben der Firma W. Inkasso und Forderungsmanagement GmbH vom 24.02.2017 ergebende Beauftragung berühmt, dass ihr die Forderung in Höhe von 48,00 € zuzüglich Verzugskosten zusteht. Die Beklagte ist daher hinsichtlich des geltend gemachten negativen Feststellungsantrages vollumfänglich passivlegitimiert.

2. Der Kläger begehrt im Wege der negativen Feststellungsklage die Feststellung, dass diese Forderung nicht besteht. Bei der negativen Feststellungsklage muss der Feststellungskläger lediglich beweisen, dass sich der Beklagte eines Anspruchs auf Grund eines bestimmten Lebenssachverhalts berühmt; demgegenüber obliegt dem Anspruchsteller in der Rolle des Feststellungsbeklagten der Beweis derjenigen Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleitet (BGH, Urteil vom 17.07.2012, XI ZR 198/11). Die Beklagte hat nicht darlegen und beweisen können, dass mit dem Kläger eine vertragliche Beziehung nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zustande gekommen ist und die Beklagte daher einen Anspruch auf Zahlung des dreifachen Stundensatzes, einer Vertragsstrafe, von Halterermittlungskosten und Auslagen hat. Der Kläger hat bestritten, den PKW am 27.03.2016 auf dem Parkplatz der Fa. N. abgestellt zu haben. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Nachweis nicht führen können, dass dies der Fall war.

a) Der entsprechende Nachweis kann nicht im Wege des Anscheinsbeweises daran anknüpfend geführt werden, dass der Kläger Halter des PKW war, der auf dem Parkplatz abgestellt wurde.
Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15).




Ein typischer Geschehensablauf dahingehend, dass der Halter eines PKW regelmäßig auch dessen Fahrer ist, kann jedoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht angenommen werden. Es ist vielmehr häufig der Fall, dass ein PKW z.B. innerhalb einer Ehe oder Familie von verschiedenen Personen gefahren wird oder der PKW überhaupt nicht regelmäßig vom Halter genutzt wird, weil z.B. aus versicherungstechnischen Gründen lediglich die Zulassung auf diesen erfolgte.

b) Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sekundären Darlegungslast des Klägers.

1) Eine etwaige sekundäre Darlegungslast bzw. ein Auskunftsanspruch dahingehend, dass der Kläger mitteilen müsste, welche andere Person den Pkw gefahren hat bzw. hierfür in Betracht kommt, spielt in diesem Rechtsstreit keine Rolle. In diesem Verfahren kann es nur darum gehen, ob der Kläger Fahrer des Fahrzeuges war und dieses auf dem Parkplatz abgestellt hat; welche andere Person dies getan haben mag ist hier unerheblich, da hierdurch keine vertragliche Beziehung mit dem Kläger zustande gekommen sein kann.




2) Eine sekundäre Darlegungslast bezüglich des Umstandes, ob der Kläger selbst den Pkw auf dem Parkplatz abgestellt hat, besteht hier nicht.

Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne Weiteres möglich und zumutbar sind (BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, insbesondere kann eine entsprechende sekundäre Darlegungslast nicht unter entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den Nachweis von Urheberrechtsverletzungen durch Nutzung eines Internetanschlusses begründet werden. Anders als bei dem Sachverhalt, dass von mehreren Angehörigen eines Haushaltes eine Person bestimmte Handlungen über einen Internetanschluss vorgenommen hat, stehen der Beklagten ausreichende Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, um festzustellen, ob der Kläger den PKW auf dem Parkplatz abgestellt hat. Die Beklagte muss ohnehin durch Personal und/oder technische Maßnahmen, z.B. eine Videoüberwachung, feststellen, welche Fahrzeuge mit welchem Kennzeichen auf dem Parkplatz abgestellt werden. Auf die gleiche Art und Weise ist es für die Beklagte dann auch grundsätzlich möglich festzustellen, wer der Fahrer des Fahrzeuges ist, spätestens bei der Rückkehr zum Fahrzeug, auch wenn dies mit einem Mehraufwand für die Beklagte verbunden sein mag.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte hier lediglich vertragliche Ansprüche aufgrund einer aus ihrer Sicht mit dem Kläger zustande gekommenen Vereinbarung geltend macht, während den Ansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen eben eine Rechtsverletzung zugrunde liegt. Wer sich eines Anspruches aus einer vertraglichen Vereinbarung berühmt muss grundsätzlich erst einmal selbst dafür Sorge tragen, dass er weiß, mit wem denn diese vertragliche Vereinbarung zustande gekommen sein soll.



3) Ohnehin wäre der Kläger mit der Berufungsbegründung einer etwaigen sekundären Darlegungslast nachgekommen, da er nunmehr vorgetragen hat, im damaligen Zeitraum Halter mehrerer Fahrzeuge gewesen zu sein, weil er aufgrund seiner beruflichen Stellung günstig Versicherungsverträge abschließen konnte.
Der entsprechende Sachvortrag ist auch nicht verspätet, weil erstinstanzlich kein Hinweis darauf erfolgte, dass den Kläger eine derartige sekundäre Beweislast treffen mag.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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