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BGH Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 - Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB und Feststellungsanspruch

BGH v. 30.07.2020: Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB und Feststellungsanspruch




Der BGH (Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19) hat entschieden:

  1.  Deliktszinsen nach § 849 BGB können nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes.

  2.  Zu den Voraussetzungen einer auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteten Feststellung bei einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (hier: VW-Diesel-Fälle).


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht

Tatbestand:


Mit Kaufvertrag vom 1. August 2014 erwarb die Klägerin von der Volkswagen Zentrum O. GmbH einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten VW Golf VI 1.6 TDI mit einer Laufleistung von 23.085 km. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut, dessen Motorsteuerungssoftware erkannte, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird. In diesem Fall schaltete der Motor in einen speziellen Modus zur Reduktion der Stickoxidemissionen (Modus 1). Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands wurde der Motor dagegen im Modus 0 betrieben, in dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher war. Für das Fahrzeug wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erteilt. Maßgeblich hierfür waren die Emissionen auf dem Prüfstand. Das Kraftfahrt-Bundesamt wertete die besagte Software nach deren Bekanntwerden als unzulässige Abschalteinrichtung und gab der Beklagten im Oktober 2015 auf, diese zu beseitigen und die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das die Klägerin im Jahr 2017 aufspielen ließ.




Mit Schreiben vom 23. April 2018 bot die Klägerin der Beklagten die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen an. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 2. Mai 2018 ab.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt die Erstattung des von ihr gezahlten Kaufpreises in Höhe von 15.888 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 4% für die Zeit vom 4. August 2014 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellungen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden, die aus dem Erwerb des Fahrzeugs resultieren, zu ersetzen, und dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Schließlich verlangt sie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags in Höhe von 7.138,94 EUR abzüglich eines Betrags für die gezogenen Nutzungen ab dem 26. Mai 2018 in Höhe von 0,09 EUR pro Kilometer multipliziert mit der Anzahl der gefahrenen Kilometer gemäß Tachostand im Zeitpunkt der Rückgabe zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.138,94 EUR seit dem 2. Mai 2018 stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden aus dem Fahrzeugerwerb zu ersetzen, und sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte auf die Berufung der Klägerin - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin sowie der Berufung der Beklagten - unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 3.005,98 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2018 sowie weiterer Zinsen für die Zeit vom August 2014 bis Mai 2018 in Höhe von 1.818,45 EUR verurteilt. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerin ihren Klageantrag, soweit er abgewiesen wurde, und die Beklagte den Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.





Entscheidungsgründe:


A.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris und unter BeckRS 2019, 23205 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Zu Recht habe das Landgericht der Klägerin Schadensersatz aus § 826 BGB zugesprochen. Die Beklagte habe die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, indem sie den Motor EA189 mit der verbotenen Abschalteinrichtung konzipiert und hergestellt habe, der im verkauften Fahrzeug der Klägerin verbaut worden sei. Der Schaden der Klägerin liege bereits in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, weil sie von der Beklagten durch Täuschung veranlasst worden sei, einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug abzuschließen, den sie bei Kenntnis der Sachlage nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt. Der (Berufungs-)Senat sei davon überzeugt, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten bei der Konzeption der Abschalteinrichtung, der unterbliebenen Offenbarung dieser Einrichtung und hinsichtlich des Umstandes, dass Endverbraucher ein mit einer solchen Abschalteinrichtung versehenes Auto im Falle der Kenntnis regelmäßig nicht kaufen würden, vorsätzlich gehandelt hätten. Auch seien die entsprechenden Handlungen mit Wissen und Wollen der organschaftlichen Vertreter begangen worden; denn jedenfalls erweise sich die Argumentation des Landgerichts, die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast zu den Verantwortlichkeiten, der sie nicht genügt habe, als tragfähig. Schließlich stünden dem grundsätzlich auf Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin weder Schutzzwecküberlegungen noch der Umstand entgegen, dass der Klägerin gegen die Verkäuferin des Fahrzeugs möglicherweise Gewährleistungsansprüche zustünden. Ebenso wenig entfalle der Vermögensschaden durch das spätere Aufspielen des Software-Updates. Allerdings müsse sich die Klägerin im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, die bei einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 200.000 Kilometern, einem Kilometerstand bei Kauf von 23.085, einem Kaufpreis von 15.888 EUR und einem Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von 143.443 mit 12.882,02 EUR zu bewerten seien.

Weiter sei der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis gemäß § 849 BGB zu verzinsen, weshalb der Klägerin für die Zeit ab Weggabe des Geldes bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit, nämlich von August 2014 bis Mai 2018, ein Zinsanspruch von insgesamt 1.818,45 EUR zustehe.

Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten könne die Klägerin indes nicht geltend machen. Bei dem vorprozessualen Schreiben vom 23. April 2018, mit der die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. April 2018 zur Leistung aufgefordert hätten, handle es sich ausschließlich um eine mit Blick auf § 93 ZPO die Klage vorbereitende Mahnung. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die eine Mehrzahl von Käufern verträten, hätten - so das Berufungsgericht - wissen müssen, dass die Beklagte außerprozessual nicht leistungsbereit gewesen sei. Eine über die Klagevorbereitung hinausgehende Tätigkeit sei deshalb nicht erkennbar und wäre jedenfalls wegen ersichtlicher Erfolglosigkeit nicht erstattungsfähig.




B.

I.

Die zulässige Revision der Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung sogenannter Deliktszinsen (2.) sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden (3.) und die Feststellung des Annahmeverzugs (4.) wendet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg (1.).

1. Keinen Erfolg hat die Revision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des von der Klägerin gezahlten, um die Nutzungsvorteile verminderten Kaufpreises wendet. Dem Berufungsgericht sind insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten unterlaufen.

a) Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 16 ff.) bereits entschieden hat, handelt es sich bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Streitfall von der Beklagten verbauten Motorsteuerungssoftware um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff.). Das auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung unter bewusster Missachtung gesundheits- und umweltschützender Rechtsvorschriften erfolgende fortgesetzte Herstellen und Inverkehrbringen derart bemakelter, von einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung bedrohter Fahrzeuge, deren Typgenehmigung durch eine Täuschung der zuständigen Behörde erschlichen worden war, stellt im Verhältnis zu den arglosen Fahrzeugkäufern ein objektiv sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB dar; es steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer wertungsmäßig gleich.

Dieses das Verhalten der Beklagten betreffende Sittenwidrigkeitsurteil wird auch im Streitfall in Bezug auf die Schädigung der arglosen Klägerin von den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen im Berufungsurteil getragen. Insbesondere haben die für die Abgasmanipulation verantwortlichen Personen der Beklagten nach den revisionsrechtlich hinzunehmenden Feststellungen mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, um sich insoweit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, weil man entweder noch nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil man aus Gewinnstreben die Entwicklung und den Einbau der notwendigen Vorrichtungen unterließ.




b) Das besagte sittenwidrige Verhalten ist der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die fraglichen Handlungen mit Wissen und Wollen der organschaftlichen Vertreter der Beklagten begangen wurden. Zu Recht ist es dabei davon ausgegangen, die Beklagte treffe insoweit eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht genügt habe.

aa) Im Urteil vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 39) hat der erkennende Senat ausgeführt, der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sowie die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten stellten für die Annahme einer sekundären Darlegungslast hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstandes dar. Wegen der besonderen Schwierigkeiten des (dortigen) Klägers, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten Vorstandsmitglieds ergebe, habe das (dortige) Berufungsgericht die Einlassung der Beklagten, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe, mit Recht nicht für ausreichend gehalten.

bb) Diese Erwägungen treffen auch im Streitfall zu. Das Berufungsgericht hat - wie dargelegt - festgestellt, die verantwortlichen Personen hätten mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, weil man entweder noch nicht über die Technik zur Einhaltung der gesetzlichen Abgasvorschriften verfügt oder aus Gewinnstreben die Entwicklung der notwendigen Vorrichtungen unterlassen habe. Die Bedeutung der mit der Entwicklung eines solchen Systems notwendigerweise verbundenen grundlegenden strategischen Entscheidung und die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte sowie der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten allgemein genügen in Verbindung mit den Schwierigkeiten der Fahrzeugerwerber, die internen Vorgänge bei der Beklagten konkret darzulegen, für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte mit der Behauptung, bei den durchgeführten Untersuchungen, die noch nicht abgeschlossen seien, hätten sich keine Erkenntnisse über eine Beteiligung von Vorstandsmitgliedern im aktienrechtlichen Sinne an der Entwicklung oder Verwendung der Abschalteinrichtung ergeben, nicht nachgekommen (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 39 ff.). Das Berufungsgericht hat die Behauptung der Klägerin, die dargestellten Handlungen seien auch mit Wissen und Wollen der organschaftlichen Vertreter begangen worden, damit zu Recht als unstreitig behandelt, § 138 Abs. 3 ZPO.

c) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter zum Ergebnis gelangt, der Klägerin sei dadurch ein Schaden entstanden, dass sie aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten einen Vertrag über den Ankauf des bemakelten Fahrzeugs geschlossen habe, den sie bei Kenntnis der Sachlage nicht geschlossen hätte (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 44 ff.). Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten ist dabei die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte das bemakelte Fahrzeug in Kenntnis der wahren Sachlage nicht erworben, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht durfte von einem aus der unzulässigen Abschalteinrichtung resultierenden Stilllegungsrisiko ausgehen und aus diesem Risiko schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung darauf schließen, dass die Klägerin bei Kenntnis der wahren Umstände vom Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 49 ff. iVm Rn. 19 ff.). Im Streitfall ist das Berufungsgericht dabei im Übrigen nicht einmal stehen geblieben, sondern hat seine Überzeugung zudem auf die persönliche Anhörung der Klägerin und deren dortige, vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als glaubhaft beurteilten Angaben gestützt. Schließlich ist der im Abschluss des Kaufvertrags liegende Schaden der Klägerin auch nicht nachträglich durch die Durchführung des Software-Updates wieder entfallen (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 58).

Liegt der maßgebliche Schaden der Klägerin mithin bereits im Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug, so kommt es auf die Frage, ob der Schaden der Klägerin auch - wie das Berufungsgericht hilfsweise ausgeführt hat - aus einem Minderwert des Fahrzeugs resultiert, und die diesbezüglichen Revisionsrügen nicht mehr an.

d) Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten bezogen auf den ungewollten Fahrzeugerwerb mit Schädigungsvorsatz handelten. Diese Feststellung, die sich ersichtlich auch auf die organschaftlichen Vertreter im Sinne von § 31 BGB bezieht, entspricht der Lebenserfahrung. Der Einwand der Revision der Beklagten, die Verantwortlichen hätten darauf vertraut, dass die Manipulation unentdeckt bleibt, ist schon deshalb unerheblich, weil er nicht den im Streitfall relevanten, bereits im ungewollten Vertragsschluss liegenden Schaden betrifft (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 63).

2. Erfolg hat die Revision der Beklagten, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Klägerin Zinsen auch für die Zeit von der Kaufpreiszahlung bis Ende Mai 2018 zugesprochen hat. Der vom Berufungsgericht bejahte Anspruch aus § 849 BGB besteht nicht (a). Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO); insbesondere ergibt sich ein Zinsanspruch ab Kaufpreiszahlung nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (b).

a) Ein Anspruch aus § 849 BGB auf sogenannte Deliktszinsen besteht nicht.

Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (Senatsurteil vom 24. Februar 1983 - VI ZR 191/81, BGHZ 87, 38, 41, juris Rn. 10 mwN; BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084 Rn. 5). Die Vorschrift erfasst grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch wenn dieser mit dem Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. "Sache" im Sinne von § 849 BGB ist dabei auch Geld in jeder Form (BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, aaO Rn. 4 ff. mwN). Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, ist § 849 BGB aber nicht zu entnehmen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, NJW 2018, 2479 Rn. 45).

Vorliegend steht einer Anwendung des § 849 BGB schon der Umstand entgegen, dass die Klägerin als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 28. August 2019 - 5 U 1218/18, juris Rn. 136; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 - 13 U 149/18, juris Rn. 97; OLG Celle, Urteil vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris Rn. 72 f. mwN). Zwar hat die Klägerin durch den ungewollten Vertragsschluss einen Schaden erlitten, weil dem Fahrzeug eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohte und im Zeitpunkt des Erwerbs für die Klägerin nicht absehbar war, ob überhaupt, wenn ja zu welchem Zeitpunkt und wie - vor allem ohne Nachteil für den Käufer - der Mangel behoben werden kann (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 48 ff.). Gleichwohl war das Fahrzeug im Streitfall aber tatsächlich nutzbar, weil sich die bestehende Gefahr nicht realisierte. Die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte damit den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht nach dem Gesagten nicht dem Normzweck, sondern käme einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Überkompensation gleich. Anders liegt es etwa in Kapitalanlagefällen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084; Urteil vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 Rn. 65), weil dort die Weggabe des Geldes nicht im Hinblick auf eine tatsächliche Nutzung der Gegenleistung erfolgt, sondern typischerweise zur Erzielung einer Rendite, sodass es für den Anspruch aus § 849 BGB nicht auf die Gegenleistung ankommt.


Dass sich die Klägerin die tatsächliche Fahrzeugnutzung im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss, rechtfertigt entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen (etwa OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 - I-4 U 219/19, juris Rn. 157 f.; Klöhn ZIP 2020, 341, 350) und vom Berufungsgericht geteilten Auffassung keine andere Beurteilung. Der kompensierende Leistungsaustausch (Geld gegen Fahrzeug), der zur Unanwendbarkeit des § 849 BGB führt, fand unabhängig davon statt, ob und in welchem Ausmaß das Fahrzeug später tatsächlich genutzt wurde; maßgebend ist hier die Möglichkeit der Nutzung. Die Klägerin war bereit, für das Fahrzeug nicht nur den Kaufpreis hinzugeben, sondern auch auf dessen rentierliche Nutzung während des Fahrzeugbesitzes zu verzichten.

Auch das weitere Argument des Berufungsgerichts, für § 849 BGB könne nichts anderes gelten als für sonstige gesetzliche Zinsansprüche, die vom Empfang einer Gegenleistung unabhängig seien, greift nach Auffassung des erkennenden Senats nicht. Der Anspruch aus § 849 BGB betrifft eine spezielle Situation und Interessenlage. Eine Gleichbehandlung mit anderen Zinsansprüchen ist nicht geboten.




Vor dem Hintergrund der uneingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des erlangten Fahrzeugs kommt schließlich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Klägerin auch keine Verzinsung eines Teils des Kaufpreises - etwa in Höhe eines wirtschaftlichen Minderwerts des Fahrzeugs - in Betracht.

b) Ein Zinsanspruch bereits ab Kaufpreiszahlung besteht auch nicht unter Verzugsgesichtspunkten. Eine verzugsbegründende Mahnung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht jedenfalls für die Zeit vor dem 23. April 2018 nicht festgestellt und wird von der Klägerin in der Revisionserwiderung auch nicht geltend gemacht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung liegen auch keine besonderen Gründe vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien den sofortigen Verzugseintritt ohne Mahnung rechtfertigen würden, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB. Insbesondere ist der Streitfall mit den unter der Bezeichnung "fur semper in mora" erörterten Sachverhaltskonstellationen nicht vergleichbar. Schließlich ist auch die Fallgruppe der sogenannten "Mahnungsvereitelung" (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 171/10, NJW 2011, 2871 Rn. 19 f.) entgegen der Revision der Klägerin nicht einschlägig. Die Beklagte hat den Zugang einer Mahnung nicht gezielt verhindert. Dass die Klägerin ihren Anspruch zunächst nicht kennen konnte, weil die Abschalteinrichtung verborgen war, genügt insoweit nicht.

3. Begründet ist die Revision der Beklagten auch insoweit, als sie sich gegen die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung wendet, die Beklagte sei zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden aus dem Fahrzeugerwerb verpflichtet.

Ein auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteter Feststellungsantrag kann nur dann Erfolg haben, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (Senatsurteil vom 17. Oktober 2017 - VI ZR 423/16, BGHZ 216, 149 Rn. 49). Dabei kann die Möglichkeit ersatzpflichtiger künftiger Schäden ohne Weiteres zu bejahen sein, wenn ein deliktsrechtlich geschütztes absolutes Rechtsgut verletzt wurde und bereits ein Schaden eingetreten ist. Im Streitfall haftet die Beklagte aber nicht wegen der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts, sondern wegen der sittenwidrigen vorsätzlichen Herbeiführung eines ungewollten Vertragsschlusses. Der in dem Vertragsschluss selbst liegende Schaden wird bereits von der Verurteilung der Beklagten zur Kaufpreiserstattung erfasst. Welche weiteren Schäden aus dem Fahrzeugerwerb die insoweit darlegungsbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 197/12, NJW-RR 2015, 626 Rn. 12, 14) Klägerin befürchtet, ob solche Schäden möglich sind und ob auch insoweit die materiellen Haftungsvoraussetzungen des § 826 BGB (oder einer anderen Anspruchsgrundlage) erfüllt wären, lässt sich weder dem Berufungsurteil noch dem darin in Bezug genommenen Urteil des Landgerichts entnehmen. Die pauschale, auf das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bezogene Aussage des Landgerichts, im Hinblick auf die Weiternutzung des Fahrzeugs oder des Software-Updates seien weitere Schäden möglich, genügt insoweit nicht.

4. Zu Recht rügt die Revision der Beklagten schließlich, das Berufungsgericht hätte nicht feststellen dürfen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet. Im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, hat die Klägerin ihr Angebot zur Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an unberechtigte Bedingungen geknüpft, nämlich an eine Erstattung des vollen Kaufpreises zuzüglich Zinsen seit Kaufpreiszahlung. Damit befindet sich die Beklagte jedenfalls nicht mehr im Annahmeverzug (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 85 mwN; zur Beendigung des Annahmeverzugs durch Rücknahme eines Angebots vgl. Feldmann in Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 293 Rn. 32; Lorenz in BeckOK-BGB, 54. Ed., § 293 Rn. 15 mwN).

II.

Auch die Revision der Klägerin hat nur zum Teil Erfolg.

1. Bereits unzulässig ist sie, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten wendet. Denn das Berufungsgericht hat den Freistellungsanspruch mit einer selbständigen Begründung verneint. Mit dieser setzt sich die Revision der Klägerin nicht auseinander, sodass es insoweit an der notwendigen Begründung gemäß § 552 Abs. 1, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO fehlt.

2. Begründet ist die im Übrigen zulässige Revision der Klägerin zum einen insoweit, als der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises in Höhe eines den zuerkannten Betrag von 3.005,98 EUR um 2.073,13 EUR übersteigenden Betrags abgewiesen worden ist.



a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der gemäß § 249 Abs. 1 BGB mit dem Vertragsschluss und der Zahlung des Kaufpreises entstandene Kaufpreiserstattungsanspruch der Klägerin im Wege der Vorteilsanrechnung um die von der Klägerin gezogenen Nutzungsvorteile zu reduzieren ist. Die mit der Revision der Klägerin erhobenen Einwände, mit der Vorteilsanrechnung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, das Gebot unionskonformer Rechtsanwendung verletzt, die Beklagte unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 64 ff.).
b) Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist das Berufungsgericht ersichtlich von folgender Berechnungsformel ausgegangen:

   [folgt eine für die laufende Wiedergabe im Smartphone zu breite Abbildung, die durch Anklicken in einem neuen Tab geöffnet wird]

Diese Berechnungsmethode ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es entgegen der Revision der Beklagten nicht geboten, den Nutzungsvorteil anhand des Wertverlustes zu bestimmen, den ein anderes, hypothetisch von der Klägerin erworbenes Fahrzeug erlitten hätte (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 78 ff.). Auch die vom Berufungsgericht im Rahmen der tatrichterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO in die Berechnung eingestellten Werte (erwartete Gesamtlaufleistung von 200.000 km, Laufleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von 143.443 km) sind revisionsrechtlich hinzunehmen; es fehlt insoweit bereits an einem tauglichen Revisionsangriff (§ 559 Abs. 2 ZPO).

c) Dem Berufungsgericht ist allerdings bei der Anwendung der genannten Berechnungsformel ein Fehler unterlaufen. Es hat bei der Ermittlung der gefahrenen Strecke versäumt, die Laufleistung im Erwerbszeitpunkt (23.085 km) von der Laufleistung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (143.443 km) abzuziehen, weshalb es den von ihm berechneten Nutzungsvorteil pro Kilometer nicht für 143.443 km, sondern nur für 120.358 km in Ansatz hätte bringen dürfen.



3. Zum anderen ist die Revision der Klägerin auch insoweit begründet, als das Berufungsgericht Prozesszinsen nur aus dem im Urteil in der Hauptsache zuerkannten Betrag zugesprochen hat. Dabei hat es übersehen, dass die Klägerin nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ihre Gesamtfahrleistung mit dem erworbenen Fahrzeug im Zeitraum zwischen Fahrzeugerwerb und Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung von insgesamt 120.358 Kilometern gleichmäßig erbracht hat. Sie hat die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile mithin zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erlangt. Der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag lag mithin bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der schließlich zuzusprechende Betrag und hat sich dann sukzessive auf den schließlich zuzuerkennenden Betrag ermäßigt.

III.



Gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO war das Berufungsurteil im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Befassung wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben, den - im berichtigten Urteil übergangenen - Antrag der Klägerin auf Zahlung von Zinsen für den Zeitraum vom 1. bis 15. Juni 2018 zu verbescheiden.

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