Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Potsdam Urteil vom 16.11.2018 - 6 O 462/17 - Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs bei Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Fahrzeughersteller

LG Potsdam v. 16.11.2018: Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs bei Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Fahrzeughersteller




Das Landgericht Potsdam (Urteil vom 16.11.2018 - 6 O 462/17) hat entschieden:

   Die Voraussetzungen des Schadensbegriffs von § 826 BGB liegen im Fall eines Kaufvertrages über ein vom so genannten VW-Abgasskandals betroffenen Fahrzeugs vor. Der Käufer ist durch ein haftungsbegründendes Verhalten des Herstellers zum Abschluss des Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte.

Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:


Der Kläger begehrt im Wege des großen Schadensersatzes Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein vom so genannten VW- Abgasskandals betroffenen Fahrzeuges.

Der Kläger kaufte mit der von der Beklagten zu 1 angenommenen "Verbindlichen Volkswagen- Bestellung" vom 28. April 2014 den im Tenor näher bezeichneten, von der Beklagten zu 2 hergestellten Pkw unter Inzahlunggabe eines gebrauchten Pkw zu einem Endpreis von 38.155 €. Das Fahrzeug ist mit einem VW- Dieselmotor des Typs EA189 versehen.

Im November 2016 ließ der Kläger das von der Beklagten zu 2 angebotene Softwareupdate aufspielen.

Mit Anwaltsschreiben vom 30. August 2017 forderte der Kläger von der Beklagten zu 1 die Rückabwicklung des Kaufvertrages durch Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 10. September 2017; am Folgetag sandte er ein wortlautgleiches Schreiben an die Beklagte zu 2. Die Beklagte zu 1 antwortete unter dem 11. September 2017, jedenfalls seit dem Aufspielen des Softwareupdates sei das Auto nicht mehr beanstandungswürdig; auch vorher aber habe schon kein Mangel vorgelegen. Entsprechendes teilte die Beklagte zu 2 unter dem 17. Oktober 2017 mit und bedauerte, dem Wunsch nach Rückgabe des Fahrzeuges nicht entspreche zu können.

Der Kläger ist der Auffassung, das Fahrzeug sei mangelhaft. Es täusche auf dem Prüfstand eine im realen Betrieb nicht erfolgende Abgasreinigung vor und entspreche daher nicht dem, was er als Käufer habe erwarten können. Einer Frist zur Nacherfüllung sei ihm wegen der Störung des Vertrauensverhältnisses und auch wegen der nicht absehbaren Zeitdauer bis zum Softwareupdate unzumutbar gewesen. Auch sei unklar, ob das Update den Mangel ohne andere Nachteile für das Fahrzeug beseitige. Der Beklagten zu 1 sei als Vertragshändlerin das spätestens seit 2007 bei der Beklagten zu vorhandene Wissen um die manipulierende Software zuzurechnen; sie erwecke den Eindruck einer sehr engen Verbindung mit der Beklagten zu 2. Der sonst nicht abgeschlossene Vertrag sei der ihm entstandene Schaden. Er schulde als Verbraucher keinen Nutzungsersatz. Die Beklagte zu 2 hafte wegen Eigentumsverletzung. Die Manipulation an der Abgasreinigung lasse die Straßenzulassung des Fahrzeugs entfallen.

Das Fahrzeug weise nunmehr einen Kilometerstand von ca. 51.000 km auf.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 38.155,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. September 2017, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw "Passat Variant 'Business Edition' BM Techn. 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) 6- Gang- Doppelkupplungsgetriebe DSG, 103 kW Deep Black Perleffekt, Schwarz/Schwarz/Schwarz/Perlgrau" mit der Fahrzeug- Ident- Nr. ....



Die Beklagte beantragen jeweils,

   die Klage abzuweisen.




Die Beklagte zu 1 ist der Auffassung, das Fahrzeug sei schon vor dem Softwareupdate der Motorsteuerung nicht mangelhaft gewesen, das jedenfalls – nach entsprechender behördlicher Zulassung – den Grund für Rücktritt bzw. Schadensersatz beseitigt habe ohne Nachteile für den Motor oder seinen Verbrauch. Es sei stets gebrauchstauglich und technisch sicher gewesen und entspreche der Abgasnorm EU5, so dass es auch in Umweltzonen benutzt werden könne. Die Zulassung sei unabhängig von den realen und abhängig nur von den Abgaswerten unter Laborbedingungen, so dass auch kein Rechtsmangel vorliege. Der Kläger habe keine Frist zur Nachbesserung gesetzt, was aber erforderlich gewesen sei. Zudem habe sie als unabhängige Händlerin den Mangel nicht zu vertreten. Sie habe auch nicht getäuscht, habe sie doch selbst erst über die Medien von der besonderen Motorsteuerungssoftware erfahren; das Wissen der Herstellerin könne ihr nicht zugerechnet werden. Angesichts des geringen mit dem Softwareupdate verbundenen Aufwandes sei die Vertragsrückabwicklung unverhältnismäßig. Jedenfalls habe der Kläger Nutzungsersatz zu leisten. Zinsen seien mangels Annahmeverzug nicht geschuldet.

Die Beklagte zu 2 ist der Auffassung, sie habe den Kläger nicht getäuscht. Sie habe nie erklärt, dass das Fahrzeug im Straßenbetrieb einen bestimmten Schadstoffausstoß habe oder bestimmte Abgasnormen erfülle. Das Kaufinteresse werde durch andere Faktoren bestimmt. Käufer würden Umweltaspekte allenfalls bezogen auf die Einstufung in die Abgasnorm EU 5 und mit Blick auf Befahrbarkeit von Umweltzonen und die Kraftfahrzeugsteuer interessieren. Die öffentlichen Angaben zur Abgasprüfung seien nicht fehlerhaft, da sie sich nur auf den normierten Prüfzyklus bezögen. Die Erteilung der grünen Plakette sei nur von der Typengenehmigung abhängig. Angaben im Verkaufsgespräch oder öffentliche Anpreisungen zu Stickoxiden und Umweltaspekten habe es nicht gegeben. Es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger in Kenntnis der Software vom Kauf Abstand genommen hätte. Ein Schaden sei ihm nicht entstanden, das Fahrzeug habe den beim Kauf vorausgesetzten Wert. Sein Eigentum sei nicht verletzt. Auch eine sittenwidrige Täuschung sei ihr nicht vorzuwerfen. Es fehle schon an einer sittenwidrigen Handlung. Zudem habe der Kläger kein Vorstandsmitglied benennen können, das von der Motorsteuerung gewusst habe. Ihr eine sekundäre Darlegungslast aufzubürden, sei unzumutbar.





Entscheidungsgründe:


I.

Die Klage ist zulässig auch gegen die Beklagte zu 2 vor dem erkennenden Gericht erhoben, deren allgemeiner Gerichtsstand nicht im hiesigen Bezirk liegt. Sie hat sich rügelos eingelassen, § 39 ZPO; zudem besteht für den Vorwurf der deliktischen Schädigung der besondere der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO.

Die Sache ist auch entscheidungsreif im Sinne des § 300 Abs. 1 ZPO. Eine nochmalige Verlängerung der Stellungnahmefrist für die Beklagten unter erneuter Verlegung des Verkündungstermins war nicht veranlasst ungeachtet der allseitig hierauf gerichteten Anträge. Wie den Beteiligten anlässlich der Übersendung des Beschlusses vom 11. Oktober 2018 mitgeteilt worden ist, war eine erneute Fristverlängerung nur für den Fall angezeigt, dass alle drei Beteiligten konkrete Einigungsbemühungen darlegen können. Daran fehlt es. Die "ernsthaften Vergleichsverhandlungen" wurden jeweils nur äußerst pauschal behauptet.

II.

Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist weit überwiegend begründet und lediglich in Höhe der Nutzungen unbegründet, die der Kläger sich anrechnen lassen muss.

Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges beruht auf §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 281 Abs. 2, 323 Abs. 5 Satz 2, 346 Abs. 1 BGB. Danach kann der Käufer, wenn die Kaufsache mangelhaft ist, von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn ihm eine Nacherfüllung nicht zumutbar ist. Im Falle des Rücktritts sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben; dies gilt nicht bei einem geringfügigen Mangel.

1. Das Fahrzeug ist mangelhaft. Der dem Kläger übergebene Neuwagen entsprach nicht dem Leistungsversprechen nach dem zwischen den Parteien auf die Bestellung des Klägers vom 28. April 2014 geschlossenen Kfz- Kaufvertrag. Das Fahrzeug war bei Gefahrübergang mangelhaft jedenfalls gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und S. 3 BGB. Nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand sachmangelhaft, wenn er sich nicht für die gewöhnliche Anwendung eignet oder nicht eine Beschaffenheit aufweist, welche bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Mangelhaft ist der Wagen unbeschadet der Frage des tatsächlichen Schadstoffausstoßes des Fahrzeugs im Echtbetrieb schon deshalb, weil sich der Hersteller eines unzulässigen Abschaltmechanismus für die Messung der Stickoxid- Werte unter Prüfbedingungen bedient hat. Der Käufer eines Fahrzeugs kann im Rahmen der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit eines Neuwagenkaufs in jedem Fall davon ausgehen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassungsfähigkeit seines Fahrzeugs auf rechtmäßigem Wege eingehalten werden, ohne die Verwendung einer manipulierenden Software, die im Rahmen eines Prüflaufstandes einen Modus aktiviert, der nicht dem üblichen Betriebsmodus entspricht und in dem der Stickoxidausstoß reduziert wird. Dass im Fahrzeug des Klägers wie in allen mit dem entsprechenden Aggregat EA189 ausgestatteten Fahrzeugen eine solche manipulierende Software installiert wurde, ist unstreitig. Dass diese auch unzulässig ist, steht zur Überzeugung des Gerichts ausweislich der gerichtsbekannten Dokumente des Kraftfahrt- Bundesamtes fest, das den Hersteller verpflichtet hat, diese unzulässige Abschalteinrichtung unter Einhaltung der entsprechenden Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG zu entfernen. Dieser Mangel lag als produktionsbedingter auch bei Gefahrübergang vor, hier der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (vgl. nur LG Potsdam, Urteil vom 24. November 2017 – 6 O 36/17; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17. Juli 2017 – 13 O 174/16 – LG Hamburg, Urteil vom 07. März 2018 – 329 O 105/17 – je m. w. N.). Die später vorgenommene Modifikation der Motorsteuerung im Auftrag der Beklagten zu 2 ("Software- Update") konnte hieran naturgemäß nicht rückwirkend etwas ändern.

2. a) Das so genannte Software- Update war keine genügende Nacherfüllung.




Denn es hinterlässt jedenfalls die begründete Befürchtung, dass es entweder nicht erfolgreich ist oder mit der Möglichkeit von Folgemängeln verbunden ist. Es ist auch weiterhin nicht auszuschließen, dass die Modifikation der Motorsteuerungs- Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung hat. Denn es stellt sich die Frage, warum ursprünglich der – mit erheblichen Risiken wirtschaftlicher und nicht zuletzt sogar strafrechtlicher Art für hochrangige Vertreter der Beklagten zu 2 verbundene – Aufwand betrieben worden sein soll, eine (zusätzliche) Abschalteinrichtung zu konstruieren, wenn auf legalem und wie nunmehr behauptet wird günstigem Wege ein mangelfreier Zustand hätte erreicht werden können bzw. warum die Beklagte zu 2 nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung des sogenannten Software- Updates unternommen hat. Gerichtsbekannt suchen sowohl die Abschalteinrichtung wie die nunmehrige Modifikation der Motorsteuerung den Zielkonflikt zwischen günstigen Stickoxidwerten und günstigen Kohlendioxidwerten bei gleichbleibenden Verbrauchswerten und Leistungswerten zu lösen. Es besteht der nachvollziehbare Verdacht, dass dieser Zielkonflikt nun zu Lasten eines der anderen Parameter "gelöst" werden soll. Es genügt aber grundsätzlich nicht, einen Mangel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht (vgl. nur LG Potsdam ebd. und LG Frankfurt (Oder) sowie LG Hamburg ebd.).

b) Eine weitere Nacherfüllung ist dem Kläger nicht zumutbar, zumal die Beklagten auch nicht angeben könne, worin diese bestehen soll.

3. Der Kläger hat zwar nicht den Rücktritt erklärt, sondern Schadensersatz begehrt, und zwar im Wege des "großen" Schadensersatzes. Er hat damit aber hinreichend deutlich gemacht, dass er die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt durch Rückgabe des Autos gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Das entspricht den Rechtsfolgen des Rücktritts.

4. Der Rücktritt ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB deshalb ausgeschlossen, weil die Pflichtverletzung unerheblich war.

Selbst unter der Annahme zugunsten des Beklagten, die Kosten der Entwicklung der Software seien – etwa als "sowieso" aufgrund der Anforderungen des Kraftfahrt- Bundesamtes und der die Nachbesserung wünschenden Kunden anfallende Kosten – bei der Bemessung der Kosten, die für die Nachbesserung anfallen, nicht zu berücksichtigen und es stünden daher – von dem Hersteller getragene –Nachbesserungskosten in Höhe von etwa 100 € den vielfachen Kosten für die Neulieferung eines Fahrzeugs gegenüber, fällt die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus.

Der Mangel ist von erheblicher Bedeutung. Selbst unter der Annahme, dass eine Verwendungseinschränkung des Fahrzeugs weder bis zum sogenannten Software- Update noch seitdem besteht und die Mangelbeseitigung lediglich – vom Hersteller übernommene – 100 € kosten würde, ist der Mangel erheblich. Denn im Rahmen dieser indiziellen Bedeutung müsste neben den Kosten für die Entwicklung auch der erhebliche für die Entwicklung und Zulassung des Software- Updates erforderliche zeitliche Aufwand von mehr als einem Jahr berücksichtigt werden, der schon für sich eine Unerheblichkeit ausschließt. Hinzu kommt der erwähnte Mangelverdacht und die naheliegende Möglichkeit eines fortbestehenden Minderwerts des Fahrzeugs.

5. Die Beklagte zu 1 hat dem Kläger im Ergebnis den erhaltenen Kaufpreis als das Erlangte im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB herauszugeben. Dieser hat indes im Gegenzug die von ihm gezogenen Nutzungen zu vergüten, § 346 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 BGB. Der vom Kläger herangezogene Ausschluss gemäß § 474 Abs. 5 BGB in der bis Ende 2017 geltenden Fassung betrifft allein den Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchsgüterkäufers, nicht die Rücktrittsfolgen.

Der Kläger muss sich daher gezogene Nutzungen in Höhe von 7.783,62 € anrechnen lassen. Die Berechnung des Nutzungsvorteils erfolgt, indem der Bruttokaufpreis in Höhe von 38.155 € mit den gefahrenen Kilometern multipliziert und das Produkt durch die bei Vertragsschluss zu erwartende Restlaufleistung des Fahrzeugs dividiert wird. Die gefahrenen Kilometer ergeben sich aus der Differenz des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von 51.00 km – die Beklagte als Darlegungsverpflichtete ist dem nicht einmal substantiiert entgegen getreten – zum Anfangsstand von 0 km. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung des in Rede stehenden Mittelklassewagens schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. Otting, in: Buschbell, Straßenverkehrsrecht, Teil F. Vertragliche Beziehungen im Verkehrsrecht – Verkehrsvertragsrecht § 39 Der Pkw- Kauf Rdnr. 258 f), so dass sich der genannte Wert der gezogenen Nutzungen ergibt (38.155 x 51.000 : 250.000).

Die Zinsen sind als Verzugsschaden gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3 und 288 Abs. 1 BGB geschuldet.

6. Weitergehende Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 bestehen nicht. Insbesondere steht dem Kläger nicht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu. Denn dieser setzte nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB das Vertretenmüssen der Beklagten zu 2 als Verkäuferin voraus. Hierfür fehlen Anhaltspunkte, insbesondere schon für ihre Kenntnis von den Manipulationen bei Kaufvertragsschluss. Das Wissen der Beklagten zu 2 kann ihr schon deswegen nicht zugerechnet werden, da diese als Herstellerin des Fahrzeugs nicht ihre Erfüllungsgehilfin im Sinne des § 278 BGB ist. Aus der Eigenschaft der Beklagten zu 1 als Vertragshändlerin der Beklagten zu 2 ergibt sich nichts anderes. Das "Näheverhältnis" der Beklagten ist jedenfalls nicht so hoch, dass sich hieraus eine Möglichkeit der Zurechnung ergäbe (ausführlich LG Frankfurt (Oder) ebd.).




III.

Auch die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ist in gleicher Weise begründet und nur in Höhe der Nutzungen unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB zu. Die Beklagte hat den Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zumindest bedingt vorsätzlich geschädigt. Die Beklagte hat, um den Absatz ihrer Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 zu steigern, die Motorsteuerungssoftware in dem dargestellten manipulierenden Sinne programmiert. Dabei hat die Beklagte eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugen aus eigennützigen Motiven, nämlich aus bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen (vgl. hierzu nur LG Potsdam, Urteil vom 8. Juni 2018 zum Az. 6 O 102/18 unter Hinweis etwa auf LG Duisburg, Urteil vom 19. Februar 2018 – 1 O 178/17; LG Heilbronn, Urteil vom 14. März 2018 – 6 O 320/17 – und vom 22. Mai 2017 – 6 O 35/18, je m. w. N.).

1. Der bei den Käufern – und damit auch beim Kläger – entstandene Schaden, der in jeder nachteiligen Einwirkung auf die Vermögenslage besteht, folgt aus der Belastung mit einer bei Kenntnis des Manipulationsvorgangs nicht getroffenen Kaufentscheidung und der damit eingegangenen Kaufpreiszahlungsverpflichtung, die bereits eine Vermögensgefährdung begründet. § 826 BGB schützt nicht nur das Vermögen an sich, sondern setzt bereits bei der Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten an, so dass der Schaden auch in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung bestehen kann. Ein Vermögensschaden ist im Rahmen des § 826 BGB auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung möglich, wenn der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, denn im Fall der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können.

Diese Voraussetzungen des Schadensbegriffs von § 826 BGB liegen im streitgegenständlichen Fall vor. Der Kläger ist durch ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zum Abschluss des Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte.

Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten folgt aus der gezielt manipulativen Programmierung der Motorsteuerungssoftware. Hierbei handelt es sich wie erwähnt auch nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamtes um eine "unzulässige Abschaltvorrichtung". Im Ergebnis ist der Kläger zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten weder darauf an, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendete Software einen Wertverlust erlitten hat, noch darauf, ob das streitgegenständliche Fahrzeug verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller tatsächlich emissionsarm und kraftstoffsparend ist. Ebenfalls dahin gestellt bleiben kann die formale Frage, ob die Angaben über die Emissionswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs zutreffend waren oder nicht. Auch die zwischen den Parteien streitige Frage, welche Faktoren und Informationen im Einzelnen für den Kläger kaufentscheidend gewesen sind, muss nicht aufgeklärt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Frage an, ob der Kläger das Fahrzeug (zu demselben Preis) auch dann gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs die EG- Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte das Testverfahren mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung manipuliert hatte. Dass diese Frage zu verneinen ist, liegt auf der Hand. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG- Typengenehmigung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben, selbst wenn mit dem Fahrzeug weder eine Wertminderung noch nachteilige Emissionswerte verbunden sind. Die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers – und damit auch des Klägers – erstrecken sich darauf, dass das erworbene Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und diese nicht durch illegale Mittel erreicht worden sind.

Dass auch die Beklagte selbst hiervon ausgehen musste, lässt sich ohne weiteres aus dem Umstand ableiten, dass die Manipulation des Genehmigungsverfahrens verheimlicht wurde und die Beklagte nach Bekanntwerden ihr Bedauern über dieses Vorgehen zum Ausdruck gebracht hat. Es steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger durch haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten, welches in der Verheimlichung des Manipulationsvorgangs zu sehen ist, zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass damit ein Vermögensschaden im Sinne des § 826 BGB beim Kläger vorliegt.

2. Diesen Schaden hat die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt.




Unter einer gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltensweise versteht man eine Handlung, die nach dem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies setzt eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens voraus, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann.

Diese Anforderungen erfüllt das Verhalten der Beklagten, die selbst eingeräumt hat, dass die Motorsteuerungssoftware in dem streitgegenständlichen Fahrzeug so programmiert war, dass sie erkannte, wenn das Fahrzeug sich im Prüfstand befand, um dann ein speziell nur für den Prüfzyklus vorgesehenes Abgasrückführungsverfahren einzuleiten. Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten folgt hier nach Überzeugung des Gerichts aus dem Umstand, dass die Beklagte die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs gezielt so programmiert hat, dass der Eindruck entsteht, dass das Fahrzeug geringere Stickstoffemissionen aufweist, als es im regulären Fahrbetrieb tatsächlich der Fall ist. Hierbei kommt es nach Überzeugung des Gerichts nicht entscheidend darauf an, dass – wie die Beklagte vorträgt – die erteilte EG- Typengenehmigung wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt ist, dass die in den Herstellerangaben angegebenen Werte, die unter Laborbedingungen gemessen werden, nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich ist im Sinne von § 826 BGB ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand. Auch wenn der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, dass es für die EG- Typengenehmigung auf die Laborwerte ankommt und allgemein bekannt ist, dass die Emissionsangaben der Hersteller unter Laborbedingungen gemessen werden, erfasst das von der Beklagten angeführte Allgemeinwissen nur die Kenntnis, dass die im Labor gemessenen Grenzwerte unter anderen äußeren Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können, nicht jedoch die Kenntnis, dass die Laborwerte im Normalbetrieb (auch) deswegen nicht erreicht werden, weil das Fahrzeug dann ohne Wissen des Verbrauchers in einen anderen Betriebsmodus schaltet und der Abweichung der Emissionswerte zwischen Test- und Normalbetrieb eine nur zu diesem Zweck eingebaute Manipulationssoftware zugrunde liegt. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch daran, dass das Fahrzeug selbst andere Eigenschaften aufweist, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wurden, und die zur Folge haben, dass die Laborwerte auch ansatzweise nichts mehr mit dem Realwerten auf der Straße zu tun haben.


Die darüber hinaus für § 826 BGB nötige besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte die Manipulation in einer Vielzahl von Fällen bzw. in einer ganzen Motorserie vorgenommen hat. Die Beklagte ist größter Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen des Genehmigungsverfahrens geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte vorträgt, dass solche Auswirkungen tatsächlich nicht messbar seien, so kann dieser Umstand als erfreulich gewertet werden, ändert aber nichts daran, dass die Beklagte ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls ihrem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten eigenen Gewinnstreben untergeordnet hat und damit verwerflich handelte.

Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. Hierbei kann die Beklagte sich nicht damit entlasten, dass der Kläger letztlich nicht getäuscht worden sei, da das Fahrzeug technisch einwandfrei funktioniere, die gesetzlich vorgesehenen Grenzwerte für die EG- Typgenehmigung einhalte und ein Widerruf der Genehmigung nicht drohe. Irrelevant ist nach Überzeugung des Gerichts auch an dieser Stelle die Frage, ob das Fahrzeug tatsächlich keinen höheren Schadstoffausstoß hat bzw. die Frage, ob tatsächlich ein wirtschaftlicher Minderwert des Fahrzeugs vorhanden ist. Die Sittenwidrigkeit folgt vor allem daraus, dass die Manipulation heimlich vorgenommen wurde mit dem Ziel, eine Zulassung durch Täuschung zu erwirken. Wenn die Beklagte hier argumentiert, dass das Ziel der Gewinnmaximierung nicht zu beanstanden sei, so kann dies auch aus eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht für denjenigen gelten, der dieses Ziel mit illegalen Mitteln, Manipulation und Täuschung verfolgt, um sich Sondervorteile auch gegenüber anderen Autoherstellern zu verschaffen, die sich solcher illegaler Methoden nicht bedienen.

Ebenfalls verwerflich ist es, dass die Beklagte ihr Gewinnstreben über den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzte, da der tatsächliche Schadstoffausstoß bei Betrieb der PKWs im Straßenverkehr deutlich höher liegt als während des Durchlaufens des Prüfzyklus.

3. Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch zuzurechnen. Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon ist aber für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, trotz Hinweises der Klägerseite hierauf nicht nachgekommen. Die Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast der Beklagten hat zur Folge, dass davon auszugehen ist, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter alle Elemente des objektiven und subjektiven Tatbestandes des § 826 BGB verwirklicht hat.

a. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft sie eine entsprechende sekundäre Darlegungslast. Die Beklagte selbst weist zutreffend darauf hin, dass eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.

Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Die Beklagte hingegen hat jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem Kläger zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können.

Hinzu kommt, dass es vorliegend um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie in einem Weltkonzern geht. Einer solchen Manipulationsstrategie immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB in einem Weltkonzern vorgenommen und hierbei zugleich naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen sittenwidrigen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, kann es nicht Aufgabe des Geschädigten sein, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgen darzulegen.


Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte im streitgegenständlichen Fall gegen die ihr obliegende sekundäre Darlegungslast nicht mit Erfolg argumentieren, dass diese angesichts der von ihr bestrittenen Kenntnis der Vorstandmitglieder letztlich zu einer gänzlichen Umkehrung der Regelungen zur Darlegungslast führt, weil die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nunmehr zu einer negativen Tatsache – nämlich der nicht vorhandenen Kenntnis von Vorstandsmitgliedern – vortragen müsse, obwohl selbst im Rahmen der primären Darlegungslast für den Vortrag zu negativen Tatsachen Erleichterungen gelten. Wenn die Beklagte sich darauf beruft, Erleichterungen müssten erst recht greifen, wenn sie nur im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu negativen Tatsachen vortragen müsse, vergisst sie, dass Anknüpfungspunkt für die sekundäre Darlegungslast konzerninterne Vorgänge sind, die von ihr bewusst verschleiert wurden mit dem Ziel, sich im Wege der Manipulation Sondervorteile zu verschaffen. In dieser Konstellation kommen Erleichterungen der sekundären Darlegungslast unter dem rechtlichen Anknüpfungspunkt des Vortrags zu negativen Tatschen nicht in Betracht, weil dem Geschädigten die Aufdeckung der bewusst verschleierten internen Zurechnung nicht zugemutet werden kann und die Beklagte andernfalls von ihrer erfolgreichen Verschleierungstaktik noch prozessual profitieren würde.

Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass der Vorstand von der gezielten Verwendung der Softwaresteuerung für zwei Betriebsmodi Kenntnis hatte. Denn es gehört zur zentralen Aufgabe des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß (sogenannte "Compliance") zu organisieren und zu führen. Im Hinblick auf die aktienrechtlichen Pflichten muss angenommen werden, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ- Prüfstand erscheint – auch unter Berücksichtigung des bei Entwicklung gegebenen Blickwinkels – als eine derart wesentliche Entscheidung. Wenn die Entwicklung einer Elektroniksteuerungssoftware mit einem größeren finanziellen Aufwand verbunden ist, müssen hierfür auch entsprechende Budgets in Anspruch genommen sein.

Der Beklagten ist es auch ohne weiteres möglich, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer: mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte der Kläger weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen.

b. Ihrer bestehenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Angesichts des Zeitablaufs seit Entdeckung der Softwaremanipulation ist der Vortrag, die Beklagte habe das ihr Mögliche unternommen, um den Behauptungen des Klägers entgegenzutreten, unzureichend. Damit dass die Beklagte sich darauf beschränkt zu behaupten, die Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse ergeben, dass ein Vorstand (im aktienrechtlichen Sinn) Kenntnis von der Manipulation gehabt hat, kann sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügen. Dieser Vortrag ist inhaltsleer und nicht nachprüfbar für die Klägerseite. Der Sinn der sekundären Darlegungslast besteht jedoch darin, der beweisbelasteten Partei weiteren Vortrag zu ermöglichen. Wenn die Beklagte aber nicht darlegt, welche Erkenntnisse im Hinblick auf die interne Verantwortlichkeit die Ermittlungen ergeben haben, kann die Klägerseite keinen weiteren Vortrag im Hinblick auf die Kenntnisse der entscheidenden Personen bringen.

Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Sie kann sich hierbei auch nicht auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund des Zeitablaufs seit der Motorenentwicklung berufen. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen. Gerade das macht aber die Dokumentation der entsprechenden Informationen erforderlich. Gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind zudem eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren und ihrer Steuerung für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen im Raum steht. Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teil des Vorstands getroffen wurde.

Der Vortrag der Beklagten, sie "kläre gerade die Umstände auf", wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei; hierfür habe sie unter anderem die Kanzlei Jones Day mit einer Untersuchung beauftragt und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA 189 EU in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, ist unzureichend und genügt dem § 138 Abs. 1 ZPO mit Blick auf die sekundäre Darlegungslast nicht. Der Vortrag lässt bereits nicht erkennen, welche Ermittlungen angestellt und welche Ergebnisse sie bisher zu Gunsten der Beklagten erbracht hätten. Angesichts des Zeitablaufs seit der Entdeckung besteht vielmehr der Eindruck von wenig dringlichen Untersuchungen. Dies gilt insbesondere vor dem aufgezeigten Hintergrund, dass es sich um eine wesentliche strategische Entscheidung handelt, zwei Betriebszyklen zu etablieren zur Ausnutzung der Möglichkeit einer Typengenehmigung im standardisierten Prüfverfahren im Abgrenzung zum sonstigen Betriebszyklus.



4. Die Beklagte handelt auch vorsätzlich. Erforderlich hierfür ist im Rahmen von § 826 BGB die Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände. Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Auf die Kenntnis von der Person des Geschädigten verzichtet die Rechtsprechung. Da hier die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware alleine mit dem Ziel eingebaut wurde, das Genehmigungsverfahren zum Vorteil der Beklagten unzulässig zu beeinflussen und potentielle Käufer hierüber in Unkenntnis zu lassen, ist der Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der für den Tatbestand des § 826 BGB relevanten objektiven Tatsachen zu bejahen.



5. Als Rechtsfolge ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Hierbei ist der Schaden nach der Differenzmethode durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem im Zeitpunkt der Schadensberechnung vorhandenen Vermögen des Geschädigten und dem Vermögen, das der Geschädigte ohne das schädigende Verhalten gehabt hätte, zu berechnen. Bei der Differenzberechnung kommen die allgemeinen Grundsätze der Schadenszurechnung und der Vorteilsausgleichung zur Anwendung. Zu solchen in die Differenzrechnung einzustellenden Vorteilen gehört auch der Wert der von dem Geschädigten vor der Rückgabe der mangelhaften Gegenleistung aus dieser gezogenen Nutzungen. Entgegen der Ansicht des Klägers spielt es keine Rolle, dass die Beklagte zu 2 den Vorteilsausgleich nicht selbst ausdrücklich als Einrede geltend gemacht und beziffert hat. Bei der Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs handelt es sich um eine Rechtsfrage, die, da der Vortrag dazu unstreitig war, von Amts wegen zu berücksichtigen war.

Der Kläger muss sich daher die von ihm gezogenen Nutzungen in der oben dargestellten Höhe auch gegenüber der Beklagten zu 2 anrechnen lassen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Streitwertbemessung beruht auf § 43 Abs. 1 GKG.

- nach oben -



,
Datenschutz    Impressum