Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 15.12.1967 - 4 StR 441/67 - Zum Gefährdungsvorsatz in § 315b StGB

BGH v. 15.12.1967: Zum Gefährdungsvorsatz in § 315b StGB




Der BGH (Urteil vom 15.12.1967 - 4 StR 441/67) hat entschieden:

  1.  Mit Gefährdungsvorsatz im Sinne von StGB § 315b handelt, wer die Umstände kennt, welche die Schädigung eines der in StGB § 315b Abs 1 bezeichneten Rechtsgüter als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und den Eintritt der Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf nimmt.

  2.  Wer die von ihm verursachte, einen anderen bedrohende Gefahr bewußt als Mittel einsetzt, um den andern zum Ausweichen oder einer ähnlichen Schutzmaßnahme zu nötigen, gefährdet vorsätzlich.


Siehe auch
Bedingter Vorsatz - dolus eventualis
und
Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten

   des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Hindernisbereiten (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und 4 i. V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit fortgesetztem Widerstand gegen die Staatsgewalt,

des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch ein ähnliches, ebenso gefährliches Verhalten (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 und 4 i. V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit Widerstand gegen die Staatsgewalt

und

der fortgesetzten fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit am Steuer (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Fahren ohne Führerschein

für schuldig befunden.

Wegen dieser sämtlich im Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit begangenen Straftaten hat es ihn zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von drei Jahren entzogen.

I.

Die Jugendkammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

In der Nacht zum 7. Februar 1966 beschloß der damals 16 Jahre alte Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis der Klasse 3 besitzt, nach reichlichem Alkoholgenuß, mit dem Volkswagen seiner Mutter nach Hamburg zu fahren, um sich dort im Hafen Arbeit zu suchen. Gegen 0.30 Uhr verließ er in Albachten, kurz vor Münster, die Autobahn über eine zur Bundesstraße 51 führende Behelfsabfahrt. Dabei bemerkte er die an der Einmündung angebrachte, Rotlicht zeigende Verkehrsampel zu spät und fuhr durch. Nach etwa 80 m stellte sich ihm, der seine Geschwindigkeit inzwischen auf etwa 50 km/h erhöht hatte, der Polizeibeamte B... auf der Mitte der Fahrbahn in den Weg und gab ihm mit einem rotleuchtenden Anhaltestab Haltzeichen. Kurz vor dem Polizeibeamten hatte bereits ein anderer Personenkraftwagen an der rechten Fahrbahnseite angehalten. Um diesem Fahrzeug auszuweichen, scherte der Angeklagte, der den Polizeiposten nach seiner unwiderlegten Einlassung nicht bemerkt hatte, wenige Meter vorher zur Fahrbahnmitte aus und fuhr auf B... zu. Dieser mußte vor dem auf wenige Meter herangekommenen Fahrzeug zur Seite springen, um nicht überfahren zu werden. Der Angeklagte nahm ihn und das am Straßenrand abgestellte Polizeifahrzeug erst in dem Augenblick wahr, als er in sehr geringem Abstand an ihm vorbeifuhr, glaubte jedoch, es handele sich um einen Sanitäter und um einen Krankenwagen, und fuhr mit zügiger Geschwindigkeit weiter.

B... und sein Kollege W... nahmen sofort die Verfolgung auf, überholten den Angeklagten nach wenigen Kilometern in der Nähe von Bösensell und bedeuteten ihm mit dem Anhaltestab anzuhalten. Nunmehr wurde ihm das vorausgegangene Geschehen klar. Aus Furcht, wegen seiner strafbaren Handlungen und seiner Flucht aus dem Elternhaus zur Rechenschaft gezogen zu werden, entschloß sich der Angeklagte nunmehr zu flüchten, um unerkannt zu entkommen. Er ließ sein Fahrzeug ausrollen, fuhr jedoch, als die Polizeibeamten am rechten Fahrbahnrand angehalten hatten, in einem Bogen an dem Streifenwagen vorbei und versuchte, unter größtmöglicher Beschleunigung zu entfliehen. Dabei hielt er zumeist die Fahrbahnmitte ein, um die ihm sogleich nachsetzenden Beamten nicht vorbeizulassen. Vor Dülmen machte B... einen Überholversuch; der Angeklagte beobachtete im Rückspiegel, daß das Polizeifahrzeug nach links ausgeschert war und zum Überholen ansetzte. Noch bevor B... zu ihm aufgeschlossen hatte, steuerte der Angeklagte nach links, versperrte so dem Streifenwagen den Weg und pendelte anschließend fortlaufend von der rechten zur linken Fahrbahnseite. Dadurch zwang er in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Fällen entgegenkommende Fahrzeuge, zur Vermeidung eines Zusammenstoßes am Fahrbahnrand anzuhalten oder auf den unbefestigten Seitenstreifen auszuweichen.

In Dülmen, das der Angeklagte teilweise mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h durchraste, wurde er von den Polizeibeamten Sn, M und Ba erwartet, die mit ihrem Streifenwagen über Funk zur Verstärkung herbeigerufen worden waren. Auch sie nahmen sogleich die Verfolgung auf und holten den Angeklagten in der Nähe von Hausdülmen ein. Während der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h fuhr, setzte M zum Überholen an. Das bemerkte der Angeklagte, als sich der Streifenwagen mit der Vorderfront bereits in Höhe des linken hinteren Kotflügels seines Fahrzeugs befand. Er zog seinen Wagen sofort nach links und drängte das Polizeifahrzeug so weit ab, daß dieses mit den linken Rädern auf den ca. 1,5 m breiten unbefestigten und in Abständen von 50 m mit 1 m hohen Betonstäben bestandenen Randstreifen geriet. Nur mit Mühe vermochte M den Wagen abzufangen. Von weiteren Überholversuchen sah er daraufhin ab und beschränkte sich auf die Verfolgung des Flüchtenden.

Am Ortseingang von Haltern hatten die Polizeibeamten Hö und Fr, die inzwischen ebenfalls Befehl zum Einsatz gegen den Angeklagten erhalten hatten, mit einem Polizeiunfallwagen eine Sperre gebildet. Um 0.50 bis 0.55 Uhr sahen sie das Fahrzeug des Angeklagten auf der zuvor über 700 bis 800 m geradlinig verlaufenden leicht abfallenden Straße von weitem herankommen. Der Angeklagte fuhr zu dieser Zeit mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h. Fr stellte sich in der Nähe der Mittellinie auf die Straße und gab dem Angeklagten, als dieser auf 300 bis 400 m herangekommen war, mit einer gelbleuchtenden Handwarnlampe durch kreisende Bewegungen Haltzeichen und hielt ihm eine rotleuchtende Taschenlampe entgegen. Obwohl der Angeklagte ihn aus einer Entfernung von über 100 m bemerkt hatte, fuhr er mit unverminderter Geschwindigkeit weiter, ohne seine Fahrtrichtung zu ändern, die gerade auf Fr zuführte. Dieser sprang 20 bis 30 m vor dem Fahrzeug zur Seite, worauf der Angeklagte in einem Abstand von 1/2 bis 1 m an ihm vorbeiraste. In Haltern wurde das Fahrzeug des Angeklagten infolge seiner hohen Geschwindigkeit aus einer Kurve getragen. Es durchbrach die Hecke eines Gartens, prallte dort gegen einen Baum und blieb stehen. Eine nach der Festnahme des Angeklagten um 1.38 Uhr entnommene Blutpro B... ergab für die Tatzeit einen Blutalkoholgehalt von 1,38 0/00.




II.

Die Revision des Angeklagten beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung des sachlichen Rechts. Sie hat keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht in der durch § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form erhoben und daher unzulässig.

2. -Die Sachrüge

a) Den Urteilsfeststellungen zufolge hat die Jugendkammer den Angeklagten zu Recht des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, des fortgesetzten Widerstands gegenüber den Polizeibeamten Be, Wi, M, Sn und Ba und des Widerstands gegenüber dem Beamten Fr schuldig befunden.

b) Auch die Annahme, der Angeklagte ha B... vorsätzlich trotz seiner alkoholbedingten unbedingten Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt und dadurch fahrlässig Leib und Leben zuerst des ihn anhaltenden Polizeibeamten Be, dann der ihn mit dem Streifenwagen verfolgenden Beamten Sn, M und Ba ferner der ihm vor Dülmen entgegenkommenden Kraftfahrer, sowie schließlich des sich ihm bei Haltern in den Weg stellenden Zeugen Fr gefährdet, läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Bedenken könnten sich indessen dagegen ergeben, daß die Strafkammer ihn insoweit wegen fortgesetzter fahrlässiger Verkehrsgefährdung verurteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist Fortsetzungszusammenhang bei Fahrlässigkeitstaten ausgeschlossen (vgl. BGHSt 5, 371, 376). Das folgt bereits aus dem für die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs wesentlichen Erfordernis des Gesamtvorsatzes. Im vorliegenden Fall des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB könnte indessen deswegen eine fortgesetzte Handlung möglich sein, weil nur hinsichtlich der Verursachung der bestimmten Gefahr Fahrlässigkeit genügt (Abs. 3 Nr. 1), während im übrigen, hinsichtlich der eigentlichen Tathandlung, Vorsatz erforderlich ist (für die Beurteilung des § 315 c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB als Vorsatztat und die Möglichkeit einer fortgesetzten Verwirklichung: Lackner/Maassen, 4. Aufl., Anm. II 2 a cc vor § 73 und § 315 c Anm. 6 b; Schwarz/Dreher, 29. Aufl., § 315 c Anm. 5 B; Floegel/Hartung, 16. Aufl., § 315 c Rz. 24, § 315 b Rz. 12; Janiszewski in MDR 1967, 229; vgl. auch Begründung des RegE 1962 zum 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs BT-Drucks. IV/651 S. 25, sowie Stellungnahme des Bundesrates, aaO S. 43). Abgesehen davon, daß es den Angeklagten nicht beschweren würde, wenn die Jugendkammer insoweit zu Unrecht ein fortgesetztes Vergehen angenommen hätte, braucht die Frage auch aus einem anderen Grunde nicht entschieden zu werden. Die Strafkammer hat nämlich jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine Handlungseinheit hinsichtlich der verschiedenen Gefährdungen der Polizeibeamten und der entgegenkommenden Kraftfahrer angenommen. Durch die Gefährdung des Zeugen B... bei Albachten hatte der Angeklagte den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB verwirklicht. Dieses Vergehen war damit vollendet; beendet war es dagegen erst mit dem Ende der im Zustand unbedingter Fahruntüchtigkeit vorgenommenen Fahrt, also in Haltern. Das Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a ist eine Dauerstraftat (BGH in VRS 9, 350, 353; Lackner/Maassen aaO § 315 c Anm. 3; Schwarz/Dreher aaO, § 315 c Anm. 3; Schönke/Schröder, 13. Aufl., § 315 c Rz. 43; anderer Auffassung Floegel/Hartung aaO § 315 c Rz. 39, insbesondere Fußnote 1). Die durch die Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Angeklagten verschiedentlich verursachten Gefährdungen der Polizeibeamten und anderen Kraftfahrer bildeten also eine Handlungseinheit.

c) Soweit das Verhalten des Angeklagten gegenüber den ihn verfolgenden Polizeibeamten M, Sn und Ba bei Hausdülmen und seine Handlungsweise gegenüber dem Zeugen Fr bei Haltern in Frage stehen, kann der Schuldspruch in der bisherigen ht bestehen bleiben.

Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, diese Handlungen des Angeklagten würden nicht nur von § 315 c StGB, sondern auch von § 315 b StGB erfaßt. Daß ein Kraftfahrer, der einem anderen Verkehrsteilnehmer mit seinem Fahrzeug im fließenden Verkehr absichtlich den Weg abschneidet, um ihm die Weiterfahrt unmöglich zu machen, auch nach der Neuregelung der §§ 315 ff. StGB durch das 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Hindernis bereitet, hat der Senat erst jüngst im Urteil vom 1. September 1967 – 4 StR 340/67 – (BGHSt 21, 301) entschieden. Des weiteren hat er in dem zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmten Urteil vom 4. Oktober 1967 – 4 StR 356/67 – dargelegt, daß § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB auf den Fall des gezielten Zufahrens auf einen Polizeibeamten, der dem Täter auf der Straße entgegentritt, um ihm die Durchfahrt zu sperren und ihn anzuhalten, anwendbar ist. Bedenken begegnet jedoch die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte ha B... durch sein Verhalten gegenüber den Polizeibeamten bei Hausdülmen den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB erfüllt, durch das bewußte Zufahren auf den Zeugen Fröhlich den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB verwirklicht und sich in beiden Fällen auch gemäß § 315 b Abs. 3 i. V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Die Erschwerung des § 315 b Abs. 3 StGB betrifft nur die vorsätzliche Tat gemäß § 315 b Abs. 1 StGB; sie setzt voraus, daß sich der Vorsatz des Täters nicht nur auf die eigentliche Tathandlung bezieht, sondern auch auf die Verursachung der Gefahr (ebenso die Begründung des Reg. Entw. zum 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, aaO, S. 25; Schwarz/Dreher, aaO, § 315 b Anm. 7 i. V. m. § 315 Anm. 8; Floegel/Hartung, aaO, § 315 b Rz. 12). Das folgt bereits aus dem äußeren Aufbau der Bestimmung des § 315 b StGB. Es ergibt sich ferner aus der anderen Begehungsform des § 315 b Abs. 3 StGB: Wenn der Täter in der Absicht handelt, einen Unglücksfall herbeizuführen (§ 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB), umfaßt sein Vorsatz zwangsläufig die Herbeiführung der Gefahr. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte ha B... in beiden Fällen nur den Tatbestand des § 315 b Abs. 4 StGB verwirklicht, stand daher einer Verurteilung nach § 315 b Abs. 3 StGB entgegen. Indessen beruht die Auffassung von der nur fahrlässigen Gefährdung der Polizeibeamten auf einem Rechtsirrtum.


Das Landgericht verkennt den Begriff des Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB und stellt an ihn Anforderungen, wie sie dem Verletzungs- oder Tötungsvorsatz zukommen. So geht sein Urteil im Falle der Gefährdung des Beamten Fr davon aus, "daß er (der Angeklagte) bei seiner Jugend und Kopflosigkeit zur Tatzeit eine mögliche Körperverletzung oder gar Tötung ... keineswegs billigend in Kauf genommen hat, weil er fälschlich, aber fest davon ausgegangen sein mag, der Zeuge würde ganz sicher rechtzeitig zur Seite springen und ha B... hierzu auch ausreichende Gelegenheit, nicht aber davon, der Zeuge werde möglicherweise nicht oder nicht rechtzeitig vor seinem Wagen wegspringen und dann körperlich verletzt werden oder gar zu Tode kommen" (UA 23). Gestützt auf diese Feststellungen gelangt die Strafkammer zu dem Ergebnis, der Angeklagte ha B... "diese Gefahr für den Zeugen fahrlässig, nicht aber vorsätzlich herbeigeführt". Zur Begründung fügt das Landgericht hinzu: "Er war der festen Überzeugung, der Zeuge werde rechtzeitig zur Seite ausweichen. .... Es scheidet indessen ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz im Sinne des § 211 StGB aus, weil der Angeklagte jedenfalls unwiderlegt nicht mit der Möglichkeit gerechnet hat, der Zeuge würde nicht rechtzeitig ausweichen und dann angefahren werden" (UA 29).

Diese Erwägungen werden dem Begriff des Gefährdungsvorsatzes nicht gerecht. Die Besonderheit der Gefährdungsstraftaten besteht darin, daß nicht erst der Eintritt eines Schadens, sondern bereits der einer Gefahr für ihre Vollendung genügt. Demgemäß braucht sich der Gefährdungsvorsatz im Sinne von § 315 b Abs. 1 StGB nicht auf den Eintritt eines Schadens zu erstrecken, sondern lediglich die Gefährdung, den Eintritt einer Gefahr für die dort bezeichneten Rechtsgüter zu umfassen. Er verlangt, daß der Angeklagte die Umstände kannte, die zu der bestimmten Gefährdung geführt haben, die also die Schädigung eines der in § 315 b Abs. 1 StGB genannten Rechtsgüter als eine naheliegende Möglichkeit erscheinen ließen Hierzu genügt es, daß die gefährdenden Umstände – ohne den Eintritt einer plötzlichen Wendung, etwa durch eine Schutzmaßnahme des Bedrohten – auf einen unmittelbar bevorstehenden Unfall hindeuteten (zum Begriff der Gefahr vgl. BGHSt 18, 271 ff). Darüber hinaus setzt der Gefährdungsvorsatz voraus, daß der Angeklagte den Eintritt der Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf genommen hat. Den Urteilsfeststellungen ist zu entnehmen, daß diese Erfordernisse in beiden Fällen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfüllt sind. Der Angeklagte "erkannte" die Absicht Ms, sein Fahrzeug zu überholen, als dieser "sich bereits mit der Front des Streifenwagens in Höhe des hinteren linken Kotflügels des vom Angeklagten gefahrenen Pkw's" befand. "Darauf zog der Angeklagte seinen Wagen sofort auf die linke Fahrbahnseite und drängte dabei den Funkstreifenwagen so weit zum linken Fahrbahnrand ab, daß dessen linke Räder auf den linken, unbefestigten Randstreifen gerieten. Nur mit Mühe gelang es dem Zeugen M, ... den schlingernden Wagen abzufangen" (UA 13). Zum Vorfall bei Haltern stellt das Urteil fest: "Obgleich der Angeklagte den auf der Straße stehenden Polizeibeamten (Fr) aus über 100 m Entfernung bemerkt hatte, raste er mit unverminderter Geschwindigkeit (ca. 120 km/h) auf ihn zu, ohne seine Fahrtrichtung, die direkt auf den Zeugen zuführte, zu ändern. Als er bis auf 20 bis 30 m zum Zeugen herangekommen war, gelang es diesem, sich durch einen mächtigen Sprung zum westlichen Fahrbahnrand hin vor dem sonst sicheren Überfahrenwerden zu retten" (UA 14). Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte die Gefährdungen jeweils erkannt hat. Er kannte die Umstände, welche die Verletzung oder gar die Tötung der bedrohten Beamten als eine so nahe Möglichkeit besorgen ließen, daß diese nach der Lebenserfahrung eingetreten wäre, wenn M und Fr sich durch ihr Ausweichmanöver nicht in Sicherheit gebracht hätten. Darüber hinaus hat der Angeklagte die Gefährdungen auch jeweils bewußt heraufbeschworen. Dem steht nicht entgegen, daß er nach den Feststellungen des Landgerichts der Überzeugung war, die Beamten würden ihm ausweichen und daher nicht verletzt werden. Er hat das Polizeifahrzeug bei Hausdülmen deshalb von der Fahrbahn nach links auf den Seitenstreifen abgedrängt, um die ihn verfolgenden Beamten gewaltsam am Überholen zu hindern (UA 26 und 28). Auf Fr ist er zugefahren, "um ihn von der Fahrbahn zu verjagen und um dadurch seine Flucht fortsetzen zu können" (UA 29). Damit hat er die von ihm willentlich verursachte Gefahr bewußt als Mittel eingesetzt, um die Bedrohten zu einer von ihm erstrebten Abwehrmaßnahme zu nötigen. Wer sich so verhält, macht sich der vorsätzlichen Gefährdung im Sinne von § 315 b Abs. 1 StGB schuldig.




Da die Strafkammer die Voraussetzungen des § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB zutreffend bejaht hat, hat sie den Angeklagten gemäß § 315 b Abs. 3 StGB im Ergebnis zu Recht verurteilt; jedoch ist der Schuldspruch insoweit dahin zu berichtigen, daß der Angeklagte eines vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Bereiten eines Hindernisses (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB) und eines ähnlichen, ebenso gefährlichen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) schuldig ist.

d) Keinen Bestand kann die Auffassung des Landgerichts haben, die Straftat des Hindernisbereitens (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB) und die des ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) ständen jeweils in Tatmehrheit (§ 74 StGB) zum Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB). Durch seine Fahrweise bei Hausdülmen, durch die er das ihn verfolgende Polizeifahrzeug abdrängte und den Beamten den Weg versperrte, hat der Angeklagte sowohl den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB als auch den des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB verwirklicht. Damit treffen beide Straftaten tateinheitlich (§ 73 StGB) zusammen (RGSt 32, 137, 139; BGHSt 7, 149, 151; Urteil vom 16. Juni 1955 – 4 StR 192/55 –, abgedruckt in DAR 1955, 282). Entsprechendes gilt für das Verhältnis des Dauerdelikts (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB) zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB. Auch hier sind beide Tatbestände durch dassel B... Verhalten, durch das Zufahren auf Fröhlich, verwirklicht worden, so daß auch sie in Tateinheit stehen.

Was das Verhältnis der beiden Eingriffe in den Straßenverkehr zueinander betrifft, so können diese Straftaten zwar durch die minderschweren Dauerstraftaten des Fahrens ohne Führerschein und der fahrlässigen Verkehrsgefährdung nicht zu einer einheitlichen Tat verbunden werden (BGH in VRS 21, 422, 423/424; 22, 121, 124; 28, 359, 360); dennoch liegt auch insoweit, wie hinsichtlich aller von dem Angeklagten verwirklichten Straftaten eine Handlungseinheit vor. Nachdem der Angeklagte bei Bösensell von den Polizeibeamten B... und W... überholt, zum Anhalten aufgefordert worden war und sich entschlossen hatte, ihnen zu entfliehen, hat er sämtliche sodann verübten strafbaren Handlungen im Verlaufe eines einzigen ununterbrochenen Fluchtwegs begangen. Sein gesamtes Verhalten war von einem einheitlichen Handlungswillen getragen; er war von dem Gedanken beherrscht, seinen Verfolgern unerkannt zu entkommen. Zur erfolgreichen Durchführung dieses Planes beging er die anschließenden Straftaten. Die beiden Eingriffe in den Straßenverkehr durch Bereiten eines Hindernisses und durch die Vornahme eines ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs waren nur Teilabschnitte der sich gleichförmig und ununterbrochen in kurzer Zeit abspielenden "Flucht vor der Polizei". Angesichts dieser besonderen Sachlage liegt hinsichtlich aller während der Flucht begangenen Straftaten ein in sich geschlossenes, zusammengehörendes Verhalten, eine natürliche Handlungseinheit vor (BGH in VRS 28, 359, 361; vgl. ferner VRS 13, 135, 136; 29, 185, 187). Da die bereits vor Beginn der Flucht begonnenen Dauerdelikte des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Straßenverkehrsgefährdung mit ihnen tateinheitlich zusammentreffen, ist das Verhalten des Angeklagten insgesamt als eine Handlungseinheit anzusehen.



e) Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden und den Schuldspruch dahin berichtigen, daß der Angeklagte schuldig ist eines Eingriffs in den Straßenverkehr durch Bereiten eines Hindernisses (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB) in Tateinheit mit einem ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB), mit Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 1 StGB), mit fortgesetztem Widerstand gegen die Staatsgewalt und Fahren ohne Fahrerlaubnis.

Die Erwägungen des Landgerichts zur Strafzumessung sind nicht zu beanstanden. Es ist auszuschließen, daß die aufgezeigten Rechtsfehler zum Nachteil des auf Grund von § 31 Abs. 1 JGG einheitlich zu einer Jugendstrafe verurteilten Angeklagten auf die Strafzumessung eingewirkt haben. Darum war die Revision in vollem Umfang zu verwerfen.

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