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Verwaltungsgericht Berlin Urteil vom 28.06.2021 - 1 K 50.19 - Gebühr für das Abschleppen eines kfz ohne Kennzeichen bei einer Leerfahrt

VG Berlin v. 28.06.2021: Gebühr für das Abschleppen eines kfz ohne Kennzeichen bei einer Leerfahrt




Das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 28.06.2021 - 1 K 50.19) hat entschieden:

   Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BerlStrG dürfen Fahrzeuge ohne gültige amtliche Kennzeichen nicht auf öffentlichen Straßen abgestellt werden. Wer dagegen verstößt, hat die Folgen seines Verstoßes unverzüglich zu beseitigen, § 14 Abs. 2 Satz 2 BerlStrG. Kommt der Halter oder Eigentümer dieser Pflicht nicht nach, kann die zuständige Behörde nach Anbringung einer deutlich sichtbaren Aufforderung gem. § 14 Abs. 2 Satz 3 BerlStrG die Beseitigung auf seine Kosten vornehmen lassen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 4 BerlStrG bedarf es dazu weder eines vollziehbaren Verwaltungsaktes noch der förmlichen Androhung eines Zwangsmittels.

0Siehe auch
Abschleppkosten - Kfz.-Umsetzungsgebühren
und
Straßenrecht - Gemeingebrauch - Sondernutzung - Widmungsbeschränkungen


Tatbestand:


Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihm eine Verwaltungsgebühr im Zusammenhang mit einer Leerfahrt für das Abschleppen seines Fahrzeugs auferlegt wurde.

Der Kläger war im Fahrzeugregister als Zulassungsinhaber und Halter eines Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen B... eingetragen. Am 19. Mai 2017 fand ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes dieses Fahrzeug ohne gültige amtliche Kennzeichen auf einem öffentlichen Parkplatz K... in 12353 Berlin vor. Er brachte auf der Scheibe an der Fahrerseite oben einen sog. Gelbpunkt mit der Aufforderung an, das Fahrzeug unverzüglich vom öffentlichen Straßenland zu entfernen. Bei einer Überprüfung durch das Ordnungsamt am 6. Juni 2017 stand das Fahrzeug unverändert am selben Standort. Das daraufhin mit der Beseitigung beauftragte Unternehmen fand das Fahrzeug am 12. Juni 2017 nicht mehr vor.




Das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin machte mit Bescheid vom 22. Juni 2017 eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 55,00 Euro geltend. Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2019 – zugestellt am 15. Januar 2019 – zurückgewiesen. Durch den Umstand, dass die Vertragsfirma das Fahrzeug nicht mehr vorgefunden habe, seien zwar die Kosten für Transport und Inverwahrungnahme abgewendet worden. Dies befreie den Kläger jedoch nicht von den bereits entstandenen Kosten für die notwendig gewordenen Amtshandlungen. Auch die Vorlage einer Strafanzeige wegen Kennzeichendiebstahls vom 2. Juni 2017 führe zu keinem anderen Ergebnis.

Mit der am 15. Februar 2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er könne nicht in Anspruch genommen werden, weil tatsächlich sein Sohn Miroslav Zajac als Halter anzusehen sei. Dieser sei alleiniger Nutzer des Fahrzeugs und komme für alle Unterhaltungskosten auf. Der Kläger habe sich nur wegen der Versicherung des Fahrzeuges, die auf ihn abgeschlossen worden sei, als Zulassungsinhaber und Halter eintragen lassen. Im Übrigen lägen die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Berliner Straßengesetz gleichfalls nicht vor. Dem Kläger könne nicht vorgeworfen werden, das Fahrzeug ohne gültiges amtliches Kennzeichen abgestellt zu haben. Entsprechend könne ihn auch die Beseitigungspflicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 Berliner Straßengesetz nicht treffen.

Der Kläger beantragt,

   den Bescheid des Bezirksamts Lichtenberg von Berlin vom 22. Juni 2017 in Form des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Bescheid.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6. März 2020 dem Vorsitzenden als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Das Gericht konnte trotz Ausleibens eines Vertreters des Beklagten verhandeln und entscheiden, weil dieser hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 14 Abs. 2 Satz 3 Berliner Straßengesetz - BerlStrG - i. V. m. §§ 1, 2, 6 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge - GebBeitrG - i. V. m. § 1 Abs. 1 der Umweltschutzgebührenordnung - UGebO, Tarifstelle 3060. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BerlStrG dürfen Fahrzeuge ohne gültige amtliche Kennzeichen nicht auf öffentlichen Straßen abgestellt werden. Wer dagegen verstößt, hat die Folgen seines Verstoßes unverzüglich zu beseitigen, § 14 Abs. 2 Satz 2 BerlStrG. Kommt der Halter oder Eigentümer dieser Pflicht nicht nach, kann die zuständige Behörde nach Anbringung einer deutlich sichtbaren Aufforderung gem. § 14 Abs. 2 Satz 3 BerlStrG die Beseitigung auf seine Kosten vornehmen lassen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 4 BerlStrG bedarf es dazu weder eines vollziehbaren Verwaltungsaktes noch der förmlichen Androhung eines Zwangsmittels.


Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Der Kläger ist Halter des Fahrzeugs i.S.v. § 14 Abs. 2 S.3 BerlStrG. Dafür ist maßgeblich darauf abzustellen, dass der Kläger selbst Zulassungsinhaber und Versicherungsnehmer des Fahrzeugs ist und sich bei der Zulassung als Halter angegeben hat. An diesen rechtserheblichen Erklärungen und Umständen muss er sich festhalten lassen und wird deshalb vom Beklagten zu Recht als Halter im straßenrechtlichen Sinn in Anspruch genommen. Nichts anderes folgt aus dem vom Kläger angeführten Beschluss des OVG Lüneburg vom 30. Januar 2014 zu § 31a Straßenverkehrszulassungsordnung - StVZO (NJW 2014, 1690). Danach ist der Zulassungsinhaber und Versicherungsnehmer eines Fahrzeuges in der Regel auch dessen Halter. Ob und unter welche Voraussetzungen diese Regelvermutung hier widerlegt werden könnte, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dabei ist zu beachten, dass sich der landesrechtliche Halterbegriff aus § 14 Abs. 2 S. 3 BerlStrG zwar am bundesrechtlichen Begriff aus § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 31a StVZO orientieren mag, mit diesem aber nicht völlig identisch sein muss. Der Halterbegriff aus dem BerlStrG ist allein ordnungsrechtlich geprägt und bezeichnet eine Person, die zur Gefahrenabwehr als Ordnungspflichtiger in Anspruch genommen werden kann. Dabei kommt der äußeren Erkennbarkeit der Eigenschaft als Ordnungspflichtiger eine besondere Bedeutung zu. Die Behörde soll für eine zügige Gefahrenabwehr im Wege unmittelbarer Ausführung die Gefahr beseitigen können und möglichst rasch einen Ordnungspflichtigen identifizieren können. Hierfür ist die Anknüpfung an die Erfassung als Zulassungsinhaber und Halter im Verkehrsregister naheliegend. Es spricht deshalb alles dafür, dass der Landesgesetzgeber allein auf diese formelle Registereintragung und die daraus erwachsende formelle Haltereigenschaft des Eingetragenen abstellen will. Selbst wenn diese Vermutung der Haltereigenschaft als widerlegbar anzusehen wäre, würde dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Kläger hat nicht schlüssig und beweiskräftig dargetan, dass allein sein Sohn die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug innehatte und dieses für eigene Rechnung in Gebrauch gehabt hat, womit er materiell als Halter anzusehen sein könnte. Der Beweiskräftigkeit der hierzu vorgelegten Unterlagen steht schon entgegen, dass diese entgegen § 420 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 98 VwGO nicht im Original vorlegt wurden, obwohl mit dem gerichtlichen Hinweis vom 23. März 2020 ausdrücklich hierum gebeten worden ist. Darüber hinaus wird vom Kläger nicht dargelegt, dass sein Sohn vollständig die Kosten für das Fahrzeug getragen hat. Die Bezahlung der Kraftfahrzeugversicherung wird schriftsätzlich nur bezüglich der Jahre 2011, 2013, 2015 und 2016 vorgetragen, die Bezahlung der Kfz-Steuer nur für das Jahr 2010. Soweit sich aus den Kontounterlagen ergibt, dass verschiedene Kartenverfügungen bei Tankstellen erfolgten, könnte dies bestenfalls einen Hinweis darauf geben, dass der Sohn des Klägers wiederholt mit dem Fahrzeug gefahren ist und dieses betankt hat. Die ausschließliche Tragung der „Benzinkosten“ ergibt sich daraus nicht. Die weiteren vom Kläger angeführten kleineren Zahlungsbeträge belegen die ausschließliche Nutzung des Fahrzeugs durch den Sohn ebenso wenig.

b) Das Fahrzeug war jedenfalls ab dem 19. Mai 2017 ohne gültige Kennzeichen auf öffentlichem Straßenland, wozu auch Parkflächen gehören (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 b BerlStrG), abgestellt. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Fahrzeug – wie hier zugunsten des Klägers unterstellt wird – ursprünglich mit gültigen Kennzeichen abgestellt worden ist, diese aber nachträglich entwendet wurden. Ausschlaggebend ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung allein, ob sich ein Fahrzeug ohne gültige Kennzeichen auf öffentlichem Straßenland befindet und nicht, ob es im Zeitpunkt seiner Abstellung über gültige Kennzeichen verfügt hat (Urteil der erkennenden Kammer vom 24. Mai 2017 – VG 1 K 242.16, S. 4 m. w. N.). Auf den Grund des Fehlens gültiger amtlicher Kennzeichen kommt es nicht an. § 14 Abs. 2 BerlStrG setzt auch kein Verschulden des Halters voraus (Urteile der erkennenden Kammer vom 13. April 2010 – VG 1 K 412.09, S. 5 und vom 5. September 2013 – VG 1 K 343.12, S. 5).



c) Der Kläger hat weiterhin seine Pflicht zur unverzüglichen Beseitigung des Fahrzeugs verletzt. An dem Pkw war am 19. Mai 2017 eine deutlich sichtbare Aufforderung zur Beseitigung angebracht worden (sog. Gelbpunkt). Der Zeitraum zwischen Anbringung dieser Beseitigungsaufforderung und der durch die Behörde in Auftrag gegebenen Entfernung des Fahrzeugs war auch hinreichend lang. Die Kammer hat hierfür jedenfalls fünf Tage als ausreichend angesehen (Urteil vom 9. Juni 2015 – VG 1 K 203.13, juris Rn. 30 m. w. N.). Unerheblich ist, ob der Kläger den Gelbpunkt tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (Urteil der erkennenden Kammer vom 17. Juni 2011 – VG 1 K 102.11, S. 6 f.). Zwar hat die Anbringung der Beseitigungsaufforderung grundsätzlich den Zweck, den Pflichtigen zu der ihm von Gesetzes wegen obliegenden Beseitigung seines Fahrzeugs anzuhalten. Die Beseitigungsaufforderung entfaltet die ihr vom Gesetz zugemessene Wirkung jedoch bereits mit ihrer sichtbaren Anbringung. Eine solche Sichtbarkeit ist hier zu bejahen. Der Gelbpunkt war unübersehbar auf der Seitenscheibe angebracht, wie dem Foto im Verwaltungsvorgang des Beklagten zu entnehmen ist. Diese Beseitigungsaufforderung ist im Übrigen nur als Information über die gesetzlich bestehende Beseitigungspflicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 BerlStrG und als letzte Pflichtenmahnung anzusehen. Nimmt der Pflichtige, aus welchen Gründen auch immer, diese Aufforderung nicht zur Kenntnis, lässt dies weder das Beseitigungsrecht der Behörde noch die Kostentragungspflicht des Fahrzeughalters oder -eigentümers entfallen (Urteil der erkennenden Kammer vom 9. Juni 2015, a. a. O., juris Rn. 29 m. w. N.).

d) Der Gebührentatbestand nach §§ 1, 2 und 6 GebBeitrG und § 1 Abs. 1 UGebO i. V. m. Tarifstelle 3060, der für Fälle der vorliegenden Art einen Betrag von 55,00 Euro vorsieht, greift auch dann ein, wenn die Beseitigungsanbahnung letztlich ins Leere läuft, weil der Pflichtige das Fahrzeug selbst beseitigt hat (Urteil der erkennenden Kammer vom 5. September 2013, a. a. O., S. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 55,00 Euro festgesetzt

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