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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil vom 23.05.2011 - 3 K 46/11.NW - Zum Führen eines PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhls ohne Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung

VG Neustadt v. 23.05.2011: Zum Führen eines PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhls ohne Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung




Das Verwaltungsgericht Neustadt (Urteil vom 23.05.2011 - 3 K 46/11.NW) hat entschieden:

   Ein PKW-ähnlicher Krankenfahrstuhl darf nur dann ohne Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung betrieben werden, wenn alle Merkmale für die Erlaubnisfreiheit nach § 5 FeV iVm § 4 Abs 1 Nr 2 FeV bzw. nach § 4 Abs 1 S 2 Nr 2 FeV iVm § 76 Nr 2 S 1 FeV in der jeweils geltenden Fassung erfüllt waren bzw. sind.

Siehe auch
Motorisierte Krankenfahrstühle
und
Zur Fahrerlaubnisfreiheit von motorisierten Krankenfahrstühlen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie zum Führen des in ihrem Eigentum stehenden PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhls (Fahrgestell-Nr….) ohne Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung berechtigt sei.

Die 1954 geborene Klägerin bemühte sich in den 1970er und 1980er Jahren vergebens um die Erlangung einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dies scheiterte daran, dass nach den bei einer verkehrsmedizinischen Untersuchung erhobenen Befunden die von der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft an die Sehleistung gestellten Mindestanforderungen nicht erfüllt wurden. Darüber hinaus waren nach den Befunden der verkehrspsychologischen Untersuchungen die psycho-physischen Leistungen der kraftfahrwesentlichen Funktionen gravierend eingeschränkt. Aus diesem Grunde konnte aus medizinisch-psychologischer Sicht die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 nicht befürwortet werden. Dies führte jeweils zur Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Fahrerlaubnis.

Am 18. Juni 2010 gegen 4.05 Uhr fiel die Klägerin einer Zivilstreife der Polizei auf, da die Heckbeleuchtung des von ihr gefahrenen Krankenfahrstuhls unterschiedlich hell brannte; es erfolgte eine Verkehrskontrolle. Hierbei wurde festgestellt, dass das Ausgabejahr des Versicherungskennzeichens …. das Jahr 2010 war. Auf dem motorisierten Krankenfahrstuhl war ein 25 km/h-Aufkleber angebracht. Die Klägerin gab an, weder im Besitz eines Führerscheins noch einer Prüfbescheinigung zu sein. Nach den Feststellungen der die Verkehrskontrolle durchführenden Polizeibeamten war der von der Klägerin geführte Krankenfahrstuhl laut Betriebserlaubnis für eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h zugelassen, er war zweisitzig, hatte ein Leergewicht von 300 kg, ein zulässiges Gesamtgewicht von 500 kg und eine Breite von 140 cm. Auf Befragen gab die Klägerin an, sie sei "etwas schlecht zu Fuß".

Das von der Staatsanwaltschaft Frankenthal/Pfalz eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde gemäß § 153 Strafprozessordnung - StPO - eingestellt und die Klägerin auf Folgendes hingewiesen: Nachdem sie ihr Fahrzeug habe umbauen lassen, so dass dieses nur noch einen Sitz habe und die Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h begrenzt sei, benötige sie zum Führen dieses Fahrzeugs zwar keine Fahrerlaubnis, aber eine Prüfbescheinigung gemäß § 5 Abs. 4 Fahrerlaubnisverordnung - FeV -. Näheres könne sie bei dem Straßenverkehrsamt der Stadtverwaltung Ludwigshafen/Rhein erfahren.

Auf ihre Anfrage hin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nach Drosselung und Ausbau einer Sitzgelegenheit nicht berechtigt sei, ihr Fahrzeug zu führen, es sei denn, sie wäre im Besitz einer Prüfbescheinigung für Krankenfahrstühle aus dem Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 1. September 2002. Da sie nach eigenen Angaben nicht über eine derartige Bescheinigung verfüge, bestehe in ihrem Fall kein Besitzstandsschutz. Ein nachträglicher Erwerb einer Prüfbescheinigung sei nach den gültigen Rechtsvorschriften nicht möglich.




Mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 wandte sich der Klägerbevollmächtigte an die Beklagte und wies auf § 4 Abs. 2 FeV hin, wonach motorisierte Krankenfahrstühle keiner Fahrerlaubnis bedürften. Einen solchen führe die Klägerin aber. Ihr Krankenfahrstuhl sei mittlerweile auf nur einen Sitz umgerüstet und die Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h gedrosselt. Lediglich die Breite des Fahrzeuges betrage 140 cm statt 110 cm. Allerdings habe die Klägerin das Fahrzeug zu einem Zeitpunkt gekauft, als nach der entsprechenden gesetzlichen Regelung Krankenfahrstühle noch 140 cm hätten breit sein dürfen. Die Klägerin könne sich insoweit auf Bestandsschutz berufen.

Hierauf erwiderte die Beklagte, dass sie keinen Besitzstandsschutz für die Klägerin sehe, da der motorisierte Krankenfahrstuhl der Klägerin nicht bis zum 1. September 2002 in der heute vorliegenden Form in den Verkehr gebracht worden sei, sondern als Zweisitzer mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Für dieses Fahrzeug habe die Klägerin aber eine Prüfbescheinigung für Krankenfahrstühle benötigt. Eine solche habe sie nach eigenen Angaben nie erworben. Es habe also vor dem 1. September 2002 kein Besitzstand bestanden, daher liege auch kein Besitzstandsschutz vor. Die Möglichkeit eines nachträglichen Erwerbs einer Prüfbescheinigung um Besitzstand herzustellen, bestehe nicht. Im Übrigen wäre ein solcher Erwerb schon aus tatsächlichen Gründen unmöglich, da bereits seit dem 1. September 2002 aufgrund einer Änderung der Fahrerlaubnisverordnung keine Prüfbescheinigungen für Krankenfahrstühle mehr erstellt würden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit, er habe von dieser in Erfahrung gebracht, dass der motorisierte Krankenfahrstuhl von der Klägerin am 3. März 1999 in Verkehr gebracht bzw. zugelassen worden sei. Insofern dürfte doch Besitzstandsschutz bestehen. Dieser ergebe sich aus § 76 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV. Danach bedürfe derjenige, der einen motorisierten Krankenfahrstuhl mit einer durch Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV führe, der bis zum 1. September 2002 erstmals in Verkehr gekommen sei, keiner Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung nach § 5 Abs. 4 FeV in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da das Fahrzeug der Klägerin bereits 1999 in Verkehr gebracht worden sei. Der Bestandsschutz beziehe sich auch auf das Fahrzeug und nicht auf den Halter. Beispielsweise würden für Oldtimer in Bezug auf technische Neuerungen Sondervorschriften gelten, welche nicht am Halter festgemacht werden können, sondern am Fahrzeug. Wenn ein Oldtimer den Besitzer wechsle, würden nicht plötzlich andere Vorschriften gelten. Auch hier könne es nicht anders sein.

Laut Schreiben der Firma M… 2000 Fachbetrieb für Leicht-Kfz vom 24. November 2010 erwarb die Klägerin den Krankenfahrstuhl am 15. Oktober 2009 von dieser Firma. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 teilte die Beklagte nochmals mit, dass sie keinen Besitzstandsschutz für die Klägerin sehe. Sie erkenne allerdings auch keinen weiteren Regelungsbedarf.

Die Klägerin hat am 18. Januar 2011 Klage erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass sie berechtigt sei, den in ihrem Eigentum stehenden motorisierten PKW-ähnlichen Krankenstuhl ohne Fahrerlaubnis zu führen. Sie trägt vor, sie habe keine körperlichen Gebrechen und verfüge über keine Fahrerlaubnis. Den mobilen Krankenfahrstuhl der Marke Automobiles L…. mit Benzinmotor, Leistung 4 KW und einer Breite von 140 cm habe sie über die Firma M…. 2000 am 15. Oktober 2009 als Ersatz für ihr vorheriges Fahrzeug gleichen Typs erworben. Das derzeitige Fahrzeug verfüge mittlerweile nur noch über einen Sitz und die Höchstgeschwindigkeit sei im Juni/Juli 2010 gedrosselt worden. Für das Fahrzeug gebe es einen Musterbericht des Technischen Dienstes vom 14. Februar 2000, in dem bestätigt werde, dass das Musterfahrzeug des beschriebenen Typs den Anforderungen der Straßenverkehrszulassungsordnung in der heute geltenden Fassung entsprochen habe.

An der begehrten Feststellung habe sie ein berechtigtes Interesse, da der Krankenfahrstuhl ihr einziges Fortbewegungsmittel sei und sie somit bei Aufrechterhaltung der Versagung nicht mehr mobil sei. Bei der Mitteilung der Beklagten, sie sei nicht berechtigt, das Fahrzeug ohne Prüfbescheinigung zu führen, handele es sich um einen Verwaltungsakt. Die Feststellungsklage sei begründet. Denn die Erforderlichkeit einer Fahrerlaubnis zur Nutzung des motorisierten Krankenfahrstuhles bestehe nicht. Dies folge eindeutig aus § 76 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV. Ihr motorisierter Krankenfahrstuhl sei bereits 1999 in Verkehr gekommen, so dass die jetzt geltende Gesetzeslage auf dieses Fahrzeug nicht anwendbar sei. Es sei insoweit allgemein üblich, dass sich der Besitzstandsschutz auf das Fahrzeug und nicht auf den Halter beziehe. Obwohl die Fahrleistung des Fahrzeugs auf 10 km/h gedrosselt sei, benötige sie nach dem Schreiben der Staatsanwaltschaft eine Prüfbescheinigung gemäß § 5 Abs. 4 FeV. Die Beklagte, an die sie sich gewandt habe, um eine solche Prüfbescheinigung zu erwerben, habe sich aber geweigert, eine solche auszustellen, da es diese nicht mehr gebe. Aufgrund der Schreiben der Beklagten könne sie daher ihr Fahrzeug -nicht mehr gutgläubig nutzen.

Die Klägerin beantragt,

   festzustellen, dass sie berechtigt ist, den in ihrem Besitz und Eigentum befindlichen Krankenfahrstuhl Fahrgestell-Nr. ….ohne Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung zu führen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie bezweifelt die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Diese sei nämlich unzulässig, wenn der Betroffene den mit der Klage verfolgten Zweck mit einer Gestaltungs- oder Verpflichtungsklage erreichen könne. Der Bereich Straßenverkehr habe in seiner Stellungnahme vom 7. Februar 2011 mitgeteilt, dass er lediglich eine Meinung vertreten habe und weder eine Negativentscheidung in Form einer Feststellung der fehlenden Berechtigung oder eines Verbotes getroffen noch eine verbindliche Auskunft ausgegeben habe. Aber selbst wenn man die Zulässigkeit der Klage bejahe, könne sie in der Sache keinen Erfolg haben. Als der motorisierte Krankenfahrstuhl der Klägerin am 3. März 1999 in Verkehr gebracht worden sei, habe der Führer desselben eine Prüfbescheinigung benötigt, da das Fahrzeug die Breite von 110 cm überschritten habe, keinen Elektromotor besitze und über zwei Sitze verfügt habe. Die Drosselung und das Entfernen eines Sitzes seien erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Für die Klägerin ergebe sich somit kein Besitzstandsschutz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, sowie die Niederschrift vom 23. Mai 2011 verwiesen.




Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung, dass sie berechtigt sei, den in ihrem Besitz und Eigentum befindlichen Krankenfahrstuhl Fahrgestell-Nr. .., ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung zu sein, zu führen, ist als Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig.

Der Klage steht nicht die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, wonach eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin zielt auf eine verbindliche gerichtliche Entscheidung über die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin berechtigt sei, den in ihrem Eigentum stehenden motorisierten PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhl im Straßenverkehr, ohne im Besitz einer Prüfbescheinigung oder Fahrerlaubnis zu sein, führen zu dürfen. Denn in ihren Schreiben vom 14. und 19. Oktober 2010 hat die Beklagte die Klägerin auf die nach ihrer Ansicht bestehende Rechtslage hingewiesen, wonach dieser die streitige Fahrberechtigung fehle.

Die Klägerin hat auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Sie muss im Falle des Führens ihres motorisierten PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhls die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gewärtigen. Ihr ist es aber nicht zuzumuten, den Erlass eines Strafbefehls abzuwarten und erst im Verfahren gegen diesen Bescheid zu klären, ob sie für die Teilnahme am Straßenverkehr mit ihrem motorisierten PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhl einer Fahrerlaubnis bedarf. Zwar wäre ausreichender Rechtsschutz insoweit auf dem ordentlichen Rechtsweg (in einem Strafverfahren) zu erhalten, der dem Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich gleichwertig ist. Allerdings ist der Klägerin das Risiko, unter dem Damoklesschwert eines Strafverfahrens als Führerin eines motorisierten Krankenfahrstuhls, der nicht von der Fahrerlaubnispflicht freigestellt ist (siehe hierzu noch folgende Ausführungen), am Straßenverkehr teilzunehmen, nicht zuzumuten. An der Klärung ihrer Fahrerberechtigung besteht daher ein berechtigtes Interesse. Unerheblich ist insoweit, dass die Entscheidung der Verwaltungsgerichte im Rahmen einer Feststellungsklage die für ein Strafverfahren zuständigen Gerichte rechtlich nicht bindet. Denn bereits der Einfluss, den eine der Klägerin günstige Entscheidung auf die Beurteilung der Schuldfrage ausüben kann, rechtfertigt das Feststellungsinteresse (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 - I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177 und juris, Rn. 19).


Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin nicht berechtigt ist, ohne Prüfbescheinigung oder Fahrerlaubnis den motorisierten PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhl mit der Fahrgestell-Nr. …..m Straßenverkehr zu führen. Eine solche Berechtigung steht der Klägerin weder nach den derzeit geltenden Regelungen über das Führen eines motorisierten Krankenfahrstuhls noch nach kraft Übergangsrecht geltenden früheren Regelungen zu.

Ausgenommen von der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV bestehenden Fahrerlaubnispflicht für das Führen von Kraftfahrzeugen - um ein solches handelt es sich nach § 1 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz - StVG - bei dem hier in Rede stehenden Krankenfahrstuhl - auf öffentlichen Straßen sind motorisierte Krankenfahrstühle, soweit es sich handelt um einsitzige, nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit Elektroantrieb, einer Leermasse von nicht mehr als 300 kg einschließlich Batterien jedoch ohne Fahrer, einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 500 kg, einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 15 km/h und einer Breite über alles von maximal 110 cm. Die genannten Fahrzeugmerkmale müssen bei der Auslieferung des Fahrzeugs konstruktionsbedingt auf Dauer gewährleistet sein und das Fahrzeug muss in diesem Zustand für die Benutzung durch körperlich behinderte Personen geeignet sein, ohne dass allerdings der Führer des Fahrzeugs zu dem bezeichneten Personenkreis gehören muss (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 3 C 39/01 -, NJW 2002, 2335 und juris, Rn. 13). Im vorliegenden Fall erfüllt der motorisierte PKW-ähnliche Krankenfahrstuhl der Klägerin nicht sämtliche Anforderungen, da er auch nach dem Ausbau eines zweiten Sitzes und der Drosselung der Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h auf 10 km/h auch gegenwärtig noch statt eine Breite 110 cm eine solche von 140 cm aufweist. Die Klägerin ist damit im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von der Fahrerlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FeV, § 2 Abs. 1 StVG befreit.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine aus der Zeit vor Inkrafttreten der heutigen Regelung herrührende Fahrberechtigung berufen. Zwar wurde bei Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV in seiner heute geltenden Fassung ein Übergangsrecht im Sinne eines Bestandsschutzes geschaffen, dessen Voraussetzungen im Falle der Klägerin aber nicht erfüllt sind.

Nach § 76 Nr. 2 Satz 1 FeV sind Inhaber einer Prüfbescheinigung für Krankenfahrstühle nach § 5 Absatz 4 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung berechtigt, motorisierte Krankenfahrstühle mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung und nach § 76 Nummer 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung zu führen. Voraussetzung für die Anwendung dieses Übergangsrecht ist das Innehaben einer Prüfbescheinigung, die die Klägerin indessen nicht besitzt. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV in der am 1. September 2002 geltenden Fassung galt Folgendes:




(1) Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Fahrerlaubnis. Ausgenommen sind

   1. ...

2. nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit einem Sitz, einem Leergewicht von nicht mehr als 300 kg und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h (motorisierte Krankenfahrstühle),

Da der motorisierte Krankenfahrstuhl der Klägerin vor dem Ausbau des zweiten Sitzes im Juli 2010 unstreitig über zwei Sitze verfügte und er damit bis zum Stichtag 1. September 2002 nicht von der Fahrerlaubnispflicht ausgenommen war, bedurfte es bereits aus diesem Grund beim In-Verkehr-Bringen dieses Fahrzeugs zum Führen desselben einer Fahrerlaubnis; eine Prüfbescheinigung war zum Führen des Krankenfahrstuhls der Klägerin nicht ausreichend.

Nach § 5 FeV in der vom 1. Januar 1999 bis zum 31. August 2002 geltenden Fassung war zum Führen eines Krankenfahrstuhls im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung eine Prüfbescheinigung erforderlich, wenn der Krankenfahrstuhl eine durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h hatte. Da der Krankenfahrstuhl der Klägerin, der nach ihren Angaben am 3. März 1999 in Verkehr gebracht worden war, eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h besaß, wäre vor dem statthaften Fahren mit ihm die Ablegung einer Prüfung zum Erwerb einer Prüfbescheinigung notwendig gewesen, wenn der Krankenfahrstuhl alle Merkmale des damals geltenden § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV erfüllt hätte. Wie bereits ausgeführt, war dies aber nicht der Fall, da der Krankenfahrstuhl seinerzeit über zwei Sitze statt des insoweit zulässigen einen Sitzes verfügte. Das Führen des jetzt im Eigentum der Klägerin stehenden Krankenfahrstuhls war damit nicht von der Fahrerlaubnispflicht ausgenommen.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf nach § 76 Nr. 2 Satz 2 FeV geltendes Übergangsrecht berufen, das lautet:

   "Wer einen motorisierten Krankenfahrstuhl mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung führt, der bis zum 1. September 2002 erstmals in den Verkehr gekommen ist, bedarf keiner Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung nach § 5 Absatz 4 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung."



Voraussetzung ist hiernach, u.a. dass die Höchstgeschwindigkeit des bis zum

1. September 2002 in Verkehr gebrachten motorisierten Krankenfahrstuhls nicht mehr als 10 km/h betrug. Den kraft dieser Regelung eingeräumten Besitzstand genießen nur die motorisierten Krankenfahrstühle, die vor dem 1. September 2002 in den Verkehr gekommen sind und zu diesem Zeitpunkt bauartbedingt nicht schneller als 10 km/h fahren konnten (vgl. BVerwG, a.a.O). Selbst wenn der Krankenfahrstuhl der Klägerin bis zum 1. September 2002 in Verkehr gebracht wurde, so erfüllte er das Geschwindigkeitskriterium nicht. Denn bis zum Juni/Juli 2010 lag seine zulässige Höchstgeschwindigkeit bei 25 km/h und damit 15 km/h über dem zulässigen Maß.

Sind somit weder die Voraussetzungen des Satzes 1 noch diejenigen des Satzes 2 des § 76 Nr. 2 FeV erfüllt, so kann sich die Klägerin nicht auf Bestandsschutz berufen. Da sie zum Führen ihres motorisierten PKW-ähnlichen Krankenfahrstuhls nicht berechtigt ist, musste ihr die begehrte Feststellung versagt bleiben.

Die Feststellungsklage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.


Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

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