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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil vom 29.10.2021 - 23 U 165/21 - Kein greifbarer Anhaltspunkt für den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung mehr bei zurückgenommenem Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs

OLG Stuttgart v. 29.10.2021: Kein greifbarer Anhaltspunkt für den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung mehr bei zurückgenommenem Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs




Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 29.10.2021 - 23 U 165/21) hat entschieden:

  1.  Ein greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung, der sich nicht unmittelbar aus einem Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug (wie z. B. dessen Rückruf) ergeben soll, setzt regelmäßig jedenfalls voraus, dass sich die betreffende Tatsache auf ein vergleichbares Fahrzeug bezieht, namentlich ein solches, das über denselben Motortyp verfügt und in dieselbe Schadstoffklasse fällt. Derselbe Motortyp in diesem Sinne liegt dabei grundsätzlich jedenfalls dann vor, wenn die Motoren vom Hersteller mit derselben Motorbezeichnung versehen werden, aber auch, falls die Motoren sonst dieselbe technische Grundkonfiguration aufweisen.

  2. 
  a.  Ein zeitweilig erfolgter Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs kann nicht mehr als greifbarer Anhaltspunkt dafür dienen, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt wurde, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf zurückgenommen hat.

  b.  Hat das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zurückgenommen, ergibt sich daraus, dass vergleichbare Fahrzeuge zurückgerufen wurden, kein greifbarer Anhaltspunkt mehr für eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Dies gilt erst recht für einen Presseartikel, der Vorwürfe des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung wiedergibt.

  c.  Bewertet das Kraftfahrt-Bundesamt eine zunächst im konkreten Fahrzeug beanstandete Vorrichtung sodann nicht mehr als unzulässig, ist auch einem wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen allgemein geführten Ermittlungsverfahren kein Bezug auf dieses konkrete Fahrzeug mehr zu entnehmen.

  3.  Die reine Behauptung seitens eines anderen Klägers zu dessen Fahrzeug kann ebenso wenig als greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers dienen wie allein die eigene Behauptung des Klägers zu seinem Fahrzeug. Ein Vortrag ohne tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts erlangt nicht dadurch einen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass ein anderer Kläger ebenfalls einen entsprechenden Sachverhalt behauptet, ohne einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür aufzuzeigen.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen eines etwaigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Dieselfahrzeug.

Der Kläger erwarb im Juli 2017 für 42.200,- € ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug Mercedes-Benz E 350 Bluetec, in dem ein Dieselmotor des Typs „OM 642“, Schadstoffklasse Euro 6, eingebaut war; der Kilometerstand betrug 26.100 km. Am 28. Juli 2020, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz, betrug der Kilometerstand 173.020 km.

Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird in dem Fahrzeug ein System zur Abgasrückführung eingesetzt. Dabei wird ein Teil des Abgases zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird – jedenfalls in der Berufung unstreitig – unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert (sogenanntes „Thermofenster“).

Zur Verringerung der Stickoxidemissionen wird in dem Fahrzeug zudem ein SCR-System („selective catalytic reduction“) zur Abgasnachbehandlung eingesetzt. Dieses besteht aus einem SCR-Katalysator und einer Vorrichtung zur Einspritzung einer Harnstofflösung (AdBlue). Die dem Abgas beigemischte Harnstofflösung wird bei hinreichend hohen Temperaturen im Abgassystem in Ammoniak umgewandelt, der mit Stickoxiden im Wesentlichen zu Stickstoff und Wasser reagiert, was unter bestimmten physikalischen Bedingungen die weitgehende Umwandlung von Stickoxid-Rohemissionen in ungefährliche Stoffe ermöglicht.

Das Fahrzeug war von einem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt betroffen. Allerdings nahm – im Berufungsverfahren unstreitig – das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf für unter anderem dieses Fahrzeug zurück.

Der Kläger war in erster Instanz der Ansicht, bei dem „Thermofenster“ handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.087,46 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent aus 42.200,- Euro seit dem 11. Juli 2017 bis zum 26. März 2020 und seit dem 27. März 2020 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 350 Bluetec 4Matic, Fahrzeugidentifikationsnummer […] ,

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 350 Bluetec 4Matic, Fahrzeugidentifikationsnummer [...] seit dem 27. März 2020 im Verzug befindet,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte [...] in Höhe von 1.358,86 € freizustellen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte war in erster Instanz der Ansicht, der Kläger habe eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen sei sie einer richtigen, jedenfalls aber vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt, weshalb kein sittenwidriges Verhalten vorliege; sie habe davon ausgehen dürfen, dass eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung schon keine Abschalteinrichtung darstelle, jedenfalls aber aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.




Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, der Kläger könne sich bereits aus dem Grund nicht mit Erfolg auf § 826 BGB berufen, dass das Fahrzeug unstreitig über keine sogenannte „Umschaltlogik“ verfüge. Ergänzend lasse sich zumindest vertreten, dass eine temperaturabhängige Abgasrückführung entweder bereits keine oder aber eine ausnahmsweise zulässige Abschalteinrichtung sei, und eine zumindest vertretbare Auslegung des Gesetzes könne nicht als besonders verwerfliches Verhalten gewertet werden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Anträge (mit Ausnahme der Deliktszinsen) weiter.

Er ist insbesondere der Auffassung, das Landgericht habe die Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware nicht durch ein Sachverständigengutachten überprüft, obwohl er ausreichend greifbare Anhaltspunkte vorgetragen habe, namentlich dass ein Motor des Typs „OM 642“ verbaut sei, das Fahrzeug einem Rückruf unterliege, eine große Zahl von Fahrzeugen mit diesen Motoren zurückgerufen und auch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden sei. Die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit einem „Thermofenster“ auch sittenwidrig gehandelt. Durch den Verbau der Software habe sie das Kraftfahrt-Bundesamt getäuscht.

Der Kläger trägt weiter vor, neben der erstinstanzlich bereits vorgetragenen Erfassung der Umgebungstemperatur würden weitere Parameter genutzt, um zu erkennen, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, und würden die Emissionswerte durch das Motorsteuergerät nur für die Prüfstandsituation optimiert. Das Steuergerät des Motortyps „OM 642“ erfasse hierzu den Neigungswinkel des Fahrzeugs, den Lenkradeinschlag, die Motordrehzahl und die zurückgelegte Fahrtstrecke und schalte ferner nach 1.200 s (NEFZ 1.180 s) beziehungsweise 2.000 s (WLTP 1.800 s) von einer erhöhten Abgasreinigung zurück in den „Normalbetrieb“ mit wesentlich mehr ausgestoßenen Stickoxiden als zuvor. Somit lägen auf dem Prüfstand exakt die Temperaturbedingungen vor, in welchen das „Thermofenster“ eine Abgasreinigung sicherstelle. Kombiniert mit einem Zeitintervall von exakt 20 s bzw. 200 s länger als gefordert werde eine bestmögliche Abgasreinigung sichergestellt und würden erst danach vermehrt Stickoxide ausgestoßen.

Der Kläger trägt in der Berufungsreplik zudem weiter vor, die verbaute Software verringere die Menge des zugeführten AdBlue nach exakt 26 km, also nach nur 3 km mehr als für einen Testlauf unter dem WLTP erforderlich, und verändere so das Abgasverhalten. Nur auf dem Prüfstand werde ausreichend AdBlue eingespritzt, dagegen werde im normalen Fahrbetrieb auf der Straße deutlich weniger AdBlue verwendet, was zur Folge habe, dass im normalen Straßenbetrieb die Grenzwerte für die Stickoxidemissionen weit überschritten würden. Diese Grenzwertüberschreitung führe eigentlich zu einer gesetzlich vorgeschriebenen Fehlermeldung im Bordcomputer, dem sogenannten „On-Board-Diagnose“-System, das jedoch in unzulässiger Weise so umprogrammiert sei, dass diese Meldung unterbleibe. Sowohl bei unabhängigen Messungen als auch bei den Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamts habe das „On-Board-Diagnose“-System selbst bei deutlichen Grenzwertüberschreitungen keinen Fehler gemeldet. Diese Deaktivierung sei ein klarer Beleg dafür, dass die Beklagte mit Wissen und Wollen die Grenzwerte verletzt und dies bewusst verheimlicht habe.

Der Kläger trägt in der Berufungsreplik schließlich weiter vor, Fahrzeuge mit einem Motor vom Typ „OM 642“ verfügten über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, wonach der Kühlmittelkreislauf künstlich kälter gehalten und die Aufwärmung des Motoröls verzögert werde, wodurch auf dem Prüfstand, den die Motorsteuerungssoftware erkenne, die Grenzwerte eingehalten würden, während im Straßenverkehr die Funktion deaktiviert sei.

Der Kläger ist insoweit der Auffassung, sein Sachvortrag sei nicht präkludiert. Er habe die sichere Kenntnis von den weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen erst infolge von Urteilen des Oberlandesgerichts Schleswig und des Oberlandesgerichts Naumburg erlangt. Zudem beziehe sich das neuerliche Vorbringen auf den seit der ersten Instanz fortlaufend verfolgten Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung und stelle daher nur eine Spezifizierung des Vorwurfs und kein neues Angriffsmittel dar. Im Übrigen reiche das einfache Bestreiten der Beklagten einer Prüfstandserkennung, einer SCR-Dosierstrategie, einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und der Unterdrückung des „On-Board-Diagnose“-Systems nicht aus.




Der Kläger beantragt,

   unter Abänderung des am 31. Juli 2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az.: 26 O 103/20,

   die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.087,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Mercedes Benz E 350 Bluetec 4Matic, Fahrzeugidentifikationsnummer [...] ,

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs Mercedes Benz E 350 Bluetec 4Matic, Fahrzeugidentifikationsnummer [...] seit dem 27. März 2020 im Verzug befindet,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den vorgerichtlichen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte [...] in Höhe von 1.358,86 € freizustellen.


Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, das „Thermofenster“ sei keine unzulässige Abschalteinrichtung. Unabhängig davon könne ihr kein sittenwidriges Handeln vorgeworfen werden, weil sie einer zumindest vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt sei; sie habe davon ausgehen dürfen, dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug schon keine Abschalteinrichtung darstelle, jedenfalls aber aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei. Sie habe das Kraftfahrt-Bundesamt nicht getäuscht; selbst wenn weitergehende Angaben erforderlich gewesen wären, wäre ein diesbezüglicher Gesetzesverstoß nicht sittenwidrig, wogegen bereits der Umstand spreche, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Angaben nicht als unzureichend beanstandet habe.

Die Beklagte behauptet, der neue Sachvortrag des Klägers treffe nicht zu. Im streitgegenständlichen Fahrzeug existiere keine Funktion, die den Prüfstand erkenne und den Stickoxidausstoß lediglich für die Zwecke des Typgenehmigungsverfahrens gezielt reduziere. Eine dauerhafte Veränderung der Schaltpunkte, sobald ein bestimmter Lenkwinkel überschritten werde, sei nicht enthalten. Ebenso wenig gebe es eine Prüfstandserkennung aufgrund eines Neigungswinkels. Eine Umschaltung zwischen einem „sauberen“ und einem „schmutzigen“ Modus finde nicht statt, auch nicht nach 1.200 s bzw. 2.000 s. Der Vortrag des Klägers zu einem Emissionsanstieg „bei höheren Drehzahlen“ sei nicht einlassungsfähig; es bleibe unklar, worin die unzulässige Abschalteinrichtung liegen solle. Das Fahrzeug dosiere auch nicht nur auf dem Prüfstand ausreichend AdBlue. Die Abgasreinigung werde nicht abgeschaltet, wenn das Fahrzeug eine Fahrtstrecke von 26 km zurückgelegt habe; auch ein Umschalten zwischen einem „sauberen“ und einem „unsauberen“ Modus finde nicht statt, weder bei der Abgasrückführung noch bei der Abgasnachbehandlung. Das „On-Board-Diagnose“-System funktioniere einwandfrei, entspreche allen gesetzlichen Anforderungen und erkenne Fehlfunktionen der Emissionskontrollsysteme und melde diese; die Emissionskontrollsysteme und die für Dieselmotoren einschlägigen Grenzwerte würden vom „On-Board-Diagnose“-System ordnungsgemäß überwacht. Das Fahrzeug verfüge nicht über die vom Kläger in Bezug genommene Funktion des geregelten Kühlmittelthermostats.

Die Beklagte ist der Ansicht, der neue Sachvortrag sei als neues Angriffsmittel nicht zuzulassen. Überdies erfolge er offensichtlich „aufs Geratewohl“ und sei schon deswegen prozessual unbeachtlich; irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrzeug über die behaupteten unzulässigen Funktionsweisen verfüge, liefere der Kläger nicht.

Zum Vortrag der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.




II.

Randnummer34 Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte weder gemäß § 826 BGB (1.) noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB (2.) zu.

1. Ein Anspruch gemäß § 826 BGB steht dem Kläger nicht zu, da ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht festzustellen ist.

a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wofür es im Allgemeinen nicht genügt, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft, sondern vielmehr eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten muss, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann; schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen, wobei die Verwerflichkeit sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben kann und es insbesondere bei mittelbaren Schädigungen ferner darauf ankommt, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, juris, Rn. 11, m. w. N., und BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 13, m. w. N.).

b) Solche Umstände sind hier hinsichtlich des „Thermofensters“ nicht ersichtlich (aa). Der Vortrag des Klägers im Übrigen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug vorliege, ist unsubstantiiert (bb); ob und gegebenenfalls inwieweit Vortrag des Klägers zu weiteren Abschalteinrichtungen als neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen und gemäß den dort genannten Voraussetzungen in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen ist, kann daher offenbleiben.

aa) Umstände, die nach der oben genannten Maßgabe das Verhalten der Beklagten nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen, sind hier hinsichtlich des „Thermofensters“ nicht ersichtlich.

(1) Der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems reduziert und letztlich ganz abgeschaltet wird, reicht für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben; unterstellt, dass dies als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist, wäre der darin liegende Gesetzesverstoß auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris, Rn. 16, zu einer Reduzierung bei einstelligen Positivtemperaturen; s. a. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris, Rn. 25 ff., zu einer deutlichen Reduzierung der Abgasrückführung außerhalb von Außentemperaturen zwischen 15° C und 33° C, sowie BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, juris, Rn. 13, zu einem Zurückfahren ab etwa 17° C und einer signifikanten Reduktion jedenfalls ab 5° C, und BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 15 f., zu einer Reduzierung in jedem Fall bei einstelligen Außentemperaturen, in manchen Fällen bereits bei Temperaturen unter 17° C und nicht mehr voller Funktionsfähigkeit bei Temperaturen über 33° C). Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der – evident unzulässigen – Abschalteinrichtung zu vergleichen, bei der die eigens zu diesem Zweck entwickelte Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert wird, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden („Umschaltlogik“), von ihrer Einhaltung im regulären Betrieb also gänzlich abgesehen und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abgezielt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris, Rn. 17; s. a. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris, Rn. 27). Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit, für den der Anspruchsteller nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt, ist bei dieser Sachlage nur erfüllt, wenn zu einem etwaigen Gesetzesverstoß weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, und setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris, Rn. 19; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris, Rn. 28; s. a. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 16).

(2) Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich ein Handeln im entsprechenden Bewusstsein aus dem Vortrag des Klägers nicht feststellen.

α) Eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes ist nicht erkennbar, insbesondere nicht durch wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des Kraftfahrt-Bundesamtes hindeuteten.

αα) Aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des „Thermofensters“ gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt folgen keine Anhaltspunkte, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden; hat die Beklagte das „Thermofenster“ durch die Angabe im Typgenehmigungsverfahren offengelegt, die Rate der Abgasrückführung werde unter anderem durch den Parameter „Lufttemperatur“ gesteuert, wäre, selbst wenn die Beklagte dabei – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 26).

ββ) So liegt es hier. Der Kläger vertritt zwar die Auffassung, die Beklagte habe das Kraftfahrt-Bundesamt durch den Verbau der Software bewusst getäuscht, ihr Vorgehen gegenüber den Behörden verschleiert und ihre Manipulation geheim gehalten. Den konkreten Vortrag der Beklagten, sie habe im Typgenehmigungsverfahren gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt angegeben, dass die Abgasrückführung von der Lufttemperatur abhängig sei, hat er indes nicht bestritten. Nähere Einzelheiten, namentlich in welchem Ausmaß diese Abhängigkeit besteht und welche Konsequenzen dies für den Schadstoffausstoß hat, mag sie dabei zwar nicht mitgeteilt haben, allerdings hat das Kraftfahrt-Bundesamt, das aus der Angabe der Beklagten die Existenz eines „Thermofensters“ in dem Fahrzeug ersehen konnte, die Erklärung der Beklagten auch nicht zum Anlass genommen, detailliertere Angaben nachzufordern, sondern sich mit den Angaben der Beklagten zufriedengegeben und die Typgenehmigung erteilt. Mithin wurde die Genehmigungsbehörde, der es auf nähere Einzelheiten nicht ankam, nicht von der Beklagten getäuscht, sondern hat sich für weitere Details schon nicht interessiert. Ob die Beklagte alle (insbesondere gemäß Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG) erforderlichen Angaben gemacht hat oder ob ihre Angaben vielmehr unvollständig waren, ist daher hier unerheblich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte versuchte, gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt eine unzulässige technische Lösung zu verschleiern, sind nicht erkennbar. Da die Beklagte angesichts des grundsätzlich offengelegten „Thermofensters“ damit rechnen musste, dass das Kraftfahrt-Bundesamt nachhaken würde, falls die Angaben als unzulänglich und ein „Thermofenster“ für die Erteilung der Typgenehmigung als relevant angesehen würden, kann aus der fehlenden Mitteilung von Einzelheiten nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die für die Beklagte tätigen Personen dabei in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden; dies gilt erst recht für ihr Bewusstsein nach Erteilung der Typgenehmigung, ohne dass seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes weitere Angaben nachgefordert worden waren. Im Übrigen ist auch nicht die (sichere) Überzeugung erforderlich, dass die Beklagte auf die Rechtmäßigkeit der Abschalteinrichtung vertraut hat, sondern müsste der Kläger vielmehr das Gegenteil darlegen und beweisen.

β) Es kann dahinstehen, ob es ein Indiz für die arglistige Verwendung einer entsprechenden Steuerungssoftware und damit grundsätzlich geeignet sein könnte, das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren, wenn der Temperaturbereich des „Thermofensters“ exakt auf die Bedingungen auf dem Prüfstand zugeschnitten ist (offengelassen auch von BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 20; s. a. OLG Hamm, Urteil vom 19. Januar 2021 – 19 U 1304/19, juris, Rn. 23, das einen gezielten Zuschnitt auf die Verhältnisse auf dem Prüfstand und eine bewusst unzulässige Abschalteinrichtung bei einem „Thermofenster“ bejaht, das die Abgasreinigung oberhalb von 30° C und unterhalb von 20° C vollständig ausschaltet; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. September 2020 – 16a U 55/19, juris, Rn. 49 ff., das bei der Behauptung, die Abgasreinigung werde bei Unterschreitung von 20° C oder Überschreitung von 30° C abgeschaltet, auf Beweisfälligkeit abstellt; OLG Schleswig, Urteil vom 1. April 2020 – 12 U 75/19, BeckRS 2020, 9840, Rn. 39, das zu einem zumindest bedingten Vorsatz, wenn das „Thermofenster“ offensichtlich auf eine Überlistung der Prüfungssituation ausgelegt sei, den Vortrag erörtert, nur bei Temperaturen von 20° C bis 22° C würden die Stickoxidwerte eingehalten; OLG Hamm, Urteil vom 6. Juli 2020 – 17 U 168/19, juris, Rn. 74, zum Vorsatz bei evidenter Unzulässigkeit eines verwendeten „Thermofensters“). Soweit der Kläger einen solchen Zuschnitt überhaupt vortragen will, wäre dies hier jedenfalls unbeachtlich.




4Als unbeachtlich anzusehen ist ein Vortrag, der im Widerspruch zu weiterem Vortrag derselben Partei steht (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 24, zu Vortrag zu einer Ausgestaltung des „Thermofensters“ als „Prüfstandserkennung“ mit zwei verschiedenen Modi oder einer exakten Abstimmung auf die Prüfbedingungen einerseits sowie Vortrag zu einer Reduzierung der Abgasrückführung erst bei einstelligen Temperaturen und in manchen Fällen bereits bei Temperaturen unter 17° C und einer nicht mehr vollen Funktionsfähigkeit der Abgasreinigung bei Temperaturen über 33° C andererseits). So liegt es hier.

αα) Nach dem Vortrag des Klägers zum streitgegenständlichen Fahrzeug wird die Abgasreinigung in einem begrenzten „Temperaturfenster", innerhalb dessen typischerweise die Testung des Typengenehmigungsverfahrens stattfindet, in nicht unerheblichem Ausmaß intensiviert (Blatt 3 der Akten), wird die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückgefahren (Blatt 4 der Akten), bedeutet „Thermofenster“, dass in dem Fahrzeug die Abgasreinigung abgeschaltet wird, wenn Außentemperaturen von unter 17° C und über 30° C herrschen (Blatt 4 der Akten), bedeutet „Thermofenster“, dass die Software den Prüfstand aufgrund der Umgebungstemperatur erkennt und sodann die Abgasreinigung intensiviert, so dass die Grenzwerte im Prüfstand eingehalten werden (Blatt 94 der Akten), werden die gesetzlich festgelegten Grenzwerte nur bei Temperaturen zwischen 20° C und 30° C eingehalten (Blatt 70 der Akten), ist die Abgasrückführungsrate bei niedrigeren Außentemperaturen geringer als bei höheren Außentemperaturen und kann bei zweistelligen Minusgraden die Abgasrückführung sogar gänzlich ausgeschaltet werden (Blatt 101 der Akten) sowie werden ausschließlich im auf dem Prüfstand herrschenden Temperaturbereich die gesetzlichen Grenzwerte für die Stickoxidemissionen eingehalten, in anderen Temperaturbereichen und damit auch nahezu immer im realen Fahrbetrieb nicht (Blatt 36 der e-Akten).

ββ) Der Kläger spricht mithin zwar zum Teil von einer „Prüfstandserkennung“ oder einer Begrenzung auf ein typischerweise im Prüfverfahren gegebenes Temperaturfenster, jeweils mit Intensivierung der Abgasreinigung, sowie einem Einhalten der Grenzwerte nur zwischen auf dem Prüfstand herrschenden 20° C und 30° C. Demgegenüber spricht er bei der Abgasreinigung aber auch von einer Abschaltung bei (erst) unter 17° C und über 30° C, einem (nur) Zurückfahren der Abgasreinigung bei kühleren Temperaturen sowie einer geringeren Rate bei niedrigeren Temperaturen und einem (nur) möglichen Ausschalten bei (erst) zweistelligen Minusgraden; darin läge aber kein gezielter Zuschnitt auf die Verhältnisse auf dem Prüfstand. Dass der Kläger seinen Vortrag teilweise aufgegeben haben sollte, ist nicht erkennbar; nicht zuletzt nimmt er ausdrücklich auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Dem widersprüchlichen Vortrag des Klägers lässt sich daher keine zu beachtende Behauptung dahingehend entnehmen, dass der Temperaturbereich des „Thermofensters“ exakt auf die Bedingungen auf dem Prüfstand zugeschnitten sei oder gar eine Prüfstandserkennung verwendet werde.

bb) Der Vortrag des Klägers im Übrigen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug vorliege, ist unsubstantiiert.


(1) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen; die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind, was insbesondere dann gilt, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält; dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick – hier: in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung – keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. insgesamt im Rahmen des Kaufrechts BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris, Rn. 7 f., m. w. N.; s. a. zum Deliktsrecht BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, juris, Rn. 20 ff., und BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 21 ff.). Hinsichtlich des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung sind – wie auch die zitierten Entscheidungen zeigen – keine unterschiedlichen Anforderungen an die substantiierte Darlegung eines Sachmangels und die eines deliktischen Anspruchs zu stellen (so auch bereits OLG Köln, Urteile vom 23. Oktober 2020 – 19 U 19/20, juris, Rn. 47, und 5. November 2020 – 7 U 35/20, juris, Rn. 57).

Ein greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung, der sich nicht unmittelbar aus einem Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug (wie z. B. dessen Rückruf) ergeben soll, setzt jedenfalls voraus, dass sich die betreffende Tatsache auf ein vergleichbares Fahrzeug bezieht, namentlich ein solches, das über denselben Motortyp verfügt und in dieselbe Schadstoffklasse fällt; derselbe Motortyp in diesem Sinne liegt dabei grundsätzlich jedenfalls dann vor, wenn die Motoren vom Hersteller mit derselben Motorbezeichnung versehen werden, aber auch, falls die Motoren sonst dieselbe technische Grundkonfiguration aufweisen (siehe z. B. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2021 – 8 U 14/20, juris, Rn. 63; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2020 – 16a U 155/19, juris, Rn. 56; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2020 – 11 U 50/19, juris, Rn. 4; OLG Bremen, Beschluss vom 14. Oktober 2020 – 1 U 4/20, juris, Rn. 48, m. w. N.). Aus Erkenntnissen zu einem Motortyp, der eine bestimmte technische Grundkonfiguration aufweist, lässt sich kein hinreichender Rückschluss ziehen, dass sich eine bestimmte Vorrichtung auch bei einem anderen Motortyp mit einer anderen technischen Grundkonfiguration als aus Sicht des Verwenders nützlich erweist und auch in diesem Motortyp eingesetzt wird. Dieselbe Schadstoffklasse ist für einen greifbaren Anhaltspunkt deshalb zusätzlich erforderlich, weil sich insbesondere die zu erreichenden Grenzwerte unterscheiden, deren Einhaltung durch eine etwaige unzulässige Abschalteinrichtung gegebenenfalls manipuliert werden soll; eine andere Schadstoffnorm kann andere Anpassungsprobleme hervorrufen, was insbesondere – aber nicht zwingend nur – gilt, wenn ein Rückschluss auf eine Schadstoffnorm gezogen werden soll, die schwieriger zu erreichende Grenzwerte aufweist, was insbesondere von Euro 5 zu Euro 6 erheblich der Fall ist (ähnlich OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juli 2021 – 22 U 97/20, juris, Rn. 112; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2020 – 16a U 155/19, juris, Rn. 56). Daraus, ob es bei dem betreffenden Hersteller bei anderen Fahrzeugen mit anderen Motortypen oder anderen Schadstoffklassen zu einer Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen kam, lässt sich kein Rückschluss auf das streitgegenständliche Fahrzeug mit seinem Motor ziehen; ein „Generalverdacht“ gegen einen Hersteller besteht grundsätzlich nicht (so auch z. B. OLG Köln, Urteil vom 5. Juni 2020 – 19 U 211/19, juris, Rn. 28, zur Beklagten; OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 – 8 U 1449/19, juris, Rn. 137, zu BMW; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2020 – 1 U 103/19, juris, Rn. 20, zu VW; OLG Köln, Urteil vom 11. April 2019 – 3 U 67/18, juris, Rn. 32, zu Audi).

(2) Nach diesen Grundsätzen liegt hier – abgesehen vom unstreitigen „Thermofenster“ (dazu s. o.) – kein erheblicher Sachvortrag des Klägers zu einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. Der Kläger zeigt keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür auf, dass im Motor des von ihm erworbenen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist.

Teilweise sind die Tatsachen, auf die der Kläger sich beruft, schon von vorneherein nicht als greifbarer Anhaltspunkt geeignet, teilweise beziehen sie sich (zudem) auf einen anderen Motortyp oder jedenfalls eine andere Schadstoffklasse. Weder hat der Kläger aufgezeigt, dass die mit einer unterschiedlichen Motorbezeichnung versehenen Motortypen ungeachtet ihrer Benennung dennoch dieselbe technische Grundkonfiguration wie sein Fahrzeug aufweisen, noch, dass ausnahmsweise trotz der abweichenden Schadstoffklasse ein vergleichbares Fahrzeug vorliegt. Schließlich ist derzeit allgemein und auch aus dem Vortrag des Klägers nicht belastbar ersichtlich, dass die Beklagte ungeachtet von Motortyp und Schadstoffklasse in den von ihr hergestellten Fahrzeugen „flächendeckend“ unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut hat.

α) Der zeitweilig erfolgte Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs kann nicht mehr als greifbarer Anhaltspunkt dafür dienen, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt wurde. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat den Rückruf zurückgenommen und damit zu erkennen gegeben, dass es an seiner ursprünglichen Bewertung nicht mehr festhält. Der Kläger hat auf diesen Rückruf für seinen aktuellen Vortrag konsequenterweise auch nicht mehr Bezug genommen.

β) Soweit andere Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motortyp zurückgerufen wurden, ergibt sich hieraus vorliegend ein etwaiger greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung ebenfalls nicht mehr. Die Problematik, die das Kraftfahrt-Bundesamt diesbezüglich gesehen hat (und bei anderen Fahrzeugen möglicherweise noch sieht), sieht es – wie sich an seiner Rücknahme des hier zunächst ebenfalls erfolgten Rückrufs zeigt – für das streitgegenständliche Fahrzeug ausdrücklich nicht als gegeben an. Aus der Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes zu anderen Fahrzeugen hinsichtlich einer unzulässigen Abschalteinrichtung kann daher kein Anhaltpunkt mehr für das streitgegenständliche Fahrzeug entnommen werden.




γ) Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart nennt der Kläger schon nicht ausdrücklich als Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung. Wenn man insoweit als Vortrag seinerseits genügen lassen will, dass er sich als Beweismittel auf die Beiziehung der dortigen Akten beruft, ergibt sich jedenfalls hieraus vorliegend ebenfalls kein greifbarer Anhaltspunkt. Wenn das Kraftfahrt-Bundesamt eine zunächst im konkreten Fahrzeug beanstandete Vorrichtung sodann nicht mehr als unzulässig bewertet, ist auch einem wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen allgemein geführten Ermittlungsverfahren kein Bezug auf dieses konkrete Fahrzeug mehr zu entnehmen; Abweichendes behauptet der Kläger schon nicht.

δ) Für eine Prüfstandserkennung anhand des Neigungswinkels beruft sich der Kläger auf das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 28. August 2020 zum Aktenzeichen 1 U 137/19, konkret auf Randnummer 18 (juris).

αα) An der genannten Fundstelle finden sich jedoch keine entsprechenden Ausführungen, sondern beschäftigt sich das Urteil mit den Ausführungen zum „Thermofenster“ im dort angefochtenen erstinstanzlichen Urteil.

ββ) In – der vom Kläger nicht in Bezug genommenen – Randnummer 22 (juris) des Urteils ist zwar der Neigungswinkel erwähnt, dort wird aber nur der Vortrag des dortigen Klägers wiedergegeben. Die reine Behauptung seitens eines anderen Klägers zu dessen Fahrzeug kann aber ebenso wenig als greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers dienen wie allein die eigene Behauptung des Klägers zu seinem Fahrzeug. Ein Vortrag ohne tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts erlangt nicht dadurch einen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass ein anderer ebenfalls einen entsprechenden Sachverhalt behauptet, ohne einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür aufzuzeigen. Das dortige Verfahren betraf im Übrigen einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt.

γγ) Soweit der Kläger im selben Absatz ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 6. September 2019 zum Aktenzeichen 19 U 51/19, konkret Randnummer 39 (juris), erwähnt, findet sich in diesem Urteil keine Erwähnung des Neigungswinkels. Das dortige Verfahren betraf im Übrigen einen (nur anonymisiert veröffentlichten) Motortyp der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt.

ε) Für den Vortrag, das Motorsteuergerät schalte nach 1.200 s (NEFZ 1.180 s) beziehungsweise 2.000 s (WLTP 1.800 s) von einer erhöhten Abgasreinigung in den „Normalbetrieb“ mit wesentlich mehr ausgestoßenen Stickoxiden, beruft sich der Kläger auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 6. September 2019 zum Aktenzeichen 19 U 51/19, konkret auf die Randnummern 3 und 39 (juris).

αα) In Randnummer 3 (juris) des Urteils sind diese Zeitintervalle erwähnt, dort wird aber nur der Vortrag des dortigen Klägers wiedergegeben, was als greifbarer Anhaltspunkt nicht genügt (s. o.).

ββ) In Randnummer 39 (juris) des Urteils führt das Oberlandesgericht Köln zwar aus, eine Manipulationssoftware, die aufgrund verschiedener technischer Vorrichtungen eine Prüfungssituation erkenne, sei „konkret“ und unter Beweisantritt behauptet und gegebenenfalls sei eine Schädigung im Sinne des § 826 BGB gegeben, allerdings ist schon nicht klar, ob mit der an dieser Stelle genannten Funktion „verzögerte Aktivierung des Straßenmodus nach Straßenmodus“ eine Umschaltung nach dem vorgetragenen Zeitraum gemeint ist. Jedenfalls aber bietet die Tatsache, dass ein Kläger seinen Vortrag „konkret“ behauptet und unter Beweis stellt, keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass dieser Vortrag zutrifft. Der Beweisantritt fügt der reinen Behauptung (dazu s. o.) insoweit nichts Erhebliches hinzu.

γγ) In der anschließenden – vom Kläger nicht in Bezug genommenen – Randnummer 40 (juris) des Urteils führt das Oberlandesgericht Köln zwar aus, dass der dortige Klägervortrag auch hinreichende Anhaltspunkte dafür enthalte, dass eine Manipulationssoftware vorhanden sei, und verweist dafür auf den Vortrag zu Tests einer Fachhochschule, die zu überhöhten Stickoxidwerten im Straßenbetrieb gekommen seien, gemäß einem Bericht aus dem November 2015. Der Kläger hat im hiesigen Verfahren allerdings weder auf diesen Bericht verwiesen oder ihn gar vorgelegt noch sich zumindest konkret auf die betreffende Randnummer des Urteils bezogen, sondern nur auf konkrete andere Abschnitte jenes Urteils; mithin ist schon nicht erkennbar, dass er sich überhaupt auf diesen Bericht beziehen will. Darüber hinaus betraf das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln einen (nur anonymisiert veröffentlichten) Motortyp der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt; konkret bezüglich jener Tests ist von einem Motor der Schadstoffklasse Euro 5a die Rede.

ζ) Für eine Prüfstandserkennung anhand des Lenkradeinschlags beruft sich der Kläger auf das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 6. September 2019 zum Aktenzeichen 19 U 51/19, konkret auf Randnummer 39 (juris). αα) In Randnummer 39 (juris) des Urteils führt das Oberlandesgericht Köln zwar aus, eine Manipulationssoftware, die aufgrund verschiedener technischer Vorrichtungen (unter anderem: Lenkradeinschlag) eine Prüfungssituation erkenne, sei „konkret“ und unter Beweisantritt behauptet und gegebenenfalls sei eine Schädigung im Sinne des § 826 BGB gegeben, aber die Tatsache, dass ein Kläger seinen Vortrag „konkret“ behauptet und unter Beweis stellt, bietet keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass dieser Vortrag zutrifft (s. o.).

ββ) In der anschließenden – vom Kläger nicht in Bezug genommenen – Randnummer 40 (juris) des Urteils führt das Oberlandesgericht Köln zwar aus, dass der dortige Klägervortrag auch hinreichende Anhaltspunkte dafür enthalte, dass eine Manipulationssoftware vorhanden sei. Insoweit gelten aber die obigen Ausführungen zum Zeitintervall entsprechend.

η) Für den Vortrag, das Motorsteuergerät erfasse die Motordrehzahl und passe dementsprechend die Abgasrückführung an, beruft sich der Kläger auf ein Urteil des Landgericht Stuttgart vom 4. Juli 2019 zum Aktenzeichen 23 O 53/19, Seiten 3 f. und 19 (Entscheidungsgründe Seiten 7 bis 34 vom Kläger in erster Instanz zitiert, Blatt 8 bis 35 der Akten; Urteil im Internet im Volltext zu finden unter [...]).

αα) Auf Seiten 3 f. des Urteils ist eine entsprechende Abschalteinrichtung erwähnt, dort wird aber nur der Vortrag des dortigen Klägers wiedergegeben, was als greifbarer Anhaltspunkt nicht genügt (s. o.).

ββ) Auf Seite 19 des Urteils hat das Landgericht Stuttgart offengelassen, ob es sich bei der Steuerung der Abgasrückführung auch durch den Parameter der Motordrehzahl um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Einen greifbaren Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zeigt der Kläger damit nicht auf. Das dortige Verfahren betraf im Übrigen einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt. Schon allein deshalb ist hier unerheblich, dass im dortigen Verfahren die Steuerung anhand der Motordrehzahl unstreitig war.

θ) Für den Vortrag, der Motor erfasse die zurückgelegte Fahrtstrecke und verändere anhand dessen die Abgasreinigung, namentlich verringere die Software die Menge des zugeführten AdBlue nach 26 km, also nach nur 3 km mehr als für einen Testlauf unter dem WLTP erforderlich, beruft sich der Kläger darauf, dass die Beklagte dies in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Schleswig zum Aktenzeichen 1 U 137/19 zugestanden habe. Jedenfalls dem Urteil des Oberlandesgericht Schleswig vom 28. August 2020 zum Aktenzeichen 1 U 137/19, juris, lässt sich ein solches Zugeständnis nicht entnehmen. Eine Behauptung des dortigen Klägers zu einer Fahrtstrecke von 26 km („Bit 15“) im Zusammenhang mit der AdBlue-Einspritzung findet sich in Randnummer 6 (juris) des Urteils, die Beklagte hingegen behauptete laut Randnummer 10 (juris) des Urteils, „Bit 15“ werde nur für die USA behauptet. In Randnummer 44 (juris) des Urteils wies das Oberlandesgericht Schleswig zudem darauf hin, dass „Bit 15“ keine Rolle spiele, da das Fahrzeug über einen SCR-Katalysator, zu dessen Betrieb die Einspritzung von Harnstoff notwendig wäre, nicht verfüge. Das dortige Verfahren betraf im Übrigen einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt.

ι) Soweit der Kläger – insoweit nicht allein auf die Fahrstrecke bezogen – unter einer neuen Überschrift zudem ausführt, nur auf dem Prüfstand werde ausreichend „AdBlue“ (Harnstofflösung) eingespritzt, im normalen Fahrbetrieb werde dagegen deutlich weniger Ad-Blue verwendet, was zur Folge habe, dass dort die Stickoxidgrenzwerte weit überschritten würden, nennt er schon von vorneherein keinerlei Anhaltspunkt für diesen Vortrag.

κ) Für den Vortrag, das sogenannte „On-Board-Diagnose“-System sei unzulässigerweise so umprogrammiert, dass die bei einem überhöhten Ausstoß von Stickoxiden gesetzlich vorgeschriebene Fehlermeldung unterbleibe, beruft sich der Kläger darauf, dass sowohl bei unabhängigen Messungen als auch bei Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamts das „On-Board-Diagnose“-System selbst bei deutlichen Grenzwertüberschreitungen keinen Fehler gemeldet habe. Konkreten Vortrag, um welche Messungen/Untersuchungen es sich gehandelt habe, hält der Kläger hingegen nicht. Mithin fehlt es auch insoweit an einem greifbaren Anhaltspunkt.

λ) Für den Vortrag, das Fahrzeug verfüge über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, beruft sich der Kläger auf das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. September 2020 zum Aktenzeichen 8 U 8/20, Seite 7, und verweist zur Beschreibung der Funktion auf ein Zitat aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 28. August 2020 zum Aktenzeichen 1 U 137/19, juris. Zuletzt hat er insoweit zudem einen Artikel im „Focus“ und einen Artikel in der „Bild am Sonntag“ angeführt.




αα) Das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg betrifft ausweislich der Fundstelle unter BeckRS 2020, 23552, einen Motor des Typs „OM 651“ mit der Schadstoffklasse Euro 5. Wie sich hieraus ergeben soll, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Motor des Typs „OM 642“ mit der Schadstoffklasse Euro 6 über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verfügen soll, hat der Kläger nicht erläutert.

Soweit sich in Randnummer 16 (BeckRS) des Urteils ein vom dortigen Kläger vorgebrachtes Zitat eines „Spiegel-Online“-Artikels vom 19. Mai 2019 findet, wonach die Beklagte bestätigt habe, dass die Funktion einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung „bei Modellen mit den Motoren OM 651 und OM 642 (unter anderem C-, E- und S-Klasse) verwendet worden sei“, hat der Kläger im hiesigen Verfahren weder auf diesen Artikel verwiesen oder ihn gar vorgelegt noch sonst erkennen lassen, dass sich sein Hinweis auf die Seitenzahl des von ihm nicht vorgelegten Urteils gerade auf dieses Pressezitat beziehen soll, so dass schon nicht erkennbar ist, dass er sich überhaupt auf dieses berufen will. Aus diesem Pressezitat ergäbe sich vorliegend aber ohnehin kein greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung (dazu sogleich bei einem vergleichbaren Pressetext unter δδ)).

ββ) Der vom Kläger zitierte Textabschnitt aus Randnummer 22 (juris) des Urteils des Oberlandesgerichts Schleswig erläutert nur die vom dortigen Kläger behauptete Funktionsweise der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung in dessen Fahrzeug. Der Vortrag eines Klägers aus einem anderen Verfahren genügt indes nicht als greifbarer Anhaltspunkt (s. o.). Das dortige Verfahren betraf im Übrigen einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 5, während es sich hier um einen Motor des Typs „OM 642“ der Schadstoffklasse Euro 6 handelt.

γγ) Der Artikel im „Focus“ vom 15. April 2019 betrifft ein Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 5. Mithin lag dem jedenfalls eine andere Schadstoffklasse zugrunde. Ob es sich auch um einen anderen Motortyp handelte – der Bezug zu einem Motor des Typs „OM 651“ ist im Text nicht völlig eindeutig – kann hier dahinstehen.

δδ) Laut dem Artikel in der „Bild am Sonntag“ vom 18. Mai 2019 habe die Beklagte bestätigt, dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung „in den Modellen mit den Motoren OM 651 und OM 642 (u. a. C-, E- und S-Klasse) verwendet“ worden sei, werfe das Kraftfahrt-Bundesamt der Beklagten „seit Monaten“ vor, diese Funktion „zur Manipulation von Abgastests verwendet“ zu haben, und „droh[t]en [der Beklagten] noch weitere Zwangsrückrufe“. Vorliegend kann dahinstehen, ob dies angesichts des (auch) selben Motortyps wie beim streitgegenständlichen Fahrzeug, aber nicht erkennbarer Schadstoffklasse an sich als greifbarer Anhaltspunkt für eine unzulässige Abschalteinrichtung genügen könnte (vgl. allgemein auch BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, juris, Rn. 24 ff.). Wie bereits ausgeführt, kann angesichts der Rücknahme des hier zunächst ebenfalls erfolgten Rückrufs aus der Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes zu anderen Fahrzeugen hinsichtlich einer unzulässigen Abschalteinrichtung kein Anhaltpunkt mehr für das streitgegenständliche Fahrzeug entnommen werden. Dies gilt erst recht für einen Presseartikel, der Vorwürfe des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung wiedergibt. Soweit zudem die Beklagte laut diesem Artikel für verschiedene Fahrzeugmodelle die Verwendung einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bestätigt haben soll, folgt hieraus jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingesetzt wurde. Abgesehen davon, dass die wiedergegebene Angabe der Beklagten in dem Artikel mit deren weiterer Aussage verknüpft ist, die Funktion sei legal, sieht auch das Kraftfahrt-Bundesamt jedenfalls für das streitgegenständliche Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht als gegeben an.

μ) Der Kläger hat sich in erster Instanz im Zusammenhang mit seinem Vortrag zum „Thermofenster“ auf weitere Indizien berufen. Für die weiteren nunmehr beanstandeten Abschalteinrichtungen hat der Kläger hierauf bereits keinen Bezug genommen. Ohnehin aber ergeben sich dadurch keine greifbaren Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Der ZDF-Bericht von 21. Januar 2020 (Anlage K10) betraf ein Fahrzeug mit einem ungenanntem Motortyp der Schadstoffklasse Euro 5, das Gutachten der Fachhochschule Bern (Anlage K12, nicht in der Akte) einen Motor des Typs „OM 651“ der Schadstoffklasse Euro 5a.



2. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB besteht nicht.

a) Für einen Betrug im Sinne des § 263 StGB fehlt es bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens von einem Dritten jedenfalls an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Es besteht keine Stoffgleichheit der etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers, der einen Vermögensschaden in Höhe der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des erworbenen Fahrzeugs erlitt, wenn das Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war, mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris, Rn. 18 ff.).

b) Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden liegt nicht im Aufgabenbereich der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl. ausführlich BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris, Rn. 72 ff.). Dasselbe gilt für die Normen der Verordnung 715/2007/EG (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, juris, Rn. 35 ff.; zu Art. 5 vgl. bereits ausführlich BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris, Rn. 12 ff.). Nichts Anderes gilt für die Bestimmung des Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG in der nachfolgenden Durchführungsverordnung.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

3. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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