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Kammergericht Berlin Urteil vom 04.11.2021 - 22 U 48/18 - Zu den Anforderungen an Radfahrer beim Einfahren (über eine Ausfahrt) auf die Fahrbahn nach § 10 StVO.

KG Berlin v. 04.11.2021: Zu den Anforderungen an Radfahrer beim Einfahren (über eine Ausfahrt) auf die Fahrbahn nach § 10 StVO




Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 04.11.2021 - 22 U 48/18) hat entschieden:

  1.  Zu den Anforderungen an Radfahrer beim Einfahren (über eine Ausfahrt) auf die Fahrbahn nach § 10 StVO.

  2.  Die Grenze, ab der ein Gutachten im Verkehrsunfallprozess offensichtlich keine verwertbaren Ergebnisse erzielen kann, lässt sich verlässlich ohne Fachkunde feststellen und sicher zu den Fällen abgrenzen, in denen zumindest eine – wenn auch noch so geringe – Möglichkeit, Verwertbares zu ermitteln, besteht.


Siehe auch
Radfahrer-Unfälle - Verkehrsunfall mit Fahrradbeteiligung
und
Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren

Gründe:


I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz (zunächst 20 € [Unkostenpauschale] und Freistellung von 573,60 € [Gutachtenkosten netto], in zweiter Instanz ferner 3.085,90 € [Reparaturkosten netto] und vorgerichtliche Kosten) wegen der Beschädigung seines Taxis. Die Beklagte verlangt (dritt-) widerklagend von dem Kläger sowie den Drittwiderbeklagten zu 2. und 3. ein angemessenes Schmerzensgeld (20.000 €), Verdienstausfall (51.278,04 €), Rentenzahlung (2.380,10 € monatlich), weiteren Schadenersatz (6.232,96 €) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden.

Die Beklagte befand sich als Radfahrerin am 12. März 2015 gegen 10:00 Uhr von der Kurfürstenstraße kommend in südlicher Richtung auf dem aus ihrer Sicht linken Gehweg der Nürnberger Straße, 10787 Berlin, von dem aus sie in Höhe der Ein- bzw. Ausfahrt zur Hausnummer 67 unmittelbar vor einem Taxihaltebereich auf die Fahrbahn einfuhr, um auf die rechte Fahrbahnseite zu gelangen.

Der Drittwiderbeklagte zu 2. fuhr zu dieser Zeit mit dem bei der Drittwiderbeklagten zu 3. haftpflichtversicherten Taxi des Klägers auf der Nürnberger Straße in nördlicher Richtung.

Die Beklagte wurde seitlich links von der Front des Pkw des Klägers erfasst. Das Taxi kam mit seiner Front etwa in Höhe des Beginns der Einfahrt sowie im Fahrstreifen schräg links versetzt zum Stehen. Das Fahrrad lag neben dem rechten Vorderrad des Taxis, sein Hinterrad war eingeklemmt.

Es ist u.a. streitig, ob der Drittwiderbeklagte zu 2. von dem Hoteleingang oder erst von dem Taxistand angefahren war.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort durchgeführten Beweisaufnahme bzw. Parteianhörung und gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.




Das Landgericht hat durch am 7. August 2018 verkündetes Urteil der Klage stattgegeben und die (Dritt-) Widerklage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 10. August 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. September 2018 Berufung eingelegt und diese am 10. Oktober 2018 begründet. Der Kläger hat am 11. Oktober 2018 klageerweiternd - wegen der Nettoreparaturkosten und ihm entstandener außergerichtlicher Anwaltskosten - Anschlussberufung eingelegt und diese im gleichen Schriftsatz begründet.

Der Senat hat mit Urteil vom 18. April 2019 zunächst der Berufung der Beklagten wegen des Freistellungsantrages teilweise stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen sowie der Anschlussberufung stattgegeben.




Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Juli 2020 - VI ZR 212/19 - auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten in vollem Umfang - also (abweichend von dem Antrag der Beklagten) auch soweit der Senat zu Gunsten der Beklagten das angefochtene Urteil geändert und die Klage abgewiesen hat - aufgehoben und gemeint, der Senat hätte das rechtliche Gehör verletzt, weil er die Anforderungen an ein substanziiertes Bestreiten hinsichtlich der Reparaturkosten überspannt und zu Unrecht die Einholung eines Gutachtens unterlassen habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Bundesgerichtshofes wird auf dessen Beschluss verwiesen.

Die Beklagte beanstandet im Wesentlichen unter näherer Ausführung verschiedene Verletzungen der Hinweispflichten des Landgerichts und meint, es wäre ein Gutachten einzuholen sowie weitere Zeugen zu vernehmen.

Sie behauptet sinngemäß, sie habe ihrer Sorgfaltspflicht genügt, während der Drittwiderbeklagte unvermittelt und ohne zu blinken in räumlicher Nähe angefahren wäre.

Hinsichtlich der Ansprüche des Klägers meint sie u.a., die Aufforderung einer Anwaltskanzlei zur Schadenersatzleistung könne keinen Verzug begründen. Das Verlangen einer Schadenersatzleistung genüge zur Begründung des Verzugs nicht. Es wäre eine Bezifferung erforderlich gewesen. Ferner weist sie darauf hin, dass das Gutachten erst am 20. August 2015, fünf Monate nach dem Unfall und der Besichtigung, erstellt worden sei.

Sie widerspricht der Klageerweiterung in zweiter Instanz.

Die Beklagte beantragt,

  1.  unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 7. August 2018, 41 O 289/16,

  a.  die Klage abzuweisen,

und

den Kläger und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie


  b.  ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

  c.  51.278,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab jeweiliger Rechtshängigkeit,

  d.  monatlich 2.380,10 € brutto Verdienstausfallrente monatlich jeweils im Voraus ab dem 1. September 2018,

  e.  6.232,96 € sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 743,51 € nebst jeweiligen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  f.  festzustellen, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall der Parteien vom 12. März 2015 in 10787 Berlin, Nürnberger Straße 67, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

  2.  hilfsweise das Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

  3.  die Anschlussberufung des Klägers zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Der Kläger sowie die Drittwiderbeklagten beantragen,

   die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt ferner,

   die Beklagte auf die Anschlussberufung zu verurteilen,
   an ihn - über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus -

  1.  weitere 3.085,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 23. September 2015 sowie

  2.  vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 359,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (15. Oktober 2018) zu zahlen.



Der Kläger verweist hinsichtlich des Verzuges auf sein anwaltliches Schreiben vom 25. August 2015 an die von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte.

Ferner reicht der Kläger nunmehr u.a. eine Rechnung vom 30. März 2015 über die Durchführung der Reparatur des Unfallschadens ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat entsprechend der Vorgabe des Bundesgerichtshofes nach Maßgabe der Beschlüsse vom 13. August 2020 und 14. September 2020 Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen D... vom 3. Juni 2021 und das Gutachten des Sachverständigen H... vom 10. Juni 2021 verwiesen.




II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet, die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist überwiegend begründet.

A. (Ursprüngliche) Klage

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der in erster Instanz geltend gemachte Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 10 StVO wegen des Verkehrsunfalls vom 12. März 2015 nur wegen der Unkostenpauschale nebst Zinsen zu, während der Freistellungsantrag - anders als das Landgericht angenommen hat - unbegründet ist.

1. Unkostenpauschale - 20 €

Dem Kläger stehen die gegen die Beklagte begründeten Ansprüche, also auch der Anspruch auf Ersatz der Unkostenpauschale, ungekürzt zu. Ein ihm zurechenbares Mitverschulden des Drittwiderbeklagten zu 2. fehlt und die Haftung aus der Betriebsgefahr des Taxis aus § 7 Abs. 1 StVG tritt im Ergebnis der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB hinter dem groben Verschulden der Beklagten vollständig zurück. Insoweit wird zunächst auf die grundsätzlich zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

a) Die Beklagte genügte zweifelsfrei beim Einfahren auf die Fahrbahn ihren aus § 10 S. 1 und S. 2 StVO folgenden Sorgfaltspflichten nicht. Nach § 10 S. 1 StVO oblag ihr eine gesteigerte Sorgfaltspflicht; sie hatte sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (nicht nur des fließenden Verkehrs, vgl. BGH, Urt. v. 15. 5. 2018 - VI ZR 231/17 - [12 f.]) ausgeschlossen war. Nach § 10 S. 2 StVO hatte sie zudem die Absicht einzufahren, rechtzeitig und deutlich durch Anzeigen der Fahrtrichtung anzukündigen. Die Sorgfaltspflichten enden auch nicht unmittelbar beim Verlassen des Gehweges. Insbesondere, wenn - wie hier - am Fahrbahnrand parkende Kraftfahrzeuge stehen, ist unmittelbar vor dem Einfahren in den Bereich des fließenden Verkehrs - ggfs. nochmals - auf Verkehr von links zu achten.


(1) Die Beklagte trägt - was das Landgericht zu Recht und unbeanstandet zu Grunde gelegt hat - selbst vor, dass ihr die Sicht auf die Fahrbahn und damit auf das Taxi des Klägers wegen des an ersten Stelle am Taxiwarteplatz stehenden Taxis des Zeugen (Mercedes B-Klasse) versperrt bzw. erschwert war. Dann hätte sie sich - wie das Landgericht ausgeführt hat - zumindest vorsichtig vortasten müssen. Das hat sie - entgegen ihrer Rechtsansicht - aber nicht getan. Ein zentimeterweises Vortasten bedeutet nicht, dass Zentimeter für Zentimeter vorzurollen wäre, sondern dass eine kurze Strecke vorgerollt und anschließend ein angemessener Zeitraum abgewartet wird, bevor erneut etwas vorgerollt wird. Dies wird man je nach den Umständen etwa drei- bis viermal wiederholen müssen, um jeweils sicherzustellen, dass das eigene Fahrzeug von den Verkehrsteilnehmern im fließenden Verkehr rechtzeitig wahrgenommen werden kann und diese auf das weitere Vorrollen noch angemessen reagieren können (z.B. Hupen, um auf sich aufmerksam zu machen, oder Ermöglichen des Einfahrens) und nicht zu abrupten Fahrmanövern oder einem starken Bremsen gezwungen werden. Erst wenn dann der Punkt erreicht ist, von dem aus die zuvor versperrte Einsicht möglich ist, darf nach Prüfung gefahren werden. Dergleichen hat die Beklagte schon nicht vorgetragen oder geschildert. Ihr Sorgfaltspflichtverstoß ist daher unstreitig, weshalb es im Grundsatz nicht darauf ankommt, dass nach der glaubhaften Aussage des Zeugen die Beklagte in einem Zug auf die Fahrbahn fuhr.

(2) Ferner muss davon ausgegangen werden, dass (Durchschnitts-) Radfahrer im Allgemeinen nicht über mehrere Sekunden regungslos im Stand verharren können, weshalb sie in einer solchen Situation zum Absteigen verpflichtet wären und erst auf der Fahrbahn nach Einsicht und Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wieder aufsteigen dürften. Dies ergibt sich jedenfalls zwingend aus dem Umstand, dass die Absicht zum Einfahren in üblicher Weise durch rechtzeitiges Ausstrecken des Armes angezeigt werden muss, was auch für geübte Radfahrer ausschließt, im Stand verharren zu können. Dies hat die Beklagte nicht beachtet und sich schon deshalb falsch verhalten.

(3) Also genügte die Beklagte auch ihrer Pflicht aus § 10 S. 2 StVO unstreitig nicht.

(4) Im Übrigen hätte die Beklagte den für eine Verletzung der Sorgfaltspflichten des § 10 S. 1, S. 2 StVO sprechenden Anschein (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 10 StVO Rn. 11; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 453 [7.]) bzw. das aus der objektiven Vorfahrtverletzung folgende Indiz für ihr Verschulden (BGH, Urteil vom 20.9.2011 - VI ZR 282/10 - r+s 2011, 530 [9]), schon nicht widerlegt, denn sie hat das Taxi nicht gesehen, obwohl es sich zweifellos in räumlicher Nähe befunden haben muss. Dementsprechend ist sie auf Spekulationen zum Fahrverhalten des Drittwiderbeklagten zu 2. angewiesen. Der für den Anschein enge räumliche und zeitliche Zusammenhang ist offensichtlich gegeben. Da die Beklagte die Straße bis zur gegenüberliegenden Fahrbahnseite queren wollte, kommt ein Einordnen in den fließenden Verkehr als Abschluss des Einfahrens im Übrigen nicht bereits während des Querens oder - wie hier - sogar des Beginns des Querens in Betracht.

(5) Es mag sein, dass der die Anhörung sowie die Beweisaufnahme durchführende Richter die Darstellungen der Beklagten und des Drittwiderbeklagten zu 2. noch für gleich zuverlässig erachtet hatte, was er im Hinblick auf den Dezernatswechsel meinte schriftlich festhalten zu müssen (Beschluss vom 25. Juli 2017). Dies wäre jedoch irrelevant, weil daraus bei widerstreitenden Tatsachenschilderungen ein offenes Beweisergebnis folgen würde, das - anders als offenbar dieser Richter noch gemeint hat - nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast und den Grundsätzen des Anscheinsbeweises hier in vollem Umfang zulasten der Beklagten geht, wie das Landgericht zu Recht und inhaltlich zutreffend näher ausgeführt hat.

(6) Ergänzend wird auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich des Verschuldens des Drittwiderbeklagten zu 2. verwiesen.

b) Ein (Mit-) Verschulden des Drittwiderbeklagten zu 2. aus §§ 10 S. 1, S. 2; 1 Abs. 2; 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StVO ist nicht festzustellen, weshalb die Beklagte beweisfällig bleibt. Es ist weder konkret vorgetragen, dass und an welcher Stelle der Drittwiderbeklagte zu 2. vom Fahrbahnrand anfuhr, noch ist dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustellen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Auch die auf Anordnung des Bundesgerichtshofes ergänzende Beweisaufnahme hat dieses Ergebnis nicht geändert. Deshalb fehlen für einen aus § 10 StVO folgenden Anschein einer Sorgfaltspflichtverletzung des Drittwiderbeklagten zu 2. bereits die erforderlichen Anknüpfungstatsachen. Bei einem - nicht zu widerlegenden - Anfahren in einer Entfernung von 43 m war der Drittwiderbeklagte zu 2. bereits im fließenden Verkehr eingeordnet, was ab einer Fahrstrecke von ca. 20 m gilt. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Drittwiderbeklagte zu 2. früher auf die Beklagte hätte reagieren können müssen, also erkannte, dass sie seinen Vorrang verletzten würde, oder zu schnell gefahren wäre. Auch insoweit hat das Gutachten keine weiteren Erkenntnisse zu Gunsten der Beklagten erbringen können.

(1) Der Drittwiderbeklagte zu 2. hat anlässlich seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht geschildert, am Hoteleingang einen Fahrgast abgesetzt zu haben. Dieser Eingang befindet sich, wie aufgrund der in der Beiakte vorhandenen bemaßten Unfallskizze sowie über Google Earth (im Internet frei zugänglich und wie dem Senat aus verschiedenen Rechtsstreiten bekannt ist, hinreichend genau) ermittelbar ist, etwa 50 m (der Sachverständige D... hat nun 43 m zu Grunde gelegt) vom Kollisionsort entfernt. Soweit die Beklagte auf dessen (unstreitige, jedenfalls gemäß § 418 Abs. 1 ZPO feststehende) Angaben gegenüber der Polizei verwiesen hat, er habe den Fahrgast bzw. Fahrgäste am Taxistand abgesetzt, ist dies unerheblich, denn damit steht der konkrete Standort nicht fest und die Angabe lässt sich mit einem - plausiblen - Absetzen am Hoteleingang noch vereinbaren, denn der Taxistand beginnt etwa 10 m dahinter.

(a) Dass der Drittwiderbeklagte zu 2. anlässlich seiner Anhörung die Entfernung mit 60 bis 70 m geschätzt hat, liegt in dem Rahmen der nur sehr groben Genauigkeit von Schätzungen. Bekanntermaßen sind Entfernungsangaben als Schätzungen unzuverlässig, weshalb Zeugen bspw. insoweit nur dann zu vernehmen wären, wenn sie konkrete objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte für ihre Schätzung bekunden können sollen. Insofern ist die Fehlschätzung des Drittwiderbeklagten zu 2. verständlich und deshalb für das Ergebnis der Beweiswürdigung irrelevant.

(b) Selbst unterstellt, das Taxi hätte bereits im Bereich des (für fünf Taxis bestimmten) Taxistandes gehalten, könnte die Strecke bis zum Kollisionsort immer noch zwischen 35 bis 40 m (ermittelbar, hier muss nicht spekuliert werden und Taxis sind auch nicht nur - wie das Landgericht angenommen hat - 4 m lang) betragen, ohne dass die Beklagte substanziiert Abweichendes vortragen könnte oder vorgetragen hätte. Die konkreteren Strecken hat nun der Sachverständige ermittelt (dazu noch unten).

(c) Abgesehen von dem Umstand, dass konkreter Vortrag fehlt und es nicht Aufgabe des Gerichts wäre, Parteien auf das Vorhandensein von (zudem nur möglichen) Zeugen - hier der Polizeibeamten des Streifenwagens, der sich hinter dem Taxi befunden haben soll - aufzufordern, sondern Sache der Partei entsprechend der ihr erteilten Auflage und ihrer Prozessförderungspflicht für die frühzeitige Benennung von Zeugen Sorge zu tragen, ist schon nicht ersichtlich, ob es sich bei den nun erstmals benannten Zeugen um die Besatzung dieses fraglichen Streifenwagens handelt. Zudem sind sie - wohl aus gutem Grund - nicht als Zeugen in der Ermittlungsakte aufgeführt. Die Beklagte trägt jedoch weder vor, einen Streifenwagen gesehen zu haben, noch einen solchen - wie das Taxi des Klägers - ebenfalls übersehen zu haben. Soweit die Beklagte dies nun erneut anspricht, wird darauf hingewiesen, dass der Senat hierzu in seinem aufgehobenen Urteil bereits - von dem Bundesgerichtshof unbeanstandet - entsprechend ausgeführt und ergänzt hat, etwaiger neuer Vortrag oder die neuen Beweisantritte könnten daher jedenfalls nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden (Urteil vom 18. April 2019, S. 8 zu (c) und S. 9 zu (f)). Daran hat sich nichts geändert. Auch der Bundesgerichtshof fasst - anders als die Prozessbevollmächtige der Beklagten im Termin gemeint hat - Entscheidungen nicht so, dass nur über Teilausschnitte entschieden wird und Prozesse durch mehrfache Zurückverweisungen jeweils in Raten abgearbeitet werden, zumal der Bundesgerichtshof in diesem Rahmen an seine eigene Entscheidung in der Sache ebenfalls gebunden ist. Die Sachlage ist aber unverändert.

(d) Soweit der Senat in seinem aufgehobenen Urteil gemeint hat, für die Einholung eines Gutachtens fehle es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen, hat der Bundesgerichtshof dies abweichend beurteilt.

(d1) Daran ist der Senat - ungeachtet des an den erkennenden Richter im Hinblick auf die Beweiserhebung adressierten Unverständnisses des Klägers und der Drittwiderbeklagten (Schriftsatz vom 1. September 2020: "halten es gleichwohl für befremdlich" und Schriftsatz vom 16. September 2020) - gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO), weshalb nunmehr ein Gutachten eingeholt worden ist, wobei der Senat den Wortlaut des Bundesgerichtshofes unverändert übernommen hat, weil der erkennende Richter substanziierten Vortrag nicht zu finden vermochte. Ungeachtet der Bindung durch die Vorgaben des Bundesgerichtshofes soll dennoch Folgendes angemerkt werden: Es ist sicherlich zutreffend, dass das Gericht sich nicht unfallanalytische Sachkunde anmaßen darf, ohne dies darzulegen. Das war hier aber auch nicht der Ansatz des erkennenden Richters. Er verfügt selbstverständlich nicht über eine Ausbildung als Unfallrekonstruktionsgutachter und hat dies auch an keiner Stelle seiner Begründung zum Ausdruck gebracht. Es ist aber keineswegs regelhaft im Streitfall in Unfallprozessen ein Gutachten einzuholen, andernfalls würden unzählige nutzlose Gutachten mit entsprechenden erheblichen Kosten (regelmäßig höhere vierstellige Beträge) erstellt werden, die für die Feststellungen keinerlei Erkenntnisgewinn bringen können und allenfalls dem Fortbildungsinteresse dienen. Die Grenze, ab der ein Gutachten offensichtlich keine verwertbaren Ergebnisse erzielen kann, lässt sich verlässlich - zumal für den erfahrenen Tatrichter - ohne Fachkunde feststellen und sicher zu den Fällen abgrenzen, in denen zumindest eine - wenn auch noch so geringe - Möglichkeit, Verwertbares zu ermitteln, besteht. Vorliegend soll im Wesentlichen aus einer letztlich wertfreien Endstellung nicht nur der Kollisionsort, sondern der ursprüngliche Abfahrort bzw. Anhalteort ermittelt werden. Es erschließt sich dem erkennenden Richter nicht ansatzweise, wie dergleichen hinsichtlich des vorliegend maßgeblichen Abfahrortes möglich sein sollte.

Die Kollisionsgeschwindigkeit lässt zweifellos auf dergleichen keinerlei Schluss zu, allenfalls ließen sich je nach Geschwindigkeit nahe Anhalteorte ausschließen, was hier jedoch nun gerade nicht das Anliegen der Beklagten ist. Im Übrigen sind jeder beliebige Anfahrort und jede beliebige zwischenzeitliche, u.U. schwankende Geschwindigkeitsveränderung damit vereinbar. Die polizeiliche Verkehrsunfallskizze mag "ausführlich" sein, sie hilft jedoch zweifelsfrei nicht weiter. Was sich aus den keineswegs eingezeichneten Kratzspuren (es ist lediglich schematisch der Bereich von Kratzspuren umrahmt) quer vor der Front des Taxis in dieser Hinsicht ergeben sollte, vermag der erkennende Richter logisch nicht nachzuvollziehen. Die aus einem Foto nur ansatzweise ersichtliche, bogenförmige Kratzspur ist dem - wenn sie denn von dem Fahrrad stammt - Umstand geschuldet, dass das Fahrrad linksseitig getroffen wurde, dann (was ohnehin schon eine geringe Anstoßgeschwindigkeit bedingt) logisch zwingend auf die rechte Seite gefallen sein muss und anschließend - zweifelsfrei durch das Einklemmen bedingt - seitlich nach hinten in die Endlage bewegt wurde. Irgendeine Aussagekraft für die Bewegung des Taxis nach vorne im Hinblick auf eine höhere Geschwindigkeit ist ausgeschlossen. Dafür wären Kratzspuren in Längsrichtung erforderlich und nicht eine im Wesentlichen quer zu der Front des Taxis verlaufende Spur. Dass sich aus diesem Zusatzdetail hier - abgesehen von der vorstehenden Beschreibung - die Annahme rechtfertigt, ein Sachverständiger könne daraus möglicherweise den Anfahrtsort eines Pkw ermitteln, erschließt sich ebenso wenig. Eventuell hat sich der Bundesgerichtshof durch die weitere Ausführung des erkennenden Richters zur Ermittlung des Kollisionsortes veranlasst gesehen, den eigentlichen Ansatz zum Anfahrort zu übersehen. Aber auch insoweit darf angemerkt werden, dass der durch den Sachverständigen nun ermittelte Bereich zum Kollisionsort in dem erwartbaren Bereich lag und ohne jeden Erkenntnisgewinn bleibt. Tatrichter lernen im Rahmen ihrer Tätigkeit durch eingeholte Gutachten und Fortbildung im Verkehrsrecht die einschlägigen Schadensbilder an Fahrzeugen hinreichend kennen, um auch hier die Grenze des ohnehin nur grob ermittelbaren Geschwindigkeitsbereich sicher einschätzen zu können, ab dem ein Gutachten möglicherweise noch verwertbare Erkenntnisse in der Sache erbringen könnte. Die vergleichsweise geringen Schäden an dem Taxi, teilweise wären sie ohne die auf der Motorhaube und der Windschutzscheibe angebrachten Pfeile nicht einmal erkennbar, lassen im Übrigen ganz ohne Vorkenntnisse und ohne Sachkunde erkennen, dass die Geschwindigkeit nicht hoch gewesen sein kann, weshalb der Kollisionsort nur in geringer Entfernung gelegen haben konnte. Weg-ZeitBerechnungen bzw. -Betrachtungen zählen zum Schul- und damit zum Allgemeinwissen. Es mag im Übrigen sein, dass das Gericht die Ablehnung eines Beweisantrages begründen muss. Es ist aber nicht seine Aufgabe, im Zweifelsfall das offensichtliche Fehlen logischer Zusammenhänge zu belegen - und wie hier nun - ausführlich negative Tatsachen auszuführen, sondern zunächst Sache der Partei - zumal, wenn dies schon die erste Instanz beanstandet hatte - diesen logischen Zusammenhang aus Laiensicht positiv zu begründen. Schließlich muss ein Gericht regelmäßig trotz fehlender Sachkunde beurteilen können, ob einem Beweisantrag nachzugehen ist und ob es dem Gutachten folgt, was denklogisch voraussetzt, dass der Richter zu einer Beurteilung aus Laiensicht in der Lage ist. Andernfalls führt der vom Bundesgerichtshof offenbar geteilte Zirkelschluss dazu, dass ein Gericht Beweisanträge überhaupt nicht mehr ablehnen könnte oder aber ihnen mangels möglicher Beurteilung nicht stattgeben dürfte.




(d2) Diese dargestellte klare Einschätzung hat letztlich im vorliegenden Fall das auf Anweisung des Bundesgerichtshofes eingeholte Gutachten im Ergebnis belegt und bestätigt, dass keine für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen möglich sind, weshalb die Beklagte für ihre Behauptungen jedenfalls beweisfällig bleibt. Der Sachverständige D... hat - wie nicht anders zu erwarten - Anhaltspunkte nicht gefunden und ausgeführt, der Ort auf der Fahrbahn, an dem der Drittwiderbeklagte zu 2. zuvor angehalten und einen Fahrgast habe aussteigen lassen, sei nicht im Nachhinein rekonstruierbar (S. 12, 2. Abs., 17, 2. Abs.). Selbst für die Ermittlung des Kollisionsortes waren auf der Fahrbahn keine Spuren vorhanden bzw. ersichtlich (S. 10 vorl. Abs.).

Der Sachverständige hat aber - letztlich spekulativ - anhand der Unfallschäden den Bereich der Kollisionsgeschwindigkeiten und des Kollisionsortes eingrenzen können (S. 9 - 11) und die hier nach den Behauptungen der Parteien in Betracht kommenden Anhalteorte des Taxis in jeweils zwei Varianten zum Fahrverhalten der Unfallbeteiligten untersucht (S. 12 - 15).

Dabei hat er für seine Berechnungen zur Fahrlinie der Beklagten zwei Varianten unterstellt. Ein rechtwinkliges Einfahren sowie eine schräge bzw. rechtsbogenförmige Linie, wie sie den Angaben des Zeugen D... (Taxifahrer in erster Position am Taxistand) entspräche und sich damit in Einklang bringen ließe. In der Folge ist er überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte vom Fahrbahnrand (beim Verlassen des Gehwegs bzw. der Ausfahrt) bis zum Kollisionsort für eine Strecke von 5 bis 6 m zwischen 2,2 und 3,6 s benötigt haben müsse (S. 12 f., Bl. 43 bis 45).

Hinsichtlich des Fahrverhaltens des Drittwiderbeklagten zu 2. hat der Sachverständige zwei Varianten untersucht, wobei er zur unspezifischen Variante der Beklagten (Anfahren vom Taxistand) Untervarianten einbezogen hat (S. 13 - 15).

Für die von dem Kläger behauptete Variante (Anfahrort in 43 m Entfernung) hat er - wieder unter Heranziehung plausibler Annahmen - eine Zeitspanne von 5,8 bis 7,8 s ermittelt (S. 14 oben, Bl. 46 - 48). Daraus hat er rechnerisch zutreffend gefolgert, dass das Taxi mindestens 2,2 s (5,8 s - 3,6 s) vor dem Einfahren der Beklagten auf die Fahrbahn eingefahren wäre. Es wären - was der Sachverständige nicht mehr näher berechnet hat - nach den zu Grunde gelegten Zahlen aber auch deutlich längere Zeitspannen von 4,2 s (7,8 s - 3,6 s) oder sogar 5,6 s (7,8 s - 2,2 s) möglich. Die Zeitspannen würden sich wiederum verlängern, wenn das Taxi nicht kontinuierlich, d.h. langsamer als unterstellt, beschleunigt worden sein sollte (S. 14, vorl. Abs.).

Zur Variante der Beklagten hat der Sachverständige D... zunächst die Bereiche ermittelt, in denen das Taxi im Bereich des Taxistandplatzes angefahren sein kann (S. 14 f.). Dazu hat er eine Zeitspanne von 2,7 s - 5,4 s für das Taxi ermittelt. In dem für die Beklagte (verfahrensrechtlich) günstigsten Fall ergäbe sich, dass sie bereits 0,9 s vor dem Taxi auf die Fahrbahn, möglicherweise verdeckt durch das an erster Stelle stehende Taxi des Zeugen D... (Mercedes B-Klasse), einfuhr (2,7 s - 3,6 s), wobei hier ergänzend angemerkt werden muss, dass selbst in dieser Variante die Beklagte wiederum das bereits anfahrende Taxi hätte rechtzeitig beachten können und müssen, als sie - was wie oben ausgeführt rechtlich maßgeblich ist - an der Leitlinie zum rechten Fahrstreifen, in dem die Taxis am Taxistand parkten, angelangt war, weil das Taxi in diesem Moment jedenfalls schon losgefahren war. In der dem Kläger (verfahrensrechtlich) günstigsten Variante mit größerer Entfernung ergäbe sich dagegen eine mögliche Zeitspanne von 3,2 s (5,4 s - 2,2 s), die das Taxi bereits angefahren war, als die Beklagte auf die Fahrbahn in den rechten (Park-) Fahrstreifen einfuhr.

Der Sachverständige hat dementsprechend nochmals und überzeugend klargestellt, dass die Varianten bzw. die Behauptung der Beklagten, der Drittwiderbeklagte zu 2. sei erst kurz vor dem Zusammenstoß und zu einem Zeitpunkt, als sie sich bereits auf der Fahrbahn befunden habe, angefahren, ohne vorher die notwendige Umsicht walten zu lassen, aus technischer Sicht nicht nachweisbar ist (S. 15 unten, S. 17, 1. Abs.).

Vielmehr steht nach dem Gutachten - wie oben bereits ausgeführt, worauf es aber beweisrechtlich nicht ankommt - selbst in der der Beklagten (verfahrensrechtlich) günstigsten Variante fest, dass der Drittwiderbeklagte zu 2. losfuhr, bevor die Beklagte die Leitlinie des ersten (Park-) Fahrstreifens erreicht hatte.

Die weitere Behauptung der Beklagten, der Drittwiderbeklagte zu 2. habe sein Fahrzeug nicht vor der Beklagten abgebremst, hat der Sachverständige ebenso wenig bestätigen können, sondern die Feststellung auf die Kollisionsgeschwindigkeit und den nachkollisionären Anhalteweg beschränkt und die Behauptung "insofern" bestätigt (S. 13, vorl. Abs., S. 16, S. 17 f.).

Hinsichtlich der weiteren Einwendungen der Beklagten gilt Folgendes:

Soweit die Beklagte beanstandet hat, der Sachverständige D... habe bisher unbekannte Fotos von dem (Privat-) Sachverständigen erhalten, ist dies durch die Übersendung einer weiteren CD mit allen Bilddateien erledigt. Ein Erkenntniswert durch den Inhalt der E-Mail an den Sachverständigen, die die Beklagte zur Kenntnis erhalten hat wollen, anlässlich der Übermittlung der Bilddateien ist nicht erkennbar. Andernfalls hätte der Sachverständige D... dergleichen erwähnt. Aus dem Inhalt seines Gutachtens ist ebenso wenig ersichtlich, dass irgendeine weitergehende Information vorgelegen hat. Die Relevanz des Datums (am Unfalltag, ca. 5 Stunden später) hinsichtlich ihrer Fertigung erschließt sich ohnehin nicht. Die Fotos lassen sich mit den anlässlich der Unfallaufnahme gefertigten Fotos vergleichen und zeigen keinerlei Abweichung zu diesen; auch die aufgeklebten Pfeile sind noch vorhanden. Soweit ein die Front zeigendes Foto ein Datum des Vormonats trägt, ist ersichtlich, dass es sich um einen der von dem (Privat-) Sachverständigen in seinem Gutachten aufgeführten (reparierten) Vorschäden handelt, der aufgrund der dort genannten Gutachtennummer H021315 zeitlich zuordenbar ist (13. Februar 2015). Dort ist u.a. die Frontstoßfängerverkleidung links teilweise gebrochen. Der Stoßfänger ist aber ausweislich der Fotos von dem hier streitgegenständlichen Unfall offensichtlich ausgetauscht gewesen und die Beschädigung der Halterung links ist auch nicht mehr vorhanden gewesen. Dieser Schaden war also zweifelsfrei am Unfalltag ausweislich der Fotos beseitigt. Es besteht - zumal die vom Gericht beauftragten Sachverständigen die Zurechnung der hier streitigen Schäden zum Unfall bestätigt haben - keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, dieser vergleichsweise geringe Vorschaden sei nicht ordnungsgemäß repariert gewesen. Es mag sein, dass das Kennzeichen mehrfach verbeult und verformt war. Beulen oder Verformungen an Kennzeichen weisen aber keineswegs regelhaft auf eine Vielzahl von Unfällen hin und können verschiedene Ursachen haben (Anstöße durch Anhängerkupplungen o.ä.). Daraus ergibt sich aber keinerlei ernsthafter Anhaltspunkt für weitere Unfallschäden, die in dem (Privat-) Gutachten nicht genannt waren. Den Sachverständigen Devrient und Hahn war dieses (Privat-) Gutachten bekannt und sie haben es geprüft. Irgendwelche Einschränkungen haben sie daraus nicht geschlussfolgert.

Soweit die Beklagte hinsichtlich des angeblich streitigen Befahrens des Zeitpunktes des zweiten Fahrstreifens erneut ihren erfolglosen Tatbestandsberichtigungsantrag anspricht, ist dieser durch die Ablehnung des Landgerichts erledigt. Im Übrigen hat sich der Sachverständige Devrient nun gerade mit den verschiedenen Möglichkeiten beschäftigt, weshalb die Relevanz sich nicht erschließen will.

Hinsichtlich der Bewertung der Geschwindigkeit der Beklagten merkt der Senat an, dass dies eine Rechts- und keine Tatfrage ist. Das Landgericht und der Senat vermuten hierzu nichts, sondern haben die Sorgfaltspflichtanforderungen bestimmt. Soweit die Beklagte meint, es sei nicht bewiesen, dass der Drittwiderbeklagte zu 2. bereits losgefahren gewesen sei, wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zur Variante der Beklagten sowie die rechtlichen Ausführungen verwiesen. Der Beklagten obliegt die Darlegungs- und Beweislast für ein Verschulden des Drittwiderbeklagten zu 2. Ein offenes Beweisergebnis geht daher zu ihren Lasten. Ihr Verschulden steht aus den genannten Gründen fest. Auch wenn diese Feststellung insoweit nur aus einem Anschein folgen würde, müsste sie zunächst einmal darlegen, die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten eingehalten zu haben. Im Übrigen wäre - wie oben ausgeführt - selbst in der für die Beklagte günstigsten Variante der Drittwiderbeklagte zu 2. im maßgeblichen Zeitpunkt (Beklagte an der Leitlinie zwischen Parkstreifen und mittlerem [von damals drei] Fahrstreifen in eine Richtung) bereits losgefahren gewesen. Sie hätte ihn daher bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt in keiner der denkbaren und von dem Sachverständigen erörterten Varianten übersehen können.

Soweit die Beklagte meint, das Gutachten gehe davon aus, der Drittwiderbeklagte zu 2. habe nicht vor dem Aufprall gelenkt, entspricht dies Bl. 41 des Gutachtens, wonach das Taxi erst später noch nach links gelenkt wurde. Weshalb hierzu nun erneut ein Gutachten eingeholt werden sollte, erschließt sich nicht. Zur Bedeutung ihrer Anmerkung führt die Beklagte nichts aus.

(e) Rechtliche Wertungen zur "Unvorhersehbarkeit" (Schriftsatz vom 17. August 2017, S. 2 = Bd. I Bl. 135 i.V.m. der Berufungsbegründung vom 9. Oktober 2018, S. 12 = Bd. II Bl. 84) hat das Gericht zu treffen, wie der Senat - insoweit unbeanstandet durch den Bundesgerichtshof - ausgeführt hat. Es ist - wie bereits oben ausgeführt - nicht ersichtlich, dass dem Drittwiderbeklagten zu 2. eine rechtzeitigere, unfallvermeidende Reaktion noch möglich war, zumal hierfür auch maßgeblich ist, dass er nicht bereits bei dem - nach den sachverständigen Feststellungen - vergleichsweise langsamen Einfahren auf die Fahrbahn schon damit rechnen musste, die Beklagte würde nicht im Bereich des Parkstreifens halten. Der Bevorrechtigte darf solange auf die Beachtung seines Vorrangs vertrauen, bis er erkennen muss, dass der andere ihn übersieht oder den Vorrang missachten wird. Dergleichen ist hier nicht feststellbar.

(f) Zwar genügen 15 bis 20 m noch nicht für ein Einordnen in den fließenden Verkehr. Eine - wie hier - unwiderlegt mit mehr als 35 m anzunehmende deutlich längere Strecke steht jedoch bereits räumlich einem zurechenbaren Zusammenhang mit dem Einfahren in den fließenden Verkehr vom Fahrbahnrand entgegen (Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 453 [7.]), wie bereits oben ebenfalls schon ausgeführt. Nur klarstellend wird angemerkt, dass beim - wie hier vom Drittwiderbeklagten zu 2. geschildert - Anfahren aus zweiter Reihe ohnehin nicht § 10 StVO gälte, sondern die Sorgfaltspflicht des Anfahrenden aus § 1 Abs. 2 StVO folgen würde (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 10 StVO Rn. 7 a.E.), also nur ein einfacher Sorgfaltsmaßstab gälte.

(2) Dass der Drittwiderbeklagte rechtzeitiger hätte reagieren können müssen und deshalb gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hätte, wird von der Beklagten schon nicht konkret vorgetragen, weil sie schließlich keine eigenen Wahrnehmungen gemacht hat. Auf die vorstehenden rechtlichen Ausführungen und die Beweiswürdigung wird verwiesen.

(3) Dass der Drittwiderbeklagte zu 2. unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 oder Abs. 3 Nr. 1 StVO zu schnell gefahren wäre, ist - abgesehen von dem Umstand, dass dies einem ohnehin nur spekulativ behaupteten kurz zuvor erfolgten Anfahren vom Taxistand widersprechen würde - nicht festzustellen. Welche abweichende Geschwindigkeit die Beklagte für zutreffend hält, trägt sie zudem nicht vor; konkreter Vortrag zur Geschwindigkeit fehlt dementsprechend. Im Übrigen ist dem Senat aus entschiedenen Rechtsstreiten von Fußgänger- und Radfahrerunfällen, in denen Gutachten eingeholt worden waren, bekannt, dass bereits eine Geschwindigkeit von 30 km/h zu deutlich ausgeprägteren Schäden an der Front, der Motorhaube und der Windschutzscheibe des Taxis geführt hätte. Solche fehlen hier neben den vergleichsweise geringen Schäden an der rechten Front. Der Sachverständige D... hat den Bereich der Kollisionsgeschwindigkeit deutlich darunter eingeordnet, was wiederum belegt, dass tatrichterliche Einschätzungen der oben angesprochenen Grenze zur Sinnhaftigkeit der Einholung von Gutachten zuverlässig möglich sind.

c) Das feststehende Verschulden der Beklagten ist als grob einzuordnen, weshalb die Haftung aus der Betriebsgefahr des Taxis dahinter vollständig zurücktritt (vgl. entsprechend für Fußgänger: BGH, Urteil vom 24.9.2013 - VI ZR 255/12 - NZV 2014, 119 [7]; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 454 [9.(3)]). Auch dies hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet.

2. Freistellung von den Gutachtenkosten - 573,60 €

Aus welchem Grund der Bundesgerichtshof das Urteil des Senats sogar aufgehoben hat, soweit es zu Gunsten der Beklagten die Klage abgewiesen hat, erschließt sich nicht. Möglicherweise liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit vor. Jedenfalls ist die Sachlage unverändert, so dass der Senat seine Entscheidung bestätigt. Die folgende Begründung gilt unverändert:

Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Anspruch an den Sachverständigen abgetreten ist und dem Kläger daher - in welcher Form auch immer - nicht zusteht. Die Freistellung ist Teil des Umfangs des Schadenersatzes aus § 249 BGB und kein rechtlich selbständiger, abspaltbarer Teil des Anspruchs, sondern mit diesem untrennbar verbunden. Ein Anspruch auf Freistellung hätte also vorausgesetzt, dass der Kläger noch Inhaber des Schadenersatzanspruchs (und die Honorarforderung noch nicht erfüllt) wäre. Eine Änderung der Klage auf Zahlung in gewillkürter Prozessstandschaft ist nicht erfolgt und hätte zudem die Ermächtigung des Klägers durch den Sachverständigen vorausgesetzt.

3. Zinsen auf 20 €

Der Senat hat in seinem aufgehobenen Urteil ausgeführt:

Die Beklagte vermag nicht Schreiben an die von ihr beauftragten Rechtsanwälte zulässig mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr hätte sie sich erkundigen und konkret bestreiten müssen, zumal diese erstinstanzlich für sie noch tätig waren und den - Verzug ausreichend begründenden - Vortrag in der Klageschrift nicht bestritten haben, weshalb der Vortrag zugestanden war und daher nun von ihr hätte widerlegt werden müssen (§§ 535, 288 ZPO).

Das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 25. August 2015 genügt in jedem Fall. Mit Schreiben vom 8. September 2015 war eine letzte Frist auf den 22. September 2015 gesetzt, so dass jedenfalls am 23. September 2015 die Beklagte in Verzug geraten war. Soweit die Beklagte nun meint, dies habe sie nicht mit Nichtwissen bestritten, sondern ein Schreiben an die Haftpflichtversicherung bestritten gehabt, wird das zur Kenntnis genommen. Die Relevanz des Bestreitens der Existenz eines solchen Schreibens erschließt sich nicht, weil das hier maßgebliche Schreiben vom 25. August 2015 an die von der Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwälte (vgl. deren Schreiben vom 26. März 2015 nebst Vollmacht der Beklagten) gerichtet war und - wie ausgeführt - zur Begründung des Verzugs inhaltlich zweifelsfrei genügte.

B. Klageerweiterung

Die Klageerweiterung ist gemäß § 533 ZPO zulässig, was der Bundesgerichtshof auch nicht beanstandet hat. Die Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 liegen vor. Über den Sachverhalt ist wegen der anderen Ansprüche ohnehin zu entscheiden. Soweit die Beklagte nicht eingewilligt hat, ist dies unerheblich, weil jedenfalls die Entscheidung über die erweiterte Klage sachdienlich ist, denn es wird ein neuer Rechtsstreit vermieden (BGH, Urt. v. 4.7.2012 − VIII ZR 109/11 - Rn. 20; Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 533 Rn. 5).

Wegen der Anspruchsgrundlage wird auf die Ausführungen zu A. 1. verwiesen. Ein (Privat-) Gutachten genügt in jedem Fall zur schlüssigen Darlegung des - hier fiktiv abgerechneten - Schadensumfangs, was auch der Bundesgerichtshof bestätigt hat. Soweit der Bundesgerichtshof gemeint hat, der Senat habe zur Höhe des Schadens die Anforderungen an das Bestreiten durch die Beklagte überspannt, ist der Senat an diese Rechtsauffassung gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Es wird zur Kenntnis genommen, dass der Bundesgerichtshof der Auffassung ist, dass eine Partei auch dann substanziiert bestreitet, wenn sie keinerlei konkreten Betrag oder auch nur eine Größenordnung nennt und damit den Umfang des Bestreitens (in früherer Zeit für die Festsetzung des Streitwertes für die Beweisgebühren erforderlich, wenn nur die Höhe streitig war) im Ungewissen lässt, was der Senat nach wie vor als destruktives (bloß negierendes) und unbeachtliches Bestreiten einordnet.

Es steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung (§ 286 ZPO) bzw. hinsichtlich der Höhe der Reparaturkosten zur Überzeugung (§ 287 ZPO) des Senats fest, dass das Taxi des Klägers anlässlich des Unfalls in dem behaupteten Umfang beschädigt wurde und die behaupteten, (privat-) sachverständig belegten Reparaturkosten erforderlich waren. Die Gutachten haben die Beweisfragen vollständig und überzeugend beantwortet, so dass keine erneute Begutachtung zu welchen Einzelfragen auch immer anzuordnen war.

Vorab wird zur Beanstandung der Beklagten, auf Bl. 12 des Gutachtens H... sei nichts enthalten, lediglich darauf hingewiesen, dass die offenbar damit verbundene Annahme, hier würde etwas fehlen, durch nichts erklärlich ist. Es handelt sich um Seite 1 von 4 Seiten, die zwar in der Tat ohne Inhalt ist. Dass hier etwas fehlen könnte, erschließt sich aber nicht aus dem Inhalt der weiteren Seiten. Wenn der Sachverständige auf die Beifügung der ersten Seite deshalb verzichtet hätte, wäre nun wieder beanstandet worden, dass Seite 1 fehlt. Der Sachverständige hat dementsprechend zur wesentlichen werkseitigen Ausstattung auf die Datenkarte auch nur auf Bl. 13 bis 15 Bezug genommen (Gutachten S. 5).


Die Sachverständigen D... und H... haben anhand der bei der Unfallaufnahme gefertigten Fotos sowie der später - sei es nun noch am gleichen Tag (entsprechend dem Datum der Bilddateien) oder (wie vom Privat-Sachverständigen angegeben) am Folgetag - gefertigten Fotos überzeugend ausgeführt, dass mit Ausnahme des Kennzeichens die Schäden durch den Unfall eingetreten seien. Die später gefertigten Fotos zeigen den unveränderten Zustand; auch die von dem Gutachter der Polizei aufgebrachten Pfeile sind auf der Windschutzscheibe und der Motorhaube dort unverändert vorhanden. Es besteht keinerlei Anhalt, dass hier noch irgendwelche Schäden nachträglich hinzugekommen wären. Das wäre den Sachverständigen D... und H... kaum entgangen. Die Beklagte benennt auch keinen konkreten Anhalt für eine solche Annahme. Der Sachverständige D... hat die Zurechnung der Schäden näher beschrieben (Gutachten vom 3. Juni 2021, S. 7 f.) und dazu ausgeführt, dass sämtliche fotografisch dokumentierten Schäden sich durch die gegenständliche Kollision erklären ließen, weshalb die Behauptung des Klägers mit Ausnahme des vorderen Kennzeichenschildes bestätigt werden könne (Gutachten, S. 18 Mitte und ltz. Abs.). Soweit er ergänzend ausgeführt hat, die Reparaturkalkulation beziehe bzw. könne sich auf die Beseitigung dieser Schäden beziehen, betrifft dies die Höhe des Schadens (Reparaturmaßnahmen bzw. -kosten) aber nicht den Umfang der Unfallschäden an dem Taxi.

Für diesen Bereich war das weitere Gutachten des Sachverständigen H... maßgeblich. Dieser hat sich (Gutachten vom 10. Juni 2021, S. 8, 2. und 3. Abs.) der Einschätzung zur Verursachung der Schäden dem Sachverständigen D... auf der Grundlage der vorhandenen Fotos angeschlossen.

Weshalb die Beklagte meint, der Sachverständige habe die Fotos der Polizei nicht zu Grunde gelegt, erschließt sich nicht. Dem Sachverständigen H... lag nicht nur die Akte, sondern auch das Gutachten des Sachverständigen D... vor und er hat sich dem nach eigener Prüfung angeschlossen.

Die Reparaturkalkulation des Privatgutachters sei - mit Ausnahme der Kosten für das Kennzeichen - nicht zu beanstanden, wie er näher ausgeführt hat (Gutachten S. 8 - 10). Der Reparaturweg sei nachvollziehbar erforderlich. Der fehlende Ansatz für einen Abzug "neu für alt" sei nicht zu beanstanden, weil keine Wertverbesserung mit dem Reparaturweg eintrete. Es seien aus den Fotos keine Beschädigungen ersichtlich, die sich der Kollision nicht zurechnen ließen. Die angesetzten Stundenverrechnungssätze lägen unter den durchschnittlichen (örtlichen) Stundenverrechnungssätzen. Unter Abzug der Kosten des Kennzeichens ergäben sich daher - wie vom Privatgutachter insoweit kalkuliert - 3.042,44 € netto (bzw. 3.620,50 € brutto). Soweit die Beklagte meint, die Schäden am Kennzeichenschild genügten für die Annahme weiterer Vorschäden, folgt der Senat dem - wie bereits oben ausgeführt - nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden trägt der Anspruchsteller. Er hat daher auch zu Vorschäden vorzutragen, soweit sie sich auf die Schadenbemessung auswirken können. Er muss aber nicht stets negative Tatsachen - hier: keine weiteren Vorschäden - vortragen. Voraussetzung hierfür ist, dass ernsthafte Anhaltspunkte für eine solche Annahme von der Gegenseite vorgetragen sind. Dafür genügen Schäden an einem Kennzeichenschild nicht, zumal das Taxi in der Besitzzeit des Klägers (ausweislich des (Privat-) Gutachtens wurde das Taxi mit Erstzulassung 2006, Anfang 2013 auf den Kl. als Zweitbesitzer zugelassen) im Vormonat bereits einen (offengelegten) Frontschaden erlitt. Die Anforderungen an die Darlegungslast lassen sich auch nicht durch einen Ausforschungsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens, auf den sich die Beklagte hier bezieht, umgehen. Wie bereits oben ausgeführt, hat den Sachverständigen D... und H... das (Privat-) Gutachten vorgelegen. Ihnen war also bekannt gewesen, dass dort zwei (reparierte) Vorschäden sowie (geringe) Altschäden aufgeführt sind. Die Zeitpunkte lassen sich aus den dort genannten Gutachtennummern (H071614 und H021315) erkennen. Im Juli 2014 lag ein Schaden hinten rechts seitlich vor, der sich schon nicht im streitgegenständlichen Bereich befand und nach den Fotos offensichtlich nicht mehr vorhanden ist. Im Vormonat des Unfalls, im Februar 2015, lag ein Schaden vorne links vor, der sich ebenfalls nicht im streitgegenständlichen Bereich (vorne rechts) befand, auch wenn nun teilweise die gleichen Teile (Verkleidung des Frontstoßfängers) erneut auszutauschen sind. Auch dieser Schaden war ausweislich der Fotos offensichtlich nicht mehr vorhanden. Dies haben die Sachverständigen D... und H... in der Sache bestätigt, indem sie ausgeführt haben, es seien - mit Ausnahme des Kennzeichens - keine Schäden ersichtlich, die nicht aus dem streitgegenständlichen Unfall stammen könnten. Der Zustand des Kennzeichens war ihnen bekannt, ohne dass sie daraus irgendetwas abgeleitet hätten.

Der Sachverständige H... hat ferner den Wiederbeschaffungswert überzeugend aufgrund rückwirkender Marktanalyse (S. 10 f.) mit 3.300 € brutto (statt 3.781,51 € brutto) ermittelt. Anders als der Privatgutachter des Klägers in seiner Stellungnahme vom 16. Juli 2021 meint, ist dieser keineswegs taggenau, auf welchen Tag auch immer bezogen, zu ermitteln. Es handelt sich um den durchschnittlich am Markt in dem maßgeblichen Zeitraum aufzuwendenden Preis. Maßgeblich ist bei der fiktiven Berechnung daher der Marktwert in dem sachverständig geschätzten Zeitraum der Ersatzbeschaffung. Der Geschädigte trägt im Falle der Ersatzanschaffung schließlich nicht das Preisschwankungsrisiko. Im Übrigen ist deshalb selbst bei der fiktiven Schadensberechnung von Reparaturkosten für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs materiell-rechtlich der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung, verfahrensrechtlich regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 - VI ZR 115/19).

Der Sachverständige H... hat sodann - zu Recht - die erforderlichen Umbaukosten für die Zusatzausstattung eines als Ersatz angeschafften Taxis (also nicht die Umrüstung eines Pkw zum Taxi) ermittelt, die er mit 446 € netto bzw. 530,74 € brutto angibt (Gutachten S. 11 -13). Anders als die Beklagte und auch der Privatsachverständige des Klägers in seiner Stellungnahme vom 16. Juli 2021, in der er sich zu der Höhe der Umbaukosten nicht mehr geäußert hat, gemeint haben, ist dies für die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes im vorliegenden Fall maßgeblich, so dass die Umbaukosten hinzuzurechnen sind. Der für die Betrachtung maßgebliche Brutto-Wiederbeschaffungswert beträgt daher 3.830,74 €.

Den Restwert hat der Sachverständige H... aufgrund seiner Erfahrung und sachverständigen Einschätzung mit 2.007 € bestätigt (Gutachten, S. 13). Was daran die Beklagte nun konkret aufgrund welcher Erkenntnisse in welcher Richtung konkret zu beanstanden hat, erschließt sich nicht.

Daraus ermittelt sich ein (Brutto-) Wiederbeschaffungsaufwand von 1.823,74 € (netto 1.212,11 €), der deutlich unter den (Brutto-) Reparaturkosten von 3.620,50 € liegt.

Dennoch ist der Geschädigte darauf nicht stets beschränkt, sondern kann ausnahmsweise höhere Reparaturkosten ersetzt verlangen. Liegen - wie hier - die Reparaturkosten noch unter dem Wiederbeschaffungswert, ist bei fiktiver Abrechnung eine Weiternutzung (ggfs. mit Notreparatur) von mindestens 6 Monaten erforderlich. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen oder unter Beweis gestellt.

Er hat jedoch die Reparaturrechnung vom 30. März 2015 eingereicht. Soweit daraus ersichtlich ist, dass die Reparatur am 13. März 2015 ("Leistungsdatum") durchgeführt wurde, kann das schon wegen der Lackierarbeiten nicht zutreffen; üblich sind für eine derartige Reparatur nach privaten und dienstlichen Kenntnissen mindestens drei Tage. Es liegt im Übrigen nahe, dass Taxiunternehmen einen vergleichsweise geringen Schaden, der aber - wie hier - nicht unrepariert bleiben kann, schnell beheben lassen, weil sie anders Einnahmen nicht erzielen können. Spätestens mit Rechnungstellung muss die Arbeit abgeschlossen gewesen sein. Es besteht auch im Übrigen kein ernsthafter Anhaltspunkt für eine Fälschung der in Ablichtung eingereichten Reparaturrechnung und damit die Annahme, der Kläger begehe möglicherweise einen Prozessbetrug. Irgendwelche zusätzlichen Arbeiten sind zweifelsfrei nicht abgerechnet. Die eingereichte Ablichtung genügt daher zur vollen Überzeugung des Senats, dass die Reparatur entsprechend der Rechnung ausgeführt wurde. Deren Inhalt entspricht dem späteren (Privat-) Gutachten, wie es durch den Sachverständigen H... zur Höhe bestätigt worden ist. Dass Kleinteile abweichend von Gutachten pauschal aufgeführt werden, ist nicht unüblich. Irgendwelche Auffälligkeiten sind bei dem ohne Weiteres möglichen Vergleich nicht ersichtlich. Das Kennzeichen ist nicht erneuert worden und daher nicht Teil der Rechnung. Ob die sachverständig als erforderlich eingeschätzten Arbeiten "sach- und fachgerecht" ausgeführt wurden, ist irrelevant. Eventuelle Mängel der Ausführung wären im Werkvertragsprozess zu klären und gingen im Übrigen zulasten des Schädigers und nicht des Geschädigten.

Wird - wie hier durch die Rechnung belegt - jedoch vollständig nach den Vorgaben des Gutachtens repariert, dann sind geringere Kosten für die Bestimmung des subjektiven Schadens aus der Sicht des Geschädigten und damit für die Schadenschätzung maßgeblich (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3.12.2013 - VI ZR 24/13 - Rn. 11 f.; Katzenstein in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 3 Rn. 47), wobei hier der Netto-Betrag von 2.922,11 € wegen der von dem Kläger zum Klageantrag berücksichtigten Vorsteuerabzugsberechtigung anzusetzen ist. Da damit zumindest im Ergebnis die fiktive Abrechnung nicht akzeptiert und eine konkrete Abrechnung zu Grunde gelegt wird, kommt es dann auf die weitere Nutzungsdauer nicht mehr an (vgl. zur konkreten Abrechnung BGH, Urteil vom 5.12.2006 - VI ZR 77/06 - Rn. 9; Katzenstein in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 3 Rn. 55 ff., 58).



Ob der Kläger sich im Zeitpunkt des Reparaturauftrages auf das Ergebnis des erst später schriftlich gefertigten Gutachtens, das einschließlich Umbaukosten einen über den Brutto-Reparaturkosten liegenden Brutto-Wiederbeschaffungsaufwand von 4.159 € ergibt (6.166,00 € - 2.007,00 €), verlassen durfte und schon deshalb die konkreten Reparaturkosten ersetzt verlangen kann, kann offen bleiben.

Die ins Blaue aufgestellte Vermutung der Beklagten zur Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung mit Anspruchsübergang nach § 86 VVG ist irrelevant. Sie trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Übergang des Anspruchs als rechtsvernichtender Einwendung. Der Kläger, der vorträgt, keine Vollkaskoversicherung abgeschlossen zu haben, muss zudem - im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast - keine negativen Tatsachen belegen, wenn konkreter Vortrag des Darlegungs- und Beweispflichtigen fehlt.

Auf die weitere im Termin überreichte Rechnung vom 28. Februar 2015 zur Reparatur des Vorschadens an der Front kommt es nicht an, weshalb der Beklagten keine Erklärungsfrist einzuräumen war. Der Kläger bedurfte keiner Erwiderungsfrist auf den Schriftsatz der Beklagten vom 7. Oktober 2021, weil die Grundlagen - insbesondere aufgrund der Beweiserhebung durch zwei Gutachten - für die Reparaturkosten auch ohne weiteren Vortrag genügen.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Verzugszinsen gilt das zur ursprünglichen Klage Ausgeführte entsprechend.

Die Einwände der Beklagten gegenüber den dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht durchgreifend. Die rechtliche Relevanz der Bezeichnung des Klägers mit oder auch ohne den Zusatz Taxibetrieb erschließt sich nicht. Die Akteneinsicht ergibt sich aus der Beiakte.

Allerdings wirkt sich der nun nochmals etwas geringere Gegenstandswert dahin aus, dass ein Kostensprung vorliegt, so dass die Gebührenrechnung aufgrund des geringeren Gegenstandswert (abzüglich 573,60 € und 163,79 € [3.085,90 € - 2.922,11 €]) zu korrigieren ist, so dass der Kläger die ihm durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstandenen vorgerichtlichen Kosten nur entsprechend gekürzt ersetzt erhält.

C. (Dritt-) Widerklage

Die geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche stehen der Beklagten gegen den Kläger (als Halter) sowie die Drittwiderbeklagten (als Fahrzeugführer und Haftpflichtversicherer) aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ergänzt um die Ausführungen zu A. 1. gemäß §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2, 843 Abs. 1, 249, 252, 253 Abs. 2 BGB; §§ 7, 11, StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 12. März 2015 nicht zu, weshalb das Landgericht die (Dritt-) Widerklage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen hat.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

E. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.

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