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Beschluss vom 31.08.2021 - 11 CS 21.1631 - Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit

Oberlandesgericht Braunschweig Beschluss vom 08.09.2021 - 1 Ss 126/21 - Keine Erhöhung der Regelgeldbuße bei vorsätzlichem Benutzen eines elektronischen Gerätes zur Telekommunikation



OLG Braunschweig v. 08.09.2021: Keine Erhöhung der Regelgeldbuße bei vorsätzlichem Benutzen eines elektronischen Gerätes zur Telekommunikation




Das Oberlandesgericht Braunschweig (Beschluss vom 08.09.2021 - 1 Ss 126/21) hat entschieden:

  1.  Das für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erforderliche Sicherungsbedürfnis ist regelmäßig auch bei einem unbewussten Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen. Die Annahme, ein Rechtsfehler werde sich nicht wiederholen, hindert die Zulassung nur dann, wenn sie auf konkrete tatsächliche Umstände gestützt ist.

  2.  Die vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandes gibt bei dem unzulässigen Benutzen eines Gerätes zur Telekommunikation keinen Anlass für eine Erhöhung des Bußgeldes; vielmehr beschreibt § 23 Abs. 1a StVO ein Fehlverhalten, das regelmäßig vorsätzlich begangen wird.


Siehe auch
Mobiltelefon - unbefugte Handy-Benutzung - Gebrauch sonstiger elektronischer Geräte
und
Die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen

Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. Mai 2021 wegen vorsätzlichen Benutzens eines Gerätes zur Telekommunikation gemäß § 24 StVG i. V. m. §§ 23 Abs. 1 a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO mit einer Geldbuße von 200, - € belegt. Dabei hat das Gericht § 3 Abs. 4 a BKatVO angewandt, wonach der Regelsatz zu verdoppeln ist, wenn ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirklicht wird.

Gegen das in Anwesenheit des Betroffenen ergangene Urteil hat dieser mit Verteidigerschriftsatz vom 11. Mai 2021, der dem Gericht am 12. Mai 2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelt worden ist, einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Diesen hat er, nachdem das Urteil sowohl dem Betroffenen als auch dessen Verteidiger am 20. Mai 2021 zugestellt worden ist, mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 – über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingegangen am selben Tag – mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet. Er beantragt, das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufzuheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hingegen, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 OWiG lägen nicht vor. Zwar sei die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Fall des § 3 Abs. 4 a BKatVO vorliege, unzutreffend. Das erfordere die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung jedoch nicht. Denn es sei nicht zu besorgen, dass der Tatrichter seine rechtswidrige Praxis fortsetze, wenn er Kenntnis von der irrtümlichen Anwendung des § 3 Abs. 4 a BKatVO erlange.




II.

Das Urteil ist nach der gebotenen – teilweisen – Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Geldbuße auf 100,- € herabzusetzen. Soweit es hingegen den Schuldspruch betrifft, wird der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Folge des § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG als unbegründet verworfen, weil insoweit ein Zulassungsgrund im Sinne des § 80 Abs. 1 OWiG fehlt (vgl. zur Zulässigkeit einer Teilverwerfung: OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2018, 2 Ss (OWi) 286/18, juris; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 80 Rn. 58).

1. Die Rechtsbeschwerde ist im Gegensatz zur Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft (insoweit durch Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Bußgeldsenat gemäß § 80a Abs. 3 OWiG in der Besetzung mit 3 Richtern zu übertragen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Zulassung ist notwendig, weil die Auffassung des Amtsgerichts zur Erhöhung wegen vorsätzlicher Begehung nicht nur gegen die Bußgeldkatalogverordnung, sondern auch gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt (dazu Nr. 2). Dass dem Amtsgericht dieser Verstoß mutmaßlich verborgen blieb, ändert daran nichts. Das erforderliche Sicherungsbedürfnis ist regelmäßig auch bei einer unbewussten Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen (OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 13 f.; Hadamitzky, a.a.O., Rn. 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die sich das OLG Oldenburg in der genannten Entscheidung bezieht, kann die Annahme, ein Fehler werde sich nicht wiederholen, nur auf konkrete tatsächliche Umstände gestützt werden, die diese Prognose rechtfertigen. Allein die bloße Erwartung, das betroffene Gericht werde sich künftig an der zutreffenden Rechtslage orientieren, genügt nicht (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 2015, 2 BvR 3071/14, juris, Rn. 14).

2. Das angefochtene Urteil war teilweise aufzuheben, weil das Amtsgericht Seesen bei der Bemessung der Geldbuße wegen verbotswidrigen Benutzens eines Gerätes zur Telekommunikation gemäß § 24 Abs. 1 StVG i. V. m. §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO zwar zutreffend von Ziffer 246.1 BKatVO ausgegangen ist, die Regelgeldbuße von 100,- € jedoch rechtsfehlerhaft wegen vorsätzlicher Begehung gemäß § 3 Abs. 4a BKatVO verdoppelt hat. Das war falsch, weil sich § 3 Abs. 4a BKatVO auf Tatbestände des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs bezieht. Ziffer 246.1 gehört indes zum Abschnitt II der BKatVO, der mit den Worten „Vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten“ überschrieben ist, so dass § 3 Abs. 4a BKatVO auf diese Tatbestände nicht anwendbar ist.


Dieser Einordnung liegt zugrunde, dass die vorsätzliche Begehung bei dem in § 23 Abs. 1a StVO umschriebenen Fehlverhalten gerade keinen Anlass für eine Erhöhung des Bußgeldes gibt. Denn bei dem unzulässigen Benutzen eines Gerätes zur Telekommunikation ist regelmäßig von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen (KG Berlin, Beschluss vom 30. Dezember 2019, 3 Ws (B) 386/19 – 122 Ss 173/19, juris, Rn. 2; OLG Bamberg, Beschluss vom 15. Januar 2019, 3 Ss OWi 1756/18, juris, Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 19. November 2008, 2 Ss OWi 547/08, juris, Rn. 7; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. September 2004, 1 Ss 138/04, juris, Rn. 17).

III.

Da somit die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Geldbuße nicht gegeben waren, führt die zugelassene Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Jedoch bedarf es keiner Zurückverweisung. Der Senat kann vielmehr, da Gründe für ein Abweichen von der Regelgeldbuße gemäß Ziffer 246.1 BKatV nicht ersichtlich sind, gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 20) und auf die Regelgeldbuße von 100,- € erkennen. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 StPO (anwendbar gemäß § 46 OWiG). Es wäre wegen des Teilerfolgs unbillig, den Betroffenen mit den gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahren zu belasten. Die konkrete Quote ist angemessen, da der Betroffene neben der Höhe der Geldbuße auch den Schuldspruch angegriffen hat (so auch OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 16).

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VGH München v. 31.08.2021: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkoholabhängigkeit


Der Verwaltungsgerichtshof München (Beschluss vom 31.08.2021 - 11 CS 21.1631) hat entschieden:

   Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wer alkoholabhängig ist, hat grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2015 – 3 B 31.15 – DAR 2016, 216 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 11.9.2018 – 11 CS 18.1708 – juris Rn. 11 m.w.N.). Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür weiterer Abklärung bedarf (BayVGH, B.v. 19.7.2019 – 11 ZB 19.977 – juris Rn. 11).

Siehe auch
Alkoholabhängigkeit
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Gründe:


I.

Der Antragssteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner ihm am 17. Januar 1994 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen 1b und 3 (alt).

Im Juli 2020 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Regen bekannt, dass der Antragssteller vom 27. auf den 28. Januar 2020 wegen einer Gefahr der Selbstgefährdung in das Bezirkskrankenhaus M. aufgenommen worden ist. Im Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses vom 6. Februar 2020 ist die Diagnose "akute Intoxikation und Entzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.0, F10.3, F10.2)" gestellt. Die Atemalkoholkonzentration des Antragstellers habe bei Aufnahme bei "2,46 ?" gelegen, wobei er nur mäßig intoxikiert gewirkt habe. Er habe eine deutliche vegetative Entzugssymptomatik in Form von Tremor, erhöhten Vitalwerten und hypertensiven Krisen gezeigt. Er sei zuvor noch nie in psychiatrischer Behandlung gewesen. 2019 (richtig Herbst 2018) sei er im Bezirksklinikum R. wegen Burnout (Zittern, Depression, Kraftlosigkeit) behandelt worden. Von akuter Suizidalität habe sich der Antragsteller glaubhaft distanziert. Er sei über die Gefahren des vorzeitigen Abbruchs der Entgiftungsbehandlung und über eine bestehende Fahruntauglichkeit aufgeklärt worden. Die Entlassung sei gegen ärztlichen Rat erfolgt.

Mit Schreiben vom 4. August 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, ein ärztliches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV zu den Fragen beizubringen, ob sich aus aktenkundigen Tatsachen die begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller bestätigen lasse, wenn ja, welche drei Kriterien nach ICD-10 im Einzelfall erfüllt seien, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen würden; falls eine Abhängigkeit festgestellt werde, ob eine erfolgreiche Entwöhnung stattgefunden habe und ob nach erfolgreicher Entwöhnung ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden zwölf Monate vorliege.

Das ärztliche Gutachten vom 12. November 2020 bestätigte eine Alkoholabhängigkeit. Diese Diagnose sei bereits extern gestellt worden, was nach den Beurteilungskriterien (A1, 1 N) ausreiche. Die Diagnose des Bezirkskrankenhauses richte sich nach den ICD-10-Kriterien und den Kriterien der Alkohol-Hypothesen der Beurteilungskriterien. Dies werde wie folgt begründet: es bestehe der starke Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren (Craving). Der Antragsteller habe sein über die Norm hinausgehendes Alkoholtrinken trotz anderslautender eindeutiger Hinweise aus der Vorgeschichte oder anderer Befunde nachdrücklich und mit nicht nachvollziehbaren Argumenten in Abrede gestellt ("repressive Abwehr"). Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums habe beim Antragsteller erhoben werden können. Am 27. Januar 2020 habe eine akute Intoxikation mit einer Atemalkoholkonzentration von 2,46 ? bei Aufnahme in das Bezirkskrankenhaus vorgelegen, nicht bei Beendigung des Trinkvorgangs. Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums: Entzugserscheinungen (Tremor, erhöhte Vitalwerte, hypertensive Krise) seien im Entlassungsbericht eindeutig angegeben. Nachweis einer Toleranz: um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, seien zunehmend höhere Dosen erforderlich. Der Klient habe auch nach Genuss von Höchstmengen - sofern sie zu einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,5 ? oder mehr führten - keine unangenehmen Folgen erlebt. Dies sei im Entlassungsbericht beschrieben. Somit liege eine Toleranzentwicklung vor. Eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums und ein erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen, habe beim Antragsteller nicht festgestellt werden können; ebenso wenig habe ein anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen nachgewiesen werden können. Somit ergäben sich nach ICD-10 vier der o.g. Kriterien innerhalb der letzten zwölf Monate, die eine Alkoholabhängigkeit begründeten. Eine Entwöhnungstherapie sei bisher nicht durchgeführt worden. Es liege auch kein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden zwölf Monate vor. Alkoholspezifische körperliche Symptome als Folge eines übermäßigen Alkoholkonsums hätten nicht festgestellt werden können. Die am Tag der Untersuchung durchgeführte ETG-Haaranalyse habe keinen Nachweis für einen Alkoholkonsum in den letzten drei Monaten ergeben.




Mit Schreiben vom 17. November 2020 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Begutachtungsstelle auf, das Gutachten nachzubessern, was diese mit Schreiben vom 26. November 2020 mit der Begründung ablehnte, die Diagnose der Alkoholabhängigkeit sei von der zertifizierten suchtmedizinischen Abteilung des Bezirksklinikums nach den strengen Kriterien der Begutachtungsleitlinien und den Kriterien nach ICD-10 gestellt worden. Es sei nicht Aufgabe des Gutachters, eine eindeutig diagnostizierte Alkoholabhängigkeit zu widerlegen.

In der Folge legte der Antragsteller ein positives Fahreignungsgutachten vom 30. November 2020 des Neurologen und Psychiaters mit verkehrsmedizinischer Qualifikation Dr. K. zu der Frage vor, ob zu erwarten sei, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 bzw. von Kleinkrafträdern der Gruppen 1b, 3, 4 und 5 infrage stellten. Danach hat die verkehrsmedizinische Befragung keine Hinweise auf einen chronischen Alkoholkonsum ergeben. Bei der körperlichen Untersuchung seien keine Hinweise auf bedeutsame Nebenwirkungen eines chronischen Alkoholkonsums festgestellt worden. Die Laborwerte lägen im Normalbereich. Sowohl die Werte für CDT als auch die Ergebnisse der Haaranalyse ließen auf eine Alkoholabstinenz schließen. Beim Antragsteller bestehe kein Hinweis auf einen chronischen Alkoholismus. Die Diagnose eines chronischen Alkoholkonsums zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme am 27. Januar 2020 entspreche nicht der Definition der Begutachtungsleitlinien. Es sei anzunehmen, dass eine akute Alkoholintoxikation bestanden habe, mit einem Atemalkoholgehalt von 2,46 ?, wobei jedoch aufgrund der bekannten erhöhten Fehlerquote die Messung des Atemalkoholgehalts nur einen annähernden Anhalt gebe, jedoch keinen forensisch begründenden Tatsachen entspreche. Glaubhaft sei, dass es im Rahmen einer familiären Auseinandersetzung zu Alkoholkonsum mit akuter Intoxikation und entsprechender emotionaler Exacerbation gekommen sei. Seinen Gesprächsbeiträgen zufolge liege beim Antragsteller jedoch keine Alkoholgefährdung vor. Hinweise darauf, dass sich bereits eine schwerwiegende Alkoholproblematik verfestigt hätte, hätten sich nicht gefunden.

Ferner legte der Antragsteller diverse schriftliche Aussagen von Verwandten, Freunden und Bekannten zu seinem Umgang mit Alkohol und ein fachpsychiatrisches Gutachten vom 23. Januar 2021 des Psychiaters und Psychotherapeuten Prof. Dr. Dr. R. zur Reliabilität einer durch das Bezirkskrankenhaus festgestellten Diagnose einer manifesten Alkoholabhängigkeit vor. Danach stehen die vergebenen Diagnosen (F10.2 und F10.3) "auf (sehr) wackeligen Beinen". Am ehesten könne noch die Diagnose einer Alkoholintoxikation vergeben werden. Ein Abhängigkeitssyndrom sei nicht anzunehmen. Die Diagnose einer akuten Intoxikation (F 10.0) stütze sich auf einen (unzuverlässigen) gemessenen AAK-Wert von 2,46 ?, eine verwaschene Sprache (Cave: Sprachfehler) und darauf, dass der Antragsteller bei mäßiger Intoxikation psychopathologisch unkooperativ und renitent gewesen sei. Das Abhängigkeitssyndrom (F10.2) bzw. das Entzugssyndrom (F10.3) stütze sich neben den gering ausgeprägten Symptomen bei 2,46 ? (fehlinterpretiert als Toleranzentwicklung) auf eine vegetative Entgleisung (RR, HF nicht bekannt) und einen Körpertremor. Typisch wäre ein Händetremor. Weitere spezifische Symptome hätten nicht vorgelegen. Es sei nachvollziehbar, dass ein Patient, der mit dem Rettungswagen zu später Stunde in der Klinik vorgestellt werde, über Suizidfantasien berichte und vermeintlich alkoholintoxikiert sei, aber klinisch nicht das Bild einer Intoxikation biete, mit verwaschene Sprache spreche und die Kooperation verweigere, sich kein Blut abnehmen lasse und auf Entlassung dränge, leicht als manifest abhängigkeitserkrankt etikettiert werde. Man könne eine Verdachtsdiagnose jedoch auch revidieren, wenn der Verlauf es erfordere. Die Diagnose eines manifesten Abhängigkeitssyndroms sei nicht gerechtfertigt. Unter den gegebenen Umständen eine manifeste Alkoholabhängigkeit zu diagnostizieren, erscheine fahrlässig. Seit dem 29. Juli 2020 liege ein lückenloser Abstinenznachweis vor.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 entzog das Landratsamt dem Antragsteller auf der Grundlage des ärztlichen Gutachtens vom 12. November 2020 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins, spätestens von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids, auf. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Der Abgabepflicht kam der Antragsteller am 4. Februar 2021 nach. Außerdem ließ er durch seinen Bevollmächtigten am selben Tag Widerspruch einlegen, über den noch nicht entschieden ist, und am 5. Februar 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen.

Den Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Mai 2021 als teilweise unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, denn die Abgabeverpflichtung habe sich durch Erfüllung erledigt und es sei nichts dafür ersichtlich, dass das Landratsamt insoweit weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen werde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden, insbesondere gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet worden. In materieller Hinsicht spreche viel dafür, dass die Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu Recht vom Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit des Antragstellers im Sinne von Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen sei. Das vorgelegte Gutachten des TÜV Nord komme zu dem Ergebnis, dass sich die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit, wie sie schon im Entlassungsbrief des Bezirksklinikums über den stationären Aufenthalt des Antragstellers im Januar 2020 gestellt worden sei, bestätigen lasse. Das Gutachten weise keine Mängel auf, die dazu führten, dass es nicht verwertbar sei. Die Anforderungen der Anlage 4a zur FeV würden eingehalten. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass es die Diagnose des Bezirksklinikums aus dem Entlassungsbericht in Bezug nehme und die eigene Abhängigkeitsdiagnose zentral auf eine eingehende Auseinandersetzung mit der Diagnose stütze. Bei den bayerischen Bezirkskliniken handele es sich um Einrichtungen, die nach Art. 48 Abs. 3 Nr. 1 BezO u.a. hochgradig auf die Betreuung von Suchtkranken sowie solcher Personen spezialisiert seien, die einer psychiatrischen Behandlung oder Obsorge bedürften. Trotz der geringen Dauer des Aufenthalts im Bezirksklinikums lasse sich festhalten, dass eine Abhängigkeitsdiagnose einer derart spezialisierten Fachklinik Gewicht beizumessen sei. Nach den für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien sei die Tatsache, dass eine Alkoholabhängigkeit bereits extern diagnostiziert worden sei, zudem ein Kriterium für deren Vorliegen, insbesondere wenn die Diagnose von einer suchttherapeutischen Einrichtung gestellt oder eine Entgiftung durchgeführt worden sei. Insofern sei die Begutachtungsstelle in jedem Fall gehalten gewesen, sich mit dem Entlassungsbericht des Bezirksklinikums und der darin enthaltenen Diagnose auseinanderzusetzen. Das Gericht halte die gutachterlichen Ausführungen für klar und schlüssig. Es werde unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 27. Januar 2020 und den darauffolgenden Klinikaufenthalt nachvollziehbar erläutert, von welchen gleichzeitig vorhandenen Kriterien der ICD-10 man ausgehe. Die getroffenen Feststellungen sähen sich auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgelegten weiteren Gutachten keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Ungeachtet der Notwendigkeit einer genaueren Abklärung im Hauptsacheverfahren spreche bei summarischer Prüfung viel dafür, dass von ärztlicher Seite der Atemalkoholgehalt in die entsprechende Blutalkoholkonzentration umgerechnet worden sei. Auch der Gutachter sei von einer Blutalkoholkonzentration von 2,46 ? ausgegangen. Ausgehend von diesem Wert erscheine es nachvollziehbar, dass der Gutachter unter anderem die Kriterien einer verminderten Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und Menge des Konsums sowie eine Toleranzentwicklung angenommen habe. Die genannten Kriterien würden auch in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Herrn Dr. G als gegeben angesehen. Auch im Gutachten des Prof. R. werde festgehalten dass "trotz der gering ausgeprägten klinischen Symptomatik und dem sehr zweifelhaften AAK-Messergebnis" das Kriterium des Kontrollverlusts ggf. als zutreffend angesehen werden könne. Der Einwand, die vom Bezirksklinikum festgestellte Entzugssymptomatik könne ebenso auf ein durch den Stationsaufenthalt ausgelöste Panikverhalten zurückzuführen sein, stelle letztlich eine Vermutung dar, die durch nichts belegt werde. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,46 ? erscheine es vielmehr plausibel, dass zum Untersuchungszeitpunkt eine Entzugssymptomatik aufgetreten sei. Die Kriterien des Kontrollverlusts, der Toleranzentwicklung und der Entzugssymptomatik seien im Gutachten auf nachvollziehbare Art und Weise hergeleitet worden. Die Bedenken gegen die Messung der Atemalkoholkonzentration könnten dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Aus den Akten seien keine konkreten Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei der Erhebung des Atemalkoholwerts ersichtlich. Es spreche viel dafür, dass das Messverfahren im Bezirksklinikum, zu dessen zentralen Aufgabenstellungen die Feststellung von Suchterkrankungen, ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Bestätigung der Abhängigkeitsdiagnose durch die Begutachtungsstelle für Fahreignung erscheine mithin schlüssig und nachvollziehbar. Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV und Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sei die Fahreignung erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung nicht mehr bestehe und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen sei. Außerdem müssten der Einstellungswandel und die Verhaltensänderung als hinreichend gefestigt und stabil einzuschätzen sein. Letzteres sei beim Antragsteller nicht der Fall, denn die aus den Akten ersichtlichen Untersuchungsergebnisse, u.a. von Haaranalysen, belegten keine zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses schon mindestens ein Jahr andauernde Abstinenz. Im Gutachten des Prof. R. werde festgehalten, dass ein lückenloser Abstinenznachweis erst seit dem 29. Juli 2020 vorliege. Verbleibende Zweifel bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage führten zu keiner anderen Entscheidung, da auch eine allgemeine Interessenabwägung hier zu Ungunsten des Antragstellers ausfalle. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs komme in der Regel nur dann in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Dies sei beim Antragsteller nicht der Fall, da Überwiegendes dafür spreche, dass bei ihm von einer (früheren) Alkoholabhängigkeit auszugehen sei.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht ausreichend begründet worden. Die Rechtsprechung, wonach sich die Behörden in Fällen der Fahrerlaubnisentziehung auf die den Verwaltungsakt tragenden Erwägungen stützen könnten, könne auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Es habe ein einmaliger Vorfall außerhalb des Straßenverkehrs Anlass für die angegriffenen Maßnahmen gegeben. Der Antragsteller sei weder vor noch nach dem Vorfall durch Alkoholisierung und im Straßenverkehr auch nicht aus sonstigen Gründen aufgefallen. Bei einem vorangegangenen Aufenthalt in einer anderen Fachklinik wegen Burnout seien Alkoholkonsum oder gar eine Abhängigkeit kein Thema gewesen. Nach dem Vorfall sei jedenfalls seit Juli 2020 labormedizinisch nachgewiesen, dass der Antragsteller alkoholabstinent sei, ohne dass eine Entgiftung oder Entwöhnungsbehandlung erforderlich gewesen sei. Der Antragsteller sei bis heute als Apotheker tätig. Ein Verfahren zur Entziehung der Approbation aufgrund des einmaligen Vorfalls, der auch der Fahrerlaubnisentziehung zugrunde liege, sei eingestellt worden, weil eine Alkoholabhängigkeit als nicht nachgewiesen gelte. Die Divergenz der Entscheidungen sei evident. Bei der Tätigkeit als Apotheker wären Gefahren für Leib und Leben von Kunden im Fall einer alkoholbedingten Unfähigkeit ebenso aufgrund einer staatlichen Schutzpflicht abzuwehren wie Gefahren im Straßenverkehr. Bei dieser Sachlage könne keine Rede davon sein, dass ein derart typischer Fall der fehlenden Fahreignung vorliege, dass ausnahmsweise von einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO abgesehen werden dürfte. Es gelte der Grundsatz, dass es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen bedürfe, warum aus Sicht der Behörde im konkreten Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben sei.




Auch inhaltlich sei die Entscheidung zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht kehre die Beweisführungslast um, was im Eingriffsrecht nicht zulässig sei. Es gebe keine Alkoholvorgeschichte und keine Nachsorgemaßnahmen, wie sie bei einem Alkoholkranken zu erwarten gewesen wären. Niemand aus dem Kreis der zu einer Verhaltensbeobachtung in Betracht kommenden Personen wie Lebenspartner, Familienangehörige, Hausarzt, Ärzte bei der früheren Krankenhausbehandlung wegen Burnout, Apothekenkunden, Nachbarn, Gastwirte, Polizeibeamte oder Zufallsbegegnungen, habe je von einer Alkoholauffälligkeit des Antragstellers gesprochen. Das Gegenteil sei der Fall. Drei Sachverständige hätten sich gegen eine gesicherte Diagnose einer Alkoholabhängigkeit ausgesprochen und der Gutachter der amtlichen Begutachtungsstelle habe keine eigenen Erkenntnisse erlangt, die dafür sprächen. Er stütze sich exklusiv auf den Arztbericht des Bezirksklinikums. Die Entziehung der Fahrerlaubnis beruhe danach auf einem einmaligen Vorfall außerhalb des Straßenverkehrs, der zu einer einmaligen Atemalkoholmessung geführt habe und aufgrund von "über Nacht" einmalig aufgefassten Verhaltensbeobachtungen. Allein daraus seien weitreichende Schlussfolgerungen gezogen worden, denen kein labormedizinisch gesicherter Befund zugrunde gelegt werden könne, weil im Bezirksklinikum kein solcher Befund erhoben worden sei und alle späteren Untersuchungen ein Negativattest ergeben hätten. Das einmalige Geschehen rechtfertige eine Verdachtsdiagnose, aber keine sichere Feststellung. Das Verwaltungsgericht meine demgegenüber, mangels dokumentierter Hinweise auf Fehler bei der Atemalkoholmessung sei von deren Zuverlässigkeit und Aussagekraft auszugehen und wegen der Spezialisierung der Fachklinik deren Äußerung als aussagekräftige und zuverlässige Diagnose zu behandeln. Das trage nicht, weil die Entscheidung nicht auf inhaltliche Aspekte eingehe und die zahlreichen gegenläufigen Hinweise übergehe.

Die Prognose, eine Klage im Hauptsacheverfahren werde voraussichtlich keinen Erfolg haben, sei nicht haltbar. Die Atemalkoholmessung könne entgegen der Ansicht des Gerichts und der Behörde nicht wie eine gesicherte Feststellung eines Blutalkoholgehalts gehandhabt werden. Es habe nur eine einmalige Messung stattgefunden. Im Abstand von zwei bis fünf Minuten nach der Messung müsse eine zweite Messung erfolgen, die hier nicht stattgefunden habe. Wer die Messung mit welchem Gerät vorgenommen habe, sei nicht dokumentiert. Die Einhaltung einer Belehrungspflicht über die Freiwilligkeit der Mitwirkung an einer Atemalkoholmessung, die im Verkehrsrecht sonst "angeboten" zu werden pflege und die auch nach § 36 Abs. 5 Satz 4 StVO nicht - hier vom Klinikpersonal - erzwungen werden könne, sei nicht gewährleistet. Eine labormedizinische Untersuchung des Blutalkohols fehle. Die Gleichsetzung des Atemalkoholgehalts mit einem Blutalkoholgehalt sei mangels unmittelbarer Konvertierbarkeit nicht gerechtfertigt. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es wie hier keine Hinweise auf die Art und Weise der Ermittlung des mitgeteilten Messwertes gebe. Das Messergebnis widerspreche dem Leistungsverhalten des Antragstellers. Bei dieser Sachlage müsste bei Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss schon ein Bußgeldverfahren an einem "non liquet" scheitern. Denn ein Vorwurf nach § 24a StVG dürfte nur festgestellt werden, wenn ein bauartzugelassenes geeichtes Atemalkoholmessgerät verwendet und die Verfahrensbestimmungen eingehalten worden wären. Warum eine Fahrerlaubnisentziehung wegen eines Alkoholkonsums ohne Teilnahme am Straßenverkehr auf ein einmal erzieltes Messergebnis mittels eines nicht dokumentierten Messgeräts durch eine unbekannte Person in nicht dokumentierter Art und Weise gestützt werden könne, erschließe sich nicht. Nach verkehrsrechtlichen Kriterien wäre eine Doppelmessung geboten gewesen. Dass diese ausgeblieben sei, erkläre sich unschwer daraus, dass es zur Zeit der Untersuchung im Bezirksklinikum nicht um eine Alkoholerkrankung des Antragstellers, sondern um den Gefahrenverdacht einer Suizidneigung gegangen sei. Es sei nur eine Verdachtsdiagnose im Kontext der Prüfung einer Suizidgefahr geäußert und der Antragsteller wunschgemäß auf "eigene Gefahr" entlassen worden, nachdem am Folgetag der Gefahrenverdacht einer Suizidgefahr ausgeräumt gewesen sei, der schon am Vorabend nach dem Negativattest des Hausarztes und der Anwälte auf schwachen Füßen gestanden habe.

Für die Annahme eines Gefahrenverdachts der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss fehle jeder taugliche Anlass. Die einmalige Atemalkoholmessung mit einem nicht näher bezeichneten Messgerät durch eine nicht bekannte Person sei vor allem deshalb nicht aussagekräftig, weil zu berücksichtigen sei, dass die gemessene Atemalkoholkonzentration durch eine Vielzahl verschiedener physiologischer Einflüsse verfälscht sein könne. Dazu gehörten etwa die unterschiedliche Verteilung des Alkohols im Organismus, Temperatureinflüsse, Mundrestalkohol, Magenluft, vermehrte Speichelbildung oder die fehlende analytische Spezifität der Atemalkoholtestgeräte. Auch Atemkapazität und -technik spielten eine wesentliche Rolle. Insbesondere könne eine Hypoventilation zu einer signifikanten Erhöhung der gemessenen Atemalkoholkonzentration führen. Es werde auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Bamberg im Beschluss vom 12. Dezember 2005 (2 Ss OWi 319/05 - NZV 2006, 490, 491 f.) Bezug genommen. Was im Bußgeldverfahren gelte, könne im Verfahren über eine Fahrerlaubnisentziehung wegen eines verkehrsunabhängigen Vorfalls nicht anders gewürdigt werden. Es gehe um naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Der Antragsteller sei angesichts der für ihn schockierenden Wahrnehmung seiner aktuellen Umgebung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgeregt gewesen und habe deshalb ein Körperzittern gezeigt und eine unregelmäßige Atmung gehabt. Vor diesem Hintergrund wären jedenfalls eine genaue Dokumentation und eine Überprüfung der einmaligen Atemalkoholmessung geboten gewesen. Dieser habe angesichts der Verfahrens- und Dokumentationsmängel keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit des Antragstellers geliefert. Nach allem entfalle die zentrale Säule der verkehrsmedizinischen Begutachtung der amtlichen Begutachtungsstelle und der behördlichen Entscheidung, was vom Verwaltungsgericht nicht beachtet worden sei. Schon wegen der unzureichenden Beweisbedeutung der einmaligen, nicht mit Einzelheiten dokumentierten Atemalkoholmessung liege der Fahrerlaubnisentziehung ein nicht plausibel begründetes Gutachten zugrunde. Erst recht gelte dies wegen vollständiger Ausblendung aller Gründe, die gegen die Verdachtsdiagnose einer Alkoholabhängigkeit des Antragstellers sprächen. Es sei nicht gerechtfertigt, dass im Bericht des Bezirksklinikums, im Gutachten der amtlichen Begutachtungsstelle und der angegriffenen Entscheidung des Landratsamts, im Ergebnis mit Billigung des Verwaltungsgerichts, davon ausgegangen werde, dass die Diskrepanz zwischen dem gemessenen Atemalkoholwert und dem scheinbar unauffälligen Verhalten des Antragstellers auf eine erhebliche Alkoholtoleranz schließen lasse. Vielmehr wäre umgekehrt zu erwägen gewesen, dass die Unauffälligkeit des Antragstellers in seinem Verhalten darauf hinweise, dass der einmalig ermittelte Messwert eines hohen Atemalkoholgehalts nicht zutreffe. Auffällige Diskrepanzen zwischen der Höhe einer festgestellten Alkoholkonzentration und dem klinischen Befund geböten jedenfalls eine weitere Abklärung. Die Schlussfolgerung von einem hohen Messwert der Atemalkoholkonzentration auf eine erhebliche Alkoholtoleranz infolge von Trinkgewöhnung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Messwert einen gesicherten Befund darstellen würde. Das sei aus den genannten Gründen - auch für Zwecke der summarischen Prüfung im Eilverfahren offensichtlich - nicht der Fall. Schon bei extremen Diskrepanzen zwischen der Höhe einer festgestellten Blutalkoholkonzentration und dem klinischen Befund wäre eine weitere Absicherung der Schlussfolgerung geboten. Daran fehle es vorliegend, zumal sich aus der Vorgeschichte und späteren Untersuchungen ausschließlich Negativatteste ergäben.

Das Verwaltungsgericht habe den Einwand, aus den Verhaltenswahrnehmungen könne nicht auf ein Entzugssyndrom geschlossen werden, mit der Bemerkung zurückgewiesen, es handle sich dabei ausschließlich um eine Vermutung ohne tatsächliche Grundlage. Das treffe nicht zu. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. R. habe erläutert, dass im Fall einer Alkoholerkrankung ein Handtremor typisch sei, aber nicht das vom Bezirksklinikum notierte Körperzittern. Es sei allgemeinkundig, dass Alkoholiker ein Handzittern zeigten, das verschwinde, wenn sie Alkohol tränken. Das mitgeteilte Körperzittern sei demgegenüber keine alkoholtypische Erscheinung, sondern eher mit der Tatsache zu erklären, dass der Antragsteller angesichts der für ihn schockierenden Wahrnehmung, dass er in einem psychiatrischen Krankenhaus eingesperrt sei, eine Angst- und Panikreaktion gezeigt habe. Diese Feststellung sei mehr und etwas anderes als eine bloße Vermutung. Der Behauptung, es habe ein "Craving" als eines der Indizien für eine Alkoholabhängigkeit vorgelegen, entbehre jeder Tatsachengrundlage. Das sei u.a. durch den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. R. betont worden. Darauf sei der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht eingegangen. Substanzverlangen oder Craving sei ein Fachbegriff aus der Suchtmedizin, der das kontinuierliche und nahezu unbezwingbare Verlangen eines Suchtkranken, sein Suchtmittel zu konsumieren, umschreibe. Es sei das zentrale Moment des Abhängigkeits- und Entzugssyndroms und habe seine neurobiologische Grundlage in der Sensitivierung des Belohnungssystems im Gehirn, des mesolimbischen Systems. Irgendeine Äußerung eines kontinuierlichen oder geradezu unbezwingbaren Verlangens des Antragstellers nach Alkohol sei nicht beschrieben. Vielmehr gebe es nur gegenteilige Hinweise aus den beigebrachten Zeugenaussagen über ausgesprochen geringen Konsum. Auch bei der Apothekertätigkeit des Antragstellers sei zu keinem Zeitpunkt ein Craving aufgefallen. Daher erscheine dessen "Feststellung" willkürlich.

Die angefochtene Entscheidung weiche von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab (OVG Saarbrücken [richtig: Saarlouis], B.v. 15.7.2020 - 1 B 173/20). Darauf sei das Verwaltungsgericht nicht eingegangen, aber das Beschwerdegericht dürfe nicht ebenso divergieren. Die Diskrepanz des Verhaltens des Antragstellers zu dem Messergebnis des Alkoholtests lasse sich nach den Gesamtumständen nicht plausibel mit einer Alkoholgewöhnung des Antragstellers erklären, sondern deute vielmehr auf eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses hin. Vor diesem Hintergrund habe der Antragsteller zu Recht darauf hingewiesen, dass eine nachweisbare Messung mit einem bauartzugelassenen und geeichten Messgerät unter Einhaltung der Verfahrensbestimmungen vorauszusetzen gewesen wäre. Eine solche liege schon deshalb nicht vor, weil keine Doppelmessung erfolgt sei. Im Übrigen seien die Dokumentationsmängel hinsichtlich der Art des Geräts sowie der Art und Weise des Messvorgangs entscheidungserheblich. Zu berücksichtigen wären nach der Rechtsprechung auch die gegen eine Alkoholgewöhnung sprechenden weiteren Indizien. Insbesondere wäre zu beachten gewesen, dass der Antragsteller weder jemals im Straßenverkehr auffällig gewesen noch jemals nachweisbar außerhalb des Straßenverkehrs durch übermäßigen Alkoholkonsum in Erscheinung getreten sei. Die Tatsachen, dass ein Alkoholkonsum oder gar eine Alkoholerkrankung während seines vorangegangenen Klinikaufenthalts wegen Burnout nicht ansatzweise thematisiert worden seien, und die Tatsache, dass alle späteren Untersuchungen nur Negativatteste ergeben hätten, wären nicht als derart belanglos zu behandeln gewesen, wie es das Verwaltungsgericht dargestellt habe. Der Antragsteller sei vor, während und nach der behördlichen Eingriffsmaßnahme kooperativ gewesen. Aus diesem Grund bestehe auch kein Anlass zu der Annahme, er könne zwischen Fahren und Trinken nicht strikt trennen. Das gelte erst recht deshalb, weil er auch seine Tätigkeit als Apotheker nur ohne alkoholische Beeinträchtigung durchführen dürfe und dies ohne Unterbrechung über den Anlassfall hinaus zweifelsfrei tue. Beigefügt werde der neueste Bluttest des Antragstellers.

Auf die weitere Stellungnahme vom 2. August 2021 wird Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.




II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach zweckgerichteter, am erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel orientierter Auslegung (§ 88 VwGO; vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 146 Rn. 4, Vorb § 124 Rn. 23) der ausführlichen Beschwerdebegründung beschränkt sich die Beschwerde auf die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Nummern 1 und 2 des Entziehungsbescheids vom 1. Februar 2021.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich, dass vorläufiger Rechtsschutz gegen diese Verfügungen zu gewähren ist, weil das vorgelegte Fahreignungsgutachten nicht nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen ist, dass beim Antragsteller eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, und damit die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins nicht gerechtfertigt waren.

Allerdings hat das Verwaltungsgericht die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zutreffend für ausreichend erachtet. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung sind an den Inhalt der schriftlichen Begründung der Vollzugsanordnung keine zu hohen Anforderungen zu stellen und ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 - 11 CS 20.2342 - juris Rn. 17; B.v. 16.10.2019 - 11 CS 19.1434 - juris Rn. 20 jeweils m.w.N.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55, 46). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, jeweils a.a.O.). Dem hat das Landratsamt genügt, indem es - ausgehend von einem aus dem vorgelegten Gutachten hergeleiteten Fehlen der Fahreignung - den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärt hat. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es dabei nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 246; Hoppe, a.a.O. Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 81).




Der anhängige Widerspruch wird jedoch voraussichtlich Erfolg haben, weil die Diagnose der Alkoholabhängigkeit weder dem vorgelegten Fahreignungsgutachten noch dem Entlassungsbericht des Bezirksklinikums nachvollziehbar und schlüssig zu entnehmen ist. Entgegen der gerichtlichen Darstellung auf Seite 14, 16 und 20 des Beschlusses hat der Antragsteller noch keine Klage erhoben.

Da die letzte Behördenentscheidung, hier über den Widerspruch, noch aussteht, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage daher entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts (Seite 17 des Beschlusses) die Entscheidung des Gerichts bzw. des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 - 11 CS 20.2342 - juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 27.9.1995 - BVerwGE 99, 249 = juris Rn. 9 m.w.N.).




Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), in Kraft getreten zum 1. August 2021, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), in Kraft getreten zum 2. August 2021, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

Alkoholabhängigkeit führt nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Eignung oder bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wer alkoholabhängig ist, hat grundsätzlich nicht die erforderliche Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende bereits mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2015 - 3 B 31.15 - DAR 2016, 216 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 11.9.2018 - 11 CS 18.1708 - juris Rn. 11 m.w.N.). Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat damit zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür weiterer Abklärung bedarf (BayVGH, B.v. 19.7.2019 - 11 ZB 19.977 - juris Rn. 11).

Nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 2 Buchst. a Satz 1 der Anlage 4a zur FeV muss das erstellte Fahreignungsgutachten nachvollziehbar und nachprüfbar sein, d.h. insbesondere alle wesentlichen Befunde wiedergeben und die zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen darstellen (vgl. Nr. 2 Buchst. a Satz 3 der Anlage 4a zur FeV). Auch muss ein Gutachten im Allgemeinen ferner von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 98 Rn. 37).

Nach Nr. 3.13.2 der geltenden Begutachtungsleitlinien (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Komm., 3. Aufl. 2018, S. 279) soll die sichere Diagnose "Abhängigkeit" nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) beschriebenen Kriterien gleichzeitig vorhanden waren (ICD-10 F10.2). Ferner wird hiernach vorausgesetzt, dass diese (mindestens) drei Kriterien einen Monat lang bzw. - falls sie nur über einen kürzeren Zeitraum aufgetreten sind - innerhalb eines Jahres wiederholt bestanden (vgl. Haffner/Brenner-Hartmann/Musshoff in Schubert/Huetten/ Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 281). Die Erhebung der stark an der gesundheitlichen Vorgeschichte orientierten Kriterien der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) erfordert eine weitgehende Kooperation des Betroffenen, da es nur wenige Kriterien gibt, die sich ohne dessen aktive Mithilfe objektivieren lassen (Haffner/Brenner-Hartmann/Musshoff, a.a.O. S. 280).


Beim Antragsteller, der keine 24 Stunden im Bezirkskrankenhaus verbracht hat, haben sich die Erhebungen, die Hinweise auf eine etwaige Alkoholerkrankung liefern konnten, nach dem Entlassungsbericht im Wesentlichen auf einen Atemalkoholgehalt von "2,46 ?" sowie einen unauffälligen neurologischen Befund bei Aufnahme (u.a. Stand und Gang sicher, Armhalteversuch unauffällig, Finger-Nase-Versuch metrisch, Koordination intakt), die Angabe, er trinke gelegentlich Alkohol und habe am fraglichen Abend zwei, drei Bier getrunken, und "eine deutliche vegetative Entzugssymptomatik in Form von Tremor, erhöhten Vitalwerten und hypertensiven Krisen" beschränkt. Diese Ergebnisse genügen nach den Kriterien der ICD-10 und den vorstehenden Ausführungen jedoch offensichtlich nicht, um die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms zu stellen. Hinsichtlich der konkret angenommenen Kriterien lässt sich dem Entlassungsbericht unmittelbar allenfalls ein körperliches Entzugssyndrom entnehmen, das aber offenbar nicht medikamentös behandlungsbedürftig war und dessen Feststellung keineswegs gesichert ist. Denn nachdem der Antragsteller im Herbst 2018 u.a. wegen Zitterns im Zusammenhang mit einer Depression und Kraftlosigkeit stationär behandelt worden ist und die gezeigte Herz-Kreislauf-Symptomatik ("erhöhte Vitalwerte", "hypertensive Krisen"), zu der es keine konkreten Daten gibt, nicht ausschließlich auf einen Alkoholentzug zurückzuführen sein musste, sondern auch einfach einer akuten Intoxikation und/oder der Unterbringungssituation hätte geschuldet sein können, kamen andere Ursachen hierfür durchaus in Betracht. Bei der gutachterlichen Feststellung, dass sich die Abhängigkeitsdiagnose des Bezirkskrankenhauses nach den ICD-10-Kriterien und den Kriterien der Alkohol-Hypothesen der Beurteilungskriterien gerichtet habe, handelt es sich um die Interpretation des Fahreignungsgutachters. Entgegen seiner Darstellung ist dem Entlassungsbericht nichts zu einem starken Wunsch oder Zwang zum Alkoholkonsum bzw. zu einer psychischen Abhängigkeit (vgl. Haffner/Brenner-Hartmann/Musshoff a.a.O., S. 282 f.) zu entnehmen. Vielmehr leitet der Gutachter diese ebenso wie das über die Norm hinausgehende Alkoholtrinken und die Toleranzentwicklung offenbar aus dem einmaligen Kontrollverlust Ende Januar 2020 und den Angaben des Antragstellers zu seinem Alkoholkonsum an diesem Tag und im Allgemeinen her. Dabei bleibt im Dunkeln, um welche "anderslautenden eindeutigen Hinweise aus der Vorgeschichte oder anderen Befunde" es sich handelt. Sonstige Vorfälle, in denen der Antragsteller stark alkoholisiert oder mit alkoholbedingt unkontrolliertem Verhalten in Erscheinung getreten wäre, sind nicht bekannt. Zur Dauer des Kontrollverlusts und der sonstigen angenommenen Kriterien findet sich weder etwas in dem Fahreignungsgutachten noch in dem Entlassungsbericht. Vielmehr ist im Bezirkskrankenhaus auf der Grundlage einer punktuellen Momentaufnahme am 27./ 28. Januar 2020 und einer spärlichen Datenlage eine Erstdiagnose ohne ausreichende Erläuterung gestellt worden.

Ergänzend ist in den Blick zu nehmen, dass die hohe Alkoholisierung des Antragstellers, die nach medizinischen Erkenntnissen zumindest die Unterstellung einer Toleranz vertretbar erscheinen lässt (vgl. Haffner/Brenner-Hartmann/Musshof, a.a.O., S. 284: ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 ?), nicht hinreichend sicher feststeht. Zwar kommt es bei der Stellung der Abhängigkeitsdiagnose - anders als in Fällen, in denen Straftaten oder Verkehrsordnungswidrigkeiten geahndet werden sollen - grundsätzlich nicht entscheidend auf das Erreichen einer bestimmten Atem- oder Blutalkoholkonzentration an (vgl. Haffner/Brenner-Hartmann/Musshof, a.a.O., S. 283 f.; BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 11 CS 19.1451 - juris Rn. 20; B.v. 2.9.2016 - 11 ZB 16.1359 - juris Rn. 21.). Wegen der lediglich indiziellen Aussagekraft der Messwerte und ohne Anhalt für eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses hat die obergerichtliche Rechtsprechung, soweit ersichtlich, insoweit keine besonderen Anforderungen an die Verwertbarkeit der Messungen des Atemalkoholgehalts oder der Blutalkoholkonzentration gestellt. Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend angenommen, dass ohne konkrete anderweitige Anhaltspunkte regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass das Personal eines Bezirkskrankenhauses über ein für medizinische Zwecke brauchbare Ergebnisse lieferndes Messgerät verfügt und dessen Handhabung ausreichend beherrscht. Anders als in dem vom Antragsteller angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 15. Juli 2020 (1 B 173/20), das im Übrigen kein Divergenzgericht des Verwaltungsgerichts Regensburg im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist, liegen in seinem Fall keine eindeutigen Hinweise auf die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses vor, auch wenn die Messung fehleranfälliger gewesen sein mag als in einem in Straf- und Bußgeldverfahren geforderten standardisierten Verfahren, weil keine zweite Messung erfolgt ist, der Atemalkoholgehalt in eine Blutalkoholkonzentration nicht näher nachvollziehbar umgerechnet worden ist und dem Wert der Atemalkoholkonzentration eine gewisse "Bandbreite" von Werten der Blutalkoholkonzentration entsprechen kann (vgl. dazu König in Laufhütte u.a., StGB, Leipziger Komm., 13. Aufl. 2021, § 316 Rn. 52, 55). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Grad der Alkoholisierung vorliegend wegen der ansonsten äußerst spärlichen und unschlüssigen Datenlage im Wesentlichen das einzige auf ein Alkoholproblem hinweisende Indiz war, aus dem letztlich alle weiteren Schlussfolgerungen (Kontrollverlust, Toleranzbildung, Interpretation der festgestellten Symptome als Entzugserscheinungen) abgeleitet worden sind. Vor diesem Hintergrund fehlt dem lediglich bekannten ungefähren Ausmaß der Alkoholisierung die ausreichende Tragkraft für sämtliche aus ihm abgeleiteten Schlüsse. Die ICD-10 gibt es nicht her, dass aus jeder (nicht sicher feststehenden) akuten Alkoholintoxikation auf eine Alkoholabhängigkeit geschlossen wird.

Die obergerichtliche Rechtsprechung, dass den Diagnosen der Bezirkskliniken im Hinblick auf ihre fachliche Spezialisierung ein hoher Grad an Verlässlichkeit zukommt (BayVGH, B.v. 10.7.2017 - 11 CS 17.1057 - juris Rn. 12 f.), bedeutet nicht, dass sie ungeprüft und unter Verzicht auf jedes Maß an Nachvollziehbarkeit übernommen werden können (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2013 - 11 CS 13.1469 - juris Rn. 23). In diesem Sinne sind auch nicht die Beurteilungskriterien (vgl. Kriterium A 1.1 N; Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, Beurteilungskriterien - Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, 3. Aufl. 2013, S. 97) auszulegen. Vielmehr setzt die Übernahme einer fremden diagnostischen Einordnung durch einen Gutachter voraus, dass diese nachvollziehbar nach den gültigen Diagnosekriterien der ICD-10 oder des DSM IV und durch einen qualifizierten Facharzt erfolgt sind (Beurteilungskriterien, a.a.O. S. 119). Davon kann - was im Falle des Antragstellers wohl nicht zutrifft - regelmäßig ausgegangen werden, wenn eine stationäre oder ambulante Suchttherapie durch den Kostenträger übernommen wurde und dies durch entsprechende Entlastungsberichte oder qualifizierte Bescheinigungen bestätigt werden. Die Einschätzung des Betroffenen selbst, seine Alkoholproblematik stelle eine Abhängigkeit dar, der unbestätigte Bericht über eine Suchtbehandlung oder die Angabe in einem Gerichtsurteil, der Angeklagte sei Alkoholiker, genügt für die Diagnose nicht (Beurteilungskriterien, a.a.O. S. 119). Indikatoren für eine übernahmefähige externe Abhängigkeitsdiagnose sind u.a., dass sie sich erkennbar an anerkannten Diagnosekriterien orientiert und ein entsprechender Arztbericht oder eine vergleichbare Bestätigung der Diagnose vorliegt, wobei dieser zu entnehmen sein muss, auf welche Befunde sich die Diagnose stützt (qualitative Ausprägung der Abhängigkeit) (Beurteilungskriterien, a.a.O. S. 119). Weitere Indikatoren, die sich beim Antragsteller ebenfalls nicht finden, sind Entzugs- oder Entwöhnungsbehandlungen mit der Eingangsdiagnose "Alkoholabhängigkeit" oder Entgiftungen unter ärztlicher Betreuung oder die ärztliche Verordnung von Medikamenten zur Reduktion von Entzugserscheinungen. Dabei muss die Diagnose "Alkoholabhängigkeit" stets nachvollziehbar attestiert sein (Beurteilungskriterien, a.a.O. S. 119).



Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller, der nach seinen Angaben seit dem Kurzaufenthalt im Bezirksklinikum Ende Januar 2020 keinen Alkohol mehr zu sich genommen hat, nachgewiesen hat, dass er mittlerweile ein Jahr abstinent gelebt hat, und ansonsten nichts über ein Alkoholproblem des Antragstellers bekannt ist, gibt der Vorfall vom Januar 2020 auch keinen hinreichenden Anlass mehr, hieraus gegenwärtig noch Fahreignungszweifel herzuleiten.

Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei die Klassen A1, B und C1 maßgebend sind. Die nach dem 31. Dezember 1988 erteilte Fahrerlaubnisklasse 1b (alt) entspricht nach Abschnitt A I Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV den Klassen A1, AM und L, wobei die Klasse A1 mit der Schlüsselzahl 79.05 versehen ist und nach Abschnitt B I lfd. Nr. 128 der Anlage 9 zu § 25 Abs. 3 FeV zum Führen von Krafträdern der Klasse A1 mit einem Leistungsgewicht von mehr als 0,1 kW/kg berechtigt. Somit ist nach Nr. 46.2 des Streitwertkatalogs zusätzlich ein Streitwert von 2.500,- EUR anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2014 - 11 CS 14.2202 - juris Rn. 7). Die Fahrerlaubnisklasse 3 (alt) entspricht nach Abschnitt A I Nr. 19 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV den Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM, B, BE (79.06), C1 (171), C1E, CE (79) und L (174), wobei die frühere Klasse E bei den Klassen B und C1 nicht mehr streitwerterhöhend wirkt (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2014 - 11 CS 13.2216 - juris Rn. 18). Der nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs in Antragsverfahren zu halbierende Gesamtstreitwert von 12.500,- EUR ergibt einen Streitwert von 6.250,- EUR.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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