Das Gericht hat folgende Feststelllungen getroffen:
Der Betroffene fuhr am 29.10.2007 um 01.00 Uhr mit dem Pkw Ford, amtliches Kennzeichen ... auf der Bundesstraße B 102 in Höhe des Gewerbeamtes Fenn in Richtung Rathenow. Dort gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h, die durch das Verkehrszeichen 274.1 angezeigt wird.
Zu diesem Zeitpunkt fand dort eine Geschwindigkeitsmessung statt. Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit einem bis Ende 2008 geeichten Lasergeschwindigkeitsmessgerät Riegl LR90-235/P von den Polizeibeamten H. und K. durchgeführt, die entsprechend geschult worden waren.
Die auf eine Entfernung von 373,0 m gemessene Geschwindigkeit des vom Betroffenen geführten Fahrzeuges soll nach Abzug des Toleranzwertes von 5 km/h noch 147 km/h betragen haben.
Die Verwaltungsbehörde erließ gegen den Betroffenen am 17.01.2008 einen Bußgeldbescheid, in dem sie eine Geldbuße von 320,00 € festsetzte und ein Fahrverbot von 2 Monaten anordnete.
II.
Der Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Die Messung vom 29.10.2007 entspricht nicht den Vorgaben an ein standardisiertes Messverfahren und ist unwirksam.
Bei der hier vorgenommenen Lasermessung mit dem Gerät Riegl LR90-235/P handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren im Sinne der Rechtsprechung. Dies gilt jedoch nur dann, wenn dieses Gerät von seinem Bedienungspersonal standardmäßig verwendet wird. Standardmäßig bedeutet, dass das Gerät in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Gebrauchsanweisung verwendet wird.
Dies gilt nicht nur bei dem eigentlichen Messvorgang, sondern auch und insbesondere bei den Gerätetests, die dem Messvorgang vorausgehen. Eine spätere Verurteilung des Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit kann nur dann erfolgen, wenn durch diese Tests mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass das Gerät bei der konkreten Messung tatsächlich mit der bei den standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt.
Der geeichte Zustand des hier verwendeten Gerätes steht aufgrund des Eichscheins vom 22.10.2007 (Bl. 8, 9 d.BA.) fest und auch dessen der Bauartzulassung entsprechende Verwendung steht außer Frage.
Indes wurden die Vorgaben des Herstellers aus der Gebrauchsanweisung nicht beachtet: Nach dem Messprotokoll vom 29.10.2007 (Bl. 6 d.BA.) führten die Messbeamten die vor dem Messbeginn erforderlichen vier Tests (1. Selbsttest; 2. Displaytest; 3. Test der Visiereinrichtung; 4. Nulltest) durch.
Sowohl der Test der Visiereinrichtung als auch der sogenannte „Nulltest” wurden auf eine Entfernung von 292,0 m durchgeführt, indem nach Angaben des Polizeibeamtem H. (B1. 20 d.A.) ein auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite stehende Leitpfosten angepeilt wurde.
Nach der Gebrauchsanweisung der Firma Riegl Laser Measurement Systems GmbH, Seite 15 (Bl. 23 d.A.), ist zum Test der Visiereinrichtung zunächst ein geeignetes Ziel (z.B. Mast, Verkehrszeichen, Gebäudekanten) in ca. 150 m bis 200 m Entfernung auszuwählen. Große, insbesondere retroreflektierende Anzeigetafeln sind auch in Entfernungen bis etwa 300 m geeignete Ziele für den Test.
Entsprechend dem Eichschein des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg vom 22.10.2007 (Bl. 9 d.BA.) ist durch die Eichung gewährleistet, dass das Lasergeschwindigkeitsmessgerät die Verkehrsfehlergrenzen (EO 18-11 Punkt 4.2) einhält, wenn es gemäß der gültigen Gebrauchsanweisung gehandhabt wird. Die Gebrauchsanweisung des Herstellers wurde mit dem Messgerät zum Gegenstand der Zulassung nach dem Eichschein.
Die Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers ist damit in dem Sinne verbindlich, dass nur durch sie das hierdurch standardisierte Verfahren, d.h. ein bundesweit einheitliches, korrektes und erprobtes Vorgehen, sichergestellt ist. Kommt es wie hier zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so liegt kein standardisiertes Messverfahren mehr vor. Das Gerät ist dann auch nicht mehr als ein geeichtes anzusehen, weil das im Eichschein verbriefte Prüfergebnis bezüglich der Einhaltung der Fehlergrenzen für solche Fehlbedienung keine Gültigkeit besitzt.
Wie bereits oben festgestellt, wurde als feststehendes Ziel ein Leitpfosten in einer Entfernung von 292,0 m angepeilt, also keine gut retroreflektierende und große Anzeigetafel ausgesucht. Entsprechend den Vorgaben des Herstellers hätte der Leitpfosten in einer Entfernung von etwa 150 und 200 m angepeilt werden dürfen.
Damit ist der Test der Visiereinrichtung nicht nach Maßgabe der Gebrauchsanweisung und somit auch nicht nach Vorgaben des Eichscheins durchgeführt worden. Mithin kann die am 29.10.2007 durchgeführte Messung nicht mehr als ein standardisiertes Messverfahren gelten, sondern stellt ein individuelles Messverfahren dar, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann.
Ein Bußgeldverfahren wegen Überschreitens der zulässigen Geschwindigkeit baut jedoch wegen seines Charakters als Massenverfahren und wegen der in § 26 Abs. 3 StVG besonders festgeschriebenen Beschleunigung darauf, dass die Verwaltungsbehörden und die Gerichte bei den die Betroffenen belastenden Entscheidungen über Geldbußen und Fahrverbote in der gebotenen Zeit sich auf ein standardisiertes Verfahren verlassen können.
Es widerspricht dem Sinn und Zweck des beschleunigten Charakters des Bußgeldverfahrens in Verkehrssachen, auch individuelle Messverfahren bei der Geschwindigkeitsmessung zuzulassen, die nicht der Gebrauchsanweisung des Herstellers des Messgerätes entsprechen und die dann jeweils von neuem zu aufwendigen Feststellungen der Sachverständigen zur Richtigkeit und Genauigkeit der Messung zwingen. Dies umso weniger, als es die entsprechend geschulten Messbeamten in der Hand haben, die Gebrauchsanweisung zu befolgen und so für die Durchführung eines standardisierten Messverfahrens zu sorgen.
Im übrigen ist bei einem Verfahren, das belastende Folgen für die Betroffenen hat, wie z.B. eine Geldbuße oder gar ein Fahrverbot, und das auf einen festgelegten technischen Vorgang zurückgeht, an die Verwaltungsbehörde die Forderung zu stellen, ihrerseits die Vorgaben des Herstellers für die Messung einzuhalten. Eine Sanktionsmaßnahme des Staates als Eingriff in die Rechte des einzelnen wegen seines vermeintlichen Fehlverhaltens verlangt vom Staat eine strikte Einhaltung der Vorgaben hinsichtlich der Handlung und der Form, denn nur dann ist dieser Eingriff auch legitim.
Das Gericht kann aus den vorbenannten Gründen nur feststellen, dass das Messverfahren vom 29.10.2007 kein standardisiertes Messverfahren war, das die Vermutung der Richtigkeit und der Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann.
Da aber nur in einem standardisierten Messverfahren eine ordnungsgemäße Messung der Geschwindigkeit des Betroffenen möglich war, und ein solches hier nicht vorlag, ist die am 29.10.2007 festgehaltene Geschwindigkeit nicht wirksam festgestellt und nicht verwertbar.
Damit ist auch der Tatnachweis nicht möglich.
Der Betroffene war freizusprechen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 OWiG in Verbindung mit § 467 Abs. 1 StPO.