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Amtsgericht Cottbus (Beschluss vom 03.06.2020 - 66 OWi 1511 Js-OWi 12316/20 (267/20) - 66 OWi 267/20 - Zum Recht des Verteidigers auf Einsicht in die Rohmessdaten

AG Cottbus v. 03.06.2020: Zum Recht des Verteidigers auf Einsicht in die Rohmessdaten




Das Amtsgericht Cottbus (Beschluss vom 03.06.2020 - 66 OWi 1511 Js-OWi 12316/20 (267/20) - 66 OWi 267/20) hat entschieden:

   Dem Verteidiger des Betroffenen bzw. dem unterbevollmächtigten Sachverständigen steht ein Einsichtsrecht in die so genannten Rohmessdaten zu. Die Einsicht in den gesamten Film bzw. die gesamte digitale Messserie ist nur in den Räumen der Verwaltungsbehörde zu gewähren. Ein Anspruch auf Versendung des gesamten Messfilms bzw. der gesamten digitalen Messserie besteht nicht.

Siehe auch
Akteneinsichtsrecht in die Rohmessdaten von Messgeräten
und
Akteneinsicht und Aktenversendungspauschale

Gründe:


Das Einsichtsgesuch des Verteidigers ist in dem von dem Gericht gewährten Umfang sachgerecht; das Einsichtsrechts ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem (nichtexistenten) Recht auf Übersendung oder Erweiterung der Akte.

Die genannten Unterlagen beziehungsweise Beweismittel sind zur Beurteilung der Erfolgsaussichten des Einspruches notwendig. Ansonsten wäre das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Dies gilt auch, wenn die Gegenstände nicht Teil der Gerichtsakte sind, wie hier die Bedienungsanleitung und weiterer Dokumente, jedoch nur durch ihre Kenntnis die Messung nachvollzogen werden kann.




Akteneinsicht die begehrten Unterlagen kann nur in den Diensträumen der sachbearbeitenden Verwaltungsbehörde gewährt werden. Ein Versand der Originalunterlagen, die ständig in der Verwaltungsbehörde benötigt werden, kommt nicht in Betracht, zumal sich die Kanzlei des Verteidigers vom Sitz der Verwaltungsbehörde nicht übermäßig weit entfernt befindet und eine Anreise zur Einsicht daher zumutbar ist. Ansonsten ist die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten möglich, so im Ergebnis auch OLG Celle, B. v. 11.09.2012, DAR 2013 S. 214f.

Das Recht auf Akteneinsicht besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Einsicht kann nur in solche Unterlagen gewährt werden, die tatsächlich auch vorhanden sind.

Lebensakten werden, wie gerichtsbekannt, von vielen Verwaltungsbehörden nicht geführt, in diesem Fall genügt ein Vermerk über das Nichtvorhandensein sowie ein Vermerk über Reparaturen im letzten Eichintervall vor/nach der Messung. Soweit vorhanden, kommt eine Einsicht jedoch aus vorstehend genannten Gründen nur in den Räumen der Verwaltungsbehörde in Betracht.


Dem unterbevollmächtigten Sachverständigen /d. Verteidiger/in ist daher in den Räumen der Verwaltungsbehörde Einsicht in den gesamten Film/die gesamte digitale Messserie zu gewähren. Kennzeichen, Gesichter oder sonstige Individualisierungsmerkmale (z.B. Firmenbeschriftungen) sind dabei auf den Messbildern, welche nicht die Messung des Betroffenen wiedergeben, aus Datenschutzgründen abzudecken. Soweit er für sein Gutachten Abzüge für notwendig erachtet, sind ihm diese zu gewähren. Daten Dritter, etwa Kraftfahrzeugkennzeichen, siehe vorherige Ausführungen, können dabei unkenntlich gemacht werden.

Ein Anspruch auf Versendung des gesamten Messfilmes/der gesamten digitalen Messserie besteht nicht.

Der Messfilm muss in der Verwaltungsbehörde auch für die sonstigen darauf erfassten Messungen zur Verfügung stehen.

Bezüglich der digitalen Daten (Poliscan) bedarf es zur Entschlüsselung eines persönlichen passwortgeschützten Kunden-USB-Kryptomoduls, Tooken genannt, welches sicherstellt, dass nur geschulte und berechtigte Personen mit den Daten arbeiten. Eine Versendung eines solchen Tooken kommt daher nicht in Frage. Eine Einsichtnahme ist auch deshalb nur in den Räumen der Verwaltungsbehörde möglich, zumal nur dort die vorstehend erwähnten Abdeckungen möglich sind.

   Vgl. insoweit auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 26.08.2016, 2 Ss-OWi 589/16.

Soweit der Verteidiger/dem Sachverständigen für seine Beurteilung die geöffnete Datei für die einzelne Messung d. Betroffenen genügt, steht einer Versendung dieser Daten, z.B. im jpg.Format, nach Überlassung eines geeigneten Datenträgers keine Einwendungen entgegen! Für die gesamte Messreihe gilt dies wegen des zu beachtenden Datenschutzes jedoch nicht.



Da sich die Kanzlei des Verteidigers vom Sitz der Verwaltungsbehörde nicht übermäßig weit entfernt befindet ist eine Anreise zur Einsicht im Übrigen durchaus zumutbar. Ansonsten ist die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten möglich.

Ein Beschilderungsplan gehört nicht zur Akte, auf das Messprotokoll wird hingewiesen. Ein solcher Plan kann vom/von der Betroffenen/der Verteidigung selbst von der insoweit zuständigen Behörde beigezogen werden.

Eine Kostenentscheidung ist derzeit nicht veranlasst.

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