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Wird ein Antrag auf Beziehung der Messdatei (erst) in der Hauptverhandlung gestellt und hat sich der Tatrichter von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung durch die Beweisaufnahme überzeugt, wird durch die Ablehnung des Antrags des Betroffenen, die Rohmessdaten beizuziehen und durch einen Sachverständigen auf etwaige Messfehler prüfen zu lassen, weder der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt noch die Verteidigung in einem wesentlichen Punkt i.S.d. § 338 Nr. 8 StPO beschränkt. |
1. | Der Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör wird durch die Nichtherausgabe einer lesbaren Falldatei mit Token-Datei und Passwort sowie der Statistikdatei verletzt. Dem Betroffenen sind die bei der Messung angefallenen digitalen Daten als Grundlage der Messung - auch wenn sie sich nicht in der Akte befinden und damit von § 147 StPO iVm § 46 OWiG nicht erfasst werden - zur Verfügung zu stellen. |
2. | Gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens wird verstoßen, wenn dem Betroffenen eines auf Daten eines standardisierten Messverfahrens beruhenden Bußgeldverfahrens (hier: Feststellung eines Rotlichtverstoß mittels stationärem Lasermessgerät "PoliScan F1 HP") die Messdaten nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. |
Fehlt es – wie hier bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät "Traffistar 350S" – an Rohmessdaten für den Messvorgang und s0ll sich die Verurteilung nur auf das Messergebnis und das Lichtbild des Fahrzeugführers stützen, so fehlt es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wenn sich ein Betroffener gegen das Messergebnis wendet und ein Fehlen von Rohmessdaten rügt. Solange eine Messung nicht durch die Bereitstellung der Datensätze einer Nachprüfung durch die Verteidigung des Betroffenen zugänglich gemacht wird, ist dies rechtsstaatlich nicht hinnehmbar. |
1. | Gelangt im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV) im Grundsatz der Anspruch des Betroffenen, Kenntnis auch von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden und weiterhin vorhanden sind, aber nicht zur Bußgeldakte genommen wurden. |
2. | Ein Anspruch auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen setzt in formeller Hinsicht voraus, dass die begehrten Informationen hinreichend konkret benannt werden. In materieller Hinsicht erfordert der Anspruch auf Informationszugang zu den nicht zur Bußgeldakte gelangten Informationen einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung. Der Anspruch auf Einsicht in nicht zur Bußgeldakte gelangte Informationen besteht nicht, wenn gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen (wie BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 2 BvR 1616/18 ). |
1. | Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter außerordentlicher Rechtsbehelf mit subsidiärem Charakter. Über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus verlangt deshalb der in Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG zum Ausdruck kommende Grundsatz der materiellen Subsidiarität, dass ein Beschwerdeführer bereits in dem nach der einschlägigen Prozessordnung offenstehenden Rechtsmittelverfahren formgerecht und substanziiert diejenigen Beanstandungen vorgetragen hat, die er nunmehr im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend machen will; hat er dies versäumt, ist es ihm verwehrt, sie nachträglich im Weg der Verfassungsbeschwerde zu erheben (vgl. VerfGH vom 24.10.2017 – Vf. 9-VI-17 – juris Rn. 42 m. w. N.). Dieser Grundsatz erfordert weiter, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde jede tatsächliche und prozessuale Möglichkeit ausschöpft, um eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte abzuwenden. Er muss das ihm Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird |
2. | In einem Ordnungswidrigkeitenverfahren wie im hiesigen Ausgangsverfahren bedeutet dies, dass der Betroffene zur Wahrung des verfassungsprozessualen Grundsatzes materieller Subsidiarität seinen Anspruch auf Herausgabe bzw. Zugänglichmachung der von ihm zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens für erforderlich gehaltenen Daten (insbesondere Rohmessdaten) grundsätzlich bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend gemacht und bei dessen Ablehnung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG gestellt haben muss (ebenso VerfGH RhPf vom 25.5.2020 – VGH B 17/20 – BA S. 4; vom 20.7.2020 – VGH B 46/20 u. a. – BA S. 6; vom 18.8.2020 – VGH B 49/20 – BA S. 6, jeweils nicht veröffentlicht; vom 21.6.2021 – VGH A 39/21 – juris Rn. 27). |
1. | Die Ablehnung eines Antrags des Betroffenen auf Beiziehung, Einsichtnahme oder Überlassung digitaler Messdateien oder weiterer nicht zu den Akten gelangter Messunterlagen verletzt weder das rechtliche Gehör noch das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren. Es handelt sich um einen Beweisermittlungsantrag, über den der Tatrichter unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden hat (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg, Beschlüsse vom 4. April 2016, 3 Ss OWi 1444/15, DAR 2016, 337 = OLGSt StPO § 147 Nr. 10; 5. September 2016, 3 Ss OWi 1050/16, StraFo 2016, 461 = VA 2016, 214; 24. August 2017, 3 Ss OWi 1162/17, DAR 2017, 715 und 4. Oktober 2017, 3 Ss OWi 1232/17, NZV 2018, 80 = NStZ 2018, 235; entgegen VerfGH Saarbrücken, Beschluss vom 27. April 2018, 1 Lv 1/18). |
2. | Die Annahme, den Betroffenen eines Bußgeldverfahrens treffe eine "Darlegungs- und Beibringungslast" in Bezug auf die geltend gemachte Unrichtigkeit des im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens erzielten Messergebnisses ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. |
1. | Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels des Messgeräts M5 RAD2 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem im Wege antizipierten Sachverständigengutachtens grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde. Die Richtigkeitsvermutung kann der Betroffene eines Bußgeldverfahrens nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vorträgt. Es wird ihm also eine Beibringungs- bzw. Darlegungslast auferlegt. |
2. | Diese Punkte vorzutragen, also die Ausübung rechtlichen Gehörs wird ihm jedoch unmöglich gemacht, wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Für den Betroffenen bzw. für seinen Verteidiger ist es nur dann möglich der Darlegungslast nachzukommen und das Messergebnis in Zweifel zu ziehen, wenn er die vom jeweiligen Messgerät erzeugten Digitaldaten als Grundlage jeder Messung technisch auswerten lassen kann. Als Konsequenz hieraus und im Hinblick auf ein faires Verfahren hat die Verwaltungsbehörde daher dem Betroffenen bzw. soweit noch nicht geschehen auch das Amtsgericht Zugang zu Informationen zu gewähren, die zu seiner Verteidigung von Bedeutung sein können. |
1. | Aus dem Recht auf ein faires Verfahren kann sich im Zusammenhang mit einer standardisierten Messung im Straßenverkehr ein Anspruch des Betroffenen auf Zugang zu nicht bei der Bußgeldakte befindlicher, aber bei der Verfolgungsbehörde vorhandener und zum Zwecke der Ermittlungen entstandener bestimmter Informationen, hier der sog. ‚Rohmessdaten‘ einer konkreten Einzelmessung, ergeben (Anschluss an BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 bei juris). |
2. | Demgegenüber wird durch die bloße Versagung der Einsichtnahme bzw. die Ablehnung der Überlassung von nicht zu den Bußgeldakten gelangter sog. ‚Rohmessdaten‘ das rechtliche Gehör des Betroffenen (Art. 103 Abs. 1 GG) regelmäßig nicht verletzt (Festhaltung u.a. an BayObLG, Beschl. v. 09.12.2019 – 202 ObOWi 1955/19 = DAR 2020, 145 = BeckRS 2019, 31165; 06.04.2020 – 201 ObOWi 291/20 bei juris und KG, Beschl. v. 02.04.2019 - 122 Ss 43/19 bei juris). |
3. | Ein Anspruch des Betroffenen und seiner Verteidigung auf Einsichtnahme und Überlassung der (digitalen) Daten der gesamten Messreihe besteht nicht (u.a. Anschluss an OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.05.2020 - 1 OWi 2 SsBs 94/19 = ZfSch 2020, 413 und 27.10.2020 – 1 OWi 2 SsBs 103/20 bei juris). |
1. | Es gibt keinen Grundsatz, dass die Erhebungsdaten eines standardisierten Verfahrens der Geschwindigkeitsmessung stets gespeichert werden müssen. |
2. | Inhaltlich ist dem Betroffenen vor der Hauptverhandlung zwar voller Einblick in die Messung betreffende Unterlagen oder Daten zu gewähren, um sie ggf. sachverständig überprüfen zu lassen. Ein Anspruch auf Einsicht in die gesamte Messreihe besteht dabei jedoch nicht. |