Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 19.12.2019 - 4 StR 560/19 - Keine selbstverständliche Ursächlichkeit von alkoholischer Beeinflussung bei Parkrempler

BGH v. 19.12.2019: Keine selbstverständliche Ursächlichkeit von alkoholischer Beeinflussung bei Parkrempler




Der BGH (Beschluss vom 19.12.2019 - 4 StR 560/19) hat entschieden:

   Es versteht sich nicht von selbst, dass eine Fahrweise eine Folge einer Alkoholintoxikation war, wenn es zu einem alltäglichen Unfallgeschehen (hier: Parkrempler) kommt. In solchen Fällen bedarf es näherer Feststellungen zur Kausalität zwischen der Fahrunsicherheit und der konkreten Gefahr.

Siehe auch
Alkohol im Verkehrsstrafrecht - Trunkenheitsfahrt - Fahruntüchtigkeit
und
Parken im Zivilrecht

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie in einem anderen Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr, unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Geldstrafe . unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe . zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es zwei weitere anderweit verhängte Geldstrafen auf die Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zurückgeführt und die Höhe des Tagessatzes auf 8 € festgesetzt. Es hat dem Angeklagten nachgelassen, die Gesamtgeldstrafe in Raten zu zahlen, und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von einem Jahr und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich in dem Fall II. 2 Buchst. c der Urteilsgründe der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den zu dieser Tat getroffenen Feststellungen war der Angeklagte am 21. Oktober 2017 gegen 11.10 Uhr infolge vorherigen Alkohol- und Drogenkonsums nicht mehr in der Lage, seinen Pkw VW Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen sicher zu führen. Dies nahm er ebenso wie die Möglichkeit, andere Fahrzeuge zu beschädigen, billigend in Kauf. Er startete das zuvor auf dem Seitenstreifen der in geparkte Fahrzeug und setzte es in Bewegung, wobei ihm auch bewusst war, das Fahrzeug ohne die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis zu führen. Beim Zurücksetzen aus der Parklücke stieß er gegen einen Pkw Smart, der seinerseits auf das dahinter parkende Fahrzeug geschoben wurde. Der Gesamtschaden am Smart belief sich auf ca. 2.000 €.



b) Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Vorsatz-Vorsatz-Kombination in der Variante des § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bejaht (zur Systematik des § 315c StGB vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. September 2014 - 4 StR 365/14, zfs 2014, 713; vom 13. Januar 2016 - 4 StR 532/15, NJW 2016, 1109; vom 31. Januar 2017 - 4 StR 597/16, DAR 2017, 381). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend näher ausgeführt hat, ist der bedingte Vorsatz des Angeklagten bezüglich der von ihm verursachten konkreten Gefahr nicht tragfähig belegt. Darüber hinaus hat das Landgericht keine Feststellungen zu der im Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB geforderten Kausalität zwischen der Fahrunsicherheit und der konkreten Gefahr ("dadurch") getroffen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 - 4 StR 324/13, Blutalkohol 51 [2014], 113; vom 19. November 2013 - 4 StR 352/13, NZV 2014, 185; vom 17. August 2016 - 4 StR 317/16). Dessen hätte es schon mit Blick auf die Alltäglichkeit des Unfallgeschehens - eines "Parkremplers" - bedurft.

c) Der Senat hat den Schuldspruch im Fall II. 2 Buchst. c der Urteilsgründe auf vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) umgestellt. Er schließt angesichts der im Übrigen im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung hierzu aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung aus § 315c StGB tragen würden. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

d) Um jedwede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) herab. Angesichts der einschlägigen Vorstrafe (neben 16 weiteren Vorverurteilungen) und der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 Buchst. d der Urteilsgründe wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht in diesem Fall bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine Geldstrafe verhängt hätte.

Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten kann bestehen bleiben. Der Senat schließt - ausgehend von der Einsatzstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe für die Vergewaltigung der zur Tatzeit 14jährigen Nebenklägerin im Laderaum seines Fahrzeugs - im Blick auf die weiteren Einzelstrafen aus, dass das Landgericht eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

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