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Oberverwaltungsgericht Magdeburg Beschluss vom 07.12.2021 - 3 M 176/21 - Blutentnahme wegen des Verdachts des Konsums sog. harter Drogen

OVG Magdeburg v. 07.12.2021: Blutentnahme wegen des Verdachts des Konsums sog. harter Drogen




Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 07.12.2021 - 3 M 176/21) hat entschieden:

   Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. Beschluss des Senats vom 10. April 2018 - 3 M 143/18 - juris Rn. 4). Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) entfällt die Fahreignung unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnehme am Straßenverkehr im berauschten Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen.

Eine Blutentnahme kann nach § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO auch dann polizeilich angeordnet werden, wenn sich die Verdachtstatsachen für die Begehung einer Straftat nach § 316 StGB erst im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle und nicht bereits aus dem Fahrverhalten des Betreffenden ergeben.

Siehe auch
Blutentnahme / Blutprobe
und
Zum Entzug der Fahrerlaubnis bei nur einmaligem Konsum harter Drogen (außer Cannabis)

Gründe:


1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 1. Kammer - vom 13. August 2021, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebrachten Einwände gegen die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, nach denen der Antragsgegner berechtigt gewesen sei, dem Antragsteller auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Regelvermutung der fehlenden Fahreignung bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. Beschluss des Senats vom 10. April 2018 - 3 M 143/18 - juris Rn. 4). Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) entfällt die Fahreignung unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnehme am Straßenverkehr im berauschten Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen. Es obliegt dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. April 2019 - 11 CS 19.415 - juris Rn. 15 f. m.w.N.).




Hiergegen wendet der Antragsteller mit seiner Beschwerde der Sache nach grundsätzlich nichts ein. Er macht vielmehr ausschließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO für die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung nicht vorgelegen hätten; deshalb sei das Untersuchungsergebnis - niedergelegt im Bericht des Universitätsklinikums H-Stadt vom 2. März 2021, wonach in der dem Antragsteller entnommenen Blutprobe Amphetamine, bei denen es sich um harte Drogen handelt, nachgewiesen worden sind - nicht verwertbar. Dieser Einwand greift nicht durch.

Nach § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf die Entnahme einer Blutprobe abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB begangen worden ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anwendung dieser Norm nicht ausgeschlossen, wenn sich die verdachtsbegründenden Tatsachen erst im Rahmen einer (allgemeinen) Verkehrskontrolle ergeben, die nicht darauf ausgerichtet gewesen ist, einem bereits bestehenden Verdacht der Begehung einer der in § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO genannten Straftaten nachzugehen, sondern aus anderem Anlass durchgeführt worden ist, im vorliegenden Fall, weil bei dem vom Antragsteller am 5. Februar 2021 geführten Fahrzeug das rechte Bremslicht defekt war. Für eine derartig restriktive Auslegung des § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO geben weder der Wortlaut der Norm noch deren Sinn und Zweck etwas her. § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO dient der Beschleunigung der Beweissicherung im Straf- und Bußgeldverfahren, insbesondere bei dem Verdacht auf ein Trunkenheitsdelikt, und damit der Verbesserung des Schutzes der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs vor ungeeigneten Fahrzeugführern, indem die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe bei Verdacht einer der genannten Straftaten durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei angeordnet werden kann (vgl. BT-Drs. 18/11272, S. 21). Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich für die Anwendung dieser Rechtsgrundlage die Verdachtstatsachen für die Begehung der genannten Straftaten zwingend bereits aus dem Fahrverhalten des Betreffenden ergeben müssen sollten. Dem genannten Normzweck dient die Anordnung einer Blutentnahme ohne richterliche Entscheidung vielmehr auch dann, wenn sich die Verdachtstatsachen erst bei einer aus anderem Anlass durchgeführten Verkehrskontrolle ergeben. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall.


Entgegen dem Beschwerdevorbringen wies der Antragsteller während der am 5. Februar 2021 kurz nach Mitternacht durchgeführten Verkehrskontrolle nicht lediglich gewöhnliche Müdigkeitserscheinungen auf. Ausweislich des polizeilichen Aktenvermerks vom 5. Februar 2021 über die während der Verkehrskontrolle getroffenen Sachverhaltsfeststellungen habe der Antragsteller bei der Durchführung eines Reaktionstests einen stark horizontalen Nystagmus, d. h. ein sog. Augenzittern, eine träge Lichtreaktion der Pupillen, gerötete Bindehäute und glasige Augen gezeigt. Bei einem Romberg-Test, einem Test zur Feststellung von Störungen des Gleichgewichtssinnes, bei dem die Augen zumindest zeitweise geschlossen sind (vgl. https://www. bionity.com/ de/lexikon/Romberg-Test.html, aufgerufen am 7. Dezember 2021), habe der Antragsteller bis 18 gezählt und ein leichtes Lidflattern aufgewiesen.

Es ist nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Betrachtung nachvollziehbar, dass die Polizeibeamten angesichts dieser Tatsachenfeststellungen, die der Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel zieht, hinreichende Anhaltspunkte dafür gesehen haben, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Drogen ein Fahrzeug geführt und somit eine Straftat nach § 316 StGB begangen haben könnte. Hiervon ausgehend ist es rechtlich nicht zu erinnern, dass die Polizeibeamten weitere Ermittlungen zum Sachverhalt und zur Beweissicherung vorgenommen haben. Hierzu zählen der beim Antragsteller zunächst durchgeführte Drogenvortest, der - was der Antragsteller nicht bestreitet - nach dem polizeilichen Vermerk vom 5. Februar 2021 ein deutlich positives Ergebnis hinsichtlich Amphetamin und Methamphetamin gezeigt habe, und die daran anknüpfend angeordnete Blutentnahme.

Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend macht, die Polizeibeamten hätten ihn gezwungen, den Drogentest durchzuführen, ist festzustellen, dass sich der Antragsteller nach den Ausführungen im polizeilichen Vermerk vom 5. Februar 2021, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, zwar zunächst unkooperativ gezeigt und den Polizeibeamten Schikane unterstellt habe, den Drogenvortest dann jedoch nach einigen Diskussionen durchgeführt habe. Dass der Antragsteller nunmehr vorträgt, er sei gezwungen worden, den Drogenvortest durchzuführen, weil die Polizeibeamten ihn andernfalls an der Weiterfahrt gehindert hätten, ist rechtlich unbeachtlich. Wie bereits dargestellt, durften die Polizeibeamten bei summarischer Betrachtung gerade den Verdacht schöpfen, dass der Antragsteller eine Straftat nach § 316 StGB begangen hat. Dementsprechend waren sie auch berechtigt, weitere Sachverhaltsfeststellungen und Maßnahmen zur Beweissicherung zu treffen. Hierzu gehört es auch, den Antragsteller vor dem Abschluss dieser Maßnahmen an der Weiterfahrt zu hindern.



2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5, 46.1 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beil. 2013, 58 ff.) und entspricht der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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