Das Verkehrslexikon

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Landgericht Saarbrücken Urteil vom 13.01.2022 - 10 S 64/21 - Ersatz und Höhe von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall

LG Saarbrücken v. 13.01.2022: Ersatz und Höhe von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall




Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 13.01.2022 - 10 S 64/21) hat entschieden:

  1.  Fehlt es sowohl an einer vom Geschädigten beglichenen Rechnung als auch an einer Honorarvereinbarung zwischen Geschädigtem und Sachverständigen, so ist die Höhe der werkvertraglich geschuldeten Vergütung für ein nach einem Verkehrsunfall erstattetes Schadensgutachten nach § 632 Abs. 2 BGB, § 287 ZPO nach der üblichen Vergütung zu ermitteln.

  2.  Die Höhe der üblichen Vergütung für Nebenkosten richtet sich dabei nach den (einfachen) Sätzen des JVEG.


Siehe auch
Sachverständigenkosten im Verkehrsrecht
und
Der Sachverständigenbeweis in den verschiedenen Verfahrensarten


Gründe:


I.

Die Klägerin, ein Sachverständigenbüro, begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in Form von Nebenkosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall. Die Geschädigte beauftragte die Klägerin mit der Erstellung eines Schadensgutachtens und trat ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte auf Erstattung der Sachverständigenkosten erfüllungshalber an die Klägerin ab. In der formularmäßigen Auftragserteilung (Anlage K2; Blatt 7 der Akte) heißt es:

   "Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des Sachverständigenbüros zuzüglich erforderlicher Nebenkosten."

Die Klägerin berechnete mit Rechnung vom 6.11.2019 eine Vergütung in Höhe von 564,85 € brutto, worauf die Beklagte vorgerichtliche 465,65 € zahlte. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages von 99,20 €.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Berechnung der Vergütung sei nicht zu beanstanden. Sie halte sich im Rahmen der Honorarbefragung 2018 des BVSK. Hinsichtlich der Nebenkosten sei nach dem Grundsatz "Obergrenze (JVEG +20 %)" entsprechend der Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13) vorgegangen worden. Die Schadenskalkulation, Fahrzeugbewertung und Restwertermittlung seien über das System der Firma Audatex abgerufen und die hierfür angefallenen Gebühren entsprechend in die Rechnung eingestellt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 99,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.12.2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die berechneten Nebenkosten seien überteuert. Kosten für eine EDV-Abrufgebühr, eine EDV-Fahrzeugbewertung sowie die Restwertabfrage könnten nicht gesondert abgerechnet werden, da diese bereits mit dem pauschalierten Grundhonorar abgegolten seien.




Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat der Klage im Umfang von 36,29 € nebst Zinsen entsprochen. So seien Nebenkosten grundsätzlich erstattungsfähig, soweit sie im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich seien. Zur Überprüfung der Angemessenheit der berechneten Nebenkosten dürfe im Rahmen des § 287 ZPO nach dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014 (Az.: 13 S 41/13) auf den Rahmen zurückgegriffen werden, den das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für die Entschädigung von Sachverständigen im Wesentlichen vorgebe. Mithin seien etwa Schreib-und Foto- und Kopierkosten zu erstatten, wenn diese bis zu 20 % über den Vorgaben des JVEG lägen. Werde diese Obergrenze jedoch - wie vorliegend - überschritten, so sei lediglich der jeweilige Sockelbetrag nach dem JVEG erstattungsfähig.

Soweit die Klägerin eine Pauschale für Abrufkosten der Kalkulation in Höhe von 20 € geltend mache, seien diese Kosten nicht erstattungsfähig. Denn eine Kalkulation der Reparaturkosten sei aufgrund des eindeutigen wirtschaftlichen Totalschadens nicht erforderlich gewesen. Zwar hätte die Geschädigte die nämliche Pauschale erstattet bekommen, da diese als Laie nicht über die erforderliche Sachkunde zur dahingehenden Überprüfung der Rechnung verfüge. Die Klägerin müsse sich jedoch den Einwand entgegenhalten lassen, dass die vollständige Kalkulation der Reparaturkosten nicht erforderlich war, sodass die Beklagte die Klägerin auf Rückzahlung dieses Betrages in Form von Minderung bzw. Schadensersatz in Anspruch nehmen könnte. Insoweit müsse sich die Klägerin den sogenannten "dolo agit" - Einwand entgegenhalten lassen.

Soweit die Rechnung schließlich noch ein Betrag in Höhe von 17,20 € für eine Restwertabfrage enthalte, sei auch dieser Betrag nicht erstattungsfähig. Diese Position falle grundsätzlich unter den Begriff der Fahrzeugbewertung, die bereits mit 20 € pauschal in der Rechnung berücksichtigt sei. Das auf den vorliegenden Einzelfall bezogen höhere Kosten angefallen seien, sei durch die Klägerin weder nachgewiesen noch dargelegt.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der zugelassenen Berufung. Rechtsfehlerhaft habe das Gericht die Grundsätze zum "dolo agit"-Einwand herangezogen. So müssten unabhängig davon, ob der Geschädigte selbst oder der Sachverständige aus abgetretenem Recht klage, die gleichen Grundsätze gelten. Insbesondere habe sich die Klägerin vorliegend im Rahmen des "JVEG +20 %" gehalten; diese Sätze seien im Raum Saarbrücken üblich. Auch die Erhebung von Kosten für Restwertermittlungen sei im Raum Saarbrücken üblich. Schließlich stünde ihr auch die geltend gemachte Pauschale für die Abrufkosten der Kalkulation zuzüglich Umsatzsteuer zu. So könne nicht entscheidend sein, ob es sich - ex post betrachtet - um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelte. Der Geschädigte wolle regelmäßig auch bei Reparaturkosten oberhalb der 130 %-Grenze die Höhe der Reparaturkosten wissen. Im Übrigen müsse der Sachverständige eine konkrete Wertermittlung liefern; Zahlenbehauptungen ohne Beleg seien im Rahmen eines Schadensgutachtens wertlos.

Schließlich seien auch die Kosten für die Restwertabfrage erstattungsfähig; diese Position falle nicht unter den Begriff der Fahrzeugbewertung und sei vorliegend auch tatsächlich ausgelöst worden.

Die Klägerin beantragt,

   unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20.05.2021, Az.: 120 C 54/21 (05) die Beklagte zu verurteilen, über den zuerkannten Betrag von 36,29 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2019 hinaus weitere 62,91 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.




II.

A. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 511, 513, 514 Abs. 2, 517 ff. ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat im zuerkannten Umfang auch in der Sache Erfolg. Denn die dem angefochtenen Urteil zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen in Bezug auf die nicht zugesprochenen EDV-Abrufgebühren sowie die Kosten für die Restwertabfrage gemäß § 513 Abs. 1 ZPO eine andere Entscheidung.

1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass das von der Klägerin aus wirksam abgetretenem Recht geltend gemachte Sachverständigenhonorar dem Grunde nach von der beklagten Haftpflichtversicherung gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m. § 115 VVG zu ersetzen ist, weil dies zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehört, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. etwa BGH, Urteile vom 19. Juli 2016, VI ZR 491/15, ZfSch 2017, 23 und vom 05. Juni 2018, VI ZR 171/16 und 185/16, MDR 2018, 1374 ff, jeweils mwN.).

2. Auch die Höhe der vom Amtsgericht für ersatzfähig gehaltenen Nebenkosten bezüglich Fotos und Schreibgebühren ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, jedoch vermag die Begründung des Amtsgerichts in diesem Punkt nicht zu überzeugen. Denn entgegen der Auffassung des Erstgerichts steht der Klägerin schon im Ausgangspunkt kein Anspruch auf Erstattung der ausgehend von den Sätzen des JVEG um 20 Prozent erhöhten Nebenkosten zu:




a) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17, NJW 2018, 693, mwN).

b) Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Dabei verbleibt für ihn allerdings das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich auch eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die - für den Geschädigten erkennbar - deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat. Im Fall einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017, aaO.; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 104/19, NJW 2020, 1148).


Bezogen auf Nebenkosten wird dabei auf die Sätze des JVEG als Schätzgrundlage zurückgegriffen (vgl. auch BGH, Urteil vom 26.04.2016, VI ZR 50/15, Rn. 18, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16, Rn. 4, 14, zitiert nach juris). Ein Geschädigter darf Nebenkosten im Rahmen der Plausibilitätskontrolle dann nicht mehr für erforderlich halten, wenn die hierfür vorgesehene Vergütung nach den Regelungen des JVEG um mehr als 20 % überschritten wird (vgl. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2014 - 13 S 41/13, Rn. 39, juris).

c) Indes gelten diese vom Amtsgericht angewandten Grundsätze zur Obergrenze der als plausibel anzusehenden Höhe von Nebenkosten nur dann, wenn der Geschädigte eine Grundlage für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB heranziehen kann. Fehlt es indes - wie vorliegend - sowohl an einer vom Geschädigten beglichenen Rechnung (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15, VersR 2016, 1133; Urteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15, NJW 2016, 3363; Urteil vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17, NJW 2018, 693) als auch an einer Honorarvereinbarung (vgl. SS. vom 19.10.2021; Bl. 111 d. A.), so ist die Höhe der werkvertraglich geschuldeten Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB, § 287 ZPO nach der üblichen Vergütung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 104/19, NJW 2020, 1148).

d) Bezüglich der Ermittlung der Höhe der üblichen Vergütung für die vorliegend angefallenen Nebenkosten in Form von Kopier-, Foto- und Schreibaufwendungen kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nach den obigen Ausführungen nicht auf die für die Fälle der Plausibilitätskontrolle entwickelte sog. Obergrenze (JVEG zzgl. 20 %) zurückgegriffen werden. Vielmehr richtet sich die Höhe der üblichen Vergütung in Fällen der vorliegenden Art - ohne dass es insoweit einer Beweisaufnahme bedürfte - nach den Sätzen des JVEG.

Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerseite orientieren sich die Kfz-Sachverständigen im Raum Saarbrücken hinsichtlich der Höhe von Nebenkosten entsprechend der ständigen Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken an den Sätzen des JVEG, wodurch nach Auffassung der Klägerin eine Üblichkeit hinsichtlich der Höhe der Vergütung von Nebenkosten entstanden sei. Soweit die Klägerin indes meint, die übliche Vergütung belaufe sich auf JVEG + 20%, verkennt sie die Grundlage der Berechnung.

Allerdings erkennt die zugrundeliegende Rechtsprechung der 13. Zivilkammer die Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten bis zu einer Höhe von 20% über den Sätzen des JVEG an, weil der Geschädigte, der ein Sachverständigengutachten beauftragt, bis zu dieser Grenze eine deutliche Überhöhung der Sachverständigenkosten, die einer Erstattungsfähigkeit entgegenstünde, nicht erkennen muss. Dies ist Ausfluss der sog. subjektiven Schadensbetrachtung (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.2014 - VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rz. 15), wonach bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist. Der Zuschlag von 20% ändert daher nichts daran, dass eine Überhöhung gegenüber der üblichen Vergütung vorliegt, die sich nach Schätzung der Kammer an den Sätzen des JVEG orientiert. Indem die Sachverständigen im Raum Saarbrücken dieser Rechtsprechung folgend ihre Nebenkosten auf den Tarif von JVEG zzgl. 20 % umgestellt haben, führt dies folglich nicht zu einer Anpassung der üblichen Vergütung, sondern legt lediglich die von der Rechtsprechung selbst angelegte übliche Vergütung in Höhe der jeweiligen Nebenkostensätze des JVEG zugrunde. Eine Rechtsprechung, die für den Fall überhöhter Rechnungsstellung einen Aufschlag von 20 % anerkennt, kann demnach nicht Grundlage einer generellen Üblichkeit dieses Aufschlags sein. Dem entspricht es, dass die neueren Honorarbefragungen des BVSK die Nebenkosten ab 2015 gar nicht mehr erfassen, sondern - nach Maßgabe der "in der Rechtsprechung anerkannten Nebenkosten" - ausweisen (vgl. https://bvsk.it/download/bvsk-honorarbefragung-2020/ - die aktuelle BVSK-Honorarbefragung 2020 enthält hierzu folgende Passage: "Die von der Rechtsprechung bislang anerkannten Nebenkosten belaufen sich auf 0,70 € je Kilometer, Fotokosten von 2,00 € je Lichtbild und 0,50 € je Lichtbild des 2. Fotosatzes, Porto/Telefon von 15,00 € pauschal und Schreibkosten von 1,80 € pro Seite und 0,50 € pro Kopie."). Insofern ist es sachgerecht - entsprechend der eigenen Empfehlung des BVSK - im Rahmen der gemäß § 287 ZPO zu bestimmenden üblichen Vergütung die Regelsätze des JVEG zugrunde zu legen.

e) Nach alledem sind für das Schreiben und den Druck des Originalgutachtens in schwarz/weiß gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG 0,50 € je Seite und gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG 0,90 € für jede Seite, mithin insgesamt 1,40 € je Seite und insgesamt 16,80 € anzusetzen. Für jede weitere gedruckte Seite ohne Schreibkosten sowie für jede Kopie sind 0,50 € zu erstatten, mithin 12,00 €. Fotokosten sind entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG einmalig für das Originalgutachten in Höhe von 2,00 € je Foto zu erstatten, so dass 32,00 € erstattungsfähig sind. Hinsichtlich der Ausfertigungen sind lediglich 0,50 € je Foto geschuldet, so dass ein Betrag in Höhe von 16,00 € anfiel. Demnach kann die Klägerin entsprechend der im Ergebnis zutreffenden Berechnung des Amtsgerichts für diese Positionen nur den zugesprochenen Betrag von 91,39 € brutto verlangen.

3. Fehlerhaft hat das Amtsgericht indes Kosten für die EDV-Abrufung hinsichtlich der Reparaturkostenkalkulation nicht zuerkannt. So hat das Amtsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, dass Kosten der EDV-Abrufgebühr und der EDV-Fahrzeugbewertung grundsätzlich erstattungsfähig sind. Dies entspricht auch der Rechtsprechung, nach der Auslagen für Fremdleistungen, die der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens tatsächlich in Anspruch genommen hat, ohne weiteres erforderlich und damit ersatzfähig sind (vgl. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19. Dezember 2014 - 13 S 41/13, Juris). Dementsprechend hat das Amtsgericht auch die Pauschale für die Fahrzeugbewertung in Höhe von 20 € zugesprochen.



Indes verfängt es nicht, wenn das Amtsgericht hinsichtlich geltend gemachter Kosten für die Abrufung der Reparaturkosten ausführt, diese seien bei einem erkennbaren wirtschaftlichen Totalschaden nicht erforderlich. So entbehrt ein Sachverständigengutachten jeglicher Validität und Aussagekraft, wenn dem Sachverständigen versagt würde, seine Ausführungen zum wirtschaftlichen Totalschaden ohne nachvollziehbare Kostenkalkulation zu untermauern. Auch kann die von der Rechtsprechung zur Annahme eines wirtschaftlichen Totalschadens entwickelte 130 %-Grenze nur verlässlich ermittelt werden, wenn zuvor eine Kalkulation der tatsächlichen Reparaturkosten erfolgt. Mithin sind die tatsächlich entstandenen Abrufkosten, mit deren Hilfe Reparaturkosten kalkuliert werden, auch im vorliegenden Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens zu ersetzen. Der geltend gemachte Pauschalbetrag von 20 € ist üblich (vgl. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 11. November 2016 - 13 S 119/16) und damit der Klägerin entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zu erstatten. Zuzüglich der Mehrwertsteuer hat die Klägerin vorliegend aus übergegangenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 23,80 €.

4. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war im vorliegenden Fall auch eine sog. EDV-Restwertabfrage erforderlich. Zwar ist es zur Restwertermittlung durch den Sachverständigen im Regelfall erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Sachverständige drei Angebote auf dem regionalen Markt einholt (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2009 - VI ZR 318/08, VersR 2010, 130, 132; Urteil vom 13.01.2009 - VI ZR 205/08, VersR 2009, 413, 415). Jedoch hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch die Kammer nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass im konkreten Fall die Restwertabfrage der Plausibilisierung der zusätzlich erfolgten Abfrage bei regionalen Anbietern diente. Insbesondere seien aufgrund einer im Rahmen des verwandten Audatex-Programmes möglichen Einstellung ausschließlich regionale Börsen zur Plausibilisierung abgefragt worden (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 09.12.2021; Bl. 114 d. A.). Vor diesem Hintergrund ist der geltend gemachte Betrag von 17,50 € zzgl. MwSt. als üblicher Betrag (vgl. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 28.09.2018 - 13 S 48/18) im vorliegenden Fall ebenfalls zu vergüten.

B. Die Kostenentscheidung vorliegender Entscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1, § 713 ZPO. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Frage der Üblichkeit und Erforderlichkeit von Nebenkosten bei der Erstellung von Sachverständigengutachten, denen keine Preisvereinbarung zugrunde liegt, noch nicht abschließend geklärt ist.

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