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Landgericht Dortmund Urteil vom 26.03.2021 - 12 O 294/20 - Diesel-Skandal - Thermofenster

LG Dortmund v. 26.03.2021: Diesel-Skandal - Schadenersatzanspruch wegen Thermofenster-Vertrieb




Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 26.03.2021 - 12 O 294/20) hat entschieden:

   Gegen den Hersteller des mit einem sog. Thermofenster ausgestatteten Diesel-Kfz besteht ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht

Tatbestand:


Der Kläger begehrt eine Schadensersatzzahlung aufgrund des Erwerbs eines Dieselkraftfahrzeuges Zug um Zug gegen Rückgabe dieses Fahrzeuges.

Der Kläger erwarb ausweislich der von ihm vorgelegten Auftragsbestätigung (Anlage K1) unter dem 02.05.2016 von der nicht am Rechtsstreit beteiligten Verkäuferin, der A1 + Co. KG, einen gebrauchten PKW Audi A4 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer F-01 zu einem Kaufpreis von 34.444,00 Euro brutto. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 10 km auf und ist als Fahrzeug der Abgasnorm "Euro 6" klassifiziert.

In dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor EA 288 mit einem SCR-Katalysator verbaut. Bei dem Motortyp EA 288 handelt es sich um ein Nachfolgemodell des Motortyps EA 189, dessen Ausstattung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Herbst 2015 öffentlich bekannt wurde. Der streitgegenständliche Motor enthält eine Softwarefunktion, mit der erkannt werden kann, wenn sich das Fahrzeug in dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befindet, mithin eines sogenannte Fahrkurven- /Prüfzykluserkennung bzw. Akustikfunktion. Im November 2015 entschied die Beklagte, die bei den EA288-Aggregaten mit SCR-Technologie vorhandene Akustikfunktion bzw. Fahrkurve zu entfernen und diese ab dem Modellwechsel der Kalenderwoche 22 des Jahres 2016 nicht mehr zu verwenden. In diesem Zusammenhang erstellte die Beklagte am 18.11.2015 die "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288" (Anlage K 6), auf deren Inhalt vollumfänglich Bezug genommen wird.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) veröffentlichte im April 2016 den "Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen". Dieser enthält Ergebnisse von Untersuchungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu unzulässigen Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen der Beklagten. Bezüglich des Inhalts dieses Berichtes wird auf die Anlage B1 Bezug genommen.

Unter dem 12.09.2019 veröffentlichte das BMVI folgenden Tweet:

   "Zur Einordnung der aktuellen Meldungen zu den #VW-Modellen mit dem Motor EA 288: Die Vorwürfe sind nicht neu. Das #KBA hat bereits 2016 eigene Messungen, Untersuchungen & Analysen durchgeführt. Unzulässige #Abschalteinrichtungen konnten dabei NICHT festgestellt werden." (Anlage B 2)

Mit Schreiben vom 16.03.2020 teilte das KBA dem Landgericht Bielefeld im Zusammenhang mit einem amtlichen Auskunftsersuchen folgendes mit:

   "Nach Prüfung des Sachverhaltes kann ich Ihnen mitteilen, dass durch das Kraftfahrt-Bundesamt zum jetzigen Zeitpunkt bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden ist." (Anlage B 3)

Mit Schreiben vom 28.09.2020 teilte das KBA auf eine Individualanfrage mit, dass weder im Rahmen der Untersuchungen der Untersuchungskommission Volkswagen noch bei weiteren Prüfungen im Rahmen der Marktüberwachungstätigkeiten des KBA eine als unzulässig einzustufende Abschaltvorrichtung in Fahrzeugen mit Motoren des EA 288 festgestellt worden sei.

   "Daher besteht seitens des KBA weder ein Verdacht, noch liegt ein Hinweis bezüglich unzulässig einzustufender Abschalteinrichtungen in Bezug auf Fahrzeug mit verbauten Motoren des EA 288 vor." (Anlage B5)

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.08.2020 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich unter Fristsetzung bis zum 31.08.2020 zur Zahlung des von ihm entrichteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Leistung eines Nutzungsersatzes sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf (Anlage K 4).




Zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung, am 24.02.2021, wies das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 69.334 Kilometer auf.

Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf die "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288", der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs weise eine unzulässige Prüfstanderkennung auf. Sobald per Software das Durchfahren eines Testzyklus, insbesondere des NEFZ, erkannt werde, werde die Abgasrückführung erhöht. Die Abgasrückführung werde in mindestens zwei verschiedenen Betriebsmodi gesteuert und im Testzyklus in einer anderen Weise geregelt als im normalen Straßenverkehr, um so auf dem Prüfstand die gesetzlich geforderten Stickoxidemissionen einzuhalten, während sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr durchgängig in einem anderen Modus mit höheren Stickoxidemissionen befinde. Hierdurch werde der gesetzlich definierte Grenzwert ausschließlich im Prüfverfahren zur Typengenehmigung eingehalten.

Darüber hinaus sei der Motor EA 288 des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierenden Thermofenster ausgestattet. Dieses reduziere die Abgasrückführungsrate bis hin zur Abschaltung der Abgasrückführung in Abhängigkeit der Außenlufttemperatur. Außerhalb eines Temperaturfenster von 20 Grad Celsius bis 30 Grad Celsius sinke die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems eklatant und die Stickoxidemissionen würden steigen. Dieses Thermofenster sei weder zum Schutz der Bauteile des Abgasrückführungssystems noch aus Motorschutzgründen erforderlich.

Das Thermofenster beeinflusse ebenfalls die Wirksamkeit des SCR-Katalysators. Dessen Wirksamkeit und folglich die Reduzierung des NOx sei von der Menge der zugeführten Menge Harnstofflösung (AdBlue) abhängig. Die Menge der zugeführten Lösung werde ebenfalls durch das Thermofenster reduziert oder ganz ausgesetzt. Erkenne die Software, dass sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde, werde ausreichend AdBlue eingespritzt. Im normalen Straßenbetrieb werde hingegen deutlich weniger AdBlue eingespritzt wodurch die Sickoxidemissionen erheblich ansteigen würden.

Zusätzlich schalte die eingebaute Software ab einer bestimmten Drehzahl die Abgasreinigung sowie den SCR-Katalysator ab bzw. reduziere dessen Leistung, sodass es ebenfalls zu einem unzulässigen Anstieg der Sickoxidemissionen komme.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihn in einer gegen die guten Sitten verstoßender Weise vorsätzlich geschädigt, indem sie den streitgegenständlichen Dieselmotor vorsätzlich unter Verschweigen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht habe, um hierdurch wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Die Beklagte habe den Kläger darüber getäuscht, dass die Zulassung und Typengenehmigung des Fahrzeugs ordnungsgemäß erteilt worden, obschon sie erschlichen worden sei. Die Beklagte habe positive Kenntnis von de Rechtswidrigkeit der Abschaltvorrichtung gehabt und somit eine Schädigungsabsicht aufgewiesen. Die Beklagte müsse sich das Verhalten der handelnden Personen gem. § 31 BGB zurechnen lassen. Aufgrund der Bedeutung der Entwicklung und Produktion des Motors handele es sich um eine derartig unternehmenswesentliche Entscheidung, dass sie auf der Vorstandsebene gebilligt worden sein müsse. Die Beklagte und ihre Vorstände hätten vom Einbau der Abschalteinrichtung gewusst. Jedenfalls habe die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast die Unkenntnis ihrer Organe dazulegen. Die Beklagte sei ihrer insoweit bestehenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Der Schaden liege darin, einen Vertrag über ein nicht den klägerischen Vorstellungen entsprechendes Fahrzeug abgeschlossen zu haben und mit einer ungewollten Verpflichtung belastet zu sein. Durch die Ausstattung mit der unzulässigen Abschalteinrichtung habe das Fahrzeug zudem einen Wertverlust erlitten. Der Kläger behauptet, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gekauft hätte.

Der Kläger hat ursprünglich mit seinem Antrag zu 1. eine Zahlung in Höhe von 27.337,97 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.05.2016 beantragt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Der Kläger beantragt nunmehr,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerschaft 27.337,97 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A 4 Limousine mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer F-01;

  2.  festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;

  3.  die Beklagte zu verurteilen, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.525,90 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, in dem Motor EA 288 des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Soweit eine Fahrkurve verbaut sei, sei damit keine mit der Umschaltlogik vergleichbare Emissionsauswirkung verknüpft.

Bei den Behauptungen des Klägers hinsichtlich des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung handele es sich um einen Vortrag ins Blaue hinein ohne konkrete Anhaltspunkte. Das Vorbringen sei unsubstantiiert.

Das KBA habe wiederholt bestätigt, dass in den Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Dies ergebe sich auch aus dem Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei auch keinem Rückruf des KBA ausgesetzt und habe kein Update zur Entfernung einer Umschaltlogik erhalten. Das streitgegenständliche Fahrzeug halte die vorgegebenen Emissionswerte ein. Das KBA habe im Rahmen eines neuen detaillierten Prüfverfahrens sechs weitere Messungen in verschiedenen NEFZ-nahen Prüfzyklen auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb vorgenommen, die in jeweils unterschiedlichen einzelnen Parametern von dem NEFZ abweichen würden. Hierbei hätten sich zwar aufgrund der Änderungen der Testrand- und Umgebungsbedingungen Abweichungen der Emissionen ergeben, diese seien jedoch gerade nicht so wesentlich gewesen, dass sie auf eine mit der EA-189-Umschaltlogik vergleichbaren Funktion hinweisen könnten.

Der Kläger verkenne die Funktion des Thermofensters. Hierbei handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Einsatz von Thermofenstern sei technischer Standard und sowohl dem KBA als auch dem BMVI bekannt. Im Übrigen sei deren Einsatz zum Schutz des Motors und des sicheren Fahrzeugbetriebs technisch erforderlich.

Die vorhandene Fahrkurve bewirke bei Fahrzeugen mit EA288-Aggregaten mit SCR-Technologie, dass nach Erreichen der für die optimale Funktionsfähigkeit des SCR erforderlichen Betriebstemperatur von ca. 200 Grad eine bis dahin hohe Abgasrückführungsrate weiter parallel bestehen bleibe. Das Erreichen dieser Betriebstemperatur im NEFZ sei abhängig vom konkreten Fahrzeugkonzept. In den meisten Konzepten werde die Temperatur im allerletzten Teil des NEFZ erreicht. Dabei habe das Beibehalten der hohen Abgasrückführung im allerletzten Teil des Zyklus entweder überhaupt keine messbaren Auswirkungen (in Konzepten, in denen die SCR-Betriebstemperatur im NEFZ ohnehin nicht erreicht werde) oder sie sei jedenfalls nicht relevant für das Einhalten des gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerts von 80 mg/km. In beiden Fällen liege keine unzulässige Abschalteinrichtung vor.

Die Entfernung der Fahrkurve sei lediglich erfolgt, da infolge der Umschaltlogik in den EA 189-Fahrzeugen eine generelle Verunsicherung in den Fachabteilungen über die Verwendung von Fahrkurven bestanden habe.

Unabhängig vom angeblichen Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung fehle es auch an der Darlegung des subjektiven Haftungselements. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs von der rechtlichen Zulässigkeit ausgegangen. Sie habe den Kläger auch nicht über verkehrswesentliche Eigenschaften oder die Umweltfreundlichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs getäuscht. Der Kläger habe insoweit weder einem Irrtum unterlegen, noch sei ihm ein Schaden entstanden. Jedenfalls müsse sich der Kläger einen angemessenen Nutzungsersatz anrechnen lassen.

Die Klage ist der Beklagten am 27.10.2020 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, mithin in Höhe von 26.484,42 Euro, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

1. Der Kläger wurde durch die Beklagte gem. § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, indem die Beklagte einen Motor, der eine manipulierte Motorsteuerungssoftware aufwies und in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut wurde, in den Verkehr gebracht hat.

a) Der Motor des Typs EA 288 des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist mit einer Software ausgestattet, die erkennt, wenn das Fahrzeug den NEFZ durchfährt und dann in einen Modus umschaltet, in welchem die Abgasrückführung erhöht wird, um die Emissionen dergestalt zu reduzieren, dass die normierten Emissionswerte eingehalten werden. Im normalen Straßenbetrieb erfolgt die Abgasrückführung demgegenüber in einem reduzierten Maße, sodass die Emissionen erheblich erhöht sind.

Der insoweit substantiierte und schlüssige Vortrag des Klägers gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, denn die Beklagte hat ihn nicht erheblich bestritten.

(1) Der klägerische Vortrag ist in sich schlüssig und beachtlich.

Für einen schlüssigen Sachvortrag ist es ausreichend, dass die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich - wie hier der Kläger - nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. LG Karlsruhe Urt. v. 4.11.2020 - 9 O 93/20, BeckRS 2020, 42138 Rn. 32, beckonline, m.w.N.)

Unter Anwendung dieser Maßstäbe erfolgen die Behauptungen des Klägers nicht ins Blaue hinein.


Die Behauptungen des Klägers erschöpfen sich nicht in reinen Spekulationen. Sie fußen auch nicht ausschließlich auf der Tatsache, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Motor um ein Nachfolgeaggregat des mit einer Umschaltlogik versehenen Aggregats EA 189 handelt. Der Kläger setzt sich in seinen Behauptungen konkret mit der Funktionsweise des SCR-Katalysators auseinander. Er beruft sich zudem auf ein internes Dokument der Beklagten - dessen Authentizität unstreitig ist - aus dem hervorgeht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug als EURO-6-Diesel mit EA 288 Motor und SCR-Katalysator mit einer Fahrkurve versehen und eine Erkennung des NEFZ genutzt wurde, "um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR High/Low) streckengesteuert auszulösen" und diese Fahrkurve in zeitlichem Zusammenhang zum Bekanntwerden des sog. "Abgasskandals" um das Aggregat EA 189 entfernt werden sollte. Dieses Vorbringen zu einer unzulässigen Beeinflussung der Abgasrückführung im NEFZ im Vergleich zum normalen Straßenbetrieb ist in der Zusammenschau mit den öffentlich bekannten Erkenntnissen zum Aggregat EA 189 ausreichend substantiiert. Es ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien ein strukturelles Ungleichgewicht im Hinblick auf die Kenntnis über die Funktionsweise des Aggregats EA 288 besteht. Eine weitergehende Darlegung zu fordern würde daher das Substantiierungserfordernis überspannen.

(2) Die Beklagte ist dem klägerischen Vorbringen nicht erheblich entgegengetreten, obschon sie eine sekundäre Darlegungslast trifft.

Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. In diesem Fall muss der Anspruchsteller seine Behauptung nicht beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 18.1.2018 - I ZR 150/15, in: NJW 2018, 2412 Rn. 30, beckonline, m.w.N.)

So liegt es hier. Dem Kläger ist es nicht möglich, über das Vorlegen eines internen Dokumentes der Beklagten hinaus weitere Angaben zu den technischen Einzelheiten des im streitgegenständlichen Fahrzeugs verbauten Motors zu machen, da er keinen Einblick in die betrieblichen Vorgänge der Beklagten hat. Die Beklagte kennt demgegenüber die von ihr entwickelten Motoren sowie deren Funktionsweise und kann ohne Schwierigkeiten Angaben hierzu machen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dies unzumutbar sein sollte. Insoweit ist es Sache der Beklagten, den Vortrag des Klägers substantiiert zu bestreiten. Es wäre insbesondere darzulegen, aus welchen technischen Gründen die Applikation einer Fahrkurve erfolgt ist, wenn nicht im Zusammenhang mit einer unzulässigen Beeinflussung des Emissionsverhaltens. Denn es ist weder plausibel noch nachvollziehbar, dass die Beklagte als globaler Autokonzern eine Softwarefunktion zur Erkennung des NEFZ entwickelt und eingebaut haben soll, ohne dass hiermit ein besonderer Zweck verfolgt wird, diese Funktion mithin nutzlos sein soll.

Die Beklagte vermochte hierzu indes nicht hinreichend vorzutragen.

Soweit die Beklagte vorträgt, die im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Fahrkurve bewirke im Wesentlichen, dass nach Erreichen der optimalen Betriebstemperatur eine bis dahin hohe Abgasrückführungsrate weiter bestehen bleibe, steht dies nicht im Widerspruch zum klägerischen Vortrag sondern spricht vielmehr dafür, dass der Motor mit einer Software ausgestattet ist, die beim Durchfahren des NEFZ in einen Modus schaltet, der die Abgasrückführung im Vergleich zum realen Straßenbetrieb "positiv" beeinflusst. Der Vortrag der Beklagten, wonach das Beibehalten der erhöhten Abgasrückführung in den meisten Konzepten erst im allerletzten Teil des Zyklus erreicht werde und keine messbaren Auswirkungen habe oder für das Einhalten des gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerts nicht relevant sei, ist insoweit unbeachtlich. Denn diesem Vorbringen kann weder entnommen werden, ob es sich bei dem streitgegenständliche Fahrzeug um ein solches Konzept handelt noch ist es in sich plausibel. Nach wie vor ist nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte eine solche Fahrkurve, die nach eigenem Vortrag in gewissem Rahmen die Abgasrückführung während des NEFZ beeinflusst, überhaupt entwickelt und im streitgegenständlichen Fahrzeug implementiert haben soll, wenn hiervon keinerlei relevante Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs im NEFZ ausgehen sollen. Letztlich ist auch der Vortrag, die Entfernung der Fahrkurve in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zum Bekanntwerden des sog. "Abgasskandals" bzgl. des Motors EA 189 sei lediglich erfolgt, da infolge der Umschaltlogik in den EA 189-Fahrzeugen eine generelle Verunsicherung in den eigenen Fachabteilungen über die Verwendung von Fahrkurven bestanden habe, ist in der Pauschalität nur schwer nachvollziehbar.

Auch das Vorbringen von Erklärungen des KBA oder des BMVI ist nicht geeignet, dem klägerischen Vorbringen substantiiert entgegenzutreten. Einerseits schließen diese Aussagen nicht aus, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist, denn eine Untersuchung des klägerischen Fahrzeugs kann dem nicht entnommen werden. Andererseits kann die Beklagte fehlenden eigenen Vortrag zu in ihrem Wissen stehenden Tatsachen nicht durch Erklärungen von Dritten ersetzen. Soweit darin ein Bestreiten mit Nichtwissen zu sehen ist, ist dies gem. § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich.

b) Die Entscheidung der Beklagten, den mit vorstehend beschriebener Software versehenen Motor EA 288 in das streitgegenständliche Fahrzeug einzubauen und in Verkehr zu bringen stellt eine sittenwidrige Handlung dar.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2013 - VI ZR 336/12).

Vorliegend haben die Mitarbeiter der Beklagten eine Software entwickelt, welche den NEFZ erkennt und in Abhängigkeit hiervon die Abgasrückführung im Unterschied zum Straßenbetrieb "positiv" beeinflusst. Durch die Verwendung des mit dieser Software ausgestatteten Motors in dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde die Typengenehmigung erschlichen. Die Beklagte hat nicht zuletzt dem Kläger vorgespiegelt, dass die Typgenehmigung regulär erhalten wurde, ein der Euro 6 Norm auch tatsächlich entsprechender Emissionsausstoß bei Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs stattfindet und das Fahrzeug keine unzulässigen Funktionen enthält. Hierbei handelte es sich für den Kläger - wie auch für jeden verständigen Erwerber - um eine für seine Kaufentscheidung wesentliche Eigenschaft. Obwohl den für die Manipulationssoftware verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten auch bewusst gewesen sein muss, dass dieser Umstand von zentraler Bedeutung für jeden verständigen Erwerber beim Autokauf ist, wurde die entsprechende Software verwendet. Dies hat die Beklagte systematisch und bewusst im eigenen Kosten- und Gewinninteresse im Rahmen einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung getan. Darin zeigt sich ein Vorgehen, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden verstößt (Vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020 - VI ZR 252/19, in: NJW 2020, 1962, beckonline; LG Karlsruhe Urt. v. 4.11.2020 - 9 O 93/20, BeckRS 2020, 42138, beckonline).

c) Die Beklagte hat durch Personen gehandelt, für deren sittenwidrige Schädigung sie gemäß § 31 BGB einzustehen hat.

Zwar trifft hierfür grundsätzlich den Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings ist es der Beklagten ausnahmsweise zuzumuten, nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Kläger die wesentlichen Tatsachen kennt ("sekundäre Darlegungslast", vgl. Zöller/Greger, 33. Auflage 2020, Vor § 284, Rn. 34).

Der Vorstand der Beklagten kann sich das Wissen verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hat, die streitgegenständliche Software zu entwickeln und einzusetzen. Wer die Zustimmung zur Konzipierung und zum Einsatz einer Software in einer Vielzahl von Fahrzeugen erteilt, die einen geringeren als den tatsächlichen Schadstoffausstoß vorspiegelt und damit erhebliche Risiken für den gesamten Konzern eingeht, muss üblicherweise auch eine wichtige Funktion im Unternehmen innehaben, da eine so wesentliche unternehmerische Entscheidung regelmäßig nicht von untergeordneten Mitarbeitern ohne Einbeziehung von Entscheidungsträgern getroffen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen hat (vgl. MüKo/Spindler, AktG, 5. Aufl. 2019, § 91, Rn. 52.). Im Hinblick auf gesetzliche Pflichten (vgl. etwa §§ 76, 77, 91 Abs. 2 AktG) ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet waren. Gegenteiliges hat jedenfalls die Beklagte wiederum nicht vorgetragen. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ-Prüfstand erscheint - auch unter Berücksichtigung des bei der Entwicklung gegebenen Blickwinkels - als eine derart wesentliche Entscheidung. Jedenfalls hätte die Beklagte hiernach konkret darlegen müssen, von wem die Entscheidungen zum Softwareeinsatz getroffen worden sind und warum dies ohne Einbeziehung der Vorstandsebene möglich gewesen sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020, a.a.O.).

Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass die betreffende Behauptung des Klägers als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO gilt.

d) Ein Schädigungsvorsatz der für die Beklagte agierenden Personen ist zu bejahen.

Die Rechtsprechung interpretiert das Vorsatzerfordernis extensiv und verlangt nicht, dass der Handelnde die Schädigung eines anderen angestrebt oder als sichere Folge des eigenen Handelns akzeptiert hat. § 826 BGB setzt demnach kein absichtliches oder arglistiges Verhalten in dem Sinne voraus, dass es dem Täter gerade auf die Schädigung des Dritten ankommen müsste, insofern genügt bedingter Vorsatz. Ausreichend ist, dass der Täter Richtung und Art der Schädigung vorausgesehen und jedenfalls für möglich gehalten sowie billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02 -, BGHZ 160, 149-159).

Dem dahingehenden Vortrag des Klägers, wonach die Vorstände der Beklagten vom Einbau gewusst haben sollen, ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag erschöpft sich in dem Einwand, der klägerische Vortrag sei unsubstantiiert und sie sei im Zeitpunkt des Inverkehrbringes von der Zulässigkeit ausgegangen. Dies ist unzureichend. Zumal die streitgegenständliche Software offensichtlich allein zu dem Zweck eingebaut wurde, die Abgaswerte der Dieselmotoren auf dem Prüfstand im Vergleich zum realen Straßenbetrieb zu beschönigen und in der Folge dafür zu sorgen, dass die Dieselmotoren trotz des Überschreitens der vorgeschriebenen Grenzwerte eine Euro-6-Zulassungen erhalten. Damit verbunden war, dass die betroffenen Fahrzeuge mit den falschen Werten beworben werden und die Kunden ihrer Kaufentscheidung diese Werte sowie die entsprechende Klassifizierung nach der EU-6-Abgasnorm zu Grunde legen. All das war für die Mitarbeiter der Beklagten bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung ersichtlich, wofür die Beklagte gem. § 31 BGB einzustehen hat. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (unter I. 1. c)) verwiesen. Eine fahrlässige Programmierung einer solchen Software scheidet aus. Es ist vielmehr einziger Sinn dieser Softwareteile, den Rechtsverkehr (Zulassungsbehörden, Kunden und Wettbewerber) zu täuschen. Dass die handelnden Personen darauf vertraut haben mögen, dass der Einsatz der Abgassoftware nicht aufgedeckt werden und somit eine Betriebsuntersagung nicht in Betracht kommen würde ist vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass der Schaden bereits im ungewollten Abschluss des Kaufvertrags selbst und nicht in einer möglichen Betriebsuntersagung liegt (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020 - VI ZR 252/19, in: NJW 2020, 1962, beckonline).




e) Der Kläger hat beruhend auf dem Irrtum über den Schadstoffausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Kaufvertrag abgeschlossen und den Kaufpreis entrichtet. Hierdurch ist ihm ein Schaden entstanden.

Wird ein Käufer durch irreführende Angaben zum Erwerb einer Sache veranlasst, die sich grundlegend von der angepriesenen unterscheidet, ist ein Schaden auch dann zu bejahen, wenn der Wert der Sache dem gezahlten Kaufpreis entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1997 - Az. V ZR 112/96, NJW 1998, 898 (899), beckonline.). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger das Fahrzeug zur allgemeinen Nutzung im Straßenverkehr verwenden kann und verwendet hat. Denn Schadensersatz ist auch dann geschuldet, wenn der Kaufpreis zwar dem Verkehrswert der Sache entspricht, dieser aber infolge des Mangels für die Zwecke des Käufers ungeeignet ist (vgl. BGH, a.a.O.). Vorliegend wollte der Kläger offensichtlich kein Fahrzeug erwerben, das eine unzulässige Software enthält, welche den Emissionsausstoß im Prüfstand in unzulässiger Weise beeinflusst und dem daher die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Stilllegung des Fahrzeugs droht. Damit war das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers ungeeignet. Der Kläger hat den geltend gemachten Schaden somit schon durch den Erwerb des mit der bereits mehrfach erwähnten Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs erlitten (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020 - VI ZR 252/19, in: NJW 2020, 1962, beckonline).

f) Die sittenwidrige Schädigung ist auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers gewesen. Es ist anerkannt, dass es bei täuschendem (bzw. manipulativem) Verhalten für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend ist, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.05.1995 - Az. V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 (2362)). Von der Manipulation der Beklagten ist der Motor, also der wertvollste und elementarste Bestandteil des Fahrzeugs, betroffen. Die manipulierten Daten haben Einfluss auf die Schadstoffklasseneingruppierung und die Zulassung. Daneben drohte eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung, wobei im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht absehbar war, ob diese Gefahr zukünftig behoben werden könnte. Nach der Lebenserfahrung ist daher davon auszugehen, dass - entsprechend des klägerischen Vortrags - diese Gefahr auf die Kaufentscheidung des Klägers Einfluss hatte, ohne dass es darauf ankommt, ob er im Ankaufsgespräch konkret äußerte, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug erwerben zu wollen (BGH, Urteil vom 25.5.2020 - VI ZR 252/19, in: NJW 2020, 1962, beckonline).

2. In der Rechtsfolge kann der Kläger gem. §§ 826, 249 BGB von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 26.484,42 Euro Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.

Der Kläger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass eine Manipulationssoftware in dem konkreten Fahrzeug verwendet wurde.

Der Kläger kann daher grundsätzlich den von ihm zum Erwerb des Fahrzeugs gezahlten Kaufpreis in Höhe von 34.444,00 Euro von der Beklagten erstattet verlangen. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat der Kläger allerdings das erworbene Fahrzeug sowie die gezogenen Nutzungen herauszugeben (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 64 - 77, juris).

Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug als Gebrauchtwagenmit einem Kilometerstand von 10 km erworben. Zwei Tage vor Schluss der mündlichen Verhandlung am 24.02.2021 betrug die Kilometerlaufleistung unstreitig 69.334 km. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Laufleistung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung maßgeblich verändert hat, ist diese Angabe den nachfolgenden Berechnungen zu Grunde zu legen. Der Nutzungsvorteil errechnet sich aus dem Bruttokaufpreis in Höhe von 34.444,00 Euro multipliziert mit der seit Vertragsschluss gefahrenen Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 69.324 km, geteilt durch die vom Gericht gem. § 287 ZPO geschätzte Restlaufleistung. Das Gericht schätzt, dass ein Dieselfahrzeug des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km hat. Die zu erwartende Restlaufleistung berechnet sich aus der Differenz der zu schätzenden Gesamtlaufleistung abzüglich der bei Vertragsschluss vorliegenden Kilometerlaufleistung. Da letztere unstreitig 10 km betrug, ist die zu erwartende Restlaufleistung mit 299.990 km anzusetzen.

Der Nutzungsvorteil ist mithin in Höhe von 7.959,58 Euro zu beziffern.

(Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer) ./. (Gesamtlaufleistung - Kilometerstand bei der Übergabe des Fahrzeugs), d.h.

(34.444,00 x 69.324) ./. (300.000 - 10) = 7.959,58 Euro.

Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich folglich aus der Differenz dieser Nutzungsentschädigung und dem ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 34.444,00 Euro. Er beträgt mithin 26.484,42 Euro.



II.

Der dem Kläger zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist gemäß § 293 BGB begründet. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.08.2020 hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug der Beklagten zur Annahme angeboten.

IV.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro gemäß §§ 826, 249 BGB. Ein weitergehender Anspruch besteht indes nicht.

Die außergerichtlichen Anwaltskosten stellen einen Teil des Schadens dar, der sich im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB als ersatzfähig erweist, ohne dass es eines gesonderten Zahlungsverzuges der Beklagten bedürfte (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB-Kommentar, 79. Aufl. 2020., § 249 Rn. 57). Der Anspruch besteht indes nur in Höhe einer 1,3-fachen Regelgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Die Geltendmachung einer die Regelgebühr übersteigenden Gebührensatzes, insbesondere eines solchen von 2,5 ist nicht gerechtfertigt und entspricht somit nicht billigem Ermessen im Sinne von § 14 Abs. 1 RVG. Hierzu hat der Kläger keine durchgreifenden Anhaltspunkte vorgetragen. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sache liegt nicht vor. Zwar wirft die Klage Probleme im rechtlichen wie auch im tatsächlichen Bereich auf, die indes nicht über die Schwierigkeit einer durchschnittlichen Sache hinausgehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle tätig werden und offenbar auf bereits vorgefertigte Muster für ihre Schriftsätze zurückgreifen, so dass der Aufwand für die vorliegende Sache insgesamt nicht als überdurchschnittlich einzustufen ist.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

ie Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in § 709 ZPO.

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