Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Hildesheim Urteil vom 05.03.2021 - 5 O 217/20 - Zum Erhalt des Erlangten i.S.d. § 852 Satz 1 BGB trotz Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch bei Nicht-Teilnahme am Musterfeststellungsverfahren

LG Hildesheim v. 05.03.2021: Zum Erhalt des Erlangten i.S.d. § 852 Satz 1 BGB trotz Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch bei Nicht-Teilnahme am Musterfeststellungsverfahren




Das Landgericht Hildesheim (Urteil vom 05.03.2021 - 5 O 217/20) hat entschieden:

  1.  Der Begriff „auf Kosten ... erlangt“ ist in § 852 Satz 1 BGB auf die Handlung abgestellt, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Da es eine unerlaubte war, kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege sich die dadurch veranlasste Vermögensverschiebung vollzogen hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, Rn. 62 juris).

  2.  Dass der beklagte Fahrzeughersteller grundsätzlich nur im Neuwagengeschäft etwas erlangt, steht der Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB im Falle des Gebrauchtwagengeschäfts nicht entgegen (Fortführung LG Hildesheim, Beschluss vom 29. November 2020 - 5 O 183/20, Rn. 4 juris). § 852 Satz 1 BGB „verlängert“ deliktische Ansprüche über den Zeitpunkt der Verjährung hinaus. Der Umstand, dass daneben ein weiteres Vertragsverhältnis zu einem Gebrauchtwagenhändler besteht bzw. bestand, schmälert den Anspruch nach § 826 BGB in seinem Anwendungsbereich nicht, spiegelbildlich gilt dies dementsprechend auch für § 852 Satz 1 BGB.

  3.  Bei der Schätzung des Restschadens nach § 287 ZPO ist davon auszugehen, dass der von dem Kläger für das Gebrauchtfahrzeug gezahlte Kaufpreis nicht über dem von dem beklagten Fahrzeughersteller erlösten Verkaufspreis liegt. Der beklagte Fahrzeughersteller kann sich insoweit wegen Bösgläubigkeit (vgl. § 818 Abs. 4, 819 BGB) nicht auf den Abzug von Aufwendungen zur Schadensminderung und -beseitigung wie etwa die Kosten für technische Maßnahmen zur Entfernung der Umschaltlogik oder Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder Kosten für die Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt oder Vertragshändlern berufen.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht

Tatbestand:


Der in ... wohnende Kläger begehrt Schadensersatz von der beklagten ... wegen eines von dem Verkäufer ..., mit Kaufvertrag vom 28. März 2013 zu einem Kaufpreis von 16.700 € erworbenen Gebrauchtwagens VW Golf 6 TDI, der am 15. Juni 2012 erstzugelassen war. Bei Übergabe wies das Fahrzeug einen Tachometerstand von 23.340 km auf. Am 10. Februar 2021 betrug die Laufleistung 170.465 km.

Das Fahrzeug hat einen Dieselmotor des Typs EA 189 und verfügt über eine EG- Typengenehmigung der Emissionsklasse EURO 5-​Norm. Das Fahrzeug ist mit einem Abgasrückführungssystem ausgestattet, das von einer Software gesteuert wird. Diese Software sieht zwei Betriebsmodi vor: Modus 1 (Test-​/Laborbetrieb) mit höherer Abgasrückführungsrate als der Modus 0 (normaler Fahrbetrieb). Die Emissionsgrenzwerte nach der VO (EG) Nr. 715/2007 für Stickoxide werden im Modus 1 eingehalten. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug im Modus 0 mit einer geringeren Abgasrückführungsrate betrieben. Dies hat zur Folge, dass der Stickoxidausstoß höher ist.

Das Kraftfahrtbundesamt hat deswegen im Oktober 2015 einen Rückruf von 2,4 Mio. VW- Fahrzeugen angeordnet. Mit dem Bescheid vom 15. Oktober 2015 forderte das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte auf, „zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der mit der Typengenehmigung ... genehmigten Aggregate des Typ EA 189 EU 5 die unzulässigen Abschalteinrichtungen ... zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit, insbesondere der Emissionen des genehmigten Systems, nach der Entfernung dieser zu ergreifen ...“. Das Kraftfahrt-​Bundesamt wies in dem Bescheid darauf hin, dass es im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung berechtigt sei, die Typengenehmigung zu widerrufen oder zurückzunehmen.

Die Beklagte, die gegen den Bescheid des Kraftfahrt-​Bundesamts keinen Widerspruch einlegte, bietet insoweit zur Nachbesserung ein Software-​Update an, so dass die Fahrzeuge ausschließlich im Modus 1 fahren. Das Kraftfahrt-​Bundesamt bestätigte der Beklagten u. a. durch Bescheid vom 3. November 2016, „dass die von (ihr) für die betroffenen Fahrzeuge ... vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen“.

Bei dem Fahrzeug des Klägers ist am 31. Januar 2017 das Software-​Update im Rahmen der Rückrufaktion 23R7 aufgespielt worden. Auf den Inhalt der Bescheinigung der Beklagten vom31. Januar 2017 (Anlage K11) wird Bezug genommen.

Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig war gemäß Beschluss vom 23. November 2018 unter 4 MK 1/18 eine Musterfeststellungsklage anhängig, deren Gegenstand u. a. die Feststellungsziele waren, dass Käufern von Fahrzeugen der Marken/Hersteller Volkswagen, Audi, Seat und Skoda, die mit einem Motor Typ EA189 mit der Klassifizierung EURO 5- oder EURO 6-​Norm ausgeliefert wurden, dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zustehe, die Volkswagen AG als Musterbeklagte insoweit vorsätzlich gehandelt habe und ihr das Handeln ihrer Mitarbeiter, Organe und Erfüllungsgehilfen gemäß §§ 31, 166, 831 BGB zuzurechnen sei. Der Kläger hat seine von den vorgenannten Feststellungszielen abhängenden Ansprüche nicht zur Eintragung in das Klageregister angemeldet.

Der Kläger forderte die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 6. Oktober 2020 auf, den Kaufpreis nebst Deliktzinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu leisten. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 15. Oktober 2020 (Anlage K4) wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.




Der Kläger behauptet, dass die Beklagte als Herstellerin des Motors Typ EA189 die Käufer der mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeuge arglistig getäuscht habe. Bei der Verwendung der eingesetzten Software zur Motorsteuerung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Einsatz dieser Abschalteinrichtung sei den Organen der Beklagten bekannt gewesen, zumindest sei der Beklagten das Handeln ihrer Mitarbeiter zuzurechnen.

Der Kläger beantragt,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.912,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. November 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Golf VI 2 l TDI EU5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen.

  2.  festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Golf VI 2 l TDI EU5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... in Annahmeverzug befindet.

  3.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. November 2020 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat den Kläger gemäß § 141 Abs. 1 ZPO persönlich angehört. Wegen der Äußerungen des Klägers wird auf den Inhalt des





Entscheidungsgründe:


I.

Die zulässige Klage hat in der Sache zum Teil Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

1. Das Landgericht Hildesheim ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Kläger hat das Fahrzeug im Bezirk des Landgerichts Hildesheim erworben.

Der Ort, an dem im Sinne des § 32 ZPO eine unerlaubte Handlung begangen ist (Begehungsort), ist sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort), sowie, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung gehört, wie bei den hier in Rede stehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB, der Ort des Schadenseintritts (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - X ARZ 321/18, Rn. 18 juris). Bei mehreren Begehungsorten hat der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit der Wahl zwischen den einzelnen Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 32 Rn. 21). Eine Zuständigkeit ist daher grundsätzlich, auch wenn die Klage nur gegen den Hersteller gerichtet ist, wahlweise bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers oder am Wohnsitz des Käufers begründet (KG Berlin, Beschluss vom 2. Juli 2020 - 2 AR 1013/20, Rn. 10 juris; OLG München, Beschluss vom 13. August 2019 - 34 AR 111/19, Rn. 13 juris).

Der Kläger, der die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus § 32 ZPO in Anspruch nehmen will, muss die Tatsachen, aus denen sich eine unerlaubte Handlung als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ergeben kann, schlüssig darlegen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 176/10, Rn. 16 juris). Die Beurteilung, ob die vorgetragenen Tatsachen den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen, obliegt dem Gericht. Ist nach dem insoweit als wahr zu unterstellenden Klägervortrag vom Vorliegen einer unerlaubten Handlung auszugehen, ist der Gerichtsstand des § 32 ZPO begründet (BeckOK ZPO/Toussaint, 39. Ed., § 32 Rn. 7). Dies ist hier der Fall.

2. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nach § 826 BGB gegenüber der Beklagten abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs begründet. Zwar ist dieser Schadensersatzanspruch verjährt, jedoch bleibt er gemäß § 852 BGB insoweit durchsetzbar, als die Beklagte durch die Verletzungshandlung, die in dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen liegt, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 16 juris), auf Kosten des Klägers etwas erlangt hat. Zu dessen Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bleibt die Beklagte als Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus der Verletzung entstandenen Schadens verpflichtet.

Nach § 826 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Einzelnen:


a) Der Tatbestand des § 826 BGB kann dadurch verwirklicht werden, dass Kaufinteressenten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst werden, den sie sonst nicht geschlossen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, Rn. 12 juris). Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, Rn. 18 juris).

Es steht fest, dass das von dem Kläger erworbene Fahrzeug mit dem von der Beklagten hergestellten Motor im Zeitpunkt des Erwerbs nicht voll brauchbar war, sondern einen erheblichen Mangel aufwies. Ein Pkw, der aufgrund seiner Ausrüstung mit einer Software, die einen speziellen Modus für den Prüfstandlauf sowie einen hiervon abweichenden Modus für den Alltagsbetrieb vorsieht und hierdurch im Prüfzyklus verbesserte Stickoxidwerte generiert, weist bereits deshalb einen Sachmangel auf (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, Rn. 17 juris). Bei der im Fahrzeug vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, handelt es sich um eine nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 17 juris; Beschluss vom 8. Januar 2019, a. a. O., Rn. 6 juris).

Die unzulässige Abschalteinrichtung konnte grundsätzlich dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 21 juris). Es steht fest, dass mit dem Motor Typ EA189 ausgestattete Fahrzeuge stillgelegt werden, da sie nicht der erteilten Typengenehmigung entsprechen. Entgegenstehender Vortrag der Beklagten ist durch angesichts der vom Kraftfahrt-​Bundesamt mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Oktober 2015 erlassenen Nebenbestimmungen widerlegt. Diese Nebenbestimmungen ändern die ursprünglichen Typengenehmigungen inhaltlich dergestalt ab, dass jedenfalls ein Fahrzeug, dessen Halter sich weigert, entsprechende Nachrüstungen vorzunehmen, nicht mehr der geänderten Typengenehmigung entspricht und insoweit vorschriftswidrig ist. Denn diese Fahrzeuge sind entgegen den EG-​Bestimmungen unter Einsatz der Umschaltlogik des Motors in Betrieb (VG Potsdam, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 10 L 303/18, Rn. juris; VG Mainz, Beschluss vom 16. November 2018 - 3 L 1099/18.MZ, Rn. 11 juris; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 2 L 1049/18, Rn. 11 juris; VG Köln, Beschluss vom 29. Mai 2018 - 18 L 854/18, Rn. 15 juris; vgl. auch OVG Nordrhein-​Westfalen, Beschluss vom 17. August 2018 - 8 B 548/18, juris; BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019, a. a. O., Rn. 22 juris). Vielmehr bedurfte es der Durchführung des Software-​Updates, um das Fahrzeug weiter im Straßenverkehr bestimmungsgemäß gebrauchen zu können (OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, a. a. O., Rn. 56 juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2018 - 6 U 409/17, Rn. 38 juris; Thüringer OLG, Urteil vom 15. August 2018 - 7 U 721/17, Rn. 68 juris).

Bei den Bescheiden des Kraftfahrt-​Bundesamtes vom 15. Oktober 2015 und vom 3. November 2016 handelt es sich um beim Gericht aufgrund der Vielzahl der gegen die Beklagte gerichteten Schadensersatzklagen um offenkundige Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO. Möchte das Gericht seiner Entscheidung derartige Umstände zugrunde legen, muss es sie grundsätzlich zuvor in das Verfahren einführen, damit die Beteiligten Stellung nehmen können. Ein solcher Hinweis braucht nur dann nicht gegeben zu werden, wenn es sich um Umstände handelt, die allen Beteiligten ohne weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen; denn in einem solchen Falle kann angenommen werden, dass die Beteiligten auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis hinreichende Gelegenheit zur Stellungnahme haben (BGH, Beschluss vom 30. Januar 1997 - I ZB 3/95, Rn. 22 juris; BeckOK ZPO/Bacher, a. a. O., § 291 Rn. 10). Letzteres ist hier der Fall.

Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger durch Teilnahme am Software-​Update einer Stilllegungsverfügung entgehen konnte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. Dezember 2018, a. a. O., Rn. 18 juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2018, a. a. O, Rn. 26 juris; OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 - 4 U 219/19, Rn. 50 juris). Maßgeblich ist nämlich der Zustand des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18, Rn. 20 juris; OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, Rn. 31 juris).

b) Die Herstellung des Motors EA189 mit der von dem Kraftfahrt-​Bundesamt beanstandeten Abschalteinrichtung durch die Beklagte ist sittenwidrig.

Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - IX ZR 310/14, Rn. 16 juris).

Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten in der gebotenen Gesamtschau als sittenwidrig zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, a. a. O., Rn. 16ff. juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, a. a. O., Rn. 50ff. juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019, a. a. O., Rn. 29ff. juris; OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 - 4 U 219/19, Rn. 37 juris; OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, Rn. 26 juris).

c) Das Handeln auf Seiten der Beklagten erfolgte auch vorsätzlich.

aa) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, Rn. 25, juris).




Durch das bewusste Inverkehrbringen der gesetzwidrig ausgestatteten Fahrzeuge ist auch von einem entsprechenden Schädigungsvorsatz auszugehen. Der bedingt vorsätzlich handelnde Täter nimmt den Erfolgseintritt deshalb in Kauf, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel erreichen will (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, Rn. 32 juris). Der Vorstand der Beklagten hat eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen. Bei dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung kam es der Beklagten bzw. ihrem Vorstand darauf an, Umsatz und Gewinn zu steigern. Andere Gründe sind nicht ersichtlich. Dabei haben sie es in Kauf genommen, ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern nichtgesetzeskonforme Fahrzeuge zu verkaufen und auf diese Weise ihren Kunden wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 - 23 O 178/18, Rn. 88 juris).

Zu Gunsten des Klägers greift, ohne dass es hier entscheidungserheblich darauf ankommt, eine Beweiserleichterung ein. Hinsichtlich der Beweisführung kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, Rn. 33 juris).

bb) Der Kläger als Käufer eines mit dem Motor Typ EA189 ausgestatteten Fahrzeugs ist von diesem Schädigungsvorsatz auch umfasst.

Denn der Täter braucht nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wieviele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, Rn. 47 juris). Täuscht der Verkäufer arglistig über einen Mangel des Fahrzeugs, haftet er auch für Schäden, die Dritten aus dem Weiterverkauf des Pkw entstanden sind, wenn er sich der Möglichkeit eines Weiterverkaufs bewusst war bzw. dieser nahelag (OLG Hamm, Urteil vom 17. Dezember 1996 - 27 U 152/96, Rn. 18 juris; OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 - 4 U 219/19, Rn. 63 juris; Staudinger/Oechsler, BGB, 2018, § 826 Rn. 81; einschränkend OLG Braunschweig, Urteil vom 13. April 2006 - 8 U 29/05, Rn. 21 juris; BeckOK BGB/Förster, 48. Ed., § 826 Rn. 35).

d) Dieses Verhalten ihrer Organe bzw. Mitarbeiter ist der Beklagten nach § 31 BGB bzw. § 831 BGB zuzurechnen. Für eine entsprechende Zurechnung kommt es mithin nicht allein auf die Ebene des Vorstandes, sondern auch auf die nachgeordneten Ebenen an. Dies umfasst auch die Ebene der beim der Beklagten tätigen Bereichsleiter, die weitgehend selbstständig für ihr Sachgebiet verantwortlich sind.

Ein Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter i. S. d. § 31 BGB) muss persönlich die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht haben. Insbesondere kommt es darauf an, was er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Herstellung des Motorentyps EA189 gewusst und gewollt hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, Rn. 27 juris).

Der Kläger trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Da es sich bei der Verantwortlichkeit für die Entwicklung der Software und des Abgasrückführungssystems um Interna der Beklagten handelt, von denen der Kläger keine Kenntnis hat, obliegt der Beklagten insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Der Beklagten oblag es, insoweit zu der Entwicklung des Motors Typ EA189 und der dazu eingesetzten Software vorzutragen.

Die Partei eines Zivilprozesses unterliegt der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO, die allenfalls insofern Einschränkungen erfährt, als die Partei sich selbst oder einen Angehörigen einer Straftat oder Unehrenhaftigkeit bezichtigen müsste (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2019 - 1 BvR 2556/17, Rn. 13 juris). Hat die Partei in dieser Konstellation die Möglichkeit, von (wahrheitsgemäßen) Angaben abzusehen, so hat sie die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen - etwa das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung - in Kauf zu nehmen. So verhält es sich im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast; die betroffene Partei hat die nachteiligen Folgen ihres unzureichenden Vortrags zu tragen, weil ihr einfaches Bestreiten unwirksam ist und die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO eintritt (BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 19/16, Rn. 27 juris; auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2019, a. a. O., Rn. 14 juris). Ein Recht zur Lüge besteht nicht (BeckOK ZPO/von Selle, a. a. O., § 138 Rn. 31 und 31.1).

Der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019, a. a. O., Rn. 70ff. juris). Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Sie kann sich hierbei nicht auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund des Zeitablaufs seit der Motorenentwicklung berufen. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen. Gerade das macht aber die Dokumentation der entsprechenden Informationen erforderlich. Gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind zudem eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren und ihrer Steuerung für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen im Raum steht. Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teils des Vorstands getroffen wurde (vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 - 18 U 70/18, Rn. 31ff. juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 14 U 60/18, Rn. 33ff. juris). Die Beklagte hat insoweit keinen ihr im Rahmen der sekundären Darlegungslast obliegenden ergänzenden Vortrag zu den Kenntnissen der einzelnen mit der Entwicklung des Motorentyps verantwortlichen Bereichsleiter gehalten.

Entscheidend kommt es hierbei - wie ausgeführt - auch nicht auf die von der Beklagten bestrittene Kenntnis des im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses amtierenden Vorstandsvorsitzenden an. Das Wissen schon eines in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn das Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat. Die Wissenszurechnung kommt selbst dann in Betracht, wenn der Organvertreter von dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft nichts gewusst hat. Denn auch das Ausscheiden des Organvertreters aus dem Amt steht dem Fortdauern der Wissenszurechnung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87, Rn. 13 juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Verpflichtung zur aktenmäßigen Dokumentation der Informationen bestand (MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 39). Schließlich ist eine Wissenszurechnung zum handelnden Organ vorzunehmen, wenn der informierte Mitarbeiter innerhalb der juristischen Person es entgegen einer entsprechenden Pflicht versäumt hat, das bei ihm vorhandene Wissen an die zuständige Stelle weiterzuleiten (MünchKommBGB/Wagner, a. a. O.). Die Beklagte hat sich nicht mit Substanz dazu geäußert, wer im Zeitpunkt der Motorenentwicklung und des Inkrafttretens der VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Frage der Einhaltung der Grenzwerte und der Entwicklung der Software befasst war und wie dies dokumentiert wurde.

Es lässt sich daher feststellen, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten von der Entwicklung und Verwendung der Software zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatte und dies gebilligt und, wenn nicht angeordnet, so zumindest nicht unterbunden hat (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, a. a. O., Rn. 30 juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, a. a. O., Rn. 68 juris).

e) Das sittenwidrige Verhalten der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, a. a. O., Rn. 49 juris).

Nach der Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäftes ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt behoben werden kann. Dies gilt erst recht, wenn ihn der Hersteller oder der Verkäufer hierauf hinweisen würde. Diese Einwirkung auf die Entschließung des Käufers genügt für den Kausalzusammenhang zwischen dem Irrtum und der Kaufentscheidung (OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, a. a. O., Rn. 93 juris). Soweit das hypothetische Verhalten des Käufers bei Vertragsschluss nicht bereits als offenkundig angesehen werden kann, streitet dafür, dass er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, mindestens eine tatsächliche Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist dabei im Hinblick auf die hypothetische Kausalität ohne weiteres den Fällen gleichzusetzen, für die der Bundesgerichtshof die sog. "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" anerkannt hat. Die so begründete Vermutung wurde mangels substantiellen Vortrags durch die Beklagte noch nicht einmal im Ansatz erschüttert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2020 - 13 U 81/19, Rn. 27 juris).

f) Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, Rn. 19 juris; BeckOGK/Spindler, a. a. O., § 826 Rn. 20).

Danach kann der Geschädigte einerseits wählen, im Wege des Schadensersatzes vom Schädiger „Rückgängigmachung“ der Folgen des mit einem Dritten geschlossenen Vertrags zu verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung zu stellen und seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen. Andererseits kann er auch an dem Vertrag mit dem Dritten insgesamt festhalten und vom Schädiger lediglich Entschädigung seines enttäuschten Vertrauens fordern; er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie es der von ihm aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers angenommenen Situation entsprochen hätte (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, Rn. 28 juris).

g) Der Kläger muss sich im Rahmen des Vorteilsausgleichs allerdings eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.

aa) Eine Vorteilsausgleichung kommt in Betracht, wenn dieser den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, Rn. 41). Dies ist hier der Fall, da der Kläger das Fahrzeug bisher ohne Einschränkungen nutzen konnte, so dass auch kein Anlass besteht, den Nutzungsersatz im Hinblick auf den der Sache anhaftenden Mangel herabzusetzen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, a. a. O., Rn. 64ff. juris).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus europäischem Recht, das einem Anspruch auf Nutzungswertersatz im Falle der Rückabwicklung eines Verbrauchsgüterkaufs nicht entgegensteht. Die Entscheidung des EuGH vom 17. April 2008 (C-​404/06) bezieht sich auf das Recht des Verbrauchers auf Ersatzlieferung, an dessen Geltendmachung dieser nicht durch eine Verpflichtung zu Nutzungswertersatz gehindert werden soll, nicht aber auf eine Rückabwicklung des Vertrags, bei der der Käufer - anders als bei der Nacherfüllung - seinerseits den gezahlten Kaufpreis nebst Zinsen zurückerhält. Nach dem 15. Erwägungsgrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist es ausdrücklich gestattet, die Benutzung der vertragswidrigen Ware im Falle der Vertragsauflösung zu berücksichtigen; hierauf nimmt auch der EuGH in seiner Entscheidung Bezug (Rdnrn. 38f.; BGH, Urteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, Rn. 15).

Auf etwaige von der Beklagten gezogenen Nutzungen kommt es bei dieser Betrachtung nicht an, da dem Kläger die gesetzlich vorgesehenen Zinsansprüche zustehen.

bb) Im Rahmen des Schadensersatzes ist dem Kläger der geleistete Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten. Es hat insoweit ein Gesamtvermögensausgleich zu erfolgen, bei dem sämtliche Vor- und Nachteile des abgeschlossenen Kaufvertrags zu saldieren sind (OLG Köln, Urteil vom 11. April 2018 - I-​16 U 192/14, Rn. 128 juris).

cc) Die bei Rückabwicklung eines Kfz-​Kaufvertrags für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlende Nutzungsentschädigung ist in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte Kaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs (im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer) geteilt wird (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, Rn. 12 juris; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 196/14, Rn. 3 juris; MünchKommBGB/Gaier, a. a. O., § 346 Rn. 27).

Die Kammer bemisst dabei gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung mit 300.000 km. Angesichts der technischen Entwicklung ist bei Fahrzeugen aus dem Volkswagen-​Konzern von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km auszugehen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - a. a. O., Rn. 80, 83 juris; 30; Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, Rn. 14 juris; OLG Köln, Urteil vom 10. März 2020 - 4 U 219/19, Rn. 127 juris; OLG Schleswig, Urteil vom 31. Januar 2020 - 17 U 95/19, Rn. 43 juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019, a. a. O., Rn. 111 juris). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass das Oberlandesgericht Celle (u. a. Urteil vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, Rn. 65 juris) in „gefestigter Senatsrechtsprechung“ von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgeht. Die Kammer bewegt sich bei der Annahme der Gesamtlaufleistung von 300.000 km aber in dem ihr im Rahmen des § 287 ZPO zustehenden eigenen tatrichterlichen Ermessen. Individuelle Leistungsmerkmale, die dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zur Zugrundelegung einer niedrigere Gesamtlaufleistung zwängen, zeigt die Beklagte, die als Fahrzeugherstellerin über das entsprechende Erfahrungs- und Fachwissen verfügt, nicht auf. Die Beklagte verweist lediglich auf die in ihrem Sinne ergangene Rechtsprechung, ohne konkret zu der erwartbaren Gesamtlaufleistung des von ihr hergestellten Fahrzeugtyps vorzutragen. Der Wertersatz berechnet sich daher hier wie folgt

   Kaufpreis von 16.700 € x gefahrene Strecke von 147.125 km geteilt durch Gesamtlaufleistung 276.660 km

mit einem Betrag von 8.880,89 €.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der aus § 826 BGB folgende Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt ist.

Die regelmäßige Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt, beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach der Anhörung des Klägers gemäß § 141 Abs. 1 ZPO ist die Kammer davon überzeugt, dass dieser von der Betroffenheit seines Fahrzeugs erst durch die im Januar 2017 durchgeführte Rückrufaktion Kenntnis erlangt hat. Der Kläger hat insoweit ergänzend ausgeführt, dass ihm zwar der Dieselskandal bekannt gewesen sei, er aber weder auf der Internetseite der Beklagten nachgeschaut oder bei seiner Werkstatt nachgefragt habe, ob sein Fahrzeug betroffen sei.

Es ist in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung streitig, ob es sich als grobfahrlässige Unkenntnis darstellt, wenn die Besitzer von Dieselfahrzeugen aus dem VW-​Konzern von der eingeräumten Möglichkeit, auf der Internetplattform die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom so genannten Dieselskandal festzustellen, im Jahr 2015 noch keinen Gebrauch gemacht haben (so aber u. a. OLG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 U 1283/20, Rn. 29 juris; OLG Schleswig, Urteil vom 13. Januar 2021 - 12 U 102/20, Rn. 17 juris). Nach anderer Ansicht besteht für den Geschädigten keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Ein Fahrzeugbesitzer sei nicht veranlasst, sich fortlaufend auf dem Fahrzeugmarkt zu informieren. Wer ein Fahrzeug zu kaufen beabsichtigt, informiert sich regelmäßig über die Eigenschaften des Fahrzeugs. Ist das Fahrzeug aber einmal gekauft, ist das Thema häufig erst einmal erledigt und es besteht, außer bei Mängeln, kein Anlass, bestimmte Eigenschaften zu hinterfragen (OLG München, Urteil vom 29. Januar 2021 - 21 U 317/20, Rn. 94 juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. April 2020 - 7 U 470/19, Rn. 72 juris). Die Kammer kann vorliegend dahin gestellt bleiben lassen, welche Ansicht vorzugswürdiger ist, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht ankommt. Die mit der Klage geltend gemachte Forderung ist als Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB begründet.

4. Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch jedenfalls als Restschadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB i. V. m. § 852 Satz 1 BGB zu, der seinerseits nicht verjährt ist.

a) Der Übergang vom ursprünglichen Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zum Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB ist bei gleichbleibender Höhe des Anspruchs, eine bloße Änderung der rechtlichen Ausführungen i. S. d. § 264 Nr. 1 ZPO. Daraus folgt zugleich, dass das Gericht nach Erhebung der Einrede der Verjährung ohne weiteren Parteivortrag von sich aus die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 852 BGB zu prüfen hat (BeckOGK/Eichelberger, Stand 1. August 2020, § 852 BGB Rn. 37, 38; Staudinger/Vieweg, BGB, 2015, § 852 Rn. 23).

Soweit das Oberlandesgericht Koblenz darauf abstellt, dass § 852 Satz 1 BGB nur dann zu prüfen sei, wenn der Kläger dazu vorgetragen hat, dass und in welcher Höhe die Beklagte, die nicht Verkäuferin des Fahrzeugs war, etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt hat (Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 U 1283/20, Rn. 37 juris), ist dem bereits aus den vorgenannten Grundsätzen nicht zu folgen. Im Übrigen verkennt das Oberlandegericht Koblenz damit die Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB und überspannt die an den Kläger zu stellenden Substantiierungsanforderungen.

b) Der Herausgabeanspruch des § 852 Satz 1 BGB behält die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch und erfordert dieselben Voraussetzungen wie der (weitergehende) verjährte Schadensersatzanspruch. Er hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch wird in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16, Rn. 19 juris; Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, Rn. 61 juris).

Die Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB stellt eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bereicherungshaftung nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB müssen daher nicht gegeben sein (BGH, Urteil vom 26. März 2019, a. a. O., Rn. 15 juris; Staudinger/Vieweg, a. a. O., § 852 Rn. 19).

Die Voraussetzungen des (verjährten) Schadensersatzanspruchs und damit eines Schadens (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - III ZR 117/17, Rn. 2 juris) sind vorliegend gegeben. Es wird auf die obigen Ausführungen zu § 826 BGB verwiesen. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Oldenburg (Hinweisbeschluss vom 5. Januar 2021 - 2 U 168/20) ist dem Kläger auch ein Schaden im Sinne des deutschen Schadensersatzrechts entstanden. Ein Schaden i. S. d. § 826 BGB kann auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen (BGH, Urteile vom 26. Januar 2021 - VI ZR 405/19, Rn. 21 juris; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 46 ff. juris). Es ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger durch die Zahlung des Kaufpreises einen Vermögensverlust erlitten hat.

c) Die Beklagte ist ersatzpflichtig i. S. d. § 852 Satz 1 BGB ist, weil sie zum Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung aus § 826 BGB verpflichtet ist. (vgl. BeckOGK/Eichelberger, a. a. O., § 852 BGB Rn. 22).

d) Die Beklagte hat auch auf Kosten des Klägers etwas erlangt.

Der Begriff „auf Kosten ... erlangt“ ist in § 852 Satz 1 BGB auf die Handlung abgestellt, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Da es eine unerlaubte war, kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege sich die dadurch veranlasste Vermögensverschiebung vollzogen hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, Rn. 62 juris). Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass derjenige, der einen anderen durch unerlaubte Handlung geschädigt und dadurch sein Vermögen vermehrt hat, im Besitz des auf diese Weise erlangten Vorteils verbleibt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. Juli 2007 - 17 U 338/06, BeckRS 2007, 12724; Staudinger/Vieweg, a. a. O., § 852 Rn. 17). Dabei ist Voraussetzung, dass das Vermögen des Ersatzpflichtigen tatsächlich vermehrt worden ist, wobei es auf eine Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zwar nicht ankommt. Der Vermögenszuwachs muss aber durch die unerlaubte Handlung verursacht sein und auf den Geschädigten zurückgehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. Juli 2007 - 17 U 338/06, BeckRS 2007, 12724). Daraus folgt, dass für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend ist. Da es sich bei dem Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichen Kleid handelt, ist für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend. Wenn der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat, so ist er nach § 852 Satz 1 BGB, soweit auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen, auch dann herauszugeben, wenn diese Vermögensverschiebung dem Schädiger durch einen Dritten vermittelt worden ist (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, a. a. O., Rn. 63 juris). Die Vermögensverschiebung kann auch auf andere Weise erfolgen, wenn sie nur im ursächlichen Zusammenhang mit der Verletzungshandlung steht (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16, Rn. 21 juris).

Die vorgenannten Grundsätze dürften auch für die vorliegende Fallgestaltung gelten. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge einen Erlös grundsätzlich nur im Neuwagengeschäft erlangt hat, sei es, dass sie die Fahrzeuge an ihre vertriebsvertraglich gebundenen Vertragshändler verkauft (siehe Martinek, JM 2021, 9, 13), oder aber, dass sie in Einzelfällen die Fahrzeuge direkt an einen Endkunden veräußert. Aus dem vorliegenden Gebrauchtwagengeschäft, bei dem der Kläger das Fahrzeug von einem Gebrauchtwagenhändler oder einem privaten Fahrzeugbesitzer erwirbt, hat die Beklagte ersichtlich nichts erlangt. Dies steht der Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB aber gerade nicht entgegen, da es - wie ausgeführt - nicht auf die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung ankommt (so auch Martinek, JM 2021, 9, 10). Soweit der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs insoweit Vortrag des Klägers voraussetzt, dass und in welcher Höhe die Beklagte, die nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht Verkäuferin des Fahrzeugs war, etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt hat (Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, Rn. 29 juris), dürfte dies der zitierten Rechtsprechung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sowie der Rechtsprechung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegenstehen.


Maßgeblich kommt es bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf den Umfang des verjährten Schadensersatzanspruchs an, nach dem sich - wie ausgeführt - der Restschadensersatzanspruch richtet. Der Umfang des § 826 BGB, der auch das Vermögen schützt, ist entsprechend weit gefasst. Dem entspricht es, dass z. Bsp. im Falle eines verjährten Schadensersatzanspruches gemäß § 102 Satz 2 UrhG der objektive Gegenwert für den erlangten Gebrauch eines Immaterialgüterrechts in der angemessenen Lizenzgebühr zu sehen ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15, Rn. 96 juris). In Fällen, in denen die Erteilung einer Lizenz tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dies der Anwendung des § 852 BGB nicht entgegen. Denn die Verpflichtung zum Wertersatz stellt einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, a. a. O., Rn. 97 juris).

Die vorgenannten Grundsätze sind auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen. Die Beklagte hat einen entsprechenden Zufluss erhalten, da sie das von ihr hergestellte Fahrzeug veräußert hat und ihr demgemäß ein Erlös aus diesem Geschäft zugeflossen ist. Wie ausgeführt kommt es dabei nicht darauf an, dass dieser Zufluss nicht aus dem Vermögen des Klägers, sondern aus dem Vermögen des ursprünglichen Vertragspartners der Beklagten erfolgt ist. Insoweit besteht ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss auf Seiten der Beklagten und dem Schaden des Klägers. Denn beim Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Ersterwerber an die weiteren Käufer des Fahrzeugs wird der Vermögensschaden des Ersterwerbers, dem der Vermögenszufluss auf Seiten der Beklagten unmittelbar gegenübersteht, in der Kette der weiteren Erwerber weitergereicht. Bei der von den I. und X. Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs als maßgeblich angesehenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise korrespondiert der dem Kläger entstandene Schaden daher mit dem Vermögenszufluss bei der Beklagten (LG Hildesheim, Beschluss vom 29. November 2020 - 5 O 183/20, Rn. 4 juris). Die Verletzungshandlung der Beklagten war insoweit kausal für die Vermögensdisposition des Klägers.

Der Anspruch ist damit auch nicht etwa bereits deswegen ausgeschlossen, weil es sich um einen Gebrauchtwagenerwerb handelt und die Weiterveräußerung des Fahrzeugs an den Kläger damit außerhalb der Wertschöpfungskette der Beklagten erfolgte (so aber Martinek, JM 2021, 9, 14). Diese Argumentation liefe auf einen „Einbau“ des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse in das Deliktsrecht und damit auf einen Systembruch hinaus: § 852 Satz 1 BGB „verlängert“ bestehende deliktische Ansprüche über den Zeitpunkt der Verjährung hinaus. Die Vorschrift greift damit immer dann, wenn ein deliktischer Anspruch besteht. Dieser richtet sich vorliegend gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB. Der Umstand, dass daneben ein weiteres Vertragsverhältnis zu einem Gebrauchtwagenhändler besteht bzw. bestand, schmälert diesen deliktischen Anspruch in seinem Anwendungsbereich jedoch unstreitig nicht, spiegelbildlich gilt dies dementsprechend auch für § 852 Satz. 1 BGB.

e) Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB nicht voraus, dass der Verletzer einen Gewinn erzielt hat. Vielmehr genügt es, dass er einen Vermögensvorteil erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13, Rn. 34 juris). Der Anspruch ist auf Wertersatz gerichtet und nicht auf die Herausgabe eines etwaigen Gewinns beschränkt (entgegen Martinek, JM 2021, 9, 12, 13).

f) § 852 Satz. 1 BGB ist in seinem Anwendungsbereich nicht teleologisch zu reduzieren, weil dem Kläger die Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage offen gestanden hätte (so aber Martinek, JM 2021, 56 ff.). Dies vermag nicht mal ansatzweise zu überzeugen. Sinn und Zweck der Eröffnung der Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage bestand darin, die Rechtsposition der jeweiligen Betroffenen zu stärken. Dieser Sinn würde vollständig ad absurdum geführt, wenn er als Rechtfertigung der Beschneidung von - vor Einführung der Musterfeststellungsklage - bereits vorhandenen Rechten, wie der „Verlängerung des Schadensersatzanspruchs“ gemäß § 852 BGB herangezogen würde. Wortlaut, Sinn und Zweck und Systematik der Vorschriften über die Musterfeststellungsklage legen eine teleologische Reduktion des § 852 BGB in keiner Weise nahe und sind auch mit dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck des § 852 BGB, der ja gerade einen verjährten Schadensersatzanspruch voraussetzt, nicht zu vereinbaren.

g) Dem Umfang nach hat die Beklagte aus der deliktischen Handlung, dem Einbau und Verkauf des Fahrzeuges mit Abschalteinrichtung den Erstverkaufspreis erlangt. Insoweit trifft die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast, weil es sich hierbei um Interna der Beklagten handelt, von denen der Kläger keine Kenntnis hat. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen, sie hat zu dem konkreten Rechtsgeschäft, mit dem das hier in Rede stehende Fahrzeug in den Verkehr gebracht wurde, keinen weiteren Sachvortrag gehalten. Nicht tragfähig ist jedenfalls der Verweis auf die Gewinnabschöpfungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die zu einem auf der Umschaltlogik beruhenden Gewinn von 93 € pro Fahrzeug führen, oder die der Beklagten entstandenen Kosten des Software-​Updates. Vorliegend geht es nicht um die Herausgabe des von der Beklagten erzielten Gewinns, sondern der des Erstverkaufserlöses.

h) Vor dem Hintergrund hatte die Kammer eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen, bei der sie sich von folgenden Überlegungen hat leiten lassen:

Der Erlös, den die Beklagte mit dem erstmaligen Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs erzielte, muss sich mindestens auf den Betrag belaufen, den der Kläger als Kaufpreis für das Gebrauchtfahrzeug zahlte. Denn das Gebrauchtfahrzeug war bereits aufgrund einer Nutzung von mehreren tausend Kilometern im Wert gemindert. Es konnte daher bei lebensnaher Betrachtung jedenfalls keinen höheren Marktpreis mehr erzielen, als den Erstverkaufspreis. Die Beklagte kann sich nicht auf den Abzug von Aufwendungen zur Schadensminderung und -beseitigung wie etwa die Kosten für technische Maßnahmen zur Entfernung der Umschaltlogik oder Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder Kosten für die Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt oder Vertragshändlern berufen. Denn die Beklagte war insoweit bösgläubig (vgl. § 818 Abs. 4, 819 BGB). Die Berufung auf Entreicherung scheidet daher aus, soweit die Beklagte Maßnahmen veranlasst hat, die zur Beseitigung der Schäden dienten, die sie durch ihre vorsätzliche rechtswidrige Handlung gerade geschaffen hat (vgl. MünchKommBGB/Schwab, a. a. O., § 818 Rn. 315). Im Übrigen hat die Beklagte diese Kosten, die auf jeden einzelnen Fahrzeugverkauf umzurechnen sind, nicht in einer Höhe dargelegt, die zu einer wesentlichen Minderung des von ihr erzielten Verkaufspreises geführt hätten.

i) Der Beklagte kann Zahlung nur Zug-​um-​Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeuges verlangen. Denn bei ungleichartigen Leistungen ist der Bereicherungsanspruch des einen Teils immanent dadurch bedingt, dass er von sich aus die Rückgewähr der empfangenen Gegenleistung anbietet (MünchKommBGB/Schwab, a. a. O., § 818 Rn. 241).

j) Der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB ist auch nicht verjährt. Der Herausgabeanspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 852 Satz 2 BGB). Der Anspruch wäre erst mit dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger im November 2013 entstanden.

5. Die Beklagte befindet sich nicht mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug. Das nach § 295 BGB erforderliche Angebot hat der Kläger weder mit seiner auf Leistung Zug- um-​Zug gerichteten Klage (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07, Rn. 20 juris) noch in dem Anwaltsschreiben vom 6. Oktober 2020 erklärt.

Der Kläger hat bei seinem Klageantrag den Abzug einer Nutzungsentschädigung zutreffend berechnet auf einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km und in dem Anwaltsschreiben Deliktszinsen gefordert. Ein zur Begründung des Annahmeverzugs auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben. Eine an das Angebot geknüpfte unberechtigte Bedingung, wie die Zahlung von Deliktszinsen (§ 849 BGB) seit Kaufpreiszahlung, schließt einen Annahmeverzug der Beklagten aus (BGH, Urteil vom 2. Februar 2021 - VI ZR 449/20, Rn. 9 juris).



6. Kostenerstattung aufgrund des materiell-​rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist (BGH, Urteil vom 19. April 2018 - IX ZR 187/17, Rn. 8 juris). Hierbei ist von dem berechtigten Gegenstandswert auszugehen und eine 1,3-​fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer anzusetzen. Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt (OLG Celle, Urteil vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, Rn. 79 juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, Rn. 21, 22 juris).

7. Zinsansprüche sind nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Freistellungsanspruch war hingegen nicht zu verzinsen. Denn nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB sind nur Geldschulden zu verzinsen, zu denen ein Freistellungsanspruch nicht gehört (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. September 2020 - 26 U 69/19, Rn. 53 juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 288 Rn. 6).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert war auf 11.912,05 € festzusetzen.

Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten kommt neben dem auf eine Zug-​um-​Zug-​Verurteilung gerichteten Klageantrag keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 290/19, Rn. 7 juris).

- nach oben -



Datenschutz    Impressum