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Oberlandesgericht Jena Beschluss vom 13.10.2021 - 1 OLG 121 SsRs 55/21 - Zur Verurteilung muss über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen

OLG Jena v. 13.10.2021: Zur Verurteilung muss über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen




Das Oberlandesgericht Jena (Beschluss vom 13.10.2021 - 1 OLG 121 SsRs 55/21) hat entschieden:

   Auch nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO ist allein das bloße Halten oder Aufnehmen eines elektronischen Geräts während des Führens eines Fahrzeugs kein tatbestandsmäßiger Verstoß. Es muss vielmehr auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen.

Siehe auch
Begriff der Benutzung und des „Haltens“
und
Mobiltelefon - unbefugte Handy-Benutzung - Gebrauch sonstiger elektronischer Geräte

Gründe:


Mit dem angefochtenen Urteil wurde gegen den - seine Fahrereigenschaft einräumenden - Betroffenen wegen von ihm am 14.05.2019 als Fahrer eines Pkw begangener vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, in Tateinheit mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 12 km/h (abzüglich Toleranzwertes) eine Geldbuße i.H. von 110,- € festgesetzt.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem form- und fristgerecht mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.03.2021 erhobenen und mit Schreiben des Verteidigers vom 13.05.2021 begründeten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer - dem Betroffenen und seinem Verteidiger mit dieser Entscheidung übersandten - Stellungnahme vom 15.07.2021 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts Jena aufzuheben sowie die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Jena zurückzuverweisen.




II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg.

Gegen den Betroffenen ist eine Geldbuße von weniger als 250 € und mehr als 100 € festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder das Urteil wegen der Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

1. Der Zulassungsantrag des Betroffenen hat zwar mit der Gehörsrüge (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) keinen Erfolg, da es für die Zulässigkeit einer den Anforderungen des § 344 Abs.2 StPO in Verbindung mit § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG genügenden Verfahrensrüge des - der Antragsschrift nicht zu entnehmenden - Vortrages bedurft hätte, was der Betroffene im Falle seiner vermeintlich nicht er-folgten Anhörung geltend gemacht hätte (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 80 Rdnr. 16c m.w.N.).

2. Auch zeigt das Antragsvorbringen entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen, die zur Zulassung der Rechtsbeschwerde drängen würden, § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, nicht auf. Dass ein Verstoß gegen § 23 Abs. la StVO eine Nutzung des Gerätes erfordert, während ein bloßes Halten zur Tatbestandserfüllung nicht ausreicht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt.

Gleiches gilt in Bezug auf die Verwertbarkeit der Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens, hinsichtlich der sich der Senat mit Beschluss vom 23.09.2020, Az. 1 OLG 171 SsRs 195/19 ausdrücklich der ersichtlich außerhalb des Saarlandes (vgl. Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 05.07.2019, Az. Lv 7/17, NJW 2019, 2456) in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte einheitlich vertretenen Auffassung angeschlossen hat, dass diese nicht von dessen nachträglicher Überprüfbarkeit anhand von aufzuzeichnenden, zu speichernden und an den Betroffenen auf Verlangen herauszugebenden Rohmessdaten abhängig ist, und durch die fehlende Reproduzierbarkeit der zum einzelnen Messwert führenden Berechnung weder der Anspruch auf ein faires Verfahren noch der auf eine effektive Verteidigung berührt wird.

3. Der vorliegende Sachverhalt gebietet jedoch - dem Antrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 15.07.2021 entsprechend; auf die dortigen zutreffenden Ausführungen wird Bezug genommen - die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 80 Abs. 1 Nr.1 OWiG.

In den Urteilsgründen unter Ziffer III. (UA S. 3) ist festgestellt:

   „Anhand der Inaugenscheinnahme des vollformatigen Frontfotos konnte festgestellt werden, dass der Betroffene in seiner rechten Hand einen silbrig glänzenden, rechteckigen und flachen Gegenstand hält....". Weiter ist unter Ziffer IV. ausgeführt (UA S. 5): Damit steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Betroffene objektiv den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 23 Abs. 1 a StVO verwirklicht hat, indem er mit seiner rechten Hand während der Fahrt als Führer eines Kraftfahrtzeuges mit dem Kennzeichen ppp. am 14.05.2019 um 17:58 Uhr auf der BAB 3 bei Kilometer 170,670 Fahrtrichtung Erfurt ein Mobiltelefon hielt. Durch die seit 2017 geltende Fassung des § 23 Abs. la StVO ist auch das bloße Halten oder das Aufnehmen eines Mobiltelefons bereits als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Es kommt nicht mehr darauf an, ob das elektronische Gerät auch tatsächlich in irgendeiner Weise benutzt wird, zumal dies beweissicher auch so gut wie unmöglich nachweisbar ist, zumindest solange der Betroffene dies nicht eingesteht."



Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Amtsgericht die an einen Verstoß gegen § 23 Abs. la StVO zu stellenden Anforderungen verkannt hat und dies in weiteren gleichgelagerten Fällen gleichermaßen erfolgen wird, indem es die Feststellung einer über das bloße Halten hinausgehenden, konkreten Nutzung zur Bejahung eines tatbestandsmäßigen Verstoßes gegen § 23 Abs. la StVO nicht für erforderlich erachtet und dem folgend entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat. Auch nach der Neufassung des § 23 Abs. la StVO (nach Änderung durch Art. 1 Nr. 1 der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06.10.2017 (BGBl 1, S. 3549)) ist allein das bloße Halten oder Aufnehmen eines elektronischen Geräts während des Führens eines Fahrzeugs kein tatbestandsmäßiger Verstoß (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.03.2019, Az. 111-4 Rbs 392/18; OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019, Az. 3 Ss (OWi) 8/19, jeweils bei juris; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15.04.2021, Az. 1 OLG 331 SsRs 33/21). Es muss vielmehr auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen (so auch König, in: Hentschel/König/Dauer, StVO, 45. Aufl., § 23 Rn 32; Ternig, VD 2018, 300; ders., SVR 2018, 434; Krenberger, jurisPR-VerkR 18/2018 Anm. 6). Der Verordnungsgeber wollte mit der Neufassung u.a. eine Regelungslücke schließen für Konstellationen, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. OLG Hamm, a.a.O.), „um die auch bei Einhaltung des Hand-held-Verbots mit der Benutzung einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten weiter zu minimieren" (vgl. BR-Drucks 556/17, S. 26). Hieran zeigt sich, dass aus Sicht des Verordnungsgebers dem Tatbestandsmerkmal der „Benutzung" weiterhin ein eigener Regelungsgehalt zukommt, der an die mit der Benutzung „einhergehenden verkehrs-sicherheitsgefährdenden Tätigkeiten" - auch ohne Aufnehmen oder Halten des Geräts - anknüpft (vgl. OLG Celle, a.a.O.).

Aus dem vorgenanntem Grund ist - entsprechend dem Antrag der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 15.07.2021 - die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittels, zurückzuverweisen.

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