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Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz Beschluss vom 20.07.2021 - VGH B 53/20 - Verfassungsmäßige Unbedenklichkeit der elektronischenFührung der Bußgeldakten in Rheinland-Pfalz

VerfGH des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz v. 20.07.2021: Verfassungsmäßige Unbedenklichkeit der elektronischenFührung der Bußgeldakten in Rheinland-Pfalz




Der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz (Beschluss vom 20.07.2021 - VGH B 53/20) hat entschieden:

   Die elektronische Aktenführung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne landesgesetzliche Grundlage ist nicht landeslverfassungswidrig.

Siehe auch
EDV-Verarbeitung von OWi-Vorgängen - Automatisierung
und
Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten


Zum Sachverhalt:


Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen zwei gerichtliche Entscheidungen, die in einem Ordnungswidrigkeitenverfaehren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegen den Beschwerdeführer ergangen sind. Es ging hauptsächlich um Fragen der Zulässigkeit der elektronischen Aktenführung durch die Zentrale Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz. Der Beschwerdeführer machte geltend, für die elektronische Aktenführung fehle es an einer landesgesetzlichen Grundlage. Es liege daher eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie gegen das allgemeine Willkürverbot vor. Die Verfassungsbeschwerde bliieb erfolgöos.




Aus den Entscheidungsgründen:


1. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 4a Abs. 1 Satz 1 LV) ist der Beschwerdeführer jedenfalls nicht beschwerdebefugt.

a) Das Vorliegen der Beschwerdebefugnis im Sinne von Art. 130a LV und § 44 Abs. 1 VerfGHG setzt voraus, dass aus der Begründungsschrift bei objektiver Beurteilung zumindest die Möglichkeit einer Verletzung konkret bestimmbarer Gewährleistungen der Verfassung erkennbar wird, die jedenfalls auch dem subjek¬tiven Schutz des Beschwerdeführers zu dienen bestimmt sind (vgl. VerfGH RP, Beschlüsse vom 13. Juli 2012 - VGH B 10/12 u.a. -, AS 41, 110 [111 f.]; vom 19. November 2019 - VGH B 10/19 -, AS 47, 299 [308]). Der Beschwerdeführer muss geltend machen, durch die angegriffene Maßnahme selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VGH B 2/04 -, AS 31, 348 [350]; Urteil vom 29. Januar 2007 - VGH B 1/06 -, AS 34, 169 [180]; Beschluss vom 19. November 2019 - VGH B 10/19 -, AS 47, 299 [308]).

b) Ausgehend hiervon ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein könnte.

Der Beschwerdeführer macht insoweit geltend, das Amtsgericht habe gegen das „Befassungsverbot“ verstoßen, weil der Bußgeldbescheid infolge einer Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (durch die Zentrale Bußgeldstelle) nichtig sei und es infolgedessen an einem wirksamen Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens fehle. Gleichermaßen verletze ihn der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts in dem genannten Grundrecht, da hiermit sein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde abgelehnt worden sei. Dieses Vorbringen zielt indes der Sache nach auf eine - von dem Beschwerdeführer mit im Wesentlichen gleichlautender Argumentation ebenfalls gerügte - Verletzung des Willkürverbots ab. Die Möglichkeit einer (eigenständigen) Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen vermag die Verfassungsbeschwerdeschrift damit allerdings nicht aufzuzeigen.


Denn Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind allein die hier angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen. Das Amtsgericht hat in vollem Umfang und losgelöst von der Entscheidung der Zentralen Bußgeldstelle (vgl. Ellbogen, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 1; Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm [Hrsg.], OWiG, 6. Aufl. 2020, § 67 Rn. 2; Bluhm/Stahnke, in: Gassner/Seith [Hrsg.], OWiG, 2. Aufl. 2020, § 67 Rn. 2) über den Prozessgegenstand entschieden; damit ist der zuvor von der Zentralen Bußgeldstelle erlassene Bußgeldbescheid prozessual überholt (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 27. Dezember 2006 - 2 BvR 1895/05 -, juris Rn. 19; vom 17. Januar 2013 - 1 BvR 121/11 u.a. -, juris Rn. 26; vom 18. April 2016 - 2 BvR 1833/12 u.a. -, juris Rn. 21). Dass gerade die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts eigenständig gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen sollen, wird von dem Beschwerdeführer allerdings weder substantiiert dargetan noch ist dies sonst ersichtlich. Insoweit kommt - einen Grundrechtsverstoß durch die elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle unterstellt - allenfalls ein reflexhaftes Betroffensein des Beschwerdeführers in Betracht. Dies reicht zur Begründung einer rügefähigen Beschwer indes nicht aus (vgl. VerfGH RP, Beschlüsse vom 24. Oktober 2001 - VGH B 1/01 -, AS 29, 207 [209]; vom 11. Februar 2014 - VGH B 6/14 u.a. -, juris Rn. 4; vom 21. Januar 2015 - VGH B 55/14 u.a. -, juris Rn. 6).

2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.

Insbesondere steht insoweit nicht die Bundesrechtsklausel des § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG entgegen, wonach die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, soweit die öffentliche Gewalt des Landes - wie hier - Bundesrecht ausführt oder anwendet (vgl. auch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 LV). Ist nämlich ein Verstoß gegen das in Art. 17 Abs. 1 und 2 LV enthaltene Willkürverbot festzustellen, so liegt der Entscheidung in Wahrheit kein materielles Bundesrecht zugrunde, dessen Anwendung gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist (vgl. VerfGH RP, Beschlüsse vom 16. März 2001 - VGH B 14/00 -, AS 29, 89 [91 f.]; vom 30. Juni 2015 - VGH B 15/15 u.a. -, juris Rn. 36; vom 15. Juli 2015 - VGH B 19/15 -, juris Rn. 24; vom 27. Juli 2017 - VGH B 18/16 -, juris Rn. 10; vom 19. November 2019 - VGH B 24/19 -, AS 47, 317 [323 f.]).




II.

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie jedoch offensichtlich unbegründet.

Die angefochtenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 17 Abs. 1 und 2 LV.

1. Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof grundsätzlich entzogen; es ist nicht Aufgabe eines Verfassungsgerichts, die Entscheidungen der Fachgerichte nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu überprüfen. Dies gilt aufgrund der Kompetenznorm in § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG insbesondere dann, wenn ist. Der Verfassungsgerichtshof kann insoweit nur korrigierend eingreifen, als spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist. Spezifisches Verfassungsrecht ist verletzt, wenn das Fachgericht bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts Bedeutung und Tragweite des jeweils betroffenen Grundrechts verkannt oder willkürlich entschieden hat (VerfGH RP, Beschluss vom 19. November 2019 - VGH B 10/19 -, AS 47, 299 [310] m.w.N.). Dabei macht die fehlerhafte Rechtsanwendung allein eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 -, BVerfGE 89, 1 [13 f.]; Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1934/93 -, BVerfGE 96, 189 [203], jeweils zu Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Willkürlich ist ein Richterspruch erst dann, wenn er bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - VGH B 12/01 -, AS 29, 215 [215 f.]; Urteil vom 24. Februar 2014 - VGH B 26/13 -, AS 42, 157 [182]; Beschluss vom 15. Juli 2015 - VGH B 19/15 -, AS 43, 412 [418 f.]; Beschluss vom 9. Januar 2019 - VGH B 25/18 u.a. -, juris Rn. 23; Beschluss vom 19. November 2019 - VGH B 10/19 -, AS 47, 299 [310]).

2. Nach diesen Maßstäben lassen die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts keinen Verstoß gegen das Willkürverbot erkennen. Die in Übereinstimmung mit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung - dort allerdings ursprünglich noch im Hinblick auf § 110b Abs. 1 Satz 2 OWiG a.F. - vertretene Annahme der Fachgerichte, das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle habe nicht die Unwirksamkeit des in Papierform hergestellten und versandten Bußgeldbescheides zur Folge (vgl. hierzu neben der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts [Urteilsabdruck S. 4]: OLG Koblenz, Beschlüsse vom 6. September 2016 - 1 OWi 3 SsRs 93/16 -, juris Rn. 5 f. [zu § 110b OWiG a.F.]; vom 12. Dezember 2017 - 2 OWi 4 SsRs 122/17 -, juris Rn. 14 ff. [zu § 110b OWiG a.F.]; vom 17. Juli 2018 - 1 OWi 6 SsBs 19/18 -, juris Rn. 7 f.; vom 2. Oktober 2020 - 3 OWi 6 SsBs 258/20 -, juris Rn. 8; vom 17. November 2020 - 1 OWi 6 SsRs 271/20 -, juris Rn. 10; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 1 OWi 2 SsBs 117/19 u.a. -, juris Rn. 4), erweist sich weder als schlechthin unhaltbar noch als offensichtlich sachwidrig.

Insoweit erscheint bereits die der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde liegende Prämisse des Fehlens einer Rechtsgrundlage für die (fakultative) elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle nicht zwingend. Zwar trifft es zu, dass in Rheinland-Pfalz bis zum Inkrafttreten der Landesverordnung über die elektronische Aktenführung in behördlichen Bußgeldverfahren der Zentralen Bußgeldstelle vom 6. Mai 2021 (GVBl. S. 282) keine Rechtsverordnung im Sinne von § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG existierte. Nach dieser Vorschrift bestimmen die Bundesregierung und die Landesregierungen jeweils für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden. Allerdings betrifft diese Bestimmung jedenfalls ihrem Wortlaut nach („Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden“ [Hervorhebung nur hier]) allein die verpflichtende Einführung der elektronischen Aktenführung (vgl. Valerius, in: BeckOK OWiG, 30. Ed., § 110a Rn. 6 [1. April 2021]; Krenberger, in: BeckOK Straßenverkehrsrecht, 11. Ed., § 110a OWiG Rn. 5 [15. April 2021]; Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm [Hrsg.], OWiG, 6. Aufl. 2020, § 110a Rn. 5). Deshalb wird in der Literatur die Auffassung vertreten, für die fakultative elektronische Aktenführung sei § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG, wonach die Akten elektronisch geführt werden „können“, eine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm [Hrsg.], OWiG, 6. Aufl. 2020, § 110a Rn. 5; a.A. Stahnke, in: Gassner/Seith [Hrsg.], OWiG, 2. Aufl. 2020, § 110a Rn. 3). Hiernach würde die von der Zentralen Bußgeldstelle bis zum Inkrafttreten der vorgenannten Landesverordnung bereits praktizierte (fakultative) elektronische Aktenführung eine Rechtsverordnung im Sinne von § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG nicht voraussetzen.




Dies gilt umso mehr, als die Auffassung, § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG stelle eine ausreichende Rechtsgrundlage für die fakultative elektronische Aktenführung im Bußgeldverfahren dar, nicht nur nach dem Gesetzeswortlaut, sondern auch in Ansehung der Gesetzeshistorie jedenfalls nicht fernliegt. Die gegenwärtige Gesetzesfassung von § 110a Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG entstammt Artikel 8 Nr. 13 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208); sie ist zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Der Sache nach haben § 110a Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG die Bestimmungen in § 110b Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung abgelöst. Letztere lauteten:

   „§ 110b Elektronische Aktenführung in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung

(1) Die Verfahrensakten können elektronisch geführt werden. 2Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden oder im behördlichen Verfahren geführt werden können sowie die hierfür geltenden organisatorisch-technischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronisch geführten Akten. [...]“

Bei einem Vergleich der bis zum 31. Dezember 2017 mit § 110b Abs. 1 Satz 2 OWiG a.F. in Kraft befindlichen Gesetzesfassung einerseits („bestimmen [...] durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden oder im behördlichen Verfahren geführt werden können“ [Hervorhebung nur hier]) und der nunmehr seit dem 1. Januar 2018 mit § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG geltenden Gesetzesfassung andererseits („bestimmen [...] durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt werden“) fällt auf, dass die vormalige ausdrückliche Notwendigkeit einer Rechtsverordnung für den Fall der fakultativen elektronischen Aktenführung im behördlichen (Bußgeld-)Verfahren durch § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG n.F. nicht übernommen worden ist. Dies legt den Schluss nahe, der Gesetzgeber habe den Fall der fakultativen elektronischen Aktenführung im behördlichen (Bußgeld-)Verfahren als nicht mehr von § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG, sondern bereits von § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG erfasst angesehen. Folgt man dieser Rechtsauffassung, würde sich die Frage der Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids erst gar nicht stellen; der durch den Beschwerdeführer gerügten Verletzung des Willkürverbots wäre sodann von vornherein die Grundlage entzogen.



Ob § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG im Ergebnis eine ausreichende Rechtsgrundlage für die hier in Streit stehende fakultative elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle darstellt oder vielmehr der Gegenauffassung zu folgen ist, wonach es auch in diesem Fall einer Rechtsverordnung im Sinne von § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG bedarf, muss der Verfassungsgerichtshof - ungeachtet der zuvorderst den Fachgerichten zukommenden Beantwortung dieser Rechtsfrage - in dem vorliegenden Verfahren allerdings nicht abschließend entscheiden. Denn auch unter der Annahme einer fehlenden Rechtsgrundlage für die elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle verstoßen die angegriffenen Entscheidungen nicht gegen Art. 17 Abs. 1 und 2 LV. Die Annahme des Amtsgerichts, aus dem Fehlen eines durch eine Rechtsverordnung bestimmten Zeitpunkts für die elektronische Aktenführung ergebe sich nicht die Unwirksamkeit eines Bußgeldbescheides, wenn dieser ausgedruckt und per Post versandt worden, also nach außen hin für jedermann erkennbar in Erscheinung getreten sei, ist nachvollziehbar und beruht nicht auf sachfremden Erwägungen. Mängel im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde - um einen solchen handelte es sich bei der (unterstellt) rechtsgrundlosen elektronischen Aktenführung - haben nämlich grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids und sind daher im gerichtlichen Verfahren unbeachtlich (vgl. Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 66 Rn. 39; Lay, in: BeckOK Straßenverkehrsrecht, § 66 OWiG Rn. 88). Soweit im Falle besonders schwerwiegender Fehler - beispielsweise wenn das Verfahren gegen elementare, nicht verzichtbare Grundsätze der Rechtsordnung verstößt - ausnahmsweise eine Nichtigkeit des Bußgeldbescheids in Betracht zu ziehen ist (vgl. Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 66 Rn. 77 m.w.N.; hierzu auch schon VerfGH RP, Beschluss vom 19. November 2019 - VGH B 24/19 -, AS 47, 317 [326]), kann hiervon vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn dass es sich bei der fakultativen elektronischen Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle ohne das Vorhandensein einer Rechtsverordnung im Sinne von § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG (deren Notwendigkeit insoweit wiederum unterstellt wird) nicht um einen besonders schwerwiegenden Fehler handelt, liegt schon angesichts der dargelegten - jedenfalls nicht fernliegenden - Rechtsauffassung, die Möglichkeit der fakultativen elektronischen Aktenführung werde bereits durch § 110a Abs. 1 Satz 1 OWiG eröffnet, auf der Hand.

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