Das Verkehrslexikon

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EDV-Verarbeitung von OWi-Vorgängen - Anhörungsbogen - Automatisierung

EDV-Verarbeitung von OWi-Vorgängen - Automatisierung




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Vorlage-Beschluss des OLG Brandenburg
-   Vorlage-Entscheidung des BGH
-   Handschriftliche Verfügung ist nötig
-   Keine handschriftliche Anordnung nötig



Einleitung:


Die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten wird in der Regel mit modernen Datenverarbeitungsanlagen eingeleitet und durchgeführt. Das eingesetzte Programm stellt dabei sicher, dass die jeweils angezeigten Maßnahmen zum vorgeschriebenen Zeitpunkt durchgeführt werden.


In diesem Rahmen sind maschinell erstellte Schreiben ohne Unterschrift zulässig, sofern in den einmal vorgegebenen Ablauf des Programms keine manuellen Eingriffe erfolgen. Verändert allerdings ein Sachbearbeiter Eingabedaten (z. B. bei einem Wechsel des Betroffenen) und bedient sich dann weiterhin der Hilfe der EDV, dann ist strittig, in welcher Weise solche Änderungen und die darauffolgenden Bearbeitungsschritte individuell in der Akte gekennzeichnet werden müssen, um z. B. noch verjährungsunterbrechenden Wirkung entfalten zu können.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten

Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

EDV-Verarbeitung von OWi-Vorgängen - Automatisierung

Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung bei EDV-Benutzung

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Allgemeines:


OLG Hamm v. 20.11.2008:
Der nach automatischer Speicherung der Daten des Betroffenen gegen diesen gerichtete Verfolgungswille des Sachbearbeiters der Verwaltungsbehörde manifestiert sich in den elektronisch gespeicherten Befehlen zur Fertigung und Versendung des Anhörungsbogens. Insoweit ist ausreichend, dass die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens dem Betroffenen mittels eines (auch gespeicherten) elektronischen Briefes erfolgt oder das Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde nach Eingabe der Daten des Betroffenen die Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens selbsttätig veranlasst. Auf den tatsächlichen Zugang des Anhörungsschreiben bei dem Betroffenen kommt es hingegen nicht an.

KG Berlin v. 14.01.2016:
Ein in Papierform oder mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung (§ 51 Abs. 1 Satz 2 OWiG) erstellter Bußgeldbescheid ist auch ohne eigenhändige Unterschrift wirksam, wenn aus der Akte anderweitig zweifelsfrei erkennbar ist, dass er auf dem Willen des zuständigen Behördenmitarbeiters beruht.

OLG Düsseldorf v. 08.04.2019:
Der Erlass eines wirksamen Bußgeldbescheides ist Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Bußgeldverfahren. Zwar kann der Bußgeldbescheid auch durch die EDV hergestellt werden, dies setzt aber voraus, dass dies auf einem für den Betroffenen erkennbaren und nachprüfbaren Willensakt der Behörde beruht, d.h. dass der zuständige Sachbearbeiter den Bußgeldbescheid aktenkundig verfügt hat; es reicht sogar aus, wenn eine von vorherein aus den Akten ersichtliche Verfügung des Sachbearbeiters nicht gegeben ist, jedoch nachträglich im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass der Bußgeldbescheid von dem zuständigen Sachbearbeiter durch Benutzung der EDV-Anlage erlassen worden ist.

OVG Lüneburg v. 27.11.2020:
  1.  Die Automatisierung von Anhörungsvorgängen im Bußgeldverfahren rechtfertigt keine Abstriche vom Grundsatz der Aktenvollständigkeit im Verwaltungsverfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht.

  2.  Ein Ausdruck des Anhörungsbogens dürfte schon deshalb zum Inhalt einer vollständigen Akte gehören, weil dem Adressaten auf dem Anhörungsbogen Belehrungen erteilt werden, deren Inhalt unter anderem für das weitere der Bußgeldbehörde obliegende Vorgehen bedeutsam sein kann.

VerfGH des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz v. 20.07.2021:
Die elektronische Aktenführung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne landesgesetzliche Grundlage ist nicht landeslverfassungswidrig.

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Vorlage-Beschluss des OLG Brandenburg:


OLG Brandenburg v. 16.11.2005:
Die bei der zentralen Bußgeldstelle unter einem individuellen Kürzel unter Zuhilfenahme der installierten Spezial-Software nach einem Betroffenenwechsel veranlasste Versendung des Anhörungsbogens an den neuen Betroffenen unterbricht die Verjährung diesem gegenüber gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (Vorlage an den BGH).

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Vorlage-Entscheidung des BGH:


BGH v. 22.05.2006:
Für eine verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG reicht es aus, dass der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst, wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen.

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Handschriftliche Verfügung ist nötig:


OLG Dresden v. 27.04.2004:
Zum Erfordernis handschriftlicher Dokumentation eines verjährungsunterbrechenden individuellen Eingriffs in den vorprogrammierten Ablauf des EDV-Systems der Verfolgungsbehörde

OLG Dresden v. 10.05.2005:
Die Übersendung eines Anhörungsbogens zur Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG) hat nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn entweder aktenkundig gemacht ist, wer die Anordnung vorgenommen hat und der zuständige Sachbearbeiter durch Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums übernommen hat, oder der Anhörungsbogen mittels einer EDV-Anlage gefertigt worden ist, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computer eingegriffen hat

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Keine handschriftliche Anordnung nötig:


KG Berlin v. 02.07.1999:
Für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ist daher der Zeitpunkt des Ausdrucks des Anhörungsbogens maßgebend. Der Ausdruck des Anhörbogens nach einem vorprogrammierten Fristenplan gehört zu den schematisierten und formellen Arbeitsabläufen, die die EDV-Anlage selbständig erledigen kann. Einer Verfügung durch einen Sachbearbeiter bedarf es zur Anhörung des Betroffenen nicht, da hierbei, anders als beim Bußgeldbescheid selbst, keine Individualentscheidung getroffen wird, und zwar auch dann nicht, wenn der Sachbearbeiter die Versendung eines Anhörbogens manuell veranlasst

BayObLG v. 20.11.2003:
Eine Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bedarf keiner besonderen Form. Selbst das Fehlen eines Handzeichens oder der Unterschrift des Sachbearbeiters ist unschädlich, wenn sich der geäußerte behördliche Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise mit Gewissheit feststellen lässt

BayObLG v. 24.05.2004:
Das Fehlen einer Unterschrift oder des Handzeichens des Sachbearbeiters auf einer schriftlichen Anordnung zur Anhörung des Betroffenen ist entgegen § 33 Abs. 2 OWiG unschädlich, wenn sich der geäußerte behördliche Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise mit Gewissheit feststellen lässt. Hierfür genügt eine in die Akte aufgenommene nicht unterzeichnete Kopie eines polizeilichen Vorladungsschreibens an den Betroffenen, in welchem der Vorwurf näher aufgeführt ist

KG Berlin v. 02.08.2005:
Erfolgt die Anordnung der Anhörung des Betroffenen nicht durch eine schriftliche Anordnung oder Entscheidung, sondern ausschließlich durch Eingabe des zuständigen Sachbearbeiters in die Datenverarbeitungsanlage der Bußgeldstelle, bei der eine Unterschrift naturgemäß nicht möglich und für die Wirksamkeit auch gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, dann kommt es für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nicht auf die Unterzeichnung durch den zuständigen Sachbearbeiter an

OLG Hamm v. 08.12.2005:
Eine Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bedarf keiner besonderen Form. Erfolgt die Anordnung schriftlich, ist grundsätzlich nach § 33 Abs. 2 OWiG die Unterzeichnung erforderlich, wofür ein vom Sachbearbeiter angebrachtes Handzeichen genügt. Aber selbst das Fehlen des Handzeichens (oder der Unterschrift) ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung dann unschädlich, sofern sich der geäußerte behördliche Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise mit Gewißheit feststellen läßt

OLG Hamburg v. 10.01.2006:
Der Grundsatz, dass die Übersendung eines Anhörungsbogens zur Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG) nur dann die Verjährung wirksam unterbricht, wenn entweder aktenkundig gemacht ist, wer die Anordnung vorgenommen hat und der zuständige Sachbearbeiter durch Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums übernommen hat, oder der Anhörungsbogen mittels einer EDV-Anlage gefertigt worden ist, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computers eingegriffen hat (so zuletzt OLG Dresden in DAR 2005, 570, 571), gilt wegen des eindeutigen Wortlauts des § 33 Abs. 2 OWiG auch dann, wenn die den Sachbearbeiter ausweisende Anordnung elektronisch im System hinterlegt ist und ein Missbrauch durch eine jedem Sachbearbeiter individuell zugeordnete - durch Password gesicherte - Kennung ausgeschlossen erscheint.

OLG Düsseldorf v. 08.12.2006:
Für die Unterbrechung der Verjährung durch die Anordnung, dem Betroffenen bekannt zu geben, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, reicht aus, dass der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst, wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen (BGH NJW 2006, 2338).

OLG Hamm v. 20.11.2008:
Eine gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens liegt immer dann vor, wenn ein Ermittlungsorgan den Willen geäußert hat, dass dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden soll. Dies ist anzunehmen, wenn der zuständige Beamte der Verwaltungsbehörde verfügt hat, dass dem Betroffenen ein Anhörungsbogen zugesandt werden soll. Eine derartige Verfügung liegt auch vor, wenn der Wille des Sachbearbeiters als elektronischer Befehl zur Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens im Arbeitsprogramm des Rechners der Verwaltungsbehörde niedergelegt wird. Es macht nämlich keinen sachlichen Unterschied, ob eine schriftliche Verfügung des Sachbearbeiters, den Anhörungsbogen zu erstellen und zu versenden, an eine mit dieser Aufgabe betraute Schreibkraft gerichtet oder ob eine in der Sache identische, aber elektronisch gespeicherte Verfügung des Sachbearbeiters vom Arbeitsprogramm des Rechners ausgeführt wird. In beiden Fällen wird der vom Sachbearbeiter gefasste Wille, gegen einen bestimmten Betroffenen wegen einer bestimmten mit Bußgeld bedrohten Handlung vorzugehen, auf gleiche Weise konkretisiert.

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